14.03.2023 - 4 Suchtprävention für Jugendliche
Grunddaten
- TOP:
- Ö 4
- Zusätze:
- Es wird mündlich berichtet.
- Gremium:
- Kinder- und Jugendausschuss
- Datum:
- Di., 14.03.2023
- Status:
- gemischt (Sitzung abgeschlossen)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- Öffentliche/Nichtöffentliche Sitzung
Beratung
Frau Michel und Herr Schlimpen (beide von der Suchthilfe Aachen) stellen die Angebote der Suchthilfe Aachen für Kinder, Jugendliche und ihre Bezugspersonen anhand einer Power-Point-Präsentation (s. Anlage zur Niederschrift im Ratsinformationssystem) vor.
Frau Scheidt dankt beiden für die Erläuterungen und betont, dass diese Thematik sicherlich für beide Fachausschüsse interessant sei. Daher sei es im Vorfeld auf die heutige Tagesordnung gesetzt worden. Insbesondere die Folgen der Corona-Pandemie seien verstärkt spürbar, es sei wichtig, nun besonders auf junge Menschen zu achten.
Frau Heider schließt sich dem Dank an und erkundigt sich danach, wie der Kontakt zwischen den Kindern und der Einrichtung Feuervogel entstehe.
Herr Schlimpen erläutert, dass der Kontakt über verschiedene Wege zustande käme. Ein Großteil der Kontakte werde allerdings über den Fachbereich Kinder, Jugend und Schule hergestellt bzw. vermittelt.
Frau Michel ergänzt, dass die Suchthilfe verstärkt ihre Präsenz in den sozialen Medien ausbaue, da die Hemmschwelle bei jungen Menschen oftmals geringer sei, zunächst schriftlich und anonym den Kontakt zu suchen. In einer Schulklasse könne man in der Regel von 1-2 Betroffenen ausgehen. Bei den Vorstellungen der Suchthilfe in den Schulen könne den Schüler*innen vermittelt werden, dass die Beratung und die Angebote kostenlos seien und die Mitarbeitenden der Schweigepflicht unterliegen würden.
Herr Winkler bezieht sich auf die Angabe im Vortrag, dass im Jahr 2022 insgesamt 137 Eltern die Suchtberatung zum Thema Cannabis-Konsum aufgesucht hätten. Gleichzeitig decke die Suchthilfe ein großes Einzugsgebiet ab. Daher erkundigt er sich danach, ob Frau Michel und Herr Schlimpen einschätzen könnten, wie viele Familien tatsächlich eine Beratung benötigen, diese aber nicht in Anspruch nehmen würden.
Herr Schlimpen erläutert, dass hierzu keine pauschale Aussage getroffen werden könne. Er stelle jedoch fest, dass Betroffene sämtlicher gesellschaftlicher Schichten die Beratungsstellen aufsuchen würden. Der Anteil an Familien aus der Mittelschicht überwiege hierbei.
Herr Auler dankt beiden Vortragenden ebenfalls für ihren Bericht. Seiner Ansicht nach stelle es eine große Hürde für betroffene Menschen dar, zu erkennen, dass sie Unterstützung benötigen würden und eine weitere, diese auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Er erkundigt sich danach, ob eine Wirksamkeit der Präventionsarbeit festgestellt werden könne, dass die Kinder hierdurch gestärkt und sie ermutigt würden, sich zu melden.
Frau Michel erläutert, dass eine Sucht oftmals sehr schambehaftet sei. Daher sei eine gute Präventionsarbeit umso wichtiger, um zu zeigen, dass eine Suchtproblematik grundsätzlich in jeder Familie entstehen könne, aber dass es Beratungs- und Unterstützungsangebote gebe und man diese auch nutzen könne. Sie habe schon das Gefühl, dass die Inanspruchnahme solcher Angebote höher werde. Es gebe nicht mehr nur klassische Beratungsstellen, auch die Online-Beratung erfahre derzeit ein hohes Wachstum, diese sei besonders niedrigschwellig und anonym. Eine gut aufgebaute Internetpräsenz sei daher wichtig, um die Betroffenen mit ersten Informationen versorgen zu können, wenn diese sich noch nicht trauen würden, tatsächlich eine Beratungsstelle aufzusuchen.
Frau Vallot merkt an, dass manche Kommunen Sozialarbeiter*innen eingestellt hätten, die sich explizit mit den Schwerpunkten Medienkonsum und -sucht befassen würden und Jugendliche aktiv im Netz aufsuchen würden. Sie erkundigt sich, ob diese Idee auch für die Suchthilfe eine Option sein könne.
Frau Michel bestätigt, dass es sich hierbei um ein cleveres und gutes Angebot handele. Die Suchthilfe selbst könne dies zurzeit noch nicht in dem Maße anbieten, da die personellen Kapazitäten nicht ausreichen würden. Es wäre allerdings sicherlich ein gutes Angebot für die Zukunft.
Frau Schmitt-Promny stellt fest, dass auch die Medien- und Internetnutzung zwei Seiten habe. Sie erkundigt sich danach, ob und inwieweit die Suchthilfe mit dem Euregionalen Medienzentrum vernetzt sei, welches ebenfalls Fortbildungsangebote für Lehr- und pädagogische Fachkräfte in den Bereichen Medienkompetenz und -nutzung anbieten würde. Ebenfalls interessiere sie, ob es bestimmte Merkmale gebe, ab wann eine Sucht entstehen könnte. Gegebenenfalls sei es möglich, bereits in einer frühen Phase sinnvoll zu unterstützen.
Frau Michel bestätigt, dass dies der Grundgedanke der Präventionsarbeit sei. Es werde versucht, die Kinder zu befähigen, ein Bewusstsein für eine aufkommende Sucht zu entwickeln. Da dies jedoch nicht in allen Fällen gelinge, werde auch verstärkt auf Eltern und Multiplikator*innen gesetzt, diese würden bestimmte Erkennungsmerkmale an die Hand bekommen. Gleichzeitig würden diese auch dafür sensibilisiert, welche Nutzung noch im unbedenklichen Bereich läge und ab wann Medien unreflektiert genutzt würden. In der vergangenen Woche sei während eines Elternabends die Nutzung der Anton-App in Grundschulen thematisiert worden. Die App sei grundsätzlich gut und werde auch befürwortet, gleichzeitig verfüge sie über ähnliche Mechanismen wie Computerspiele mit Suchtpotenzial. Es sei wichtig, dass Medien begleitend eingesetzt würden und wenn Eltern und Lehrkräfte dies berücksichtigen würden, sehe sie auch kein Problem darin. Es bestehe eine Kooperation mit dem Euregionalen Medienzentrum, die Suchthilfe werde auch zu bestimmten Themen eingeladen.
Herr Schlimpen ergänzt, dass mittlerweile viele Internetseiten Aufschluss und Hilfestellungen über den sicheren Umgang mit Medien geben würden, wie beispielsweise clicksafe.
Frau Stedwell erkundigt sich danach, ob die Wirksamkeit der Präventionsarbeit in Zahlen gemessen werden könne. Im Rahmen des Vortrages habe Frau Michel erwähnt, dass rund 50 % der Kinder aus suchtgeprägten Familien ebenfalls eine solche entwickeln würden.
Herr Tillmann ergänzt die Frage, ob bereits mögliche Auswirkungen der geplanten Cannabis-Legalisierung auf die Arbeit der Suchthilfe abschätzbar seien.
Herr Becker möchte darüber hinaus wissen, ob es bestimmte Projekte oder Mechanismen gebe, auf nicht gut situierte Familien zuzugehen.
Herr Schlimpen bestätigt, dass es Überlegungen gebe, speziell auf solche Familien zuzugehen, allerdings mangele es hier derzeit noch an Kapazitäten. Es müsse stets abgewogen werden, ob und welche Projekte zusätzlich gestartet werden könnten, denn dies bedeute gleichzeitig, dass Wartezeiten in anderen Bereichen ansteigen würden. Er empfinde es als erfreulich, dass im Vergleich zu früher mittlerweile auch vermehrt Väter Beratungsangebote in Anspruch nehmen würden. Zu den möglichen Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung erläutert er, dass die aktuellen Überlegungen nach wie vor vorsehen würden, dass der Kauf für Jugendliche illegal sein solle. Da die Beschaffung jedoch nicht allzu schwer sei und die Konsumentinnen und Konsumenten von Cannabis bereits seit Jahren den Hauptanteil der Aufsuchenden darstellen würden, gehe er nicht davon aus, dass sich die Anzahl deutlich erhöhen werde.
