11.05.2022 - 7 Einwohner*innenantrag "Aachen klimaneutral 2030...
Grunddaten
- TOP:
- Ö 7
- Sitzung:
-
Sitzung des Rates der Stadt Aachen
- Gremium:
- Rat der Stadt Aachen
- Datum:
- Mi., 11.05.2022
- Status:
- gemischt (Sitzung abgeschlossen)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- Öffentliche/Nichtöffentliche Sitzung
- Beratung:
- öffentlich
- Vorlageart:
- Entscheidungsvorlage
- Federführend:
- FB 36 - Fachbereich Klima und Umwelt
- Beschluss:
- geändert beschlossen
Beratung
Die Oberbürgermeisterin übergibt das Wort an die Initiator*innen und Antragsteller*innen.
Frau E. bedankt sich für die freundlichen Worte und führt aus, dass bereits am 30. März rund 12.000 Unterschriften von den Aachener Einwohner*innen zum Einwohner*innen-Antrag „Aachen klimaneutral 2030!“ an den Rat der Stadt überreicht wurden. Seit der Gründung der Initiative im Sommer 2020 wurden in Aachen Gespräche mit 1.000 Bürger*innen, Verwaltungsmitarbeitenden, Ratsfraktionen, Bundes- und Landtagskandidat*innen geführt. Zudem habe man miterlebt, wie sich manches schon vor Einreichung der Unterschriften in eine vielversprechende Richtung bewegte. Der Beschluss des Umweltausschusses im August 2021, die Verwaltung mit der Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes für die Klimaneutralität 2030 zu beauftragen, die Solar-Offensive oder auch die Bewerbung für das Programm der 100 klimaneutralen Städte der EU seien sehr erfreuliche und positive Ansätze. Die Freude wäre ebenfalls groß, wenn der Rat heute durch seine Zustimmung diese positiven Ansätze zu einem von höchster Stelle getragenen verbindlichen Ziel zusammenführen würde.
Herr G. hält fest, dass im Monat April, im Rahmen des aktuellen 6. Berichtszyklus des IPCC, der für Gegenmaßnahmen entscheidende Report „Minderung des Klimawandels“ veröffentlicht wurde. Die Kernaussage lautete, dass die Zeit zu handeln „jetzt“ sei. Ein Mitglied der Initiative habe richtigerweise geäußert, dass die Menschen auf dieser Welt zwar nicht über das „ob“ und „wann“, jedoch über das „wie“ verhandeln können.
Wenn in wenigen Jahrzehnten aufgrund internationaler Verträge oder Mangel an krisensicheren Nachschub alle Regionen auf fossile Brennstoffe verzichten müssen, kann es nur von Nutzen sein, die nötigen Investitionen und Anpassungen vorzuziehen und Schritt für Schritt, aber zügig, vorzunehmen. Sauberere Luft, weniger Lärm und eine insgesamt lebenswertere Stadt gebe es dann automatisch dazu.
Frau E. hält fest, dass bei der Unterschriftensammlung viele lehrreiche Erfahrungen gemacht wurden. Die Mehrheit der Angesprochenen habe gern unterschrieben, auch in Vierteln und Bevölkerungsgruppen, in denen es nicht zu erwarten war. Es habe interessante Diskussionen gegeben, die zwar nicht immer im Einverständnis, aber im Verständnis füreinander endeten. Die Initiative habe den Eindruck gewonnen, dass Aachen bereit sei für diesen sinnvollen und notwendigen Weg.
Ratsfrau Brinner (Grüne) bedankt sich im Namen der Grüne-Fraktion bei der Initiative Klimaentscheid für das Engagement und den Einsatz. Ein weiterer Meilenstein in den Klimaschutzbemühungen der Stadt Aachen sei durch diese Initiative gesetzt worden. In den letzten Jahren habe sich im Thema Klimaschutz in Aachen viel ereignet, das integrierte Klimaschutzkonzept wurde verabschiedet, viele Beschlüsse wurden gefasst und umgesetzt. Leider reiche dies nicht, der 1,5 Grad-Pfad sei noch lange nicht erreicht, die benötigte Veränderung übersteige das aktuelle Vorstellungsvermögen.
