03.12.2024 - 6 1. Nachtrag zur Hebesatzsatzung - Grundsteuerre...

Beschluss:
ungeändert beschlossen
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Beratung

Ratsherr Deumens erläutert, dass es sich um ein komplexes, diffiziles Thema mit vielen offenen Fragen handele. Hierzu zitiert er Frau Grehlings Satz aus einer der vorangegangenen Sitzungen des Finanzausschusses, nach dem eine Entscheidung zwischen Rechtssicherheit für die Stadtverwaltung (einheitlich festgelegter Hebesatz für die Grundsteuer B) und Gerechtigkeit in der Stadtgesellschaft (differenzierte Hebesätze für die Grundsteuer B nach Wohnen und Gewerbe) getroffen werden müsse.

Die Fraktion der LINKEN setze sich für soziale Gerechtigkeit ein. Daher werde ein differenzierter Hebesatz favorisiert, um den Wohnungsmarkt nicht weiter zu belasten.

Das Argument der Rechtssicherheit sei für ihn nicht nachvollziehbar, da das Land NRW in seinen Erläuterungen ausführe, dass eine Differenzierung rechtssicher anzuwenden sei.

Klagen gebe es seiner Erfahrung nach bei Steueränderungen immer. Es sei auch eine politische Aussage zu transportieren, was der Stadtrat und der Finanzausschuss mit der Hebesatzänderung bezwecken wollten. Daher stelle seine Fraktion einen Änderungsantrag mit dem wichtigen Zusatz einer „Hebesatzdifferenzierung als sozialem Faktor“.

 

Der Ausschussvorsitzende Ratsherr Linden teilt mit, dass der Änderungsantrag vorliege. Sein Vorschlag sei es, zuerst über den Änderungsantrag der LINKEN abzustimmen und anschließend den Verwaltungsvorschlag zu behandeln.

 

Ratsherr Baal legt dar, dass sich die CDU-Fraktion ebenfalls mit der Hebesatzsatzung beschäftigt habe. Er habe die Ausführungen des Journalisten Herrn Mohne in der Aachener Zeitung als ausgesprochen positiv empfunden, da diese für Laien gut verständlich gewesen seien. Der Vorschlag der LINKEN zeige nun, dass dieser Artikel nicht gelesen worden sei. Eine Hebesatzdifferenzierung sei nämlich rechtlich nicht haltbar. Das Land NRW weiche vom sogenannten Scholz-Modell bzw. dem Bundesmodell ab. Eine Differenzierung der Fachtermini sei von hoher Bedeutsamkeit, da Nicht-Wohngebäude ungleich Gewerbegebäude seien oder sein können. Hierbei sei besonders der Fall einer Mischnutzung betroffen. Der Vorschlag der LINKEN weise eine deutlich zu große Spreizung der Hebesätze für Gewerbe und Wohnen auf, weil diese Fälle nicht in Betracht gezogen worden seien. Der Bundesfinanzhof sage, dass ein Übermaßverbot bei der Spreizung der Hebesätze beachtet werden müsse. Der Hebesatz für Wohngebäude müsse laut dem Land NRW unter dem für Nicht-Wohnen liegen. Der Bund habe diese Spreizung über eine Anpassung der Grundsteuermesszahlen dargestellt, aus der sich eine circa 10%-ige Bevorteilung von Wohngebäuden ergäbe. Das Saarland und der Freistaat Sachsen hätten andere Berechnungen vorgenommen. Das Land NRW habe dies explizit nicht getan. Die Kommunen müssten das Gesetz daher mit Augenmaß anwenden.

Inkonsequenz bei der Bemessung der Hebesätze sei ein zu großes Risiko für die Kommune, weil die vorgeschlagene Differenzierung zu groß würde und das Übermaßverbot somit nicht beachtet würde. Andere, im Rahmen der Ratssitzung zu beschließende, Nebenkostenerhöhungen würden den Wohnungsmarkt in Aachen zudem mehr belasten.

 

Ratsherr Deumens betont, er wolle die dargestellte Problematik nicht verkennen. Viele Faktoren spielten eine Rolle. Dennoch sei die politische Aussage und Richtung beim Beschluss wichtig. Er wolle daher den Vorschlag der LINKEN weiterhin zur Abstimmung stellen. Dies betreffe ohnehin nur die Grundsteuer B, da die LINKEN-Fraktion der von der Verwaltung vorgeschlagenen Anpassung der Grundsteuer A zustimme.

 

Frau Grehling sagt, dass eine politische Zielrichtung in der praktischen Umsetzung der Grundsteuer fraglich sei. Sie habe heute eine Einschätzung zum Jahressteuergesetz mit Hinweisen zur Grundsteuerreform erhalten. Dieser Einschätzung nach sei eine „Ping-Pong“-Gesetzgebung möglich, da die jüngere Bundesgesetzgebung der älteren Landesgesetzgebung den Boden unter den Füßen entziehen könne. Die Stadt Aachen bewege sich in einer Sphäre, in der das Rechtsrisiko nicht getragen werden könne. Ein großer Vorteil für Aachen sei, dass die Grundsteuer seit Jahren unangetastet geblieben sei. Und auch jetzt würde die Grundsteueranpassung nicht zur Konsolidierung des Haushalts genutzt. Die finanzielle Lage ermögliche keinen Spielraum, daher sei eine solide Kalkulationsgrundlage wichtig. Der Fachbereich Steuern und Kasse habe alles extra aktuell nachgerechnet. Das Land NRW habe die Berechnung seiner Hebesatzempfehlung auf ein anderes stichtagsbezogenes Messbetragsvolumen abgestellt. Es gehe rein darum, eine Aufkommensneutralität für die Kommune zu erreichen und um ein rechtssicheres Steuerverfahren vorzuschlagen.

