06.03.2007 - 4 Folgen des Sturms Kyrill und Umgang des Forstam...
Grunddaten
- TOP:
- Ö 4
- Zusätze:
- In der Sitzung wird mündlich berichtet.
- Gremium:
- Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
- Datum:
- Di., 06.03.2007
- Status:
- gemischt (Sitzung abgeschlossen)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- Öffentliche Sitzung
Beratung
Herr Dr. Krämer berichtet über das Ausmaß der Sturmschäden im Aachener Stadtwald. Bundesweit, so Herr Dr. Krämer, seien rund 25 Mio. Festmeter Holz in Folge des Sturms Kyrill gefallen, in Nordrhein-Westfalen rund 10 – 12 Mio. Festmeter und im Stadtgebiet Aachen rund 8.000 Festmeter. Im Vergleich zu dem Sturm Vivian / Wiebke 1990, bei dem bundesweit 60 – 70 Mio. Festmeter Holz gefallen waren, zieht Herr Dr. Krämer das Fazit, die Schäden seien gravierend, aber nicht katastrophal. Die Schäden befänden sich überwiegend in Fichtenbeständen und vereinzelt seien Würfe in Laubholzbeständen zu verzeichnen und würden sich insgesamt gleichermaßen über alle Forstbetriebsbezirke verteilen. Bezogen auf die Holzmenge ergäbe sich bei der Fichte ein Sturmschaden von 7.000 – 8.000 Festmeter und bei den Laubhölzern ein Schaden von rund 300 Festmetern.
In seinem Vortrag geht Herr Dr. Krämer auf die finanziellen Auswirkungen und Folgekosten des Sturms ein: Der Holzpreis für Fichte bröckele zwar, werde jedoch nicht schlagartig fallen, wie damals beim Sturm Vivian / Wiebke 1990. Darüber hinaus werde es Abschläge für Bruchholz geben.
Betrachte man die Kostenseite, so würden die Holzerntekosten für den Prozessoreinsatz nahezu unverändert bleiben, weil sich die Arbeit auf größere Mengen beziehen würde (somit kostenreduzierend). Andererseits, so Herr Dr. Krämer entstünden durch ungerichtete Fällungen (kostenerhöhend) wieder Mehrkosten. Bezüglich der Holzerntekosten für motormanuelle Aufarbeitung (überwiegend Einzelwürfe) führt er aus, dass diese aufgrund ungerichteter Fällung und Verteilung über den gesamten Stadtwald geringfügig höher seien.
Darüber hinaus, so Herr Dr. Krämer, seien teilweise Buchenvoranbauten durch den Sturm zerstört worden und bereits aufgeforstete Käferlöcher aus 2006 auch geringfügig zerstört worden.
Hinsichtlich der Folgeschäden und maßgeblichen Auswirkungen erklärt er, dass ein außerordentlich hohes Risiko von Borkenkäferbefall in 2007/2008 aufgrund der hohen Ausgangspopulation aus 2006, Unmengen an bruttauglichem Material durch den aktuellen Windwurf und dem warmen Winter bestehen würde.
Zu den Folgeschäden zählten natürlich ebenfalls mögliche Einnahmeausfälle im kommenden Haushaltsjahr 2008 (kein Einschlag von Fichtenstarkholz gegebenenfalls fallende Holzpreise) und Folgeschäden könnten auch mögliche Arbeitsunfälle bei der Behebung der Schäden sein, trotz Einhaltung der geltenden Sicherheitsbestimmungen.
Abschließend nimmt Herr Dr. Krämer zu der Frage Stellung, wie die Schäden behoben werden können und wie der Stand der Arbeiten zur Zeit sei: Sämtliche Arbeiten seien an Unternehmer vergeben worden, da die eigenen Arbeitskräfte im Laubholzeinschlag (Verträge) gebunden seien. Es müssten von Einzelwürfen rund 3.000 Festmeter zum einen motormanuell aufgearbeitet werden und zum anderen sei ein Rückeschlepper dauerhaft vor Ort. Darüber hinaus müssten 5.000 Festmeter von Flächenwürfen mit der Harvester-Vollerntemaschine aufgearbeitet werden. Vorteil des Einsatzes der Vollerntemaschine sei, dass die Produktivität sehr hoch sei und man damit den Endtermin Ende April erreichen könne, eine hohe Arbeitssicherheit gegeben sei, das Verfahren kostengünstig sei, die Flächen geräumt würden und generell eine lokale Bodenverdichtung erzielt werden könne.
