14.11.2012 - 2 Sachstand 'Bombardier'

Beschluss:
zur Kenntnis genommen
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Beratung

 Herr Schultheis erteilt Herrn Kreutz das Wort. Dieser erläutert in einem Situationsbericht, dass es keine Annäherung seitens Bombardier an den Betriebsrat in Aachen gegeben habe und er keine Bereitschaft sehe, an dem Aachener Werk festzuhalten. Dennoch sei die Stimmung in der Belegschaft ungebrochen gut, man erfahre grenzenlose Solidarität; Herr Kreutz dankt auch dem Ausschuss für die Unterstützung.

Frau Kortendick, die sich ebenfalls für die Einladung bedankt, führt aus, dass es keine leichte Entscheidung gewesen sei, die Schließung in einem gut funktionierenden Werk wie Aachen bekannt zu geben. Die Schließung sei aber wirtschaftlich begründet; Fragen nach der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung würden noch beantwortet. Gleichwohl nehme sie Anregungen für die Geschäftsleitung mit. Herr Schultheis bemängelt, dass man auf die Kernfrage, was geschehen müsse, dass die Schließungsentscheidung aufgehoben wird, bisher keine Antwort von Bombardier bekommen habe. Zudem möchte er das Innovationspotenzial des Hochschulstandortes mit einbezogen wissen.

Frau Kortendick äußert ihren Respekt, wie sich Stadt und Region für den Erhalt des Werkes einsetzten, aber man habe keine wirtschaftlichen Argumente für einen Erhalt finden können.

Herr Franz-Peter Beckers betont, wie die Schließungsmitteilung erschüttert, aber auch eine ganze Region mobilisiert habe. Er bedanke sich beim Oberbürgermeister und der Landesregierung für ihren intensiven Einsatz. Man müsse zu überzeugen versuchen, dass es keine sinnvolle Entscheidung sei, aus wirtschaftlichen Gründen den Standort zu schließen. Er äußert Zweifel, dass man das tatsächlich das Gesamtwohl des Unternehmens im Auge hat. Er habe den Eindruck, dass hier keine wirtschaftlichen, sondern politische Gründe vorlägen. Wenn Bombardier nicht mehr in Deutschland produzieren wolle, solle man das klar sagen. Er erinnert dabei aber auch an die immense Verantwortung für Menschen und Flächen.

Herr Schultheis hält fest, dass sich im Hinblick auf die Kunden Bombardiers im öffentlich-rechtlichen Bereich die Politik bei der Vergabe von Aufträgen auch in der Verantwortung sehe, das Engagement aber auch im Interesse von Bombardier sei. Bürgermeister Jansen bedankt sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Bombardier, die diese Unterstützung verdient hätten, und verweist auf die 400 Existenzen von festen und 150 - 200 von Leiharbeit-Mitarbeitern. Auch er glaubt aufgrund der Äußerungen, man müsse die wirtschaftliche Begründung der Schließung seitens der Geschäftsführung nochmals erörtern, dass hier eine firmenpolitische und keine wirtschaftliche Entscheidung zum Schutz anderer Standorte vorliegt. Die Nähe zur RWTH total auszublenden und die eigene F&E-Abteilung zurückzubauen, sei nicht nachvollziehbar. Bürgermeister Jansen glaubt, dass die Anwesenheit von Frau Kortendick lediglich dem Wogenglätten – zur Vermeidung von Strafzahlungen – dienen solle. Er legt dar, dass die Wirtschaftsförderung kompetent aufgestellt sei und das Portfolio der externen Standortvorteile darlegen könne.

Frau Reinartz weist darauf hin, dass sie – als Aachenerin und Bankerin – einen Brief an die Unternehmensführung in Kanada und in Berlin senden werde und zitiert hieraus.

Herr Schultheis betont, dass sich auch wirtschaftliches Handeln an Werten orientieren sollte; dies sei auch Grundsatz der Lokalpolitik.

Frau Kortendick bedankt sich bei Belegschaft und Betriebsrat für ihr loyales Verhalten und weist darauf hin, dass intensive Beratungen zur Wirtschaftlichkeit natürlich schon erfolgt seien, trotzdem weitere folgen würden.

Sie könne aber keine Kriterien erkennen, die eine Perspektive rechtfertigen würden.

Herr Kitt erinnert an ihre Aussage, in Aachen werde ein gut funktionierendes Werk geschlossen. Dann stelle sich die Frage, ob die Produktion oder der Standort zu teuer oder andere günstiger seien; es gebe ja auch Kostenminimierungsprogramme. Auch Frau Schlick bezieht sich auf die vorgenannte Aussage und betont, dass dann schwer nachvollziehbar sei, dass das Aachener Werk nicht wirtschaftlich arbeite. Seitens eines Bombardier-Mitarbeiters wird die Frage gestellt, warum man nicht auf Kundensuche gehe. In der Vergangenheit habe man sich intensiv bemüht, Aufträge zu generieren, die dann aber in andere Werke gegangen seien.

Frau Kortendick bezieht sich im Hinblick auf die Verlagerung des ’ET 204’ in 2010 auf eine ähnliche wirtschaftliche Entscheidung und erklärt, dass für drei von fünf deutschen Werken nicht genug Arbeit vorhanden sei. Die jetzige Entscheidung habe einen Horizont von drei Jahren, die Zahlen seien dem Betriebsrat zugänglich.

Herr Kreutz führt aus, dass das Werk im kommenden Jahr 175 Jahre alt werde und auch schon schwierige Zeiten mitgemacht habe, aber früher habe es andere Verantwortliche gegeben. Seiner Ansicht nach müsse man nach Wunsch und Bedarf produzieren, hierzu auf Kunden zugehen. Man kapitulier vor dem Markt, wenn man keine Aufträge mehr einhole.

Herr Hasse hält den genannten Zeithorizont – gerade vor dem Hintergrund der Förderung des Schienenverkehrs – für erstaunlich kurzfristig. Frau Kortendick entgegnet, es gebe lange Vorlaufzeiten zwischen Idee, Auftragsvergabe und Produktion. Man beobachte den Markt und die Entscheidungsprozesse, derzeitige geringe Ausschreibungsaktivitäten seien aber vor 2015 nicht wirksam.

Herr Kreutz widerspricht diesen Ausführungen und vertritt die Auffassung, dass bei solchen Durchlaufzeiten das Werk schon längst nicht mehr existieren würde. Es gebe konkrete Angebote z.B. für ca. 500 ’Talent’ der DB und Aufträge aus den Niederlanden, die diese mit dem Werk Aachen durchführen wollten; 95% allen rollenden SLT-Materials komme aus Aachen. Das Werk könne genug Aufträge als ’Brückenaufträge’ einholen, diese Hilfestellung werde jedoch ständig ausgeschlagen. Auf Nachfrage von Herrn Schultheis nach dem Entscheidungsweg berichtet Frau Kortendick, dass Bombardier Deutschland die Entscheidung getroffen und die Konzernspitze in Montreal zugestimmt habe.

Frau Schmitt-Promny betont, dass die Stadt emotional sehr betroffen sei; die wirtschaftliche Entscheidung könne sie nicht nachvollziehen und frage sich deshalb, ob andere Werke günstiger oder etwa die Ausstattung in Aachen schlechter sei. Gleichwohl würde die Aachener Mitarbeiterschaft hohe Flexibilität anbieten. Frau Kortendick möchte nicht ins offizielle Zahlenwerk einsteigen, Herr Kreutz habe aber ihr Wort alle Vorschläge prüfen zu wollen; sie betont, dass es keine Vorgaben seitens der kanadischen Konzernleitung gegeben habe, sondern die deutsche Betriebsführung entschieden habe. Herr Schultheis fragt nach, ob dem Betriebsrat Zahlen vorlägen und wie mögliche Maßnahmen aussehen könnten. Herr Kreutz weist darauf hin, dass der Wirtschaftsausschuss von der Arbeitnehmerseite informiert wurde und die Beratungen erst am Vortag der Ausschusssitzung begonnen hätten. Die eingereichten Unterlagen würden zunächst vom Gesamtbetriebsrat, dann vom örtlichen Betriebsrat geprüft. Er betont seine Einschätzung, dass der Aachener Standort am schnellsten zu beiseitigen sei, da hier das kleinste deutsche Werk sei. Gleichwohl sei kein Werk so flexibel wie das in Aachen. Als Beispiel hierfür nennt er einen Vorfall aus 2010, als Aachener Mitarbeiter über die Weihnachtstage niederländische Wagen reparierten. Herr Franz-Peter Beckers erläutert, dass die Quelle der Schließungsentscheidung in Deutschland liege. Verantwortliche der ’Talent’ – Probleme in Henningsdorf  würden dann Entscheidungen zu Lasten von Aachen fällen. Er sieht das Aachener Bombardierwerk als Bauernopfer. Er weist darauf hin, dass es noch eine Belegschaft mit enormem Engagement gebe, weil man noch glaube, dass es weitergehe. Herr Bürgermeister Jansen stellt fest, dass sich Frau Kortendick zwar der Diskussion stelle, aber nicht verhandeln wolle. Als 25 % der Geschäftsleitung bittet er sie um Auskunft, welche entscheidenden Punkte zur Schließung des Aachener Werks führten. Er fragt nach, ob es Mitglieder der Geschäftsleitung aus anderen Werken gäbe. Frau Kortendick entgegnet, dass alle Werke gleich behandelt und Entscheidungen nach wirtschaftlich sinnvollen Aspekten getroffen würden. Der AAWW sei jedoch für sie kein Vertragspartner, sondern der Betriebsratsvorsitzende Herr Kreutz. Herr Schultheis ist der Auffassung, dass bisher lediglich eine Absichtserklärung zur Schließung bestehe und erkundigt sich nach den möglichen Zeitfenstern. Frau Kortendick betont, dass es keinen Anhaltspunkt gebe die Entscheidung zurück zu nehmen; der genaue Zeitpunkt sei jedoch noch nicht genau festgelegt. Herr Kreutz ergänzt, dass laut Budget (gemäß Wirtschaftsausschuss) Mitte 2013 Schluss sei. Er betont, dass die Belegschaft sicher nicht so ’lieb’ bleibe, wenn Vereinbarungen aus dem Wirtschaftsausschuss wieder revidiert würden. Wenn man feststelle, dass man auf die Schachtbank geführt werde, würde man sich wehren. Herr Franz-Peter Beckers bestätigt, dass der AAWW kein Verhandlungsgremium sei, aber man wolle Frau Kortendick wichtige Argumente mit auf den Weg geben. Als Beispiel hierfür weist er auf die riesige Industriefläche hin und betont, dass die Sanierung der deutlich kleineren Nachbarfläche 30 Millionen Euro gekostet habe; dies müsse man bei Bombardier berücksichtigen.