Sie hält fest, dass die Stadt Aachen eine progressive, moderne Stadt mit renommierten, innovativen Hochschulen und einer engagierten Stadtgesellschaft sei und fordert daher auf, den Weg zu wagen und alles für die Erreichung des Ziels „2030 klimaneutral“ zu tun.
Ratsfrau Lürken (CDU) begrüßt die Anwesenden der Initiative Klimaentscheid und hält fest, dass sie seit 2004 im Umweltausschuss, in dem sie heute als Vorsitzende fungiere, tätig sei und somit sehr lange die Stadt Aachen begleite und Beschlüsse mittrage. Mit dem Ausruf des Klimanotstands im Juni 2019 sei ein richtiger Aufbruch verbunden gewesen, im Dezember 2019 habe man sich im Umweltausschuss, nach heftigen Diskussionen, auf das 1,5 Grad-Ziel einstimmig geeinigt, im Januar 2020 gab der Rat ebenfalls seine Zustimmung. Anschließend machten sich Verwaltung, Politik, Energiebeirat und Akteur*innen der RWTH auf den Weg, das IKSK mit vielen neuen Aspekten und Maßnahmen zu schreiben, am 20.08.2020 traf der Rat den Beschluss des Konzepts. Dennoch wusste man, dass es nicht reichen werde. Trotz der unsicheren Zeiten nach der Kommunalwahl habe man 85 Millionen Euro bis 2025 eingestellt. Die Fortschreibung des IKSK erfolgte einstimmig in allen zuständigen Ausschüssen. Die Initiative habe jedoch deutlich erkannt, dass der entsprechende Beschluss des Rates an dieser Stelle fehle. Nach außen hin sei es ein ganz anderes Zeichen, wenn der Rat sich auch dahinter stelle. Sie bedankt sich bei der Initiative für die Unterstützung, die geführten Gespräche und den Einsatz in der Bürger*innenschaft dieser Stadt. Die Freude über die heutige Beschlussfassung sei groß, wichtig sei jedoch auch, dass die Initiative und alle anderen handelnden Akteurinnen und Akteure der Stadt Aachen mitgenommen werden.
Ratsherr Servos (SPD) bedankt sich bei der Initiative Klimaentscheid für den Einsatz und das Engagement. Er führt aus, dass gerade jetzt während des Wahlkampfes, der richtige Zeitpunkt sei, um das Thema Klimakrise noch einmal ins Bewusstsein zu holen und entsprechend auch den Weg für weitere Entscheidungen zu ebnen. Nach mehrmaliger Diskussion innerhalb der SPD-Fraktion sei man zu dem Entschluss gekommen, dass folgende Änderung am vorliegenden Beschlussentwurf vorgenommen werden sollte: Wie bereits mit allen Fraktionen abgestimmt und bereits von Ratsfrau Lürken (CDU) angedeutet, soll im zweiten Satz des Beschlussentwurfs noch der Halbsatz „…alle relevanten Akteure mit ihren vielfältigen Ideen in die Fortschreibung einzubinden...“ eingefügt werden, da es enorm wichtig sei, dass auch das gesamte Wissen von den jeweiligen Infoständen, den Gesprächen und Ideen in den Beschlussentwurf mit einfließe. Weiterhin möchte er von der Verwaltung wissen, ob bei heutiger Beschlussfassung, mit der genannten Änderung, die beiden Punkte, für die 11.000 Menschen unterschrieben haben, zur Beschlusslage des Rates werden oder ob die Formulierung angepasst bzw. nachgeschärft werden müsse.
Ratsherr Kiemes (CDU) hält fest, dass der Klimawandel zweifellos die größte Gefahr für den gesellschaftlich hart erarbeiteten Wohlstand und die Lebenswelt darstelle. Die Forschung, die Entwicklung, sowie die politischen Entscheidungstragenden stehen vor der großen Herausforderung, die Klimaerwärmung zu stoppen. Der Rat der Stadt Aachen sei sich seiner Verantwortung bewusst, seit 13 Jahren existiere und handle hier der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz. Das seit 2018 integrierte Klimaschutzkonzept werde im Ausschuss ständig diskutiert und weiterentwickelt. Viele einzelne Maßnahmen und Beschlüsse seien erforderlich, um bis 2030 klimaneutral zu werden. Ein breiter Rückhalt zur Umsetzung der Maßnahmen sei in der Bevölkerung nötig. Hierbei bedarf es auch der offenen, gesellschaftlichen Diskussion über die Richtigkeit und Wichtigkeit der Maßnahmen.
Weiterhin bedankt er sich bei den Antragssteller*innen für das Engagement und freut sich auf die weitere Zusammenarbeit. Zudem hofft er, dass der durch alle demokratischen Fraktionen eigebrachte, geänderte Beschlussvorschlag den Dialog in der Stadtgesellschaft voran treiben und das Ziel 2030 auch wirklich erreicht werde.
Ratsherr Bogoczek (DIE Zukunft) äußert die ausdrückliche Unterstützung der Fraktion DIE Zukunft zum Einwohner*innenantrag Aachen Klimaneutral 2030. Er bedankt sich bei der Initiative für das Engagement und teilt mit, dass seine Fraktion den Änderungsantrag von Ratsherrn Servos (SPD) ebenfalls unterstütze. Der Klimabericht durch Grüne-Experten in dieser Woche unterstreiche das Erfordernis und beschreibe eindringlich die deutlich verschärfte Lage. Dies zeige die Wichtigkeit dieses Engagements und der heutigen Beschlussfassung.
Ratsfrau Begolli (Die Linke) bedankt sich bei der Initiative für das Engagement in der Bürgerschaft, welches mit sehr viel Arbeit verbunden war. Am Vortrag der Initiative habe ihr der Blick über Aachen hinaus und der Blick auf die sozialen Folgen vom Klimawandel sehr gut gefallen. Die bittere Realität sei, dass Menschen, die sich bereits jetzt in keiner privilegierten Situation befinden, ganz extrem betroffen seien. Sie bittet die Initiative, das Engagement und den Einsatz beizubehalten und der Politik auf die Füße zu treten, um die Maßnahmen schnellstmöglich umzusetzen.
Ratsherr Mohr (AfD) findet es sehr auffällig, dass derartige Initiativen immer kurz vor Wahlen auftauchen. Weiterhin teilt er mit, dass er eine Aussage von Ratsfrau Lürken korrigieren müsse. Die AfD-Ratsgruppe habe seinerzeit dem IKSK nicht zugestimmt. Seine Fraktion werde generell nicht mitziehen, da ganz Deutschland gerade mal 2 % zum CO²-Aufkommen beitrage. Selbst wenn man der Annahme nachgehe, dass das CO² gravierende Auswirkungen auf die Klimaentwicklungen habe und selbst wenn ganz Deutschland klimaneutral wäre, wäre der Effekt auf das Weltklima gleich null. Seiner Meinung nach gehe es bei dieser Diskussion eher um Emotionen und darum, dass diese Klimathematik unglaublich sinn- und gemeinschaftsstiftend sei.
Er erläutert, dass der Rat der Stadt Aachen sich auf seine Aufgaben konzentrieren solle, da er keinen Einfluss auf das Weltklima nehmen könne. Die AfD-Ratsgruppe werde heute, wie bereits im August 2020, nicht zustimmen.
Ratsherr Helg (FDP) bedankt sich bei der Initiative und teilt mit, dass die FDP-Fraktion sowohl den Einwohner*innenantrag als auch erweiterten Beschlussvorschlag voll unterstütze. In Bezug auf den Wortbeitrag von Ratsherrn Mohr (AfD) weist er ausdrücklich darauf hin, dass das Thema Klimaschutz nicht nur vor den Wahlen in den letzten drei Jahren an erster Stelle in der Öffentlichkeit gerückt sei. In den letzten beiden Jahren sei das Thema Corona-bedingt, in diesem Jahr durch den Krieg in der Ukraine, an zweite oder dritte Stelle gerückt. Dennoch sei mittel- und langfristig das wichtigste Ziel, das 2 Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten. Auf allen Ebenen in der öffentlichen Arbeit, sowohl im Bund, Land als auch in den Kommunen werden die Bewältigung des Klimawandels und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen die wichtigsten Themen sein.
