28.04.2020 - 11 Haushaltsrechtliche Vorgaben: Corona-Krise

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Beratung

Zur Konkretisierung der Aussagen zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf den städtischen Haushalt wird den Ausschussmitgliedern eine entsprechende Präsentation vorgestellt.

 

Hinsichtlich der Gewerbesteuer sei man zum Zeitpunkt vor den Effekten der Corona-Krise mit einem Buchungsstand von 166,6 Mio. Euro auf einem guten Weg gewesen, wie Frau Grehling erläutert. Seither habe sich die Ertragslage stetig verschlechtert, was insbesondere den Anpassungen von Vorauszahlungen infolge der Ausbreitung des Corona-Virus geschuldet sei.

Neben der Gewerbesteuer seien jedoch auch andere Steuern, die zur gesamtstädtischen Finanzierung beitragen, zu berücksichtigen. Unter der Annahme von Ertragsausfällen von jeweils 25% des Haushaltsansatzes bei der Gewerbesteuer, dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer sowie dem Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer im Jahr 2020, unter Berücksichtigung einer entsprechenden Aufwandsminderung bei der Gewerbesteuerumlage sowie unter der Annahme von Ertragsausfällen von jeweils 50% des Haushaltsansatzes bei der Vergnügungssteuer, der Wettbürosteuer und der Spielbankabgaben würde der städtische Haushalt durch einen Ertragsausfall in Höhe von rund 84,6 Mio. Euro belastet. Da beispielsweise bei der Gewerbesteuer die Annahme eines Ertragsverlustes von 25% bereits den aktuellen Buchungsstand widerspiegle, sse man eine darüber hinaus gehende Verschlechterung befürchten. Bei Erhöhung der Annahme der Ertragsausfälle bei Gewerbe-, Einkommen- und Umsatzsteuer auf 30% des Haushaltsansatzes, läge der Gesamtertragsausfall bereits bei über 100 Mio. Euro.

Die Mitteilung über die Zahl zu den Gemeindeanteilen an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer für das I. Quartal 2020, welche noch nur unwesentlich durch die Corona-Pandemie beeinflusst worden sei, entsprächen denen der Haushaltsplanung, was eine solide und realistische Haushaltsplanung bestätige. Einzig die Auswirkungen der Corona-Krise würden die o.g. Ertragsverluste zur Folge haben.

 

Bei der Gewerbesteuer lägen bis zum Zeitpunkt der Ausschusssitzung 189 Stundungsanträge mit einem Gesamtvolumen von knapp über 4 Mio. Euro vor. 133 dieser Anträge seien bereits bewilligt. Bei 2 Anträgen bedürfe es aufgrund der Höhe des jeweiligen Betrages eines Beschlusses des Finanzausschusses (hierzu seien zwei Vorlagen im weiteren Sitzungsverlauf zu beschließen), die restlichen 54 würden gegenwärtig abgearbeitet werden.

Nicht nur zahlungswirksam, sondern mit Auswirkungen auch auf die Ergebnisrechnung, seien die rund 1.200 Anträge auf Absetzung der Vorauszahlung zu sehen. Hier summiere sich ein Betrag in Höhe von fast 20 Mio. Euro.

Neben den Steuern seien jedoch weitere Ertragsausfälle zu verzeichnen: Die elternbeitragsfreien Monate April und Mai 2020 seien bereits in einem separaten Tagesordnungspunkt behandelt worden. Die monatliche Belastung für den Haushalt liege unter Berücksichtigung der hälftigen Erstattung durch das Land bei rund 673.000 Euro.

Da die Angebote der Eigenbetriebe in der Zeit der Krise nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stünden, sei hier in der Summe mit Verlusten in Höhe von fast 1,8 Mio. Euro bis zum jetzigen Zeitpunkt zu rechnen.

Als weiteres Beispiel führt Frau Grehling die Umsatzeinbußen der Carolus-Thermen auf, die sich auf über 1,5 Mio. Euro belaufen würden.

 

Die drei genannten Bereiche brächten in der Summe prognostizierte Ertragsverluste in Höhe von fast 4 Mio. Euro mit sich. Darüber hinaus seien jedoch weitere Faktoren - sowohl Ertrags- als auch Aufwandsseitig - zu berücksichtigen, die beispielhaft aufgelistet würden, jedoch gegenwärtig noch nicht präzise zu quantifizieren seien:

- Auswirkungen bei der E.V.A., insbesondere im Bereiche Ticketing bei der ASEAG mit Verlusten aus Fahrkartenverkäufen von bis zu 2,3 Mio. Euro pro Monat

- Aufwendungen/Auszahlungen im Bereich Schutzmaterialien r die Stadt Aachen mit einer Größenordnung von bisher rund 4,4 Mio. Euro

- Auswirkungen der Schließung von Schwimmbädern

- mögliche Miet- und Pachtminderungen

- ggf. Krankenhilfekosten und laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

- Minderungen bei Bußgeldern für den ruhenden und fließenden Verkehr gegenüber den Haushaltsansätzen.

