05.12.2023 - 9 Aktuelle Herausforderungen in der stationären J...
Grunddaten
- TOP:
- Ö 9
- Zusätze:
- Die Unterlagen wurden nachgereicht.
- Gremium:
- Kinder- und Jugendausschuss
- Datum:
- Di., 05.12.2023
- Status:
- gemischt (Niederschrift freigegeben)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- Öffentliche/Nichtöffentliche Sitzung
- Beratung:
- öffentlich
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- FB 45 - Fachbereich Kinder, Jugend und Schule
- Beschluss:
- ungeändert beschlossen
Beratung
Herr Tillmanns teilt mit, dass die Vorlage ihn ratlos mache. Er sehe die Situation und frage sich, wie und an welchen Stellen das System unterstützt werden könne. Die Problematik sei jedoch so komplex und vielschichtig, der Fachkräftemangel schlage in allen Bereichen zu. Ohne sich von jeglicher Verantwortung freisprechen zu wollen, stelle er fest, dass die Möglichkeiten auf kommunaler Ebene begrenzt seien. Die Kommunalpolitik könne lediglich ihre eigenen Kommunikationskanäle in Richtung Landes- und Bundesregierung nutzen. Die Vorlage verdeutliche den Ernst der Lage und sensibilisiere zielgerichtet auf die Herausforderungen in der stationären Jugendhilfe. Er wünsche allen Akteuren Mut und Glück und hoffe auf eine baldige Veränderung.
Frau Vallot weist darauf hin, dass die Verwaltung mit der Vorlage auf einen drohenden Systemkollaps aufmerksam mache. Sollte dies eintreten und tatsächlich Kindeswohlgefährdungen aufgrund von mangelndem Personal und/oder Unterbringungsmöglichkeiten bekannt werden würden, könne sich keiner der Beteiligten darauf zurückziehen, er habe die Entwicklung nicht kommen sehen. Die Situation sei ihrer Ansicht nach sehr alarmierend. Die Vorlage enthalte auch konkrete Handlungsvorschläge, wie z.B. die Kontaktsuche zum Landschaftsverband Rheinland (LVR) mit der Bitte um Anpassung der derzeit hohen Standards für Wohnungen zur Unterbringung. Denkbar seien auch radikalere Methoden, wie die Stadt Immobilien erhalten könne – ihrer Wahrnehmung nach gebe es genügend leerstehenden Wohnraum in Aachen.
Frau van der Meulen erinnert sich, dass die kritische Situation in der stationären Jugendhilfe bereits vor ein paar Monaten im Ausschuss thematisiert worden sei. In dieser Sitzung sei u.a. die Aussage gefallen, dass Mitarbeitende entweder erkranken oder sich beruflich umorientieren müssten. Die Problematik sei allen bekannt. Sie plädiert dafür, vor allem kleinere Träger besonders in den Blick zu nehmen und sich auszutauschen.
Herr Kaldenbach betont, dass die Verwaltung mit der Vorlage beabsichtigt habe, die Politik zu sensibilisieren. Es bestehe nicht die Erwartung, dass in der heutigen Sitzung Lösungen gefunden würden. Auch wolle die Verwaltung die Situation nicht skandalisieren. Die Verwaltung strebt an, in den kommenden Monaten in einen gemeinsamen Diskurs zu finden und zu prüfen, ob und an welchen Stellschrauben sich Handlungsmöglichkeiten ergeben könnten. Es sei von großer Wichtigkeit, dass die Politik der Verwaltung hier Rückendeckung und Begleitung gebe. Nach seiner Wahrnehmung werde die Jugendhilfe mit ihrer Garantenpflicht als „letzten Anker“ und „Ausfallbürge“ angesehen, wenn andre Systeme – wie die Eingliederungshilfe oder medizinische Bereiche – nicht mehr greifen würden. Die Jugendhilfe müsse viele Dinge auffangen. Die Verwaltung habe mit der Vorlage die aktuelle Situation nicht dramatisieren wollen, sondern einzig und allein darauf hinweisen, dass es sich hierbei um eine nicht zu unterschätzende Entwicklung handele, der nun gemeinsam begegnet werden müsse. Die Mitarbeitenden in der Verwaltung und bei den freien Trägern seien extrem gefordert und belastet. Die Frage müsse daher sein, wie es gelingen könne, sie zu entlasten und nicht nur im Sinne der Arbeitsbelastung als solche, sondern auch dem persönlichen Verantwortungsgefühl gegenüber den betroffenen jungen Menschen.