Die Oberbürgermeisterin teilt mit, dass sie heute Mittag bei der Probefahrt des ersten Brennstoffzellenfahrzeugs des Vereins Ecogenium dabei war. Ecogenicum sei ein Verein von 40 Studierenden, die 2020 mit dem Bau dieses Fahrzeugs begonnen haben, welches ein Viertel des Volumens eines normalen Fahrzeugs habe und ein Viertel des Brennstoffes umsetze. Junge Menschen, die in Aachen studieren und sich aus Eigeninitiative einem solchen Projekt verschreiben, müsse man hier halten, um der Verantwortung für die Klimaneutralität gerecht zu werden und technische Innovationen auf den Weg zu bringen, die der Welt helfen, diese Klimaneutralität zu erreichen.
Weiterhin bedankt sie sich bei der Initiative für das Engagement und den Einsatz. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die Beschlüsse auf die Straße gebracht werden und von den Menschen mitgetragen werden. Das OW-Monitoring, das DIFU des Deutschen Instituts für Urbanistik, habe sie heute auf dem Tisch gehabt, „Klima“ sei das TOP-Thema der Kommunen, der Oberbürgermeister*innen und Bürgermeister*innen, die es auch im Namen der Räte entsprechend nach vorne treiben.
Ratsfrau Lürken (CDU) bezieht sich auf den Wortbeitrag von Ratsherrn Mohr und erläutert, dass sie mit der einstimmigen Beschlussfassung des IKSK alle demokratisch relevanten Parteien gemeint habe, zu denen die AfD-Ratsgruppe nicht gehöre.
Ratsherr Baal (CDU) äußert, dass der guten Ordnung, der Ehrlichkeit und der Akzeptanz halber an der Stelle denjenigen ein großer Dank gehöre, die seit den 2000er Jahren in dieser Stadtverwaltung das Thema bearbeiten. Er finde es schwierig, wenn in einigen Redebeiträgen Adjektive, wie „wirkliches Klimakonzept“, „echtes Klimakonzept“ oder „ernstgemeintes Klimakonzept“ auftauchen. Dies würde unterschwellig bedeuten, dass alle bisher beschlossenen Maßnahmen nicht ernst gemeint waren. Er bittet daher die Initiative um Respekt gegenüber den Mitarbeiter*innen der Verwaltung, angefangen bei Frau Dr. Vankann, die mit einer Stabstelle bei Frau Gisela Nacken angefangen habe. Der Beigeordnete Dr. Kremer sei bereits genannt worden, nun sei das Thema in einem eigenständigen Dezernat unter der Leitung von Beigeordnetem Thomas gelandet. All dies verdeutliche die Ernsthaftigkeit, mit der hier gearbeitet werde.
Die Oberbürgermeisterin möchte wissen, ob nun der gemeinsame Änderungsvorschlag und anschließend der Vorschlag der SPD und VOLT abgestimmt werden könne.
Beigeordneter Thomas erläutert, dass nur die Dinge heute zur Diskussion stehen, die tatsächlich von den Bürger*innen unterschrieben worden sind.
Ratsherr Servos (SPD) äußert, dass der Beschlussentwurf nicht eingebracht werde, wenn über den Beschlussentwurf der Verwaltung abgestimmt werde, dass die beiden im Einwohner*innenantrag genannten Positionen, für die unterschrieben wurde, hier zur eigenen Beschlusslage gemacht werden.
Die Oberbürgermeisterin bedankt sich und lässt über den geänderten Beschlusstext abstimmen.
Beschluss:
Der Rat der Stadt Aachen stimmt mit zwei Gegenstimmen mehrheitlich dem im Einwohner*innenantrag „Aachen klimaneutral 2030“ formulierten Ziel zu. Er würdigt ausdrücklich das zivilgesellschaftliche Engagement im Rahmen des Klimaschutzes. Er verweist hierzu auch ausdrücklich auf die bereits vom Rat der Stadt Aachen beschlossenen ambitionierten Ziele und Maßnahmen sowie auf die zur Umsetzung des Integrierten Klimaschutzkonzeptes bereits zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel in Höhe von 83,9 Mio. Euro für den Zeitraum 2022-2025.
Der Rat der Stadt Aachen beauftragt die Verwaltung, das Ziel des Einwohner*innenantrages sowie die bereits getroffenen klimarelevanten Entscheidungen des Rates in die Überarbeitung des IKSK im Jahr 2023 einzuarbeiten, alle relevanten Akteure mit ihren vielfältigen Ideen in die Fortschreibung einzubinden und die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema klimaneutrale Stadt weiter zu intensivieren.