20.09.2022 - 3.2 Haushalt - Chancen und Risiken
Grunddaten
- TOP:
- Ö 3.2
- Sitzung:
-
Sitzung des Finanzausschusses
- Gremium:
- Finanzausschuss
- Datum:
- Di., 20.09.2022
- Status:
- gemischt (Niederschrift genehmigt)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- Öffentliche/Nichtöffentliche Sitzung
Beratung
Hinsichtlich der Bewirtschaftung des Haushaltsjahrs 2022 berichtet Frau Grehling - wie bereits in vergangenen Sitzungen angedeutet - von einigen essenziellen Verbesserungen. So weise die Gewerbesteuer einen tagesaktuellen Sollstand von rund 255 Mio. Euro auf. Der ursprüngliche Haushaltsansatz in Höhe von rund 207 Mio. Euro könne somit deutlich überschritten werden.
Die Abschlagszahlung in Höhe von 15 Mio. Euro auf Abrechnungen von Vorjahren der Städteregion habe sehr geholfen bei der Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Personen aus der Ukraine.
Der Forecast beim Personalkostenverbund, der bei der letzten Sitzung noch mit rund 2 Mio. Euro Verbesserung gegenüber Plan angegeben wurde, sei zwar auf knapp über 1 Mio. Euro reduziert worden, weise aber dennoch trotz bekanntem Pauschalabzug in jedem Fall Auskömmlichkeit aus.
Des Weiteren seien Verbesserungen festzustellen bei den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen. Als Beispiele führt sie Aus- und Fortbildungskosten sowie Aufwendungen für Festwerte an. Letztere würden in Bezug auf die spiegelbildlichen Investitionsauszahlungen im Tagesordnungspunkt „Übersicht der Investitionsmaßnahmen 2022“ noch abzulesen sein.
Bei den Zinsaufwendungen sei man im Jahr 2022 noch in einer glücklichen Situation, da die vorgenommene Leitzinserhöhung bereits in der Planung für das Jahr prognostiziert worden sei.
Als weitere Verbesserungen können - zumindest für das Jahr 2022 - nicht realisierte Risiken aufgeführt werden. Hierzu zähle das mehrfach behandelte Thema „KAG-Urteil“, welches noch nicht rechtskräftig sei und zu dem mittlerweile ein neuer Gesetzesentwurf vorliegen würde.
Die Steuererträge seien stabil, das Risiko einer Rückläufigkeit in den vergangenen Monaten sei - mit Ausnahme von gewissen tagesaktuellen Schwankungen - nicht eingetreten. Auch bis Jahresende sei Stand jetzt nicht mehr mit einem größeren Einbruch zu rechnen. Über das Streitrisiko in Höhe von 9,4 Mio. Euro sei bereits berichtet worden. Für die anstehende Haushaltsplanung sei aber wie bereits ausgeführt der Umstand der atypisch hohen Nachzahlungen aus Vorjahren zu berücksichtigen.
Bei der Flüchtlingskrise seien keine unbeherrschbaren Zahlungsströme festzustellen, auch aufgrund der soeben erwähnten Abschlagszahlung in Höhe von 15 Mio. Euro der Städteregion.
Bei den Energiekosten als direkte Folge des Krieges in der Ukraine seien haushalterisch verzögerte Effekte zu konstatieren. Anders werde dies in den Folgejahren aussehen. Daher sei im Moment zu überlegen, ob man die gute Haushaltslage nutzen und einen vorgezogenen Betriebskostenzuschuss an das Gebäudemanagement leisten solle, um somit eine Entlastung folgender Jahre herbei führen zu können.
Noch nicht final vom Land entschieden sei darüber hinaus die Frage, ob die Isolierungsmöglichkeit nach NKF-CUIG für die kommunalen Auswirkungen durch den Ukraine-Krieg auch im Jahresabschluss 2022 zur Anwendung gebracht werden könne.
Die vorgestellte gute Haushaltslage im Jahr 2022 könne jedoch nicht einfach auf die Planung 2023 bis 2026 übertragen werden. Vielmehr sei es nun die Aufgabe, auf das Geld „aufzupassen“. Sie verweist zum Einen auf die Mittelfristplanung des Jahres 2022 mit einem Fehlbetrag von rund 36 Mio. Euro im Jahr 2023 und der damit verbundenen Überschreitung der für die Genehmigung des Haushalts relevanten Grenze von 5% des Verzehrs der allgemeinen Rücklage. Für die Jahre 2024 bis 2026 sei diese Grenze planerisch nur knapp unterschritten worden.
Gegenüber dieser Basis könnten zwar demgegenüber wesentliche Verbesserungen festgestellt werden. Vor dem Hintergrund der vorgestellten Zahlen zur Gewerbesteuer für das Jahr 2022 sei etwa offensichtlich, dass der Ansatz nach oben zu korrigieren sei. Des Weiteren werde die Stadt Aachen nach vorliegender Arbeitskreisrechnung zum GFG 2023 eine überraschend hohe Schlüsselzuweisung erhalten. Hier profitiere sie in erster Linie von einer sehr hohen Verbundmasse sowie von der Tatsache, dass Aachen hinsichtlich der Entwicklung der fiktiven Steuerkraft, anders als im Vorjahr, sogar leicht unter dem landesweiten Durchschnitt liegen würde. Die Verbesserung für das Jahr 2023 für die beiden Positionen könne auf rund 55 Mio. beziffert werden.
Zum Andern müssten aber sowohl durch die Haushaltsanmeldungen als auch durch öffentliche Debatten neue Herausforderungen aus unterschiedlichen Themenfeldern (z. B. Wirtschaft, Schule, Klima, ÖPNV, Kultur und Soziales) konstatiert werden. Konkrete Bedarf und Risiken würden im Folgenden vorgestellt.
Bei den KAG-Gebühren ergebe sich auf Basis des vorliegenden Gesetzesentwurfs ein Risiko von bis zu 10 Mio. Euro. Maßgeblich dafür sei die noch offene Frage der Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital.
Bei der Städteregionsumlage sehe die Fortschreibung des Eckdatenpapiers im Rahmen der Benehmensherstellung einen zusätzlichen Aufwand für die Stadt Aachen in Höhe von jährlich rund 13 Mio. Euro vor. Es sei bei dem Punkt jedoch noch offen, wie viel davon durch die Isolierungsmöglichkeit von corona- und kriegsbedingten Schäden durch die Städteregion reduziert werden könne. Des Weiteren bleibe abzuwarten, inwieweit der LVR seinen Umlagesatz vor dem Hintergrund der eigenen gestiegenen Schlüsselzuweisungen reduzieren werde. Hierzu verweist sie auch auf die Vorlage, die im Tagesordnungspunkt 4 der heutigen Sitzung zu behandeln sein werde.
Offenkundig seien aufgrund der Entwicklungen des Leitzinses die Risiken von steigenden Zinsaufwendungen bei Kassen- und Investitionskrediten.
Des Weiteren weist sie daraufhin, dass die möglichen Isolierungen von corona- und kriegsbedingten Schäden ebenfalls einem Kredit gleichkommen würden, welcher abzuschreiben sei.
Zu den weiteren Risiken bzw. Bedarfen seien Stellenneuanmeldungen in zweistelliger Mio.-Höhe sowie steigende Abschreibungskosten zu nennen. Vor einigen Jahren noch seien jährliche bilanzielle Abschreibungen von 21 bis 22 Mio. Euro normal gewesen, mittlerweile liege dieser Wert bereits bei 27 bis 28 Mio. Euro und werde vor dem Hintergrund der steigenden Preise bei Investitionsmaßnahmen weiter anwachsen. Des Weiteren müsse man für die Zeit nach 2026 auch die Abschreibungen durch die corona- und kriegsbedingten Isolierungen bedenken.