Frau Michel ergänzt, dass über die digitalen Angebote auch viele Eltern aus niedrigeren Bildungsschichten erreicht würden. Gleichzeitig stelle sie fest, dass bei manchen Familien mit Migrationshintergrund auch kulturelle Hemmschwellen bestehen würden, beispielsweise weil – resultierend aus den Erfahrungen mit Institutionen des Heimatlandes – kein Vertrauen in die Schweigepflicht der Mitarbeitenden bestehe. Hinsichtlich der geplanten Cannabis-Legalisierung berichtet sie, dass die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten in anderen Ländern nach der Legalisierung nicht wesentlich gestiegen sei. Die Entwicklung in Deutschland bleibe abzuwarten. Die Wirksamkeit der Präventionsarbeit sei nur schwer messbar, da oftmals keine oder nur wenig Kenntnis über den familiären / sozialen Alltag bestehe und wie dieser sich auf den jungen Menschen auswirke. Klar sei, dass Prävention früh ansetzen, langfristig und kontinuierlich sein und die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen in den Blick nehmen müsse. Sie solle nicht nur informieren, sondern auch stärken. Die Suchthilfe arbeite ganzheitlich und versuche, mögliche Gründe für den Konsum herauszufinden und welche Alternativen dem jungen Menschen aufgezeigt werden könnten. Auch bei der Arbeit in den Schulen gehe es nicht nur darum, die negativen Folgen darzustellen.
Frau Smajic erkundigt sich, welche Faktoren in der Präventionsarbeit besonders wichtig seien und wo hier die Praxis gut ansetzen könne.
Herr Schlimpen erläutert, dass es zum einen allgemeine Faktoren gebe, wie beispielsweise traumatische Erfahrungen (Krieg, Gewalt, Missbrauch, etc.). Insbesondere bewusstseinsdämpfende Drogen wie Alkohol besäßen für solche Menschen eine hohe Attraktivität. Aufputschmittel könnten darüber hinaus das Selbstbewusstsein stärken. Die Präventionsarbeit setze hier bereits gut an. Bei Kindern suchtkranker Eltern gebe es auch einen Teil, die besonders resilient seien. Es sei festgestellt worden, dass diese Kinder eine andere vertraute Bezugsperson aus dem Familienkreis oder der Schule besäßen, welche ihnen ein Alternativmodell biete. Diese Kinder hätten eine höhere Chance, nicht auch zu erkranken. Es gebe allerdings noch weitere Faktoren.
Frau Drews betont, dass die Suchthilfe auch kontinuierliche Fortbildungen für die Fachkräfte der Jugendhilfe anbiete. Hiervon profitiere der Fachbereich Kinder, Jugend und Schule ebenfalls, unter anderem die Fachdienste Allgemeiner Sozialer Dienst oder die Schulsozialarbeit. Sie erhalte von den Mitarbeitenden stets positives Feedback zu den Fortbildungen. Wichtig sei, dass es sich nicht um eine Arbeit von Einzelpersonen handele, die Akteure würden sich immer wieder vernetzen und austauschen. Sie lobt die Arbeit der Suchthilfe und dankt für das Angebot.
Frau Michel greift die Aussage von Frau Drews auf, dass Präventionsarbeit nur gemeinsam gelingen könne. Auch die Kinder, die die Suchthilfe nicht direkt erreiche, würden andere Bildungseinrichtungen oder Institutionen besuchen. Wenn die dort angesiedelten Fachkräfte entsprechend ausgebildet würden, erhielten die Kinder ebenfalls eine gute Unterstützung. Diese Netzwerkarbeit sei entscheidend und wichtig.
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