17.11.2010 - 4 Einbringung des Haushaltsplanentwurfs 2011 mit ...
Grunddaten
- TOP:
- Ö 4
- Gremium:
- Rat der Stadt Aachen
- Datum:
- Mi., 17.11.2010
- Status:
- gemischt (Sitzung abgeschlossen)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- Öffentliche Sitzung
- Beratung:
- öffentlich
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- FB 20 - Fachbereich Finanzsteuerung
- Beschluss:
- ungeändert beschlossen
Beratung
3
(Die Haushaltsrede ist der Niederschrift als Anlage beigefügt.)
Der Oberbürgermeister verweist auf den vor der Sitzung verteilten Haushaltsplan.
Stadtkämmerin Grehling führt in ihrer Haushaltsrede aus, dass der hier vorliegende Haushaltsentwurf schlichtweg alle Befürchtungen des Vorjahres widergebe, denn er begründe den Verlust der umfassenden eigenen haushalterischen Handlungsfähigkeit. Es handele sich nicht um einen anzeigepflichtigen, sondern um einen genehmigungspflichtigen Haushalt.
Zwar habe man eine Zeit lang von der Ausgleichsrücklage profitieren und sich damit über Wasser halten können, jedoch gehöre man nun zum Mittelstand nordrhein-westfälischer Kommunen, die sich gerade so noch mit einem verträglichen Griff in die Allgemeine Rücklage behelfen können.
Mit knapp 61 Millionen jahresbezogenem Defizit schließe der Plan für das kommende Jahr ab. Die allgemeine Rücklage werde Ende 2011 auf 918,1 Millionen Euro gesunken sein, der Eigenkapitalverzehr liege bei 4,58 %. Das Kassenkreditvolumen werde bei ca. 300 Millionen Euro liegen, die sonstigen Kredite werden sich auf ca. 440 Millionen Euro belaufen. Jährlich seien ca. 20 Millionen Euro an Zinsen aufzuwenden, wobei diese, dank eines ausgesprochen niedrigen Niveaus, immer noch bei ca. 4 Millionen liegen.
Aus dem Rückgriff in die Allgemeine Rücklage folge die Genehmigungspflicht des Haushaltes und damit die Möglichkeit der Auflagenerteilung durch die Bezirksregierung. Allerdings bliebe dieser Rückgriff unter der gesetzlich festgelegten Schwelle von 5 %, so dass der Haushalt zumindest für das Jahr 2011 genehmigungsfähig sei.
Im Jahr 2012 sinke das strukturelle Defizit auf 58,7 Millionen Euro, durch die geringe Bezugsgröße des Eigenkapitals liege der prozentuale Verzehr jedoch lediglich bei 6,39 %.
Im Jahr 2013 sei die Allgemeine Rücklage auf 859,4 Millionen Euro gesunken, der Eigenkapitalverzehr liege bei 4,83 %, das strukturelle Defizit liege bei 41,5 Millionen Euro.
Hierdurch werde hinreichend deutlich, wie schmal der Grat zwischen der Genehmigungsfähigkeit und den Absturz in das Haushaltssicherungskonzept sei. Das Maß dieser entscheidenden Grenze liege für das Jahr 2011 bei etwa 4 Millionen Euro, 2013 bei nur noch etwa 1,5 Millionen Euro.
Um zukünftig handlungsfähig zu bleiben, gelte es daher, diesen noch vorhandenen Puffer zu vergrößern. Daher seien in der Veränderungsnachweisung nicht nur neue Positionen aufzunehmen, sondern weitere Verbesserungschancen zu prüfen und zu finden. Hierzu sei jedoch zunächst Ursachenforschung zu betreiben.
Ein Grund für die Verschlechterung sei der Übergang von der zuvor angewandten Kammeralistik in das neue kommunale Finanzmanagement und den damit verbundenen Neuzuordnungen mit negativer Wirkung auf den Ergebnissaldo.