Zusammenfassend resümiert Herr Dr. Krämer, grundsätzlich seien Stürme dieser Kategorie, insbesondere Windböen, jederzeit in der Lage Bäume zu entwurzeln oder zu brechen und dies unabhängig von der Baumart und unabhängig von der vorangegangenen Nutzung. Einflussfaktoren seien sicherlich auch die Baumarten bzw. Baumartmischung, die Oberhöhe des Bestandes, die Struktur des Bestandes, die Geländemorphologie und der Standort der Baumarten. Langfristiges Ziel müsse daher sein, die bekannten Risikofaktoren zu reduzieren. Daher sei es wichtig, strukturierte Bestände (kleinflächige Verjüngung) und Eingriffe im Herrschenden zu schaffen (Förderung von Mischbaumarten) sowie den Voranbau von Buchen unter Fichten zu fördern und Einzelbäume zu vitalisieren (standortgerechte Baumartenwahl, bessere Kronen- und Wurzelbildung, besseres H/D-Verhältnis bei Fichten).
Dies sei insbesondere in anbetracht der angekündigten Klimaveränderungen sehr wichtig. Aufgrund dieser müsse man sich heute damit befassen, dass Stürme künftig häufiger auftreten und solche Schäden erzielen könnten. Mit gezielter Forstwirtschaft müsse man versuchen, Grundsteine zu legen und das Risiko zu minimieren.
Bevor Herr Dr. Krämer die Strategie des Forstamtes zur allgemeinen Risikominimierung weiter ausführt räumt er die Möglichkeit ein, Fragen zu stellen:
Auf Nachfrage von Herrn Schmitz, wie schnell die Sturmschäden aufgearbeitet werden müssten, insbesondere vor dem drohenden Borkenkäferbefall, antwortet Herr Dr. Krämer das die Schäden möglichst bis Ende April 2007 aufgearbeitet sein müssten. Ab dann werde mit dem Flug der Käfer gerechnet. Grundsätzlich sei es so, dass die Brutzeit von der Larve bis zum Käfer 6 Wochen betrage. In dieser Zeit müssten die Schäden entsorgt werden.
Damit dieser Zeitpunkt gehalten werde, würden mit den beauftragten Unternehmern Verträge geschlossen, die Vertragsstrafen enthielten, sofern die Schadensbeseitigung nicht rechtzeitig ausgeführt werde. Man wolle mit diesen Verträgen sicherstellen, dass das Holz rechtzeitig aus dem Wald abgeholt werde.
Ratsherr Rothe fragt nach, ob dem Käfer , wenn er schon so früh fliege, die Nachfröste im Mai schaden könnten. Diesbezüglich erläutert Herr Dr. Krämer, der Frost schade den Käfern wahrscheinlich nicht. Was der Käfer jedoch nicht möge, sei Kälte in Verbindung mit Nässe.
Auf Nachfrage von Herrn Dr. Riße, ob gegebenenfalls Borkenkäferfallen genutzt werden sollten, erklärt Herr Dr. Krämer, dass diese Möglichkeit angedacht worden sei, aber damit wohl nur ein Minimum der Population gefangen werden könne und dies letztlich nicht effektiv sei.
Da keine weiteren Fragen bestanden stellt Herr Dr. Krämer die Strategien des Gemeindeforstamtes gegen das Naturphänomen Sturm dar. Grundsätzliche Ausrichtung des Gemeindeforstamtes sei es, strukturreiche Bestände zu schaffen, Mischbestände zu schaffen (Voranbau, Förderung von Mischbaumarten, Einzelbäume vitalisieren, standortgerechte Baumartenwahl). Maßnahmen dazu seien die Durchforstung. Grundlage sei dabei die Forsteinrichtung. Die Wurzelausbildung solle verbessert werden, dadurch könne die Standfestigkeit der Bäume erhalten werden. Darüber hinaus sollten die einzelnen Bäume vitalisiert werden.
An dieser Stelle erklärt Herr Dr. Krämer außerdem, dass es inzwischen gelungen sei, eine Bodenkartierung für den Stadtwald über die Geologische Station zu bekommen. Das sei ein sehr positives Ergebnis, da die Kartierung einen Gegenwert von ca. 150.000,– Euro habe. Aus dieser Bodenkartierung wolle das Gemeindeforstamt forstliche Standardkarten ableiten und sie sei wichtige Grundlage für die Durchführung künftiger Maßnahmen, insbesondere wenn es um die Vitalisierung einzelner Bäume gehe.
