31.10.2023 - 4.1 Haushalt: Chancen und Risiken
Grunddaten
- TOP:
- Ö 4.1
- Sitzung:
-
Sitzung des Finanzausschusses
- Gremium:
- Finanzausschuss
- Datum:
- Di., 31.10.2023
- Status:
- gemischt (Niederschrift genehmigt)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- Öffentliche/Nichtöffentliche Sitzung
Beratung
Weniger erfreulich bzw. „entspannt“ bezeichnet Frau Grehling die Haushaltssituation. Zur Erinnerung ruft sie die Ausgangsposition aus der letzten Berichterstattung in der August-Sitzung auf. In dieser seien Mehrbelastungen bzw. Risiken in Höhe von rund 95 Mio. Euro benannt worden, welche im Wesentlichen aus den Folgen des Tarifabschlusses, der Haushaltsanmeldungen, des Wegfalls der Isolierungsmöglichkeiten nach dem NKF-CUIG, der steigenden Regionsumlage sowie weiterer Faktoren wie der neuen Finanzierungsystematik im ÖPNV, steigender Zinsen und eines erhöhten Abschreibungsaufwands resultieren.
Die Gewerbesteuer habe sich seither sehr erfreulich entwickelt. So sei der aktuelle Stand mit 262,5 Mio. Euro nahezu auf dem selben Niveau wie im Vergleichszeitpunkt des Vorjahres anzusiedeln. Die Entwicklung zum Jahresende sei zwar nicht verlässlich abzusehen, dennoch könne die gute Entwicklung der Gewerbesteuer bei der Berechnung des Sockelbetrags bei der Haushaltsplanung zu Grunde gelegt werden.
Bei den Gemeindeanteilen an der Einkommen- und Umsatzsteuer ließen die Ergebnisse des 3. Quartals jeweils einen Forecast in etwa in Höhe des Haushaltsansatzes zu. Die Fortschreibung in der Haushaltsplanung ergebe sich auch unter Berücksichtigung des Orientierungsdatenerlasses des Landes.
Hinsichtlich der GFG-Zahlungen liege mittlerweile die sog. „Modellrechnung“ vor. Demnach erhalte Aachen Schlüsselzuweisungen in Höhe von rd. 183,5 Mio. Euro, somit über 18 Mio. Euro mehr als im Jahr 2023. Hier habe sich positiv ausgewirkt, dass die Finanzausgleichsmasse gegenüber der Arbeitskreisrechnung nicht gekürzt wurde, da sich die Landessteuereinnahmen besser entwickelt hätten als befürchtet und das Land beim GFG 2024 von dem bislang geplanten Abzug für die ebenfalls zurückstellte Altschuldenhilfe abgesehen habe.
Positiv für den Haushalt sei des Weiteren die für das Jahr 2024 geplante Senkung der LVR-Umlage auf 15,45% mit einem Effekt in Höhe von rd. 2,7 Mio. Euro für die Stadt Aachen bei der differenzierten Regionsumlage. Gleichwohl sei darauf hinzuweisen, dass der LVR in der Mittelfristplanung an den höheren Umlagesätzen festhalte.
Beim Personalkostenverbund berichtet sie von neuen Bewertungsparametern. So werde in Abstimmung mit dem Personaldezernenten der Bewirtschaftungsabzug mit Blick auf die durchschnittliche Vakanzquote angepasst, so dass dieser auf bis zu 16 Mio. Euro im Jahr anwachse. Noch offen bzw. in der Abstimmung mit dem Rechnungsprüfungsamt sei die Zuführung zu Pensionsrückstellungen. Auf Nachfrage von Ratsherrn Pilgram bestätigt Frau Grehling, dass die Zielsetzung sei - sofern möglich - den Anteil der außergewöhnlichen Belastung für Beamte bereits im Jahr 2023 vorzunehmen und somit nach dem NKF-CUIG haushaltsrechtlich zu isolieren.
Große Bedeutung bei der Aufstellung des Haushaltsplans 2024 komme dem „globalen Minderaufwand“ zu, da derzeit nur durch Anwendung dessen ein genehmigungsfähiger Haushalt zu erreichen sei. Das Instrument erlaube den Kommunen einen Minderaufwand in Höhe von 1% der ordentlichen Aufwendungen - bei der Stadt Aachen rd. 12 Mio. Euro - einzuplanen. Ob weitere landesgesetzgeberische Hilfestellungen erfolgen, entscheide sich möglicherweise bis zum Ende der Woche, nach dem der Finanzausschuss des Städtetags stattgefunden habe.
Anders als noch zuletzt sei sie aufgrund der vorgestellten Entwicklungen zuversichtlich, dass die geänderte Zeitplanung mit der Einbringung des Haushaltsplanentwurfs in der Dezember-Sitzung des Rates eingehalten werden könne und dass dieser auch genehmigungsfähig sein werde. Doch es gebe gewisse Annahmen für einen solch genehmigungsfähigen Haushalt. So müsse - wie berichtet - auf das Instrument des globalen Minderaufwands in der Mittelfristplanung zurückgegriffen werden; anders für das Jahr 2024. In diesem werde durch die Ausgleichsrücklage bereits ein fiktiver Haushaltsausgleich erzielt werden können. Der erwähnte Abzug beim Personalkostenverbund von bis zu 16 Mio. Euro müsse angewendet werden. Des Weiteren sei die jetzige Höhe der Schlüsselzuweisung auch in der Mittelfristplanung anzusetzen, was vor dem Hintergrund der unklaren wirtschaftlichen Entwicklung und somit der Verbundmasse ein Risiko darstelle. Dies gelte ebenfalls für die Entwicklung der Gewerbesteuer in der Mittelfristplanung. Konkrete Werte würden unter Berücksichtigung der Entwicklung der letzten Jahre sowie der O-Daten noch festzulegen sein. Die Verbesserung bei der Regionsumlage für das Jahr 2024 werde ebenfalls benötigt. Die Genehmigungsfähigkeit des Haushaltsplanentwurfs sei ohnehin nur möglich aufgrund der hohen Ausgleichsrücklage, insbesondere aufgrund des Jahresabschlusses 2022. Hierbei handele es sich jedoch um einen Einmaleffekt. Keinesfalls dürfe die Erwartungshaltung entstehen, dass die weiteren Jahresabschlüsse ebenfalls mit einem so deutlichen Überschuss abschließen würden. Ein für das Jahr 2023 möglicherweise erreichbarer Überschuss werde sicherlich bei Weitem nicht so hoch ausfallen wie der Überschuss des Vorjahres. Der Stand der Liquiditätskredite sei im Plan. Hierzu trage auch bei, dass mit einer zusätzlichen Weiterreichung von Flüchtlingskostenerstattungen in Höhe von rd. 6,1 Mio. Euro gerechnet werde. Dies stelle zwar keine Ergebnisverbesserung dar, da die Höhe der Isolierungen entsprechend gekürzt werden müsse, habe aber positive Auswirkungen auf die Liquidität. Die Frage der Kommunen, diesen Ertrag dem Haushaltsjahr 2024 zuordnen zu können, habe das zuständige Ministerium negativ beschieden.
Für die Realisierung der erwarteten Steuererträge spiele auch die Grundsteuer eine zentrale Rolle. Neueste Berechnungen zu den Auswirkungen der Grundsteuerreform ließen darauf schließen, dass zur Erreichung der Aufkommensneutralität der Hebesatz angepasst werden müsse, nach den vorliegenden Erkenntnisse von derzeit 525 auf 612. Mit der Grundsteuerreform würden sich entsprechende Mehr- oder Minderbelastungen für die verschiedenen Grundstücksarten ergeben, die in der Tendenz bereits vorgestellt worden seien. Hier sei insbesondere auch auf die anzunehmende Mehrbelastung bei unbebauten Grundstücken hinzuweisen, was auch die Thematik Grundsteuer C betreffen würde. Dies stehe als Aufgabe für das nächste Jahr an, zumal gegenwärtig im Haushalt ab dem Jahr 2025 ein entsprechender Ertrag eingeplant sei.