Auf die Frage von Herrn Schröder, ob der Standort eigenständig akquirieren  dürfe, weist Herr Reuters darauf hin, dass Aachen keine eigene Vertriebsabteilung habe. Frau Kortendick erläutert, dass man immer ein optimales Ergebnis für die deutsche Gesellschaft erzielen wolle.

Frau Schmitt-Promny kann sich vorstellen, dass nicht alle Kompetenzen in der Zentrale liegen. Sie ist der Auffassung, dass Mitgestaltung positiv sein kann.

Herr Kreutz betont, dass man mit diesem Thema die Achillesferse getroffen habe. Als Aachen selbst akquirierte, habe es keine Probleme gegeben. Als Bespiel führt er einen Fall aus Verhandlungen mit der ÖBB an, als Wunsch und Angebot nicht überein gebracht wurden. Hätte Aachen selbst akquirieren können, wäre dieses Problem nicht entstanden. Herr Bürgermeister Jansen weist darauf hin, dass, wenn man mit den Ängsten der Mitarbeiter spiele, dies nachvollziehbare Folgen haben könnte. Ein Angebot, im Bombardier-Konzern weiter beschäftigt zu bleiben, könne motivierend sein, werde aber oft enttäuscht. Frau Kortendick entgegnet, dass man nicht mit den Ängsten der Beschäftigten spiele; sie wolle jedoch keine Hoffnungen wecken, die nicht erfüllt werden könnten. Man werde Anschlussbeschäftigung fördern und seriöse Angebote aus der Region prüfen. Frau Püttmann sieht bei Frau Kortendick kein Interesse, irgendetwas zum Erhalt des Werkes zu tun und fragt, ob die Angebote der Aachener Belegschaft überhaupt geprüft wurden. Sie betont, dass die Bedeutung des Aachener Werkes in Kanada deutlich gemacht werden müsse. Frau Reinartz schlägt vor, Bombardier Aktien zu kaufen um Informationen zu erlangen. Herr Franz-Peter Beckers betont, dass derzeit die Arbeitnehmerseite für das Funktionieren des Werkes sorge. Herr Kreutz führt aus, dass die ’Leichenfledderer’ sehr schnell vor Ort gewesen seien und Angebote an Mitarbeiter ergangen wären. Dies sei jedoch zu verfrüht. Er fragt sich jedoch, wie die Äußerung der deutschen Betriebsleitung, man sei für alles offen, mit dem bereits beginnenden Verteilen der Leute übereinkomme. Niemand wolle sein Umfeld aufgeben, nur die wenigsten wollten in ein anderes Werk wechseln. Man werde keine Angebote prüfen, solange noch Hoffnung bestehe.

Abschließend betont Herr Schultheis, dass man das Werk erhalten wolle und dafür kämpfe. Hierfür danke er allen Teilnehmern.

 

Zu diesem Tagesordnungspunkt ergeht kein Beschluss.