Herr Grundmann bekräftigt die Ausführungen von Herrn Kaldenbach. Die Intention sei gewesen, sich nun gemeinsam auf den Weg zu machen. Zuletzt habe es verwaltungsseitig eine Vielzahl von Vorlagen über die Veränderungen in der Jugendhilfe gegeben, es gebe viele neue Anforderungen der Gesetzgeber sowohl an die Verwaltung als auch an die freien Träger. Diese Anforderungen würden stetig wachsen. Er betont, dass es – auch aufgrund der guten und engen Zusammenarbeit mit den freien Trägern – bislang stets gelungen sei, gute und kreative Lösungen zu finden und es habe jedes Kind versorgt werden können. Dies sei mitunter ein anstrengender Kraftakt und es sei fraglich, wie lange dies noch so funktionieren könne. Doch dies sei genau der Weckruf. Es dürfe keine rückwärtige Entwicklung im Bereich des Kinderschutzes geben, der Status quo müsse aufrechterhalten werden. Mit Blick auf die bevorstehenden Aufgaben, wie beispielsweise die Erstellung von Schutzkonzepten, würden weitere – auch personelle – Ressourcen benötigt. Ebenso beunruhigend seien die derzeitigen Standards bei Immobilien. Diese seien zum Teil vollkommen realitätsfern. Daher bittet er die Politik um Unterstützung auf Landesebene.
Herr Tillmann dankt Herrn Kaldenbach und Herrn Grundmann für die Erläuterungen. Die bestehende Problematik finde sich in vielen Systemen wieder. Trotzdem sei der Blick auf das Jugendhilfesystem wichtig. Er habe den Eindruck, dass gerade die Jugendhilfe im Vergleich zu anderen Systemen nicht denselben Stellenwert besitze wie andere Systeme. Somit sei möglicherweise nicht öffentlich bekannt, welche Herausforderungen es in der Jugendhilfe zu bewältigen gebe. Sofern es möglich sei, werde die Politik unterstützend tätig sein.
Frau Schmitt-Promny begrüßt die Verdeutlichung der Dringlichkeit der Thematik. Gleichzeitig widerspreche sie den Ausführungen von Frau Vallot. Die Aachener Jugendhilfe zeichne sich dadurch aus, dass sie gute Ansätze finde, um Kinder gut zu begleiten und in besonders prekären Familiensituationen aufzufangen. Es bestehe immer ein Risiko, dass etwas passiere, dies könne auch nur bedingt vorausgesehen werden. Dennoch gebe es hier gute, präventive Rahmenbedingungen. Allerdings betrachte sie mit Sorge die hohe Anzahl an betroffenen Kindern. Es sei wichtig, über die Rahmenbedingungen und den Standards mit dem LVR in den Dialog zu treten. Ebenso notwendig sei eine hohe Wertschätzung den Mitarbeitenden gegenüber. Sie seien nicht nur in ihrer Tätigkeit gefordert, sondern würden auch ein hohes Ausmaß an persönlicher Kraft benötigen, um die Situationen zu verarbeiten. Es gelte daher auch weiterhin, dass alle Beteiligten eng zusammenarbeiten und sich Unterstützung holen.
Herr Kreutz dankt der Verwaltung für die treffende Vorlage. Er berichtet, dass die Jugendhilfe Brand eine Vielzahl an Unterbringungsanfragen aus der ganzen Bundesrepublik erhalte. Ebenso suche auch die Stadt Aachen bundesweit nach Plätzen. Es sei leider nicht möglich, allen Aachener Kindern eine nahe Unterbringung anzubieten. Ausgehend von den Bedarfen könnten ohne weiteres noch mehrere Gruppen neu eröffnet werden. Dies bedeute, dass diese Kinder derzeit noch in ihren schwierigen Familiensituationen leben würden. In den letzten Monaten habe es zugenommen, dass noch abends oder nachts spontan telefonisch nach Unterbringungsmöglichkeiten gesucht werde. Die Verzweiflung wachse an. Er frage sich, wer sich – außer der Aachener Kommunalpolitik – politisch für dieses Problem verantwortlich fühle. Das SGB VIII sei ein Bundesgesetz, auf Landesebene erarbeite der LVR die Standards und das Landesministerium verhandele die Rahmenverträge mit den Trägern. Er spüre jedoch nicht, dass sich einer der vorgenannten Akteure für die Jugendhilfe verantwortlich fühle und er wisse nicht, an wen sich die Jugendhilfe mit ihren Anliegen wenden könne. Nach wie vor wären für die Träger dieselben Stellenanteile vorgesehen wie vor 13 Jahren. Es könne keine Weiterentwicklung festgestellt werden. Die Träger hätten den Austausch mit dem LVR gesucht, jedoch ohne richtigen Erfolg. Aus dem Aachener Heimgipfel habe sich eine Gruppe aus verschiedenen freien Trägern gebildet, diese würden aktuell die bestehenden Bedarfe formulieren und realitätsnahe Standards entwickeln. Nach Fertigstellung würden die Träger den Kontakt zur Politik suchen. Herr Kreutz betont, dass die Lösungssuche mit einer großen Vehemenz vorangetrieben werden müsse.
Frau Scheidt dankt Herrn Kreutz. Sie sei gespannt auf die Vorschläge aus der Gruppe.
Anlagen zur Vorlage
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
---|---|---|---|---|---|
1
|
öffentlich
|
40,3 kB
|
|||
2
|
öffentlich
|
129,6 kB
|