31.05.2022 - 3.2 Haushalt - Chancen und Risiken

Reduzieren

Beratung

Frau Grehling informiert darüber, dass die Reihenfolge der Darstellung der Chancen und Risiken gegenüber den letzten Sachstandsberichten umgekehrt worden sei, so dass sie zunächst die - teilweise bereits aus der letzten Sitzung bekannten - Chancen darstellen werde.

 

Der Stand der Steuererträge sei nach wie vor erfreulich. Die Ertragserwartung bei der Gewerbesteuer in Höhe von rund 8 Mio. Euro über dem Haushaltsansatz könne bestätigt werden. Mittlerweile sei hier sogar von einer Mindesterwartung zu sprechen. Eine weitere Verbesserung sei jedenfalls realistischer als eine verhaltenere Prognose.

 

Die Vorfinanzierung der Flüchtlingsunterbringung, im Wesentlichen durch die Inanspruchnahme einer außerplanmäßigen Abschlagszahlung der Städteregion auf die Abrechnung der differenzierten Regionsumlage der Vorjahre, sei aus der letzten Sitzung sowie dem getroffenen Beschluss im Rat bekannt. Als Folge der Bund-Länder-Beratungen sei die erste Tranche der 430 Mio. Euro für NRW bereits geflossen, die Stadt Aachen hätte somit eine Zahlung in Höhe von 3,3 Mio. Euro erhalten. Dazu komme noch der mit der Städteregion abzurechnende Anteil, da 20% der Kostenerstattung an die Kreise ausgezahlt werde. Mit der Städteregion bestehe Einigkeit, dass dieser Anteil in die Spitzabrechnung einbezogen werden müsse, so dass hier mit einem zusätzlichen Ertrag für die Stadt Aachen zu rechnen sei.

 

Hinzuweisen bei den Chancen in der laufenden Haushaltsbewirtschaftung sei des Weiteren auf den Personalkostenverbund (PKV). Sie möchte in Erinnerung rufen, dass im Zuge der Haushaltsplanung 2022 der Ansatz für Personalkosten aufgrund der Ergebnisse der Vorjahre gegenüber den Anmeldungen bereits pauschal um 8 Mio. Euro zum Abzug gebracht worden sei. Die aktuelle Hochrechnung vom April weise darüber hinaus einen weiteren Minderaufwand in Höhe von rund 2 Mio. Euro aus, welcher sich bei zukünftiger Besetzung neu ausgewiesener Stellen wieder reduzieren könne. Bereits eingeflochten in diese Hochrechnung seien beispielsweise der neue Tarifabschluss für Erzieherinnen und Erzieher sowie die Corona-Sonderzahlungen, welche jedoch haushaltsrechtlich isoliert werden können. Die Wirkungen der Beamten-Alimentation seien ebenfalls beim Forecast für den PKV bereits integriert. Dass dieser dennoch einen Minderaufwand aufweise, liege verstärkt an der nicht erfolgreichen Besetzung von insbesondere neuen Stellen, so dass hier von einem zweischneidigen Schwert gesprochen werden müsse.

 

Bei den Risiken des Haushalts seien die relevanten Zahlen hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine fortgeschrieben worden. Hier würden analog zur letzten Sitzung nicht nur die bereits zur Auszahlung gebrachten Mittel aufgeführt, sondern auch solche, die mittels Vormerkungen bereits gebunden seien. Die Aufwendungen bzw. Auszahlungen für Asyl-Leistungen, konsumtive Mittel und Investitionen sowie für zusätzliches Personal würden reduziert durch die bereits erwähnten 3,3 Mio. Euro vom Land sowie Erstattungsleistungen gemäß FlüAG, so dass in der Summe nach jetzigem Stand ein Saldo von 11,3 Mio. Euro verbliebe. Je nach Fortentwicklung müsse abgewartet werden, wie viel von den zur Verfügung gestellten 15 Mio. Euro bei der Stadt Aachen wieder refinanziert und somit dem Haushalt der Stadt wieder zur Verfügung gestellt werden können. Beispielhaft für Positionen der Flüchtlingsunterbringung und -versorgung seien Betreuungs- und Sicherheitsleistungen in Turnhallen und der Zeltstadt sowie Verpflegungskosten bei Turnhallen und im Ankunftszentrum, wobei bei letzterem die Prognose um rund 300.000 Euro nach unten hätte korrigiert werden können. Selbstverständlich sei das Ziel der Stadt Aachen die Turnhallen nach Möglichkeit so schnell wie möglich wieder für die ursprüngliche Nutzung zur Verfügung zu stellen.

 

Die Vielzahl von Krisen habe bekanntermaßen Auswirkungen auf Baupreise mit den entsprechenden Folgen hinsichtlich der Angebote bei Vergaben aber auch nachträglichen Forderungen bei bereits abgeschlossenen Verträgen, wobei die konkreten Effekte noch nicht absehbar seien. In dem Zusammenhang verweist sie auf die Notwendigkeit von Stoffpreisgleitklauseln, welche im weiteren Verlauf der Sitzung noch zu behandeln seien.

 

Dass auch die Stadt Aachen von immensen Energiekostensteigerungen betroffen sei, sei nachvollziehbar und in vorherigen Sitzungen bereits thematisiert. Dies mache sich auch bei den Haushaltsanmeldungen nachhaltig bemerkbar. Allein das Gebäudemanagement habe beispielsweise bereits einen diesbezüglichen jährlichen Mehraufwand in Höhe von rund 2,2 Mio. Euro angezeigt.

 

Ein zusätzliches - massives - Risiko für den Haushalt stelle das OVG-Urteil zu den Abwassergebühren in Oer-Erkenschwick dar. Das Urteil sei noch nichts rechtskräftig. Sie gehe davon aus, dass die betroffene Kommune eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen werde. Mögliche Auswirkungen bei Bestätigung des Urteils auf die kommunalen Haushalte in NRW seien jedoch immens. Allein bei der Stadt Aachen müsse das Risikoportal im Falle der dann notwendigen Anpassungen mit 10 bis 14 Mio. Euro pro Jahr beziffert werden. Sie möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass nicht unrechtmäßig zu viel Gebühren erhoben worden seien, da auch die Stadt Aachen nur die langjährige Rechtsprechung angewendet habe. Noch seien keine Handlungsempfehlungen von Städtetag oder Ministerium ausgearbeitet worden. Anders sehe dies auf der Seite der Gebührenzahler aus. Der Bund der Steuerzahler habe zum allgemeinen Widerstand aufgerufen. Bei der Stadt Aachen liefen derzeit 71 Klageverfahren mit einen Gesamtvolumen von „nur“ 77.000 Euro. Eine Rückzahlung von bestandskräftig festgesetzten Zahlungen werde von Seiten der Verwaltung nicht in Betracht gezogen. Hierfür sehe man keine Rechtsgrundlage. Das Risiko sei vielmehr für künftige Haushaltsjahre immanent.

 

Zusammenfassend lasse sich grundsätzlich festhalten, dass das laufende Haushaltsjahr 2022 aus finanzieller Sicht ordentlich laufen würde und gegenwärtig keinen Anlass zur Sorge gebe. Anders müsse die Bewertung für die Planung der anstehenden Haushaltsjahre vorgenommen werden. Hier würden die Risiken die Chancen deutlich übersteigen, da die vorgestellten aktuellen Entwicklungen eine Bugwelle auslösen würden, welche sich in kommenden Jahren auswirke. Das größte Risiko würde aufgrund der damit verbundenen Größenordnung zweifelsfrei das erwähnte OVG-Urteil darstellen. Bei den Zinssteigerungen sei die Stadt Aachen gut aufgestellt. Diese würden im Wesentlichen den Kassenkredit betreffen, welcher jedoch mit rund 330 Mio. Euro gegenwärtig vergleichsweise gut dastehen würde. Bei den Investitionskrediten würde sich das Problem aufgrund der langen Zinsfestschreibungen in sehr viel geringerem Maße auswirken. Steigende Zielvorgaben oder Erwartungshaltungen würden die Probleme bzw. Risiken künftiger Planung jedoch zusätzlich verschärfen. Beispielhaft seien hier zwei Vorlagen aus dem Bereich Schule zu nennen, welche aufgrund ihrer finanziellen Auswirkungen von ihr als Kämmerin nicht hätten mitgetragen werden können.

 

Nicht erwähnt im Risikoportal seien zusätzliche Mittel für die ÖPNV-Finanzierung oder die Thematik der Schlüsselzuweisungen. Denn die grundsätzlich erfreulich hohen Ist-Zahlungen bei den Steuern würden einhergehen mit dem Risiko geringerer Schlüsselzuweisungen oder steigender Anteile an der Landschaftsverbandsumlage, welches sich durchaus im zweistelligen Mio.-Euro-Bereich bewegen könnte. Da dies jedoch nicht absehbar sei, müsse man die gegenwärtig in der Prüfung befindlichen Haushaltsanmeldungen, insbesondere im schwer zu prognostizierenden Themenfeld Flüchtlingsunterbringung, abwarten. Mittlerweile seien jedoch so viele Großblöcke zu berücksichtigen, dass die weitere Zeitplanung zum Haushalt 2023 noch nicht abgeschätzt werden könne. In jedem Fall müsse die Arbeitskreisrechnung zum GFG 2023 zwingend abgewartet werden.

 

Der Vollständigkeit halber zu erwähnen sei die Möglichkeit der Haushaltsverbesserung durch die Erhebung einer weiteren kommunalen Steuer, nicht als reiner Bettensteuer, als zusätzlicher Ertragsquelle, auch wenn von politischer Seite aus vermutlich nicht gern gesehen. In der Haushaltsberatung müssten alle Möglichkeiten zur Verabschiedung eines genehmigungsfähigen Haushalts gegeneinander abgewogen werden und von den Fraktionen sei letztlich darüber zu entscheiden.

 

Der Ausschussvorsitzende Herr Linden bedankt sich bei Frau Grehling für den umfassenden Bericht.