Zur Risikominimierung junger Fichtenbestände erklärt Herr Dr. Krämer, dass bei jungen Fichtenbeständen grundsätzlich eine große Wuchsdynamik charakteristisch sei und somit ein großes Reaktionsvermögen in der Jugendphase. Es sei daher eine starke Durchforstung erforderlich, durch Förderung von Mischbaumarten (sofern vorhanden) und Förderung der Einzelbaumstabilität. Damit erziele man deutliche Verbesserung des Verhältnisses von Höhe zu Durchmesser und deutliche Verbesserungen der Wurzelausbildung (Standfestigkeit). Auch würden die Bäume deutlich vitalisiert und eine vorübergehende Destabilisierung ergebe sich nur für ca. 5 Jahre.
Im Bezug auf mittelalte/alte Fichtenreichbestände erklärt Herr Dr. Krämer, dass lediglich eine mäßig starke Durchforstung notwendig sei. Dies bedeute eine vorsichtige Entnahme von Einzelbäumen bei Erhaltung der Bestandsstabilität und dadurch eine Vorbereitung auf die Verjüngung durch mäßige Lichtzufuhr. Ziel sei hier, Stabilisierung und Vitalisierung über einen längeren Zeitraum und eine vorübergehende Destabilisierung von ca. 5 Jahren.
Zum Abschluss betont Herr Dr. Krämer nochmals, dass er hoffe, mit diesen Strategien das richtige Ziel seitens des Gemeindeforstamtes langfristig zu verfolgen.
Zu der von Herrn Dr. Krämer erwähnten Bodenkartierung fragt Herr Heuts nach, ob denn regelmäßige Bodenuntersuchungen gemacht würden. Herr Dr. Krämer erläutert, dass die Standortkarte mit einem Raster von 70 x 70 m überarbeitet werde und bislang noch keine Bodenproben gezogen worden seien. Daher sei der Säuregehalt der Böden noch nicht bestimmt worden. Anhand des neuen Rasters werde man aber Bodenproben ziehen, um daraus die Nährwerte ableiten zu können.
Herr Alt-Küpers fragt nach, ob eine mögliche Lösung die bereits in den Vorjahren angedachte Kalkung des Waldbodens sein könne, da ja in Aachen bekanntlich sehr saure Böden gegeben seien. Herr Dr. Krämer erläutert diesbezüglich, dass die letzten Kalkungen Mitte der 80er Jahre (1984, 1986, 1987) durchgeführt worden seien und nunmehr 20 Jahre zurückliegen würden. Der Effekt sei natürlich inzwischen nicht mehr gegeben und der Boden sei sicherlich sehr sauer. Laut Biologischem Dienst sei der Stadtwald immer noch von einer Beschaffenheit recht sauren Bodens. Das habe natürlich Auswirkungen auf die Wurzelintensität und Wurzeltiefe. Die Kalkung sei natürlich das einzigste Mittel, mit dem Abhilfe gegen den sauren Boden geschaffen werden könne. Abwarten wolle man aber erst die Ergebnisse der Kartierung und Bodenproben, die Ende 2008 erwartet würden, bevor man eine Entscheidung hinsichtlich einer weiteren Kalkung treffe. Dies unter anderem auch weil ja bekanntlich eine Kalkung nicht günstig sei und Kosten bedeute. Außerdem sei es fraglich, ob man dafür noch Fördermittel erhalte.
Auf eine weitere Nachfrage von Herrn Alt-Küpers, ob es eine Art Hochrechnung gebe, was an Sturm in Europa in den nächsten 20 fortfolgenden Jahren zu erwarten sei, erklärt Herr Dr. Krämer, dass die Auswirkungen des Klimawandels auch nur über die entsprechenden Medien kenne und verfolgen könne. Er müsse aber bestätigen, dass die Tendenz durchaus steigend sei und man daher auf jeden Fall vorbeugen müsse.
Die Vorsitzende, Ratsfrau Kuck, dankt Herrn Dr. Krämer für den sehr informativen Vortrag .
Weitere Fragen zu diesem Tagesordnungspunkt bestehen nicht.