 

Alle aufgeführten Punkte würden schließlich zu einer erheblichen Belastung des Haushalts der Stadt Aachen führen, ohne dass zum jetzigen Zeitpunkt bekannt wäre, wie genau Hilfestellungen von Bund und Land schlussendlich zu beziffern seien.

Der zusätzliche Liquiditätsbedarf der Stadt Aachen könne über die NRW.Bank generiert werden. Unklar sei jedoch der haushalterische Umgang im Nachgang der Krise. Basis des weiteren Vorgehens sei die „Isolierung“ der Mittel, die durch die Corona-Pandemie entstünden.

Unter Zugrundelegung der derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen (glichkeit der Abschreibung der corona-bedingten Belastungen über einen Zeitraum von 50 Jahren) und des zusätzlichen Zinsaufwandes aufgrund der Aufnahme neuer Kassenkredite ergäbe sich bei einem finanziellen corona-bedingten Schaden in Höhe von 100 Mio. Euro ein jährlicher Abschreibungs- und Zinsaufwand von rund 3 Mio. Euro, bei einem Schaden in Höhe von 150 Mio. Euro bereits rund 4,5 Mio. Euro. Dies wäre bei künftigen Haushaltsplanungen zu berücksichtigen, was beispielsweise vor dem Hintergrund der Einhaltung der 5%-Hürde“ eine zusätzliche große Herausforderung darstelle. Aus diesem Grund sei es selbstverständlich wünschenswert, dass die Hilfen des Landes sich nicht nur auf die Aufnahme neuer Kredite und die Möglichkeit der langfristigen Abschreibung beschränken würden, sondern auch die Übernahme von Kapital- und Tilgungsleistungen, vergleichbar mit dem Programm „Gute Schule“, beinhalte.

 

Frau Grehling führt ferner aus, dass den beschriebenen corona-bedingten Lasten - wenn auch nur in einem geringen Anteil - Minderaufwendungen entgegen stünden. Als Beispiele seien aufgeführt Kurzarbeitergeld beim Theater, eingesparte Aufwendungen für abgesagte Veranstaltungen, nicht entstandene Dienstreisekosten, Bußgelder durch Verstöße gegen die Coronaschutzverordnung („CoronaSchVO“) oder Einsparungen bei Schülerbeförderungskosten. Bei letztgenanntem Punkt sei jedoch auch zu berücksichtigen, dass bei Öffnung der Schulen neue Konzepte hinsichtlich der Beförderung zu erstellen seien, die dann wiederum zu zusätzlichen Belastungen führen könnten.

 

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen sei jedoch nicht nur der Blick auf den Ergebnishaushalt zu legen, sondern in besonderem Maße auf die Liquidität der Kommune. Der Höchstbetrag der Kassen-kredite gemäß Haushaltsatzung der Stadt Aachen liege bei 500 Mio. Euro. Bei einer Entwicklung des Haushalts gemäß der vorgenommenen Planung wäre ein Absinken des Kassenkredits auf einen Betrag in Höhe von rund 310 Mio. Euro zum Jahresende glich gewesen. Die dargestellten corona-bedingten Auswirkungen würden diese Planung jedoch nicht mehr realisierbar machen. Vielmehr habe der Kassenkredit in der Spitze im April bereits bei 422 Mio. Euro gelegen.

Zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit sei die Erhöhung des Höchstbetrags der Kassenkredite unabdingbar, die Höhe des angepassten Betrags läge bei 600 bis 700 Mio. Euro. Bis zur anstehenden Ratssitzung am 06.05.2020 würde eine konkrete Zahl ermittelt. Haushaltsrechtliche Folge wäre - nach Absprache mit der Genehmigungsbehörde - die Einbringung eine auf die Veränderung des Höchstbetrags der Kassenkredite beschränkte Nachtragshaushaltssatzung. Im Anschluss re gemäß Geschäftsordnung der Finanzausschuss zu beteiligen, nicht jedoch die jeweiligen anderen Fachausschüsse oder die Bezirksvertretungen. Der endgültige Beschluss würde entsprechend in der Ratssitzung am 17.06.2020 erfolgen. Bei der Bezirksregierung sei der Nachtrag lediglich anzeigepflichtig. Somit könne noch vor der Sommerpause die Kassenkreditlinie erhöht werden, um die erforderliche Sicherheit diesbeglich zu gewährleisten.

 

Parallel auf den Weg zu bringen sei eine Haushaltsbewirtschaftungsverfügung. Es handele sich dabei ausdrücklich nicht um eine Haushaltsperre, wie Frau Grehling betont. Ziel dieser Bewirtschaftungsverfügung sei primär die erforderliche Isolation der corona-bedingten Auswirkungen auf den Haushalt. Gleichzeitig sei aber auch das Eingehen neuer Leistungen zu hinterfragen. Eine Unverzichtbarkeit dieser Leistungen müsse zwingend dargestellt werden, zudem müsse die Zustimmung der Kämmerin erfolgen. Grundsatzentscheidungen, zum Beispiel das temporäre Aussetzung von Elternbeiträgen, würden den Beschlüssen des Rates der Stadt vorbehalten sein.

Ziel der Verfügung sei ferner ein engmaschiges Controlling hinsichtlich des Liquiditätsbedarfs der Stadt Aachen. Voraussetzung hierfür sei die rechtzeitige Meldung von Liquiditätsbedarf durch die einzelnen Organisationseinheiten.

Frau Grehling kündigt an, dass eine Übersendung der Bewirtschaftungsverfügung an die Ausschussmitglieder im Nachgang zur Sitzung erfolge.

 

Die Ausschussvorsitzende Frau Plum dankt Frau Grehling für den umfangreichen Bericht zu den finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise. Sie bedanke sich fernerr die gute Arbeit und sehe die Verantwortung auch bei diesen außergewöhnlichen Größenordnungen in guten Händen. Auch bei den Schulen habe sie einen guten Eindruck.

 

Auch Ratsherr Schmidt-Ott dankt Frau Grehling und allen weiteren Beteiligten für den ausführlichen Bericht, dessen Erstellung sicherlich einen großen Aufwand mit sich gebracht habe. Ratsherr Schmidt-Ott fragt nach, ob der corona-bedingte Schaden konkret abgeschätzt werden könne und wie hoch der Aufwand zu beziffern sei, der durch die Wiederherstellung des Schulbetriebs entstehen würde.

 

Frau Grehling erläutert, dass die vorgestellten bezifferten Auswirkungen je nach Annahme zwischen rund 85 und 101 Mio. Euro lediglich die Ertragsverluste bei den Steuern beinhalten würden und dass auch diese Werte nur auf Annahmen beruhen. Des Weiteren seien die Zahlen mit weiteren Ertragsverlusten und zusätzlichen Aufwendungen einhergehend. Eine Konkretisierung sei nach wie vor nicht präziseglich. Die beim letzten Ausschuss genannte Größenordnung von rund 150 Mio. Euro als Gesamtauswirkung der Corona-Krise auf den Haushalt sei jedoch sicherlich nicht auszuschließen. Die projizierten Ertragsausfälle bei den Steuern in Höhe von 25% seien vergleichbar mit den entsprechenden gegenwärtigen Erwartungen anderer Großstädte.

Bei den Schulen sei keine konkrete Kostenaufstellung möglich. Die Beschaffung von Schutzmaterialien sei gesamtstädtisch zu betrachten. Hinsichtlich der Schülerbeförderungskosten sei bei Öffnung der Schulen zu fragen, ob diese wie vor der Corona-Krise abgewickelt werden könne. Vor dem Hintergrund der Einhaltung von Sicherheitsabständen sei ein zusätzlicher Bedarf an Bussen, die Verlagerung von Fahrzeiten oder die zusätzliche Einbindung von Subunternehmen der ASEAG zu befürchten.

Um die Ausschussmitglieder über den aktuellen Stand zu informieren, beabsichtige Frau Grehling eine kontinuierliche Aufstellung der corona-bedingten isolierten Auswirkungen auf den Haushalt mit entsprechender Präsentation im Ausschuss.

