25.04.2023 - 3.1 Haushalt: Chancen und Risiken

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Beratung

Der wiederkehrende Bericht zu den Chancen und Risiken stehe unter dem Einfluss der Tarifverhandlungen, da deren Auswirkungen zweifelsfrei das größte Risiko für den Haushalt darstellen würden, wie Frau Grehling einleitend berichtet. Die Thematik an sich sei zwar bekannt, in den Ausmaßen aber sicher von immenser Bedeutung. Dargestellt werde eine wertfreie Betrachtung der reinen Zahlenwelt.

 

Berücksichtigung gefunden hätten zunächst die Einmalzahlungen, welche sich den Bestimmungen des NKF-CUIG zuordnen ließen und denen ein außerordentlicher Ertrag gegenübergestellt werden könne. Für die laufende Bewirtschaftung seien diese Einmalzahlungen daher eher kein Problem, würden jedoch das entsprechende Abschreibungsportal erhöhen.

 

Für die eigenen Berechnungen sei zum anderen neben den verhandelten Tarifsteigerungen die Annahme einer weiteren Steigerung von jährlich 2% ab dem Jahr 2025 sowie einer Übertragung der Erhöhungen für den Bereich der Beamten ab März 2024 unterstellt worden. Demnach ließen sich folgende Belastungen für den Haushalt ableiten: die Personalkosten für Angestellte und Beamte steigen um 24,5 Mio. Euro im Jahr 2024 bis zu 44,8 Mio. Euro im Jahr 2027. Unter Berücksichtigung der Isolierungsmöglichkeit der Einmalzahlungen für das Jahr 2024 sowie der Annahme einer Refinanzierung in den Gebührenbereichen ergebe sich eine saldierte Mehrbelastung zwischen 19,6 Mio. Euro (2024) und 39,3 Mio. Euro (2027). Frau Grehling gibt zu bedenken, dass bereits die Mittelfristplanung im genehmigten Haushalt 2023, insbesondere in den Jahren 2025 und 2026, einen Eigenkapitalverzehr von nur knapp unterhalb der 5%-Grenze der allgemeinen Rücklage aufgewiesen habe. Die vorgestellten Zahlen seien somit zweifelsfrei so hoch, dass die Risiken im Zuge der Haushaltsaufstellung nicht wegzudiskutieren seien.

 

Es sei bekannt, dass die Möglichkeiten der Ertragssteigerung begrenzt seien. Für die erforderliche Gegenfinanzierung könne zu einem Teil jedoch angenommen werden, dass Tariferhöhungen und Inflation die Erträge bei den Gemeindeanteilen an der Einkommen- und der Umsatzsteuer erhöhen werden, wenn auch sicher nicht in einem 1:1-Verhältnis. Die konkreten Auswirkungen können voraussichtlich erst mit der Abrechnung des 3. Quartals quantifiziert werden, rund 10 Mio. Euro pro Jahr werde jedoch als Erwartungshaltung hinterlegt.

 

Erforderlich sei auch, auf eine Ansatzerweiterung im Haushalt gegenüber der aktuellen Mittelfristplanung zu verzichten sowie Konsolidierungsmaßnahmen im Aufwandsbereich vorzunehmen. Hier seien zwei Möglichkeiten denkbar: eine grundsätzliche Einsparvorgabe sowie das Instrument des globalen Minderaufwands, auf dessen Anwendung die Stadt Aachen seit Einführung der gesetzlichen Möglichkeit bisher verzichtet habe. In beiden Fällen seien die Einsparmöglichkeiten mit einer Größenordnung von rund 12 Mio. Euro zu beziffern. Beim Konsolidierungsvorschlag habe man die sog. 52er- (Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen) und 54er-Konten (Sonstige ordentliche Aufwendungen) einer tiefergehenden Analyse unterzogen und dabei die letzten Jahresergebnisse mit den Ansätzen der aktuellen Mittelfristplanung abgeglichen. Als Ergebnis einer als realistisch einzustufenden 10%-igen Kürzung dieser Aufwendungen habe sich das soeben genannte Einsparpotential gezeigt. Auf die einzelnen Dezernate übersetzt, ergäben sich entsprechende unterschiedlich hohe Zielvorgaben, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Werte um rentierliche Produkte, Stiftungen, den Produktbereich „Allgemeine Finanzwirtschaft“ sowie sämtliche Aufwendungen im Zusammenhang mit dem NKF-CUIG bereinigt worden seien. Die erforderlichen Aufwandsminderungen könnten dabei selbstverständlich auch aus anderen Töpfen erfolgen, zum Beispiel bei Zuschüssen.

