23.11.2005 - 6 Neustrukturierung der Bezirksämter

Beschluss:
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Beratung

Auf die Verwaltungsvorlage, die schriftlichen Antworten der Verwaltung auf die SPD-Anfragen (s. Anlagen zur Niederschrift) und die umfangreiche Einwohnerfragestunde zu diesem Themenbereich wird verwiesen.

 

Beigeordneter Lindgens erklärt, dass durch die sehr differenzierten  Fragestellungen in der Einwohnerfragestunde bereits zur Thematik viel gesagt wurde. Er möchte wiederholen, dass die Bezirksämter nicht geschlossen werden und auch nicht beabsichtigt ist, mehrere Bezirksämter unter einer Leitung zusammenzulegen. Der Aufgabenumfang wird so bleiben, wie dies in der Vergangenheit der Fall war mit Ausnahme der Standesämter. Die Struktur des Amtes wird nach der Beschlussfassung zu treffen sein. Nach organisatorischen Vorgaben und Abwägungen sollen die Bürger ihren Service ohne Einschränkungen weiter erhalten können.

 

Herr Liebenhoff von der CDU-BF begrüßt Herrn Beigeordneten Lindgens, und führt aus, dass sich die CDU-Fraktion dem Vorschlag der Zentralisierung der Standesämter in den Bezirken nicht anschließen wird. In der Presse war kein zustimmendes Wort zur Zentralisierung zu finden mit Ausnahme der Äußerungen von Herrn Lindgens und einige Politiker von Rot/Grün. Die Stimme der Bürger sagt „Nein“. Die Äußerung des Herrn Lindgens, der Service bleibt, die Kosten sinken, kurze Wege bleiben, ist nicht nachzuvollziehen. Am Beispiel Familienbuch sehe man die Leistungen, die nur noch beantragt werden können.

Bei allen Bezirksstandesämtern werden z. Zt. 30.000 Familienbücher geführt, woraus täglich beglaubigte Ablichtungen gefertigt werden, so z.B. bei Änderung der Pflegeversicherung u. v. m. Die Nähe zur Kirche sei wichtig, da bei Aufgebotsbestellung anschließend unmittelbar der Termin für die kirchliche Eheschließung vereinbart werden kann. Bei der Eheschließung stehe auch genügend Parkraum zur Verfügung, ein Wunschtermin wird gewährt und Platz für den Sektempfang ist vorhanden. Ein bisschen Standesamt wird es nicht geben. In Zukunft muss ein Standesbeamter aus der Stadt nach Brand kommen um Eheschließungen vorzunehmen. Dieser Standesamtstourismus kostet viel Zeit und damit Geld.

In Brand leben 80 % der Aussiedler aus dem gesamten Stadtgebiet, die mit ihren Sprachproblemen in die Innenstadt müssen. Die kurzen Wege zwischen Standesamt und Einwohnermeldeamt werden gekappt. Die Forster Bürger werden in Brand mit bedient, obwohl die Personalstruktur des Amtes das nicht wiedergibt. Die Rufweite nach Forst wird bisher lediglich durch die Bundesautobahn unterbrochen, zitiert er den Brander Bezirksvorsteher. Mit der Zentralisierung der Standesämter wird die Kompetenz der Bezirksämter weiter stark beschnitten und dies  geschieht in Salamitaktik. Zuerst war es die Regiekolonne, dann das Versicherungsamt, dann das Sozialamt/Hartz IV, der schulpsychologische Dienst und jetzt soll das Standesamt folgen. Auf der Strecke bleiben Dienstleistung, Fachkompetenz und  Bürgernähe. Es entsteht ein Behördentourismus für 100.000 Einwohner aus den Bezirken ins Zentrum. Der Gebietsänderungsvertrag von 1972 gilt nicht mehr als verbindlich und er fragt: „werden Verträge nach 33 Jahren einfach aufgelöst“?

Weiterhin führt er aus, dass die Bürger sich mit der Verwaltung vor Ort identifizieren. Der Erhalt aller Serviceleistungen in Brand ist für die CDU eine Herzensangelegenheit. Es sollen 184.000 Euro, d.h. pro Bezirk 30.000 Euro eingespart werden.

Herr Beigeordneter Lindgens habe gesagt, das Personal in Aachen übernähme die Aufgaben ohne Personalaufstockung. Dazu führt Herr Liebenhoff die Aussage von Herrn Leo Frings aus Eilendorf an: „Bisher müssen die in Aachen Däumchen gedreht haben.“ Herr Manfred Kuckelkorn aus Richterich sagte folgendes: „Wenn die Stadtverwaltung die zusätzliche Arbeit der Bezirksstandesämter mit dem vorhandenen Personal glaubt bewältigen zu können, dann muss sie jahrelang überbesetzt gewesen sein“.  Im Gegensatz zu den Einsparungen von 184.000 Euro stehe das Bauhaus Europa mit den Folgekosten und der Stadtarchäologe mit 66.800 Euro. Anschließend liest Herr Liebenhoff noch einige Zitate aus den Aachener Tageszeitungen und auch aus dem offenen Brief des früheren Beigeordneten Franz Stettner vor.

Abschließend beantragt Herr Liebenhoff  über einen neuen Beschlussentwurf für die

CDU-Fraktion abzustimmen, den er vorliest.

(Anmerkung: Über diesen Beschlussentwurf wird am Ende der Beratung abgestimmt.)

 

Er bittet, über jeden Punkt einzeln abzustimmen.

 

Herr Hellmann von der SPD-BF meint, wenn man die Fragen der Bürger und den Vortrag der CDU-Fraktion hört, entsteht der Eindruck, das Bezirksamt würde geschlossen. Dies ist nicht der Fall. Die Verwaltung hat anhand einer Aufstellung und Ergänzungen mitgeteilt, welche Aufgaben im Bezirksamt erledigt werden. Die Mitglieder der Bezirksvertretung Brand sind nicht daran interessiert, das Bezirksamt zu schließen. Nach dem Umbau wird eine bürgerfreundliche Serviceeinrichtung entstehen. In den Bezirksämtern können alle Angelegenheiten erledigt und bearbeitet werden. Alle Serviceangebote bleiben erhalten oder werden sogar noch ausgebaut.

Die SPD- Fraktion hat der Verwaltung  gegenüber den Vorschlag gemacht, das Bezirksamt mit je einem Bezirksamtsleiter und einem Stellvertreter zu besetzen.

In Bezug auf das Standesamt dürfte es jedem Bürger zumutbar sein, für eine Anmeldung der Eheschließung in die Innenstadt zu fahren. Herr Hellmann will die Ausführungen von Herrn Liebenhoff nicht im Einzelnen widerlegen. Als Beispiel führt er die Geburtenzahl in Brand an. In Brand befindet sich kein Krankenhaus, somit werden alle Geburten im Zentralstandesamt in Aachen registriert. Herr Hellmann versteht den Hintergrund der  dargestellten Angelegenheit, nämlich die Salamitaktik und die Verkleinerung des Bezirksamtes. Man hat die Regiekolonne und andere Ämter zentralisiert, wobei der schulpsychologische Dienst nicht wirklich zum Bezirksamt gehört hat. Wenn die Fallzahlen des Standesamtes addiert werden, kommt man auf einen geringen Anteil des Arbeitsaufwandes eines Mitarbeiters.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen wird sich die SPD-BF dem Vorschlag der Verwaltung anschließen.

 

Ratsherr Höfken schließt sich dem Vortrag von Herrn Hellmann an. Die Zahlen sprechen für sich und die Frage sei erlaubt, was wird sich in Zukunft für den Bürger ändern, wenn das Standesamt zentralisiert wird. Ein Bürger muss, um eine Geburtsurkunde zu erhalten,  das Standesamt aufsuchen, wo er geboren wurde. Die Anmeldung der Eheschließung wird in Aachen persönlich vorgenommen werden müssen. Von den bislang in 2004 angemeldeten Eheschließungen haben nicht alle in Brand geheiratet; einige haben sich im Weißen Saal im Rathaus, im Couven-Museum oder anderen Städten das Ja-Wort gegeben. Im Hinblick auf die Senioren unterstellt Ratsherr Höfken diesen Menschen einfach, dass sie heutzutage in der Lage sind, ihre persönlichen Dinge zu regeln. Die wenigsten dieses Personenkreises gehen noch heiraten; Namensänderungen kommen bei Senioren auch selten vor.        

Es drängt sich die Vorstellung auf, dass hunderte Menschen in Zukunft zum Standesamt in die Innenstadt reisen, dabei bricht  das Gemeindewesen in Brand nicht zusammen, nur weil das Standesamt wegfällt. Ratsherr Höfken kann nicht sagen, ob das Bauhaus kommt oder nicht,

die Zentralisierung der Standesämter, stehe aber nicht mit dem Bauhaus in Verbindung. Das Personalkostendefizit der Stadt Aachen liegt bei 3.000.000 Euro. Die Zusicherung, dass kein Personal entlassen und keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden, besteht nach wie vor. Ratsherr Höfken betont nochmals, dass die Bezirksämter nicht geschlossen werden und die SPD nicht die Absicht hat, weitere Aufgaben der Bezirke zu beschneiden.  Er kann diese  Zusage erteilen für die Zeit, die er selbst dem Rat der Stadt Aachen angehört. Im Übrigen handelt es sich bei der Einsparung von 184.000 Euro um eine jährliche Einsparung. Der Ratsbeschluss bleibt zwar abzuwarten, aber es ist davon auszugehen, dass die Mehrheit die Zentralisierung der Standesämter beschließen wird. Trotzdem sollen die Bezirksämter alle mit einer eigenen Amtsleitung besetzt werden und  auch dann weiter bestehen bleiben, wenn die Städteregion 2009 gebildet wird. Dies wird ausdrücklich im „Aachen-Gesetz“ verankert. Im Übrigen besitze die Stadt Aachen als einzige Stadt in der Bundesrepublik 7 Standesämter. Selbst die Stadt Köln hat nur ein Standesamt, obwohl diese Bezirksämter teilweise mehr Einwohner haben als die Stadt Aachen insgesamt.

 

Ratsherr Schabram kann sich den Ausführungen von Ratsherrn Höfken nur anschließen. Er hat in der Zeitung gelesen, dass die Bürger jetzt ständig in die Stadt fahren müssen, weil es in Brand kein Standesamt mehr geben soll. Man muss zum Standesamt wenn man heiraten will, wenn sich Nachwuchs eingestellt hat bzw. wenn ein Todesfall beurkundet wird. Es fahren täglich viele Schüler zu ihren Schulen in die Stadt, Mitbürger fahren zu ihren Arbeitsstellen in die Stadt usw. Ratsherr Schabram sieht es nicht als ernsthaftes Problem, wenn eine Urkunde im Zentralstandesamt abgeholt werden muss. Zurzeit werden sämtliche Gehälter der Mitarbeiter der Stadt Aachen über Kredite finanziert, deshalb muss angefangen werden, auch an kleinen Punkten zu sparen. Er stellt fest, dass auch zukünftig für die Bürger keine Nachteile entstehen. Die Grünen haben  immer für dezentrale Strukturen gekämpft und es gehe nicht nur ums Standesamt, sondern auch um die Amtsleitungen der Bezirksämter.

Deshalb ist entschieden worden, für die Bezirksämter die jeweiligen Amtsleitungen und je einen Stellvertreter beizubehalten.

 

Herr Blum von der FDP bemerkt, dass man zwischenzeitlich bei einem Tagesordnungspunkt angekommen ist, der für viel Aufsehen sorgt. Als ausschlaggebendes Argument für die Zentralisierung der Standesämter sieht er die Einsparung der 184.000 Euro. Der Schuldenstand der Stadt Aachen hat sich in den letzten Jahren verdreifacht. Die bisher erbrachten Leistungen können in der bisherigen Form nicht mehr weiter erbracht werden. Zukünftig soll der Bürger, der ein- vielleicht auch zweimal heiratet dafür nun zum Standesamt Aachen gehen. Brand war in vielen Dingen immer Vorbild und Vorreiter. Er möchte in diesem Zusammenhang ein Lob an die Mitarbeiter des Bezirksamtes Brand aussprechen. Sie haben es geschafft, dass das Bezirksamt im Mittelpunkt des Gemeindelebens steht und für viele Bürger die erste Anlaufstelle bei großen und kleinen Fragen ist. Es kann deshalb nicht gewollt sein, diese Institution aufzulösen oder einzuschränken. Bei der Zentralisierung sollen 2,5 Stellen eingespart werden. Im Standesamt Aachen werden Umbaumaßnahmen durchgeführt und  es entstehen Fahrtkosten für die Standesbeamten. Bei entsprechender Gegenrechnung entstehen bei ihm Zweifel, ob die 184.000 Euro tatsächlich eingespart werden. Die Argumentationen erscheinen ihm zu schwach. Solange die Einsparung  nicht qualifiziert und quantifiziert nachgewiesen wird, kann er dieser Maßnahme nicht zustimmen.

 

Ratsherr Königs fragt sich, warum wird überhaupt über die Zentralisierung der Standesämter gesprochen? Ist dies der erste Schritt zur Schließung der Bezirksämter? Es fehlt ein Gesamtkonzept über die Verteilung der Aufgaben innerhalb der Stadt Aachen. Wenn dieses Konzept vorliegen würde, bräuchte die jetzige Diskussion nicht geführt zu werden. Es wird immer die Frage gestellt, was kann ich wegnehmen aus den Bezirksämtern; es ist jedoch nie die Frage gestellt worden, wie kann man die Bezirksämter und die Bezirke stärken oder: wie sieht die strukturelle Aufgabenverteilung der Stadt aus? Es trifft  zu, dass die Anschaffung entsprechender elektronischer Medien die Verwaltung modernisieren wird, aber wie gestaltet sich die moderne Verwaltung in dieser Zeit? Ihm fehlen die Antworten auf diese Fragestellungen.

 

Bezirksvorsteher Henn beendet die Diskussion und stellt fest, dass der Bürger bestimmte Vorstellungen an seine Stadt hat. Bürgernähe, Kompetenz vor Ort und kurze Wege ist der beste Bürgerservice den es geben kann. Das Gebot der Stunde muss eigentlich nicht heißen Abbau sondern Stärkung der Bezirksämter. Aufbau und Service verbessern ist das Beste was erreicht werden kann. Dass Bürgerservice und Gemeindeleben gemeinsam lösbar ist, haben die Mitarbeiter des Bezirksamtes in der Vergangenheit bestens bewiesen. Dies möchte er hier vor der Brander Bürgerschaft zum Ausdruck bringen und sich dafür herzlichst bedanken.

Im Eingangsbereich des Bezirksamtes hat er ein Plakat entdeckt mit dem Titel “ Unser Selbstverständnis für die Stadt Aachen“. Er zitiert einige Punkte aus diesem Leitbild und liest den letzten Absatz vor: „Wir richten unser Handeln zielstrebig, kompetent und zuverlässig auf die Interessen unserer Kunden aus.“

Abschließend bemerkt er, dass diese Kunden der Stadt Aachen die Bürger im Stadtbezirk Brand sind. 

 

Nach kurzer Diskussion über den weitestgehenden Beschlussvorschlag wird wie folgt zu den einzelnen Punkten abgestimmt:

 

Beschlüsse:

 

1. Leitungsmodell  

 

Die Verwaltung schlägt vor, je Bezirksamt eine eigene Leitung und einen Stellvertreter beizubehalten.

 

Die Bezirksvertretung Aachen-Brand beschließt dies einstimmig.

 

2. Aufbaustruktur

 

Hier sieht die Verwaltung unter den o. g. Gesichtspunkten in der auf eine Säule reduzierten Aufbaustruktur die optimale Organisationsform. Die personelle Ausstattung  des Unterbaus ist abhängig von den Einwohner- und Fallzahlen, unter besonderer Berücksichtigung der bezirklichen Bevölkerungsstruktur (z.B. bei jungen Familien, Senioren und der Aussiedlersituation in Brand).

 

Die Bezirksvertretung Aachen-Brand beschließt dies einstimmig.

 

3 . Standesamtswesen

Die Verwaltung schlägt vor, das Standesamtswesen zu zentralisieren. Die Möglichkeit der Eheschließungen in den Bezirken soll durch das zentralisierte Standesamt wahrgenommen werden. