31.05.2007 - 3 Bericht der Polizei über die Situation im Wohnu...

Beschluss:
zur Kenntnis genommen
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Beratung

Die Ausschussvorsitzende, Frau Höller-Radtke, begrüßte zu diesem Tagesordnungspunkt von der Polizei Aachen, Herrn Polizeipräsidenten Oelze und  Herrn Lennartz sowie Frau Braun-Kurzmann vom Sozialdienst katholischer Frauen e.V.

 

Seinen Bericht begann der Polizeipräsident, Herr Oelze, mit der Bemerkung, dass er gerne das polizeiliche Handlungskonzept für das gesamte Ostviertel vorstellen und weniger zur Situation in der Robert-Koch-Strasse berichten wolle, da durch die gute Arbeit der vergangenen Monate die Strasse aus polizeilicher Sicht unauffällig geworden sei.

Herr Oelze berichtete weiter, dass er im Jahr 2005/2006 in seinem Haus die Frage gestellt habe, ob es Sinne mache, ein Handlungskonzept für das Ostviertel zu entwickeln. Eine Projektgruppe ging aufgrund dieser Initiative folgenden Fragen nach:

 

-          Wie ist die Lage im Ostviertel?

-          Wie bewerten wir die Lage?

-          Was können wir tun?

 

Die Projektgruppe hatte mit dem Ostviertel ein relativ großes Gebiet von der BAB 544 /Europaplatz über den Berliner Ring / Madrider Ring bis Erzbergerallee zu betrachten. Sie verfolgte dabei den Ansatz, sich mit jenen zusammen zu setzen, die sich bereits im Ostviertel engagieren, um so die Lage besser begreifen zu können. In diesem Zusammenhang kam sie zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass bereits 142 Institutionen in dem beschriebenen Gebiet aktiv seien. Diese hohe Zahle zeige, dass eine Arbeit in diesem Gebiet wichtig sei, aber alle Beteiligten auch mehr voneinander wissen müssten.

Zur polizeilichen Situation führte Herr Oelze aus, dass dieses Gebiet in 9 polizeiliche Fahndungsgebiete eingeteilt sei. Die Verkehrspolizei müsse sich bekanntlich um eine erhebliche Verkehrsbelastung kümmern und gerade junge Fahranfänger wären hier stark vertreten.

Aus kriminalpolizeilicher Sicht sei zu sagen, dass 17,3 % aller in 2005 registrierten Straftaten im Ostviertel begangen wurden. Hier seien als Schwerpunkte die Elsaßstrasse, die Aretzstrasse und der Adalbertsteinweg zu nennen. Jeder 5. Straftäter lebe in diesem Gebiet.

Als typisch für das Ostviertel seien auch die 12 Jugendgruppen mit bis zu 120 Mitgliedern zu bezeichnen, die teilweise eine erhebliche kriminelle Energie aufwiesen. Diese Gruppen seien interessanterweise multi-ethnisch zusammengesetzt und allein die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppen sei geeignet, andere Personen einzuschüchtern oder zu verängstigen.

 

Aus den Vorschlägen der Projektgruppe sei bereits umgesetzt, die Bildung:

-          der Aachener Allianz gegen Jugendgewalt,

-          eines neuen Kriminalkommissariats,

-          einer Liste über besonders auffällige Jugendliche des Ostviertels.

 

Bei der letztgenannten Maßnahme hatte die Polizei zunächst die Befürchtung, dass eine Aufnahme in die Liste für die Jugendlichen Image fördernd  sei. Dies habe sich jedoch in der Praxis nicht bestätigt, sondern eher das Gegenteil bewirkt.

 

Darüber hinaus seien als präventive Maßnahmen u.a. beabsichtigt:

-          Erhöhung der Polizeipräsenz, um 4 Beamte (entspricht einer 30 %igen Erhöhung),

-          intensive Betreuung bestimmter besonders auffälliger kleinräumiger Bereiche,

-          Bildung gemeinsamer Streifen von Polizei und Ordnungskräften einschließlich Schaffung einer gemeinsamen Anlaufstelle in der Polizeiwache Viktoriastrasse, deren Besetzung den Geschehnissen im Viertel entsprechend flexibel gestaltet werden sollte.

 

Der Vorschlag der Projektgruppe, am Elsaßplatz, in der Elsaßstrasse und auf dem Adalbertsteinweg (von Josefskirche bis Bahnhof Rothe Erde) eine Videoüberwachung einzuführen, werde zur Vermeidung einer Verdrängung der Probleme in andere nicht überwachte Bereiche nicht umgesetzt.