Schließlich seien auch die Kosten der Unterbringung und der Betreuung von Flüchtlingen sowie steigende Energiekosten zu nennen.
Die Gesamtsumme der Bedarfe und Risiken könne mit rund 60 Mio. Euro prognostiziert werden. Jedoch sei auch zu erwähnen, dass bei den beiden zuletzt genannten Faktoren voraussichtlich die Möglichkeit der Isolierung von Mehraufwendungen vorhanden sein werde, ebenso wie weiterhin für pandemiebedingte Schäden.
Um die Folgen der Isolierung zu verdeutlichen, führt Frau Grehling aus, dass die Summe der Schäden durch Covid-19 in den Jahren 2020 bis 2022 auf voraussichtlich rund 90 Mio. Euro zu beziffern sei. Sollte die Möglichkeit der Isolierung auch für die Folgejahre gewährt werden, seien die größten Effekte wie zu Beginn der Pandemie (z. B. Steuern) zwar nicht mehr relevant, jedoch würden sich Mehraufwendungen bei der Gesundheitsvorsorge sowie Ertragsdefizite im Stadtkonzern auf schätzungsweise noch rund 5 Mio. Euro belaufen. Bei der haushaltsrechtlichen Isolierung der direkten Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine sei die Frage noch offen, ob dies auch rückwirkend für das Jahr 2022 möglich sei. Für die Jahre 2023 bis 2025 werde allein für die Flüchtlingsunterbringung sowie gestiegene Energiekosten bei der Stadt sowie bei Beteiligungen gegenwärtig mit einem saldierten Betrag in Höhe von bis zu 100 Mio. Euro gerechnet. Um dies zu spezifizieren, müsse man aber die genaue Ausgestaltung des Gesetzes abwarten. So sei beispielsweise noch nicht sicher, ob auch die unmittelbaren Folgen bei Beteiligungen zu einer Isolierungsmöglichkeit im städtischen Haushalt führen würden oder ob Folgen bei Gewerbesteuerzahlern mit Auswirkungen auf die Kommunalsteuern isolierungsfähig seien. Nehme man jedoch die vorgestellten, angenommenen Zahlen bis zum 31.12.2023 als Basis errechne sich bereits eine jährlich wiederkehrende Abschreibungslast in Höhe von 2,5 Mio. Euro ab dem Jahr 2027 über 50 Jahre (Anmerkung der Verwaltung: im endgültigen Gesetz Abschreibung ab dem Jahr 2026). In Relation zum Gesamthaushalt mit einem Volumen von über 1 Mrd. Euro erscheine dem ein oder anderen eine jährliche Belastung von 2,5 Mio. Euro möglicherweise vergleichsweise gering. Sie möchte jedoch darauf hinweisen, welche Bedeutung ein solche Summe beispielsweise in Bezug auf Stellenanmeldungen oder im Sozialbereich habe. Des Weiteren seien 2,5 Mio. Euro in der Vergangenheit durchaus bereits für die Genehmigungsfähigkeit eines Haushalts entscheidend gewesen.
Bei den Kämmerer*innen der Kommunen des Landes NRW sei daher die einvernehmliche Befürchtung, dass neue Schulden aufzunehmen seien, welche Belastungen für die Zukunft darstellen würden. Es werde durchaus anerkannt, dass manche Kommunen keine Chance hätten, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen, sollte nicht auf die Isolierungsmöglichkeit zurückgegriffen werden. Die Hilfe führe aber letztlich zu einer Verschuldung bei der Kommune und dazu, dass die Tilgung der Schulden nachfolgenden Generationen überlassen werde. Das sei von Seiten der Kämmerinnen und Kämmerer allein schon aus dem Grund mit Sorge behaftet, da das NKF seinerzeit insbesondere auf das Prinzip der „Generationengerechtigkeit“ ausgerichtet und eingeführt worden sei und dass „der gesamte Ressourcenverbrauch einer Kommune innerhalb eines Zeitraums regelmäßig durch Erträge desselben Zeitraums gedeckt werden soll, um nachfolgende Generationen nicht zu überlasten.“ Zwar sei der Schuldenstand in Aachen vergleichsweise gering und die allgemeine Rücklage weise noch einen soliden Betrag auf, jedoch sei die Größenordnung der Isolierung und somit der Neuschulden, die nachfolgende Generationen zu tragen hätten, bemerkenswert.
Ratsherr Pilgram fragt bezüglich der Folie zu den Risiken in der Haushaltsplanung mit einem Gesamtvolumen von rund 60 Mio. Euro nach, ob die einzeln aufgeführten Punkte quantifiziert werden können, da lediglich bei zwei Stichpunkten eine ungefähre Summe dargestellt worden sei. Des Weiteren würde er gerne wissen, ob sich die vorgestellten Zahlen hinsichtlich Chancen und Risiken im nächsten Haushaltsplanentwurf wiederfinden lassen würden.
Frau Grehling führt aus, dass sie mit Sicherheit keine allein „gegriffene“ Zahlen im Ausschuss präsentieren würde. Die Zahlen seien alle nach dem aktuellen Kenntnisstand hergeleitet. Zu den KAG-Gebühren und der Städteregionsumlage seien Zahlen aufgeführt worden. Bei den Stellenneuanmeldungen habe sie eine Größenordnung in Höhe von mehreren Mio. Euro genannt. Auch bei den Abschreibungen seien Zahlen genannt worden. Hinsichtlich der Kosten der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen sowie der Energiekosten seien Größenordnungen, soweit sie gegenwärtig abgeschätzt werden können, ebenfalls enthalten. Man könne davon ausgehen, dass die vorgestellten Zahlen in etwa in der Größenordnung auch den Weg in den Haushaltsplanentwurf finden würden. Vieles hänge dabei aber auch von der konkreten Ausgestaltung der möglichen Isolierung von pandemie- und kriegsbedingten Schäden ab.
Herr Casper fragt zur Städteregionsumlage an, ob Frau Grehling davon ausgehe, dass die jährliche Steigerung von rund 13 Mio. um rund 6 Mio. Euro reduziert werden könne oder ob dies nur eine positive Hoffnung sei. Die Frage sei insbesondere hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Handlungsspielraums im Haushalt für die Stadt Aachen von Bedeutung.
Frau Grehling führt aus, dass 6 Mio. Euro in etwa der Gesamtsumme entsprechen würde, die die Städteregion im Bereich Energie hoffe, haushaltsrechtlich isolieren zu können. Sollte dies möglich sein, wäre die Reduzierung der differenzierten Regionsumlage für die Stadt Aachen davon abhängig, wie viel von dieser Isolierung in den umlagerelevanten Aufgabenkreis einzubeziehen sei. Grob geschätzt würde das ungefähr die Hälfte der aufgeführten Summe entsprechen. Die andere noch offene Frage bei der Regionsumlage sei der Umlagesatz des Landschaftsverbandes. Dieser müsse nun seinen Umlagebedarf gegenüber dem verabschiedeten Doppelhaushalt neu berechnen. Dieser Bedarf sei wiederum abhängig von mehreren Faktoren, z. B. auch der Frage, ob auch der LVR von der Möglichkeit der Isolierung Gebrauch mache. Für die Stadt Aachen werde sich auch die Frage stellen, ob es ergänzend einzelne Positionen gebe, die hinsichtlich Corona oder Ukraine in den gesamten Deckungskreis einfließen, und neuerlich isoliert werden können. Als Beispiel führt sie die Weiterleitung der Gewinnausschüttung der Sparkasse an. Sie äußere die Hoffnung, dass das Gesetz bis Ende des Monats so spruchreif sei, dass alle Kommunen und Verbände auf der Basis planen könnten.