Würden sich die vorgestellten Gegenfinanzierungsmaßnahmen realisieren lassen, könne die Mehrbelastung aus den Tarifverhandlungen für das Jahr 2024 ausgeglichen werden, für die Jahre 2025 bis 2027 jedoch deutlich nicht. Sie stelle ausdrücklich klar, dass sich die Zahlen zum jetzigen Zeitpunkt einzig auf die in der Mittelfristplanung des Haushalts 2023 verankerten Ansätze beziehe. Weitere Erhöhungen, beispielsweise ein erhöhter Zuschussbedarf von Dritten, die Folgelasten von Maßnahmen aus Ermächtigungsübertragungen, der § 13-Liste oder gänzlich neuer Projekte sowie von Mehraufwendungen aufgrund von Stellenneuanmeldungen könnten noch nicht berücksichtigt werden und müssten gegengespiegelt werden.

 

Eine weitere mögliche Säule der Haushaltskonsolidierung stelle die Erhöhung von Steuern dar, um ein ggf. noch bestehendes Delta auszugleichen. Eine Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B - zumindest innerhalb der noch geltenden Rechtsprechung bis zur Grundsteuerreform 2025 - um 1 Punkt entspräche bei der Stadt Aachen einem Mehrertrag in Höhe von rund 98.000 Euro, bei der Gewerbesteuer um rund 530.000 Euro. Um Erträge in Höhe von jeweils rund 10 Mio. Euro generieren zu können, müssten die Hebesätze demnach bei der Grundsteuer B von 525 auf 627 bzw. bei der Gewerbesteuer von 475 auf 494 erhöht werden. Bei der Gewerbesteuer sei jedoch, wie eingangs berichtet, die Solidität der im Haushalt verankerten Zahlen von entscheidender Bedeutung und bei einer Entscheidung mit zu berücksichtigen.

Selbstverständlich sei auch eine weitergehende Konsolidierung durch Priorisierung von Maßnahmen möglich.

 

Anders als andere Kommunen sei die Stadt Aachen im Vorteil, nicht sofort handeln zu müssen. So könne beispielsweise die allgemeine Steuerentwicklung im Jahresverlauf genau beobachtet werden. Offen sei, wie sich die Schlüsselzuweisungen entwickeln würden. In den letzten Jahren habe eine überraschend positive Entwicklung der Stadt Aachen in der Haushaltsplanung deutlich helfen können. Ob das auch für die Zukunft gelte, sei jedoch nicht vorhersehbar. Des Weiteren müsse die Verfassungsbeschwerde der kreisfreien Städte gegen die Differenzierung der fiktiven Hebesätze beachtet werden. Eine Chance stelle wiederum zweifelsfrei die Möglichkeit dar, den aller Voraussicht nach sehr guten Jahresabschluss 2022 für die anstehende Haushaltsplanung zu nutzen. Mit dem Rechnungsprüfungsamt sei bereits abgestimmt worden, dass alles darangesetzt werde, den endgültigen Jahresabschluss vor oder zeitgleich mit der Verabschiedung des Haushalts 2024 aufzustellen, so dass der sich insbesondere aus der Entwicklung der Gewerbesteuer und der Ausgleichszahlung der Städteregion generierte erwartete Überschuss für die Verstärkung der Ausgleichsrücklage genutzt werden könne. Eine andere Verwendung dieses Überschusses sollte sicher vermieden werden.

Unklar sei die weitere Entwicklung der Regionsumlage. Für das Jahr 2023 habe der Landschaftsverband Rheinland den Umlagesatz nachträglich reduziert, mit entsprechenden positiven Auswirkungen für die Stadt Aachen in Höhe von rund 2,3 Mio. Euro. Ob dies auch für künftige Jahre gelte, sei jedoch ungewiss, da auch der LVR von den Tariferhöhungen betroffen sei.

Einer Überprüfung müssten auch die Folgekosten von Investitionen unterzogen werden, wobei dies im Wesentlichen in Abhängigkeit der weiteren Beschlüsse der Politik erfolge. Die Zinspolitik der Stadt Aachen sei bekannt, auch heute noch würden Zinssicherungen verfolgt. Dabei helfe zweifelsfrei der vergleichsweise niedrige Stand der Kassenkredite.

 

Die Zeit, die die Stadt Aachen im Vergleich beispielsweise zu Kommunen mit Doppelhaushalt habe, sollte gut genutzt werden. Eindeutige Zielsetzung sei eine Lösung zu finden, die eine Verlagerung der Probleme auf den Bürger verhindere, denn dies stelle zweifelsfrei den falschen Weg dar. Vielmehr seien Aufwands- und Ertragsoptimierungen so realistisch wie möglich abzubilden, um das entstehende Delta gering zu halten. Des Weiteren sollten mögliche Effekte von Drittfinanzierungen, z. B. durch Fördermittel, genutzt werden, wobei eine Übernahme der Personalkostensteigerungen durch das Land gewiss keine realistische Option darstelle. Ferner benötige es eine Priorisierung von Maßnahmen, um vermeidbare Belastungen zu verhindern, und die kritische Hinterfragung von neuen Projekten, welche der Haushalt ggf. nicht verkraften könne.

 

Eine Lösung der Probleme könne zum jetzigen Zeitpunkt selbstverständlich noch nicht präsentiert werden. Vielmehr sei die Zielsetzung des heutigen Berichtswesens, einen Weg zu präsentieren, wie die Aufstellung eines genehmigungsfähigen Haushalts gelingen könne, wobei die Unterstützung aus der Politik erforderlich sei.

 

Der Ausschussvorsitzende Ratsherr Linden bedankt sich für den umfassenden Bericht und bittet um Wortmeldungen bzw. Nachfragen.

 

Ratsherr Baal dankt für die Berichterstattung, welche in ihrer Thematik nicht überrascht habe, allerdings aufgrund der vorgestellten Zahlen für die weitere Diskussion wichtig sei, da nun über die Größenordnung der Auswirkungen der Tarifverhandlungen Kenntnis vorliege und somit eine gute Arbeitsgrundlage geschaffen worden sei. Er gehe davon aus, dass die Personalkostensteigerungen auch bei den Eigenbetrieben Berücksichtigung gefunden hätten und sich in entsprechend höheren Betriebskostenzuschüssen wiederfinden würden.

 

Herr Casper fragt an, ob konkrete Gründe für die niedrigere Entwicklung der Gewerbesteuer im Vergleich zum Vorjahr genannt werden können.

 

Frau Grehling weist zunächst darauf hin, dass die vorgestellten Zahlen lediglich eine Momentaufnahme seien und noch keine abschließende Prognose für das Jahresende zuließen. Der Haushaltsansatz, welcher unterhalb des Rechnungsergebnisses 2022 liege, sei bereinigt worden um streitbehaftete Forderungen und einem überdurchschnittlichen Anteil an Nachzahlungen nach der sog. „Corona-Zeit“. Der Haushaltsansatz sei unter Berücksichtigung aller Faktoren verantwortbar gewesen und könne nach wie vor erreicht werden, auch wenn kriegsbedingte Folgen bei den einzelnen Gewerbesteuerzahlern noch nicht gänzlich zu bewerten seien. Ein Einbruch der Gewerbesteuer sei jedenfalls sicher nicht zu konstatieren, man könne aber auch nicht von jährlichen Wachstumsraten von rund 6%, wie die Orientierungsdaten besagen, ausgehen. Es bleibe abzuwarten, wie sicher und solide ein Gewerbesteuersockel unter Herausfilterung sämtlicher Sondereffekte beziffert werden könne. Die Entwicklung der Gewerbesteuer in den letzten Jahren sei sehr rapide gewesen und es sei gut, dass man sich auf diese grundsätzliche positive Tendenz einrichten könne. Für eine nachhaltige Entwicklung sei eine Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes sicher kontraproduktiv, um die Stärke der Unternehmen nicht zu gefährden. Auch bezüglich der Gewerbesteuer sei eine fundierte Aussage zum Jahr 2023 voraussichtlich erst nach dem 3. Quartal verantwortbar.

 

Herr Auler fragt bezüglich der Städteregion nach, wann die dort steigenden Personalkosten sich auf die Stadt Aachen auswirken würden und ob die Städteregion, ggf. in Abstimmung mit der Stadt, plane, die Einmalzahlungen ebenfalls haushaltsrechtlich zu isolieren.

 

Frau Grehling erläutert, dass noch keine Absprachen mit der Städteregion erfolgt seien. Sie gehe jedoch davon aus, dass auch die Städteregion von der Möglichkeit der Isolierung Gebrauch machen werde und dass die Stadt Aachen die entsprechenden Effekte bezogen auf den Aufgabenverbund erst mit der Abrechnung ereilen werden.

 

Ratsherr Neumann dankt für die Präsentation. Auf den ersten Blick erschienen die vorgestellten Zahlen enorm, jedoch seien in den vergangenen Jahren immer wieder Effekte mit vergleichbaren Größenordnungen, in Teilen mit positiven Auswirkungen, vorgestellt worden. Diesmal seien die Auswirkungen zweifelsfrei negativ. Optionen zur Gegensteuerung seien bereits vorgelegt worden, zuletzt vor rund einem halben Jahr im Zusammenhang mit der ÖPNV-Finanzierung. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen sollte man seiner Ansicht nach diese Optionen nochmals intensiv betrachten. Dies werde sicher nicht einfach, er sei aber überzeugt davon, dass man dies hinbekommen werde. In dem Zusammenhang weist er auch auf den Ratsantrag zu Ermächtigungsübertragungen hin.

 

Frau Grehling entgegnet, dass über positive Effekte der Größenordnung lediglich einmal berichtet worden sei, und zwar im Zusammenhang mit der Gewerbesteuerentwicklung im Jahr 2022. Die heute vorgestellten Zahlen seien kein Einmaleffekt, sondern würden wiederkehrende Belastungen darstellen, die am Ende der Entwicklung eine jahresbezogene Mehrbelastung von rund 40 Mio. Euro zur Folge hätten. Aus dem Grund sei sie in der Bewertung weitaus skeptischer, zumal nur die Veränderungen gegenüber dem aktuellen Stand herausgearbeitet werden konnten und somit ohne Berücksichtigung jeglicher weiterer, zu erwartender Änderungen im Laufe der Haushaltsaufstellung. Im vergangenen Jahr hätten diese Änderungen durch die positive Entwicklung bei der Gewerbesteuer in etwa gedeckt werden können. Dies sei für die Planung 2024 nicht mehr möglich. Sie stimme zu, dass nun eine große Chance bestehe, Planung und Realität näher einander zu bringen. Das bloße Streichen von Ermächtigungsübertragungen, somit von Ansätzen aus vorangegangenen Haushaltplanungen, stelle dabei jedoch nur eine mittelbare Hilfestellung dar, in dem es Ressourcen freisetzen könne, die ansonsten durch die Ermächtigungsübertragungen gebunden wären. Für die Finanzplanung sei dies jedoch keine direkte Hilfe. Dennoch könnten Effekte erzielt werden, was im Tagesordnungspunkt zum Investitionscontrolling noch genauer dargestellt werde.