 

Frau Dr. Michulitz spricht ebenfalls ein Lob an die Aachener Zeitung für die Darstellung der Situation aus. Man befinde sich in Aachen auf der „Insel der Glückseligen“ im Vergleich zu den Nachbarkommunen. Sie denke der vorgeschlagene Hebesatz sei verfassungskonform und erreiche eine einigermaßen gerechte Verteilung. Eine Korrektur altgewachsener Strukturen aus den 196er und 1970er Jahren sei naturgemäß schwer.

 

Ratsherr Pilgram fragt nach der von der LINKEN-Fraktion gewünschten politischen Aussage. Aus seiner Sicht sei es die Intention des Bundesverfassungsgerichts gewesen, die Werte aller Grundstücke in Deutschland aktualisieren zu lassen. Er stelle sich nun die Frage, ob ein Ausgleich von dabei auftretenden Verwerfungen als politische Begründung überhaupt verfassungskonform sei.

Er erkundigt sich zudem, wie Leerstand bei der Grundstücksbewertung betrachtet werde.

 

Ratsherr Helg räumt ein, dass er die Erhöhung der Hebesätze für maßvoll und verfassungskonform halte. Den Punkten zwei und drei des Verwaltungsvorschlags werde seine Fraktion jedoch nicht zustimmen. Er bittet daher um eine Trennung der einzelnen Punkte des Beschlussvorschlags, um dem ersten Punkt zustimmen zu können, ohne dies bei den beiden weiteren Punkten tun zu müssen. Einer Steuererhöhung könne seine Fraktion grundlegend nicht zustimmen.

 

Ratsherr Baal erläutert, dass das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt habe, da die Grundstückswerte nicht aktuell seien. Diese bezögen sich in den neuen Bundesländern auf Werte aus dem Jahr 1935, sowie auf Werte aus dem Jahr 1964 in den alten Bundesländern.

Verwerfungen gebe es ebenfalls bei der Art der Grundstücke. Der Gesetzgeber habe früher gesagt, dass eine Überprüfung der Werte alle sieben Jahre erfolgen würde. Dies sei jedoch nie geschehen. Aus diesem Grund wurde das Gesetz vom Gericht bis zum Ablauf des Jahres 2024 begrenzt.

Ziel der CDU-Fraktion sei es einen Hebesatz zu finden, der die bisherigen Einnahmen der Stadt gewährleiste, aber keine Erhöhung des Grundsteuervolumens zu erzeuge. Dies sei die Definition von Aufkommensneutralität.

Hinsichtlich der Frage des Ratsherrn Pilgram zu Leerstand sei die Anmeldung und Nutzung einer Fläche entscheidend. Leerstand in Wohnobjekten sei aufgrund der Wohnraumnutzungssatzung der Stadt Aachen langfristig kaum möglich.

 

Frau Grehling stellt dar, dass es einen Dissens hinsichtlich der Rechtssicherheit zwischen Landes- und Bundesgesetzgebung gebe. Der Grundsatz niemals eigene Wertentscheidungen zu treffen werde durch eine Differenzierung aufgehoben. Die Bewertung eines Grundstücks folge der genehmigten Nutzung.

 

Der Ausschussvorsitzende Ratsherr Linden dankt der Verwaltung und dem Ausschuss für die inhaltlich sinnvolle Diskussion und der Orientierung am Grundsatz der Aufkommensneutralität. Er sei der Auffassung, dass das Problem mit der Grundsteuer in der Grundsteuer selbst und nicht etwa in anderen Steuerarten gelöst werde. Positiv sei, dass eine rechtssichere Anwendung von den Fraktionen mehrheitlich bevorzugt werde.

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Beschluss:

 

Der Antrag der LINKEN-Fraktion wird bei einer Ja-Stimme (Ratsherr Deumens) mehrheitlich abgelehnt.

Der Beschlussvorschlag der Verwaltung wird je Unterpunkt einzeln zur Abstimmung gestellt:

 

  1. Mehrheitlich angenommen bei einer Gegenstimme
  2. Grundsteuer A: Einstimmig angenommen bei einer Enthaltung

Grundsteuer B: Mehrheitlich angenommen bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung

  1. Einstimmig angenommen bei zwei Enthaltungen

 

Finanzausschuss

  1.                                                                                                                                                    Der Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und empfiehlt dem Rat der Stadt die Beibehaltung eines einheitlichen Hebesatzes für die Grundsteuer B.
  2.                                                                                                                                                    Der Finanzausschuss stimmt der Empfehlung der Verwaltung zur Anhebung der Hebesätze für die Grundsteuer A auf 368 v.H. und für die Grundsteuer B auf 637 v.H. zu.
  3.                                                                                                                                                    Der Finanzausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt den Erlass des 1. Nachtrages zur Hebesatzsatzung der Stadt Aachen vom 28.01.2015 gem. Anlage.
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Abstimmungsergebnis:

Mehrheitlich, 1 Gegenstimmen, 1 Enthaltungen (siehe obige Erläuterung)

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Anlagen zur Vorlage

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Anlagen