 

Ratsherr Linden dankt ebenfalls r die bereits geleistete Arbeit und den verständlichen Vortrag und die Erläuterungen. Es sei sehr interessant zu beobachten, wie sich die isolierte Betrachtung der corona-bedingen Folgen entwickeln würde und welche Folgewirkungen dies hinsichtlich der Abschreibungen in Folgejahren mit sich bringe. Er sehe den Erlass mit der Möglichkeit der Abschreibung auf 50 Jahre nur als bedingte Hilfe für die Kommunen an. Die dargestellte Vorgehensweise der Erhöhung des Höchstbestands der Kassenkredite sehe Ratsherr Linden als sinnvoll an, hätte sich von der Landesregierung jedoch eine stärkere Hilfestellung gewünscht als nur die Möglichkeit der Aufnahme neuer Kredite. Die Debatte über zusätzliche Hilfen für die Kommunen sehe er daher noch nicht als beendet an und verweist auch auf eine entsprechende Verantwortung der Kommunalpolitiker diesbezüglich Einfluss zu nehmen.

Ratsherr Linden begrüße ferner, dass keine Haushaltssperre verfügt worden sei, sondern die Form der Bewirtschaftungsverfügung gewählt worden sei. Dies sehe er als vollkommen richtigen Ansatz an, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie nachweisen zu können. Diesbezüglich richtet er die Bitte an die Kämmerin, in den kommenden Ausschusssitzungen ein Monitoring vorzunehmen, um über den aktuellen Stand informiert zu sein.

 

Auch Ratsherr Pilgram bedankt sich im Namen seiner Fraktion für den Bericht. Er fragt an, ob es tatsächliche keine zusätzliche Unterstützung über die Möglichkeit der Abschreibung über 50 Jahre hinaus von Bund oder Land für die Kommunen gäbe.

 

Frau Grehling betont, dass bei dem zusätzlichen Bedarf über alle Kommunen hinweg in Milliardenhöhe kein völliger Ausgleich zu erwarten sei. Auf der anderen Seite sei es zweifelsfrei ein Problem, wenn die Erwartung bei den Steuererträgen in künftigen Haushaltsplanungen deutlich nach unten korrigiert werden müsse, gleichzeitig aber Abschreibungs- und Zinsaufwendungen steigen würden.

Aufgrund der Komplexität der Situation und den jeweils sehr unterschiedlichen Gegebenheiten bei den Kommunen in Nordrhein-Westfalen sei es bisher nur möglich gewesen, die beschriebenen Maßnahmen umzusetzen. Ein „Acht-Punkte-Programm“ sei jedoch in der Bearbeitung. Die Abarbeitung müsse alsbald erfolgen, sobald sich die finanziellen Auswirkungen über alle Kommunen hinweg verdichten würden.

Aufgabe der Stadt Aachen sei nun eine Haushaltsdisziplin „nach innen“ zu erreichen. Fortschritte beziehungsweise neue Entwicklungsstände würden im Rahmen des Ausschusses laufend mitgeteilt.

 

Ratsherr Pilgram weist auf die hohen (notwendigen) Investitionen in die Digitalisierung von Schulen und der Verwaltung hin. Sein subjektiver Eindruck sei, dass hier noch nicht dementsprechende Fortschritte erzielt worden seien und fragt sich aus diesem Grund, ob das Geld richtig investiert worden sei. Als Beispiele führe er die Überforderung mit dem digitalen Lernen oder Videokonferenzen an.

 

Hinsichtlich der Schulen weist Frau Grehling auf die Zuständigkeit des Schulausschusses hin. Ein entsprechender Hinweis an die Geschäftsführung des Ausschusses werde erfolgen. Zudem seien nicht alle Mittel hinsichtlich der Digitalisierung bereits zur Auszahlung gekommen.

Bei den Videokonferenzen müsse das Problem der Kapazität der Verbindungen berücksichtigt werden. Wo vor der Krise Besprechungen vor Ort durchgeführt worden seien, laufe dies heute zunehmend über das Mittel der Videokonferenzen, dazu käme die erweiterte Inanspruchnahme der mobilen Arbeit der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch der zu erlernende Umgang mit den digitalen Möglichkeiten durch die jeweiligen Nutzer stelle einen Faktor dar, der zu berücksichtigen sei.

 

Die Ausschussvorsitzende Frau Plum berichtet von unterschiedlichen Umgangsmöglichkeiten bei den Lehrkräften mit digitalen Lernmitteln. Auch bei den Schulen sei, analog zur Verwaltung, das Problem der Netzüberlastung festzustellen. Hinsichtlich der Videokonferenzen sei der Vorteil der Zeitentlastung positiv hervorzuheben.

 

Anmerkung der Verwaltung:

Im Nachgang zur Ausschusssitzung wurde den Ausschussmitgliedern die Präsentation „Haushaltsrechtliche Vorgaben und Auswirkungen: Corona-Krise“ sowie die Haushaltsbewirtschaftungsverfügung per E-Mail übersendet.