Als weiterer Grund sei der Rückgang bei den Einkommensteuererträgen zu nennen. Zwar liege man im Bereich der Gewerbesteuererträge noch über dem geplanten Ansatz, jedoch diene dieses Plus zum Ausgleich des Defizits bei der Einkommensteuer in Höhe von 6,5 Millionen Euro. Trotzdem wolle sie an dieser Stelle vor zu viel Optimismus warnen. Der Entwicklungsprozess in der Unternehmerlandschaft sei im Jahre 2010 nur träge von Statten gegangen, so dass erst nach den endgültigen Zuordnungen zwischen Veranschlagen, Vorauszahlung, Festsetzung eine Erhöhung des ursprünglichen Ansatzes geprüft werden könne.
Diese Erhöhungen seien jedoch zumindest für die Jahre ab 2013 zu relativieren, denn schließlich gebe es im städtischen Haushalt die Besonderheit der Städteregionsumlage. Zwar gehe man nicht von einer kontinuierlichen Erhöhung der Umlage aus, da auch die übertragenen Aufgaben konstant bleiben, jedoch müsse auch die StädteRegion in ihrer Haushaltsplanung von einer schwindenden Ausgleichsrücklage ausgehen, so dass die Veranschlagung der StädteRegion von der Einplanung der Umlage bei der Stadt Aachen um einen Betrag im zweistelligen Millionenbereich differieren könne. Entsprechend sei die Verwendung von überplanmäßigen Erträgen eher zurückhaltend geplant. Daher sei in der Veränderungsnachweisung eine Bilanzverlängerung zu finden. Nichtsdestotrotz seien hier die städteregionalen Haushaltsberatungen und die mit der StädteRegion zu führenden Gespräche zur Spitzabrechnung abzuwarten.
Ein weiterer Grund für die Verschlechterung des Haushaltes seien die zu erwartenden Steigerungen im Bereich Hilfe zur Erziehung, welche sich insbesondere ab 2012 mit deutlich mehr als 3 Millionen Euro pro Jahr niederschlagen werden. Zwar habe man aufgrund der enormen Anstrengungen im Jugend- und im Schulbereich angenommen, die Aufwendungen eingrenzen zu können, dies sei jedoch aufgrund kontinuierlich steigender Fallzahlen ein Trugschluss gewesen.
Ferner habe man vorsichtig die Ausschüttungserwartungen der städtischen Töchter ab 2013 reduziert, was insbesondere mit Blick auf verschiedene Parameter, bspw. Atomkraft oder ASEAG, unumgänglich erscheine.
Eine weitere Belastung ergebe sich durch das Nachziehen der Tarifsteigerungen im Bereich der Eigenbetriebe, welche jährlich mit 1,9 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Im Ergebnis sei die Vorgabe des Jahres 2010 einfach nicht haltbar gewesen, so dass Gegensteuerungsmaßnahmen notwendig gewesen seien.
Daher enthalte der Haushaltsplanentwurf die Erhöhung der Grundsteuer um 25 Punkte, was sich ab 2011 mit ca. 2,1 Millionen auswirken werde.
Ferner werde die Übernachtungsabgabe, welche ohne Rückwirkung veranschlagt sei, ab 2012 zusätzlich 1,1 Millionen Euro einbringen.
Nicht geplant sei die Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes, da aus Sicht der Stadtverwaltung ein dreifacher Steuereingriff nicht ins Verhältnis zu den eigenen Konsolidierungsanstrengungen gesetzt werden könne. Bei der Frage, ob die Grund- oder die Gewerbesteuer zu erhöhen sei, habe man sich davon leiten lassen, dass das Grundsteueraufkommen im Wesentlichen fest definierbar sei, jedoch die nachhaltigen Gewerbesteuererträge nicht abschließend beurteilbar seien und darüber hinaus auch Gewerbebetriebe durch die Erhöhung der Grundsteuer belastet seien. Ferner sei absehbar, dass weitere Belastungen für Grundeigentümer konstant gehalten werden können.
Wie am anhängenden Klageverfahren in Köln deutlich gemacht werden könne, werde die Übernachtungsabgabe ein Streitpunkt sein, allerdings werde hierdurch erheblich in die Bereiche Kultur, Wirtschaft und Tourismusförderung investiert, die ohne den Einzelbereich Kultur jährlich mit 2 Millionen Euro zu veranschlagen seien. Hinzu komme, dass die Übernachtungsabgabe als Aufwandssteuer an den Gast weitergereicht werden könne und insoweit das Beherbungsunternehmen nicht treffe.
Nach gründlicher Prüfung sei ebenfalls die unzweifelhaft ausstehende Kostenerstattung im Bereich der Kinderförderung aufgenommen worden, bei der es sich laut Bundesverfassungsgericht um eine konnexitätsmäßig gebundene Aufgabe handele, deren Aufwand zu erstatten sei. Demnach werde es eine pauschalisierte Erstattung geben, deren Parameter zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung zu verhandeln seien.
Die Steuerungsmöglichkeiten des neuen kommunalen Finanzmanagements seien jedoch noch nicht zur Gänze ausgeschöpft, Berichtswesen, Controlling, Zuordnung sowie Anlagenbuchhaltung seien noch verbesserungswürdig. Dieser Prozess sei jedoch erst in ca. 2 Jahren abgeschlossen.
Nichtsdestotrotz gelte ihr Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die neben dem Jahresabschluss den in dieser Form vorliegenden Haushaltsplanentwurf aufgestellt haben.
Die bevorstehenden Aufgaben hinterlassen den Eindruck, dass jedes Handeln nicht genug sei, um haushalterisch leistungsfähig zu bleiben, so die Stadtkämmerin, obwohl die Chancen hierfür angesichts der angekündigten Hilfestellung durch das Land Nordrhein-Westfalen, bspw. durch die Neuordnung der sozialen Lasten, die strengere Bindung des Konnexitätsprinzips oder der Stabilitätspakt, deutlich gestiegen seien. Dies setze jedoch eine strikte Verwendung der hieraus fließenden Mittel sowie der eigenen Mehrerträge für die Haushaltskonsolidierung voraus.
Betrage die freiwillige Haushaltskonsolidierungssumme im Jahr 2013 insgesamt 7 Millionen Euro, liege der Eigenkapitalverzehr bei nur noch 4,3 %. Verbesserungen im Zuge des Konnexitätsprinzips ließen vielleicht sogar die Möglichkeit zu, die Haushaltssicherung zu umgehen. Nichtsdestotrotz mahne sie eindringlich vor dem Trugschluss, die derzeitige Krise mit vergangenen zu vergleichen und auf die leichte Schulter zu nehmen, denn nun befinde man sich endgültig an der Grenze.
Ebenso wie in einer Kleinfamilie, in der Sparmaßnahmen notwendig seien, sei es auch für den größeren und komplexeren Apparat einer Stadtverwaltung schwer, umzuverteilen oder zu verzichten - zumal jeder Anspruch seine Berechtigung habe - aber einfach unabdingbar.
Diesem Problem könne nur gemeinschaftlich begegnet werden, in Respekt voreinander nach innen und nach außen sowie in der Erkenntnis, dass das Zurücksetzen eines Wunsches das Zurücksetzen des dahinter stehenden Menschen bedeute und in der Erkenntnis, dass man nicht sparen und gleichzeitig mehr verlangen könne. Aus diesem Grunde begrüße sie die geplante Beteiligung der Aachener Bürgerinnen und Bürger bei wesentlichen Punkten der Haushaltskonsolidierung, deren Bedürfnis nach Planbarkeit und Berechenbarkeit hierdurch Rechnung getragen werde.