 

Zusammenfassend stellte Herr Oelze fest, dass

-          das eigene Personal im Bereich Ostviertel verstärkt wurde,

-          das Personal effektiver eingesetzt werde und

-          mit den Partnern vor Ort eine intensivere Zusammenarbeit angestrebt würde.

 

Zuletzt wies Herr Oelze darauf hin, dass er das Ostviertel nicht schlecht machen wolle, sondern dieses „Viertel mit Erneuerungsbedarf“ auch mit den gezielten Maßnahmen der Polizei auf einen besseren Weg gebracht werden solle.

 

Die Ausschussvorsitzende, Frau Höller-Radtke, bedankte sich bei Herrn Oelze für den Bericht und erklärte, dass eine Pressemeldung zur Videoüberwachung dazu geführte habe, das Thema Ostviertel im Sozial- und Gesundheitsausschuss zu behandeln.

 

Herr Groteclaes bezog sich ebenfalls auf den Pressebericht, in dem der Polizeipräsident mit der Aussage zitiert wurde, dass das Ostviertel erheblich kriminalisiert sei. Die dort lebende Bevölkerung

fühle sich damit unter Generalverdacht gestellt und sei sehr verärgert. Der nun vorgelegte Bericht nehme diese Aussage zurück; dies müsse durch den Polizeipräsidenten auch in der Presse klar gestellt werden.

 

Frau Scheidt hob hervor, dass 83 % der Straftaten in anderen Vierteln der Stadt verübt würden. Das Ostviertel sei sicher ein problematisches Wohngebiet und insofern seien die starke Polizeipräsenz sowie der polizeiliche Maßnahmenkatalog zu begrüßen, vor allem hinsichtlich der Vernetzung der dort ebenfalls aktiven Einrichtungen. Im Übrigen seien nicht alle Jugendgruppen als „Gangs“ zu bezeichnen, da viele Gruppen ihren Mitgliedern eine soziale Sicherheit bieten würden.

Neben der Betrachtung des Ostviertels dürften andere Stadtviertel, wie z B Steppenberg oder Kronenberg, nicht übersehen und müssten nach ihrer Auffassung auch bewertet werden.

 

Herr Künzer sah in dem Handlungskonzept der Polizei einen guten Lösungsansatz für das Ostviertel, vor allem weil die Arbeit unter Beteiligung von Partnern intensiviert werde.

 

Herr Schnitzler hob hervor, dass ein großer Prozentsatz der im Ostviertel lebenden Menschen keine Straftäter seien und das Ostviertel besser als sein Ruf sei. An den Polizeipräsidenten richtete Herr Schnitzler die Frage, wie denn die Entwicklung der vergangenen Jahre gewesen sei.

 

Herr Müller begrüßte den Bericht der Polizei und hier vor allem die Stellungnahme und Entscheidung zur Videoüberwachung sowie die Idee, gemeinsame Streifen aus Polizei und Ordnungsbehörde zu bilden. Da das Ostviertel ein multikulturelles Gebiet sei, bat er den Polizeipräsidenten um Auskunft, wie multikulturell die Aachener Polizei sei.

 

Herr Schäfer (CDU) stellte mit Hinweis auf den relativ hohen Prozentsatz an den Straftaten fest, dass es überall solche Brennpunkte gäbe. Interessant sei, dass bereits kleine Maßnahmen wie die Negativ- Hitliste etwas bewirken würden. Positiv sei auch die Idee der Bildung einer gemeinsamen Anlaufstelle, wie am Kaiserplatz. Von der Polizei wollte er gerne erfahren, wie sich die Straftaten in Einzelbereiche aufschlüsseln ließen.

 

Frau Schulz griff die Idee der Polizei, eine gemeinsame Wache und Streifen zu bilden, als Arbeitsauftrag für die Kommunalpolitik auf und meinte, dass zusätzlich Streetworker eingesetzt werden sollten. Auch solle die Verwaltung bei der Bündelung der Initiativen behilflich sein.

 

Auf  die vorstehenden Aussagen eingehend, sagte der Polizeipräsident, Herr Oelze, dass die Pressemitteilung verständlicherweise für Verärgerungen in der Bevölkerung und bei Herrn Groteclaes gesorgt habe, er jedoch von der Presse falsch interpretiert worden sei. Er habe seinerzeit die Situation genauso dargestellt, wie im aktuellen Bericht vor dem Sozial- und Gesundheitsausschuss.

 

Zur Aussage von Frau Scheidt sagte Herr Oelze, dass die Polizei die anderen Brennpunkte selbstverständlich kenne und nicht unterschätzen würde, aber Prioritäten zu setzen waren und hierbei die Entscheidung zugunsten des Ostviertels gefallen sei.

 

Zu den Aussagen der Herrn Müller und Schnitzler sagte Herr Oelze, dass das Ostviertel durchaus besser als sein Ruf sei, dass es sich aber dennoch um einen Brennpunkt handele. Es mache auch keinen Sinn, auf andere Städte zu verweisen, in denen es schlimmer sei. Dennoch dürfe festgehalten werden, dass Aachen zu den 10 sichersten Großstädten mit über 250000 Einwohnern in der Bundesrepublik gehöre. Zur Frage nach der multikulturellen Struktur der Polizei verwies Herr Oelze darauf, dass die Einstellung der Polizeikräfte zentral auf Landesebene erfolge und verstärkt Beamte mit Migrationshintergrund ausgewählt würden. Es werde versucht, solche Dienstkräfte auch für einen Einsatz im Ostviertel zu gewinnen.

 

Die Bildung einer gemeinsamen Wache und von Streifen wollte der Polizeipräsidenten nicht als Arbeitsauftrag an die Aachener Politik verstanden wissen, sondern er wollte nur darauf hinweisen, dass die bestehenden Probleme im Ostviertel nur gemeinsam gelöst werden könnten.

 

Zur Differenzierung der Straftaten führten Herr Oelze und Herr Lennartz aus, dass es sich im Wesentlichen um              

-          Straßenkriminalität in Verbindung mit Gewalttaten,

      wie Taschendiebstahl, Einbruch, der gesamten Palette der Körperverletzung  sowie um

-          häusliche Gewalt handele.

 

Zur häuslichen Gewalt merkt Herr Oelze ergänzend an, dass erstaunlich viele Frauen mit Migrationshintergrund die Polizei um Hilfe bitten würden.

 

Frau Lürken beantragte, die Verwaltung mit der Vernetzung der vor Ort tätigen Institutionen zu beauftragen, um eine Verbesserung des Umfeldes zu erreichen.

 

Seitens der Verwaltung erklärte Herr Beigeordneter Lindgens zum Einsatz der Ordnungskräfte, dass er die Ideen des Polizeipräsidenten aufgreifen wolle. Die Verwaltung sei dankbar für die gute Zusammenarbeit mit der Polizei. Zu bedenken sei jedoch, dass zusätzliches Personal nicht verfügbar sei.

 

Zur Situation in der Robert-Koch-Strasse widersprach Frau Braun-Kurzmann der Aussage des Polizeipräsidenten. Die Robert-Koch-Strasse sei keineswegs so unauffällig, wie behauptet werde. Es habe lediglich eine Verdrängung zum Kennedypark gegeben. Auch würden viele Taten nicht mehr so offen begangen. Sicher sei jedoch, dass die Ordnungs- und Sozialpartnerschaft Ruhe gebracht habe, vor allem durch die Präsenz von Polizei und eines zusätzlichen Hausverwalters des Sozialamtes zu sehr unterschiedlichen Zeiten. Auch sei der Nachbarschaftstreff gut angenommen worden.

Zu dem vorgestellten Maßnahmekatalog der Polizei sagte Frau Braun-Kurzmann, dass die dort angedachte intensivere Zusammenarbeit und eine zeitlich flexible Präsenz sehr empfehlenswert sei.

 

Auch Herr Verholen wollte der Einschätzung des Polizeipräsidenten nicht folgen. Im hinteren Teil der Robert-Koch-Strasse habe sich die Situation zwar etwas beruhigt, dafür gäbe es im vorderen Teil in letzter Zeit wieder mehr kriminelle Handlungen. Nach seiner Einschätzung habe sich die Präsenz und die Zusammenarbeit mit der Polizei bewährt, aber es sei eben nicht alles ruhig.

 

Hierzu sagte der Polizeipräsident, Herr Oelze, dass er nicht den Eindruck erwecken wollte, die Robert-Koch-Strasse sei eine bessere Wohngegend. Dennoch habe er den Eindruck gewonnen, dass sich die Wohnsituation deutlich gebessert habe.

 

Auf die Frage von Herrn Schnitzler, wie die Verdrängung zu bewerten sei und wo neue Gefahrenpunkte und Handlungsnotwendigkeiten entstanden wären, sagte Frau Braun-Kurzmann, dass sie auf diesen Umstand hingewiesen habe, um deutlich zu machen, dass nun andere Bereiche betroffen seien.

Der Polizeipräsident machte deutlich, dass dieser Fakt in Auge behalten werde, mit dem Signal: „Wir beobachten Euch.“

 

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Sodann beschloss der Sozial- und Gesundheitsausschuss einstimmig:

 

Die Verwaltung wird beauftragt, eine Vernetzung aller im Ostviertel tätigen Institutionen und Organisationen sowie die Entwicklung eines abgestimmten Konzeptes von Maßnahmen anzustreben, um eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation zu erreichen.

 

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