26.10.2021 - 4.1 Aachen wird Pestizidfreie Kommune - Bürgerantra...

Beschluss:
geändert beschlossen
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Beratung

Die Damen Melanie Grolms-Aal, Franziska May und Andrea Jacobson von der Greenpeace Gruppe Aachen erläutern den Antrag anhand einer Präsentation. Dieser wird mit der Niederschrift in Allris zur Verfügung gestellt.

Die drängendsten Themen der Greenpeace Gruppe Aachen sind Folgende:

  • Die Stadt Aachen möge der vom BUND ins Leben gerufenen Initiative „Pestizidfreie Kommune“ beitreten (diesbezüglich möge die innerstädtische Verwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden untersagt werden)
  • Die Stadt Aachen möge insektenfreundliche Maßnahmen fördern, unnötige Lichtemissionen vermeiden und beim Ersatz von Lampen oder bei Neuinstallationen insektenfreundliche Leuchtmittel gegenüber anderen bevorzugen.
  • Die Stadt Aachen möge bei der zukünftigen Verpachtung kommunaler Flächen für eine landwirtschaftliche Nutzung ein Verbot des Einsatzes chemisch-synthetischer Pestizide im Pachtvertrag verankern.

Frau Oberbürgermeisterin Keupen dankt für den Vortrag, wie auch die Resonanz im Saal zu diesem wichtigen Thema und teilt mit, dass die Stadt Aachen auf diesem Gebiet bereit vielfältig tätig ist. Sie bittet Herrn Meiners, den stellv. Fachbereichsleiter des Fachbereichs Umwelt und Klimaschutz (FB 36) vorzustellen, was die Stadt Aachen bereits umsetzt.

Herr Meiners bedankt sich bei den Antragstellerinnen und bestätigt den Wunsch nach Veränderung. Einige der beschriebenen Maßnahmen konnten bereits umgesetzt oder installiert werden (Blühwiesen; Pestizidfreiheit im Stadtgebiet seitens des Aachener Stadtbetriebs und beauftragter Unternehmen seit 2013; Förderung der Biodiversität in Parkanlagen, auf Sport- und Spielplätzen, sowie auf ausgewählten landwirtschaftlichen Flächen). Diese Maßnahmen können allerdings lediglich als kleiner Baustein betrachtet werden. Der erste Schritt ist zwar getan, der Wunsch nach Beschleunigung aber sehr verständlich.

Derzeit plant der Fachbereich Umwelt und Klimaschutz, gemeinsam mit Landwirten, eine runden Tisch „Perspektive 2030“. Dennoch habe die Pestizidfreiheit auch Grenzen. Rein produzierende Flächen sind nötig. Diese benötigen gewisse Pflanzenschutzmittel um ertragreich zu sein und wirtschaftlich zu bleiben. Grundsätzlich will sich die Verwaltung aber auf den beschriebenen Weg machen. Herr Meiners verspricht zudem, dass mit den Landwirten sensibel umgegangen wird und individuelle Lösungen gefunden werden.

Zudem ist die Stadt Aachen im Besitz von vielen -teils sehr großen- Flächen (Stiftungsflächen), bei denen die vertraglichen Änderungen hin zur Pestizidfreiheit nicht leicht umgesetzt werden können.

Frau Brinner dankt den Antragstellenden und bestätigt den Wunsch nach Beitritt der Stadt Aachen zur Initiative „Pestizidfreie Kommune“ seitens der Grünen Fraktion vollumfänglich. Ihrer Meinung nach ist der Hauptpunkt „Verzicht auf Pestizide“ bereits gut im städtischen Handeln installiert. Der größte Aufwand ist es, bestehende Pachtverträge entsprechend anzupassen. Sie sieht die Leuchtimmission vielmehr als wichtigstes Thema, dass zeitnah angegangen werden muss. Das Artensterben ist eines der größten Probleme unserer Zeit. Hier sollte die Kommunalpolitik sich klar positionieren. Ferner möchte Sie die Verwaltung bitten, eine Strategie zur nachhaltigen Landwirtschaft auszuarbeiten und bittet um entsprechende Beschlusserweiterung. Kann der derzeitige Status Quo, zu den im Antrag genannten Maßnahmen/Zielen, aufgezeigt und ein Ziel für 2030 definiert werden?

Frau Siegmann, eine Anwohnerin des Steppenbergs hat kürzlich beobachtet wie auf den Kartoffeläckern Entlaubungsmittel ausgebracht wurden um die Kartoffel, lt. Aussage des Landwirts, besser verkäuflich zu machen. Dazu kommt das die Böden, in Ihren Augen, in enormer Weise von den riesigen Maschinen verdichtet werden. Die Minikartoffeln türmen sich haufenweise am Wegesrand und verkommen dort. Sie richtet die Frage an die Fachverwaltung, ob dies so seine Richtigkeit haben und was man für Konsequenzen aus dem beschriebenen Szenario ziehen kann? Sie befürwortet den von Herrn Meiners angezeigten runden Tisch „Perspektive 2030“, möchte aber ebenso, dass die Stadt eine Kontrollfunktion wahrnimmt um zu überprüfen ob das beschriebene Vorgehen auch wirklich unschädlich ist, wie der Landwirt es ihr versicherte. Handhabung zur Kontrolle und ggf. auch Unterbindung muss installiert werden.

Herr Meiners bedauert, dass er zur speziellen Situation auf dem Steppenberg wenig sagen kann, erklärt aber, dass die Überwachung der Betriebe in Händen der Landwirtschaftskammer liegt. Der FB 36 ist nicht der zuständige Ansprechpartner, dennoch werden entsprechende Eingaben selbstverständlich an die Landwirtschaftskammer weitergeleitet. Er bestätigt erneut, dass die Intensität der Pestizidbewirtschaftung heruntergefahren werden muss. Dennoch sind Problemfälle erfahrungsgemäß Einzelfälle.

Bernd Kockerols, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Aachen, Landwirt aus Baesweiler möchte die Situation am Steppenberg erklären. Der Grund warum Kartoffelbauern Entlaubungsmittel ausbringen ist der, dass eine Kartoffel schalenfest sein muss damit Sie Lagerungsfähig ist. Eine Schalenfestigkeit erhält man aber nur, wenn das Laub Tod ist. Die kleinen Kartöffelchen am Wegesrand dürfen immer mitgenommen werden. Kein Landwirt den er kennt wird da etwas gegen haben. Es ist nun einmal so, dass die Durchschnittsgröße einer Kartoffel genormt ist. Alles was kleiner ist fällt durch die Siebbänder der Erntemaschine und verbleibt auf dem Acker. Zur Bodenverdichtung lässt sich sagen, dass die großen Landmaschinen Luft aus den Reifen lassen um die Äcker zu befahren. Dies führt dazu, dass die Böden eben nicht im beschriebenen Maß verdichtet werden. Auf der Straße werden die Reifen dann wieder aufgepumpt. Dies ist ein ganz üblicher, automatisierter Vorgang bei modernen Landmaschinen. Herr Kockerols bittet um Vertrauen den Landwirten gegenüber. Viele Dinge kann der Laie sicherlich nicht immer nachvollziehen, aber die Landwirte wissen schon was sie tun. Ein komplettes Pflanzenschutzmittelverbot ist extrem und nicht alle Landwirte könnten dies wirtschaftlich verkraften. Er bittet um einen engen Austausch, wie von Herrn Meiners bereits beschrieben.

Jan van den Hurk sieht im Antrag ein großes Zukunftsthema und klaren Handlungsbedarf in den genannten Punkten. Als Dorfkind und Schrebergärtner kennt auch er den Einsatz von Glyphosat als Mittel zur einfacheren Handhabung der Privatgärten. Die SPD-Fraktion unterstützt den Antrag, wünscht aber dennoch den sensiblen Umgang mit den Landwirten. Ein komplettes Pflanzenschutzmittelverbot ist, wie soeben gehört, eine schwierige Gemengelage und muss behutsam und im engen Dialog geschehen.

Frau Scheidt möchte, als langjährige Kleingärtnerin, die Kleingartenkolonien ein Stück weit in Schutz nehmen. In den meisten Kolonien sind bereits viele junge Leute angekommen, was an sich schon viel verändert hat. Kleingärtner*innen dürften mit am leichtesten davon zu überzeugen sein, auf Pestizidausbringung zu verzichten. Vorzugsweise natürlich von Greenpeace oder dem Stadtgartenverband selber. Warum nicht auf Kleingartenvereine zugehen und darüber beraten, was bspw. für Insekten getan werden kann? Des Weiteren möchte Frau Scheidt ein großes Lob an den Aachener Stadtbetrieb aussprechen. Ihrer Meinung nach hat die Stadt Aachen noch nie so schön geblüht wie in diesem Jahr. Sie schlägt vor auf Laubbläser und Stockschnitt zum Schutz der Kleintiere und Insekten zu verzichten.

Frau Groß, Anwohnerin aus Sief, schließt sich dem Lob an den Aachener Stadtbetrieb an. Sie spricht sich für eine Ausweitung der Blühstreifen aus. Leider aber werden die Blühstreifen irgendwann gänzlich heruntergemäht, inklusive Larven von Schmetterlingen. Es verbleibt somit nichts, dass sich über den Winter entwickeln könnte. Selbst die Seitenstreifen des Vennbahnradwegs werden zu oft gemäht. Der Grund erschließt sich ihr nicht, da es i.E. niemanden stört. Ferner wird im Aachener Süden extrem viel Gülle ausgefahren. Sie hinterfragt die Gefahr der Überdüngung.

Herrn Tillmanns stimmt der Vortrag der Greenpeace Gruppe Aachen nachdenklich. In der Sache sind sich alle Fraktionen einig. Für Ihn ist der scheinbar entscheidendste Punkt aber die Landwirtschaft. Ein befreundeter Landwirt sagte ihm, er habe 40% weniger Ertrag ohne „Mittelchen“. Wie könnten solch individuelle Lösungen, die Herr Meiners ankündigt, aussehen? Die Landwirte müssen intensiv in die Beratungen einbezogen werden, denn sie sind Experten in eigener Sache. Keinesfalls dürfen Bauern zum großen Verlierer dieser Debatte werden. Nur im Konsens kann man etwas erreichen. Er gibt zu bedenken, dass ein „runder Tisch“ sicherlich eine gute Idee ist, aber kommt der 1.000 runde Tisch auch wirklich in der Sache weiter?

Frau Oberbürgermeisterin Keupen erklärt, dass ihr bereits ein vergangenes Gespräch, am Erntedanktag, mit der Kreisbauernschaft aufgezeigt hat, dass ein großer Wille zur Konsensfindung da ist. Natürlich müssen die Gespräche zielorientiert sein. Herr Heiko Thomas übernimmt zum 1. November 2021 das neu geschaffene Dezernat für Klima, Stadtbetrieb und Gebäude der Stadt Aachen. Herr Thomas ist sehr landwirtschaftsversiert und deckt sicherlich noch einige „blinde Flecken“ in den beiderseitigen Gesprächen ab.

Herr Vonderstein, Inhaber eines Grünlandbetrieb am I. Rote-Haag-Weg in Burtscheid und städtischer Pächter hinterfragt deutlich kritisch wie sich eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft mit der enormen Pachterhöhung der Stadt Aachen verträgt? Er führt -wie er sagt- einen konventionellen Betrieb und bittet darum den Greenpeace Vortrag etwas differenzierter zu betrachten. Er nutzt wenig Pflanzenschutzmittel, aber ohne wäre sein Ertrag so stark reduziert, dass es sich wirtschaftlich nicht mehr rechnen könnte. Er erläutert, dass der Ist-Zustand in der Landwirtschaft nicht so katastrophal ist, wie er dargestellt wird. Seine Böden seien seit eh und je fruchtbar. Imker setzen Bienenkörbe auf seine Flächen. Er bittet darum, nicht immer alles „schwarz zu malen“ und die Schuld bei den Landwirten zu suchen.

Georg Grooten, Landwirt aus Seffent berichtete, er habe zum Schutz der Vögel und Insekten seinen Hof zur Hälfte umgestellt und auf einer Hälfte gänzlich auf Pflanzenschutzmittel verzichtet. Dort erziele er nur noch 40% des Vorjahr-Ertrages. In seinem Fall wird ihm der „Verlust“ durch eine Ausgleichsmaßnahme (Bauträger Campus Melaten) ersetzt, mit Bio-Produkten allein müsse er seinen Hof aber in der 8. Generation schließen. Seine Böden seien schwierig zu bewirtschaften, da geht es nicht ohne das ein oder andere „Mittelchen“. Er hat sich einen gänzlichen Umstieg sogar durchrechnen lassen aber es passt einfach nicht. Für den Artenschutz sollte die Stadt entsprechende „Hotspots“ einrichten, dies kostet aber Geld, das muss jedem bewusst sein. Des Weiteren bemängelt Herr Grooten die Förderprogramme von EU/Bund/Land als extrem bürokratisch und ein echter Hindernisgrund für Landwirte sich darauf zu bewerben.

Herr Deumens bestätigt, dass es keiner weiteren Dokumentation bedarf um aufzuzeigen wie schlimm es ist. Ohne Insekten haben auch wir Menschen keine Lebenschance, dies ist deutlich geworden. Mehr insektenfreundliches Licht befindet sich derzeit bereits in politischer Beratung, entsprechend muss man „einen Zahn zulegen“. Die Beratungen mit den Landwirten aber müssen miteinander und nicht gegeneinander geführt werden, das haben die Wortbeiträge eindrücklich aufgezeigt.

Herr Yavuz beschreibt den derzeitigen Pestizideinsatz, wie von einigen Vorrednern beschrieben, als sehr nachvollziehbar. Er spricht sich, wie Frau Brinner, dafür aus von der Verwaltung einen Status Quo ausgearbeitet zu bekommen, mit den Informationen wie derzeit Pestizide eingesetzt werden. Bzgl. des insektenfreundlichen Lichts bittet er zu bedenken, dass an mancherlei Orten das Sicherheitsbedürfnis nicht als unwichtig abgetan werden darf, zu Gunsten der Insekten. Diesen Konflikt muss man ebenfalls maßvoll lösen. Des Weiteren stellt sich für ihn die Frage was mit den beleuchteten Baudenkmälern ist.

Frau Brinner bedankt sich für die Beiträge der anwesenden Landwirte. Die Realität des Artensterbens muss natürlich in Einklang mit der Realität des Höfesterbens und der Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaftlichen Betriebe gebracht werden. Einer alleine kann die Probleme nicht lösen. Zusätzlich zur Status Quo Ausarbeitung bitte sie um Weitergabe des Antrags an den Umweltausschuss.

Der Vorsitzende Herr Dopatka bekräftigt die Aussage der Frau Brinner. Das Schutzniveau muss erhöht, die wirtschaftliche Existenz der Betriebe dennoch gesichert werden. Die berechtigten Interessen beider Seiten müssen vereinbar gemacht werden. Er lässt sodann über folgenden erweiterten Beschlussvorschlag abstimmen.

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Beschluss:

Das Bürgerforum nimmt die Ausführungen der Antragsteller und den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis und empfiehlt dem Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz, den Antrag wohlwollend zu prüfen. Die Verwaltung soll beauftragt werden eine Strategie zur nachhaltigen Landwirtschaft auszuarbeiten.

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Abstimmungsergebnis

Einstimmig angenommen bei einer Enthaltung.

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Anlagen zur Vorlage

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