29.09.2022 - 6 Soziale Maßnahmen hinsichtlich der gestiegenen ...
Grunddaten
- TOP:
- Ö 6
- Datum:
- Do., 29.09.2022
- Status:
- gemischt (Sitzung abgeschlossen)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- Öffentliche/Nichtöffentliche Sitzung
- Beschluss:
- ungeändert beschlossen
Beratung
Zunächst berichtet Herr Maul von der STAWAG zum Thema. Er trägt die Powerpoint-Präsentation „Entwicklung Energiemärkte und Maßnahmen der STAWAG“ vor. Die Präsentation findet sich in der Anlage zu dieser Niederschrift.
Inhaltlich geht Herr Maul auf folgende Themenkomplexe ein:
- Entwicklung der Beschaffungspreise für Elektrizität und Gas
- Steigende Preise und fehlende Liquidität als Folgen
- Politische und gesetzgeberische Gegenmaßnahmen
- Einrichtung eines internen Krisenstabs als Reaktion der STAWAG
- Auswirkungen für die Kund*innen der STAWAG, insbesondere Gaspreiserhöhung voraussichtlich zum 01.11.2022 und Strompreiserhöhung nicht vor dem 01.01.2023
- Tarifvergleich „Grundversorgung“ - „Sondervertrag“
- Flankierende Maßnahmen im Zuge von Preiserhöhungen, z. B. Verstärkung im Kund*innenservice, sorgfältige Prüfung von Erhöhungen von Abschlagszahlungen, einseitiges Kürzungsrecht der Kund*innen bei Abschlägen, proaktives Angebot von Ratenzahlungsplänen, Mahn- und Sperrwesen, Abwendungsvereinbarungen usw.
- Ausbau der Schuldner*innenberatung in Kooperation mit der Verbraucherzentrale zur Verhinderung von Energiesperren
- Erweitertes Angebot mit Kooperationspartner*innen beim „Stromsparcheck“
Anschließend berichtet Frau Wagner, Verbraucherzentrale Aachen. Mit eindringlichen Worten weist sie die Anwesenden darauf hin, dass sie als Beraterin gegenwärtig faktisch kein anderes Thema als Energieberatung mehr kenne. Hauptfragen der rat- und hilfesuchenden Bürger*innen ergäben sich zum einen aus der hohen Sparbereitschaft, z. B.: „Was kann ich vorsorglich tun?“, „Wie kann ich sparen?“.
Weiter kämen verstärkt Anfragen wie „Wie kann ich in den Grundversorgungstarif der STAWAG/des örtlichen Versorgers zurückkehren?“. Ein dritter Komplex von Anfragen betreffe Zahlungsschwierigkeiten im Hinblick auf höhere Abschlagszahlungen an den Energieversorger bzw. höhere Betriebskostenvorauszahlungen an Wohnraumvermieter*innen.
In einem gesonderten Teil ihres Berichts geht Frau Wagner außerdem auf die Hilfs- und Beratungstätigkeit des Jobcenters ein.
Zusammenfassend hebt Frau Wagner besonders hervor, dass aus ihrer Sicht und im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gruppe der „Labouring Poor“ die größten Schwierigkeiten haben würde, finanziell durch den Winter zu kommen. Kritisch zu bewerten seien beispielsweise Fälle, in denen die Notwendigkeit neu hinzukommender, erhöhter Abschlags- oder Vorauszahlungen auf bereits laufende Ratenzahlungsvereinbarungen treffen würden. Es müsse deshalb dringend geklärt werden, wie in solchen Fällen Energiesperren zu verhindern seien.
Frau Wagner spricht sich im Ergebnis für weitere Hilfspakete auf den verschiedenen politischen Ebenen aus. Wichtig sei vorrangig, dass die finanziellen Hilfen auch noch rechtzeitig vor etwaigen Energiesperren bei den Betroffenen ankommen würden. Im Rahmen ihrer tagtäglichen Beratungstätigkeit bei der Verbraucherzentrale verweise sie Hilfesuchende bereits jetzt darauf, rein präventiv möglichst frühzeitig Aufstockungs- und Wohngeldleistungen zu beantragen.
Verschiedene Ausschussmitglieder, u. a. Herr Schäfer, Frau BMin Scheidt und Frau Braun danken Frau Wagner und Herrn Maul für ihre Vorträge. Im Anschluss beantworten Frau Wagner und Herr Maul Nachfragen.
Zur Frage nach den eigenen Möglichkeiten der STAWAG, Mieter*innen und Verbraucher*innen ohne spürbares individuelles Einsparpotenzial bei der Abwendung von Energiesperren zu helfen, verweist Herr Maul auf die Möglichkeit der Berücksichtigung sozialer Kriterien im Rahmen der Abwägungsentscheidung im Vorfeld von Energiesperren, den fakultativen Einsatz von „Prepaid-Zählern“ sowie die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen der Gesamtschuldnerberatung und die Möglichkeit der Beantragung von Wohngeld.
Hinsichtlich der Frage von Frau Braun nach der Reichweite der Informationskampagne der STAWAG zum Thema „Energiesparen“ informiert Herr Maul, dass die STAWAG seit langem den „Stromsparcheck“ unterstütze und in Kürze das zusätzliche Angebot einer „Basisberatung Heizen“ starten werde. Damit sei eine hinreichende Erreichbarkeit der Aachener Kund*innen gewährleistet.
Frau Wagner appelliert vor dem Hintergrund der Berücksichtigung sozialer Kriterien seitens der STAWAG an die Betroffenen, soziale Notlagen gegenüber der STAWAG offen und ehrlich anzusprechen und nicht aufgrund eines falschverstandenen Schamgefühls zu lange zurückzuhalten. Nur wenn die STAWAG beispielsweise rechtzeitig vom haushaltsangehörigen Kind im Säuglingsalter erfahre, könne sie aus humanitären Gründen eine an sich gerechtfertigte Energiesperre abwenden.
Frau BMin Scheidt hebt in ihrem Wortbeitrag folgende Punkte hervor:
- Die Erwartung, dass die STAWAG eigene Gewinne im Bereich der „Erneuerbaren“ in der derzeitigen überhitzten Marktsituation kostendämpfend in die Preisbildung einbeziehe.
- Den Wunsch an die Öffentlichkeit, den verschiedenen Entlastungspaketen der Bundesregierung auch die nötige Zeit zu geben, damit sie ihre Wirkung entfalten könnten.
- Den Appell an die Mieter*innen, einstweilen Ruhe zu bewahren, und sich nicht von Vermieter*innen zu erheblich höheren Betriebskostenvorauszahlungen drängen zu lassen, bevor die preisdämpfenden Wirkungen des neuen Entlastungspakts der Bundesregierung vom 29.09.2022 absehbar würden.
Darüber hinaus betont sie den Wert der STAWAG als kommunal beherrschtes Energieversorgungsunternehmen für die Bürger*innen in Aachen in der aktuellen Situation.
Am Ende ihres Beitrags bittet sie darum, dass der Ausschuss ab sofort fortlaufend über die Beratungen und Ergebnisse des Runden Tisches zur Energiekrise, der von Frau Oberbürgermeisterin Keupen geleitet wird, informiert wird.
Dafür schlägt Frau BMin Scheidt einen ständigen Tagesordnungspunkt für die Ausschusssitzungen vor.
Das trifft auf einhellige Zustimmung.
Für die Verwaltung fasst Herr Tönnes den aktuellen Sachstand der Beratungen des Runden Tisches „Energiekrise“ zusammen. Demnach habe der Runde Tisch sich am 14.09.2022 zu seiner ersten Sitzung getroffen. Beratungsgegenstand seien u. a. die verschiedenen Entlastungspakete der Bundesregierung gewesen. In diesem Zusammenhang weist Herr Tönnes auf die Tischvorlage der Verwaltung zu TOP 6 („Maßnahmen Entlastungspakete Bundesregierung“) hin, die sich ebenfalls in der Anlage zu dieser Niederschrift findet. Er geht auf die geplante Wohngeldreform ein, die den Kreis der Anspruchsberechtigten verdreifachen und die Zuwendungen deutlich erhöhen werde. Nach Auskunft der Wohngeldstelle habe sich die Anzahl der Anträge und Anfragen in Aachen bereits jetzt deutlich erhöht. Als weitere realistische und geeignete Hilfen für den Personenkreis, der aufgrund der Krise erstmalig auf Unterstützung angewiesen sei, nennt Herr Tönnes das neue Bürgergeld, ab 01.01.2023, und das neue Wohngeld.
Frau van der Meulen stellt für die Antragstellerin den erweiterten Beschlussvorschlag der Fraktion „DIE LINKE“ zu TOP 6 vor:
„Der Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie nimmt die Ausführungen der Verbraucherzentrale, der STAWAG sowie der Verwaltung zur Kenntnis.
Darüber hinaus fasst er folgende Beschlüsse:
- Die Stadt Aachen richtet einen Härtefallfonds in Höhe von 100.000 Euro ein. Die Verwaltung wird beauftragt, Kriterien zu erarbeiten, nach denen Menschen, die ihre Strom- und Gasrechnung nicht bezahlen können, aus dem Fonds unterstützt werden.
- Die STAWAG wird aufgefordert, angesichts der dramatisch steigenden Energiekosten die Strom- und Gassperren auszusetzen.
- Der Ausschuss erwartet von der Bundesregierung, ein gesetzliches Verbot von Energiesperren auf den Weg zu bringen.“
Frau van der Meulen verweist auf einen vorangegangenen Antrag, den ihre Fraktion bereits im Frühjahr zum selben Thema gestellt hatte. Ziel des Antrags sei die unbürokratische und schnelle Hilfe für die im Rahmen der Aussprache mehrfach thematisierte Gruppe der „Labouring Poor“. Ein vergleichbarer Beschluss des Rates der Stadt Bielefeld habe bereits Gutes bewirkt. Bielefeld habe auch einen Katalog der Förderkriterien erarbeitet und beschlossen.
Herr Schäfer kündigt für die SPD-Fraktion an, der erweiterten Beschlussfassung der Fraktion „DIE LINKE“ nicht zuzustimmen. Er bittet die Verwaltung stattdessen weitere Vorschläge zur Bekämpfung der Energiearmut zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang verweist Herr Schäfer auf den Runden Tisch „Energiekrise“ unter der Leitung von Frau Oberbürgermeisterin Keupen. Herr Schäfer wirbt dafür, statt Schnellschüssen in Antragsform vorerst die Auswirkungen der verschiedenen Entlastungsmaßnahmen von Bundes- und Landesregierung abzuwarten. Falls nötig werde seine Fraktion dann zu gegebener Zeit einen eigenen Antrag zum Thema einbringen.
Frau Braun schließt sich für die GRÜNE-Fraktion der Einschätzung von Herrn Schäfer an. Auch sie plädiert dafür, einstweilen die Wirksamkeit der bereits beschlossenen Hilfsmaßnahmen abzuwarten und ggf. nachzusteuern.
Für die CDU-Fraktion erklärt Herr Tillmanns, die Intention der Fraktion „DIE LINKE“ gut nachvollziehen zu können. Gerade auch aus seiner beruflichen Arbeit als gesetzlicher Betreuer heraus seien ihm die aktuellen Notlagen u. a. von Rentner*innen sehr gut bekannt. Im Ergebnis kündigt Herr Tillmanns an, dass die CDU-Fraktion gegen den erweiterten Beschlussentwurf der LINKEN stimmen werde. Er spricht sich dafür aus, einerseits die Wirksamkeit der Hilfspakete von Bund und Land abzuwarten und andererseits mögliche zusätzliche Hilfen auf kommunaler Ebene im Gesamtzusammenhang der in Kürze beginnenden Beratungen über den städtischen Haushalt 2023 zu diskutieren. Grundsätzlich zeigt sich Herr Tillmanns offen für die spätere Beratung eines ggf. notwendig werdenden kommunalen Hilfsprogramms im Ausschuss.
Am Ende der Aussprache nimmt Frau Grehling für die Verwaltung Stellung. Sie stellt klar, dass der Ausschuss - falls er mehrheitlich im Sinne des Beschlussvorschlags der Fraktion DIE LINKE beschließen wolle - lediglich einen Empfehlungsbeschluss an den Rat auf den Weg bringen könne und informiert darüber, dass eine Verwaltungsvorlage mit vergleichbarer Zielrichtung (Energiefonds) dem Finanzausschuss noch zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werde.
Der Ausschussvorsitzende, Herr Deumens, ruft zunächst den erweiterten Beschlussvorschlag der Fraktion „DIE LINKE“ zur Abstimmung auf. Mit 14 „Nein“-Stimmen und drei „Ja“-Stimmen wird der Antrag abgelehnt.
Anschließend beschließt der Ausschuss einstimmig im Sinne des (ursprünglichen) Beschlussvorschlags der Verwaltung.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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