Es seien jedoch noch deutlich mehr Risiken zu berücksichtigen, wie Frau Grehling im Folgenden aufführt. So seien die Aufwandssteigerungen deutlich unterhalb der Inflation eingepreist. Die angesprochene Beibehaltung der höheren LVR-Umlage ab dem Jahr 2025 führe in Kombination mit der steigenden Umlagekraft der Stadt Aachen zu einem zusätzlichen Risiko von rd. 3 Mio. Euro jährlich. Die Entwicklung der Steuern und Schlüsselzuweisungen könne in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage auch negativer ausfallen als unterstellt. Des Weiteren müsse man sich darüber im Klaren sein, dass der globale Minderaufwand trotz bereits erfolgter Haushaltskonsolidierung eingeplant werde, was ein Risiko in der Bewirtschaftung darstelle, z.B. in den Bereichen Personal oder Flüchtlingsunterbringung. Des Weiteren habe der Haushalt keinen Anspruch auf Vollständigkeit in der Mittelfristplanung was Großvorhaben der Stadt sowie politisch gewollte, jedoch noch nicht schlussgeprüfte Anträge betreffe. Als Beispiele führt sie die Fortschreibung des IKSK oder die Energetische Sanierung von Verwaltungsgebäuden sowie die Entwicklung des Campus-Geländes an.
Im Ergebnis lasse sich jedoch festhalten, dass, sofern keine unvorhersehbaren Entwicklungen einträfen, im Dezember ein genehmigungsfähiger Haushalt eingebracht werde, der voraussichtlich zwei Besonderheiten aufweisen werde: zum einen sei er im Jahr 2024 aufgrund der Ausgleichsrücklage fiktiv ausgeglichen. Zum anderen werden in der Mittelfristplanung zwei Jahre die 5%-Grenze des Eigenkapitalverzehrs überschreiten, jedoch nicht zwei aufeinander folgende Jahre.
Der Ausschussvorsitzende Ratsherr Linden dankt für den umfassenden Einblick in die Haushaltssituation und bittet um Nachfragen aus dem Gremium.
Ratsherr Baal plädiert dafür, den Zeitkorridor für die nach der Entwurfseinbringung anstehenden Haushaltsplanberatungen genau abzustecken. Die gegenwärtig geplanten Sitzungstermine für das Jahr 2024 seien offensichtlich noch auf die „alte“ Zeitplanung ausgelegt. So tage beispielsweise die Bezirksvertretung Eilendorf nach jetziger Planung erst am 28.02.2024. Auch andere Ausschüsse seien so terminiert, dass Haushaltsberatungen nicht funktionieren können.
Frau Grehling entgegnet, dass die Geschäftsführungen der Ausschüsse bereits über die mögliche Einbringungsplanung informiert worden seien.
Ratsherr Baal betont, dass eine Einbringung am 13.12.2023 das „best-case-Szenario“ darstellen würde. Die Haushaltsplanberatungen könnten somit frühestens in der 2. Januarhälfte beginnen, so dass ein Beschluss über den endgültigen Haushalt nicht mehr im Februar erfolgen könne. Somit bliebe die Ratssitzung am 13.03.2024. Die Geschäftsführer der Ausschüsse würden die Sitzungstermine nicht festlegen, sondern die jeweiligen Vorsitzenden. Die Eckdaten sollten so schnell wie möglich definiert werden, so dass ausgelotet werden könne, an welchen Terminen die Haushaltsberatungen letztlich stattfinden können.
Der Ausschussvorsitzende Ratsherr Linden dankt für den Hinweis und plädiert für eine pragmatische Herangehensweise bei den anstehenden Terminierungen.
Ratsherr Breuer spricht seinen Dank für die Erstellung des Haushaltsplanentwurfs in diesen schwierigen Zeiten aus. Er würde gerne in Erfahrung bringen, ob die Ausgleichsrücklage in voller Höhe im Haushaltsjahr 2024 verwendet werden müsse oder ob das Gesetz künftig eine Verteilung auf die einzelnen Jahre auch in der Mittelfristplanung erlaube.
Frau Grehling antwortet, dass seitens der Landesregierung eine solche Gesetzesänderung gegenwärtig nicht angedacht und somit eine ratierliche Verteilung der Ausgleichsrücklage nicht möglich sei.
Ratsherr Helg pflichtet Herrn Baal hinsichtlich seiner Ausführungen zur Zeitplanung für die Haushaltsplanberatungen bei. Gegenwärtig sei beispielsweise eine Sitzung des Hauptausschusses für den 13.12.2023 mit dem einzigen Tagesordnungspunkt „Haushaltsplanberatungen“ vorgesehen. Er geht davon aus, dass die Notwendigkeit dieser Sitzung nun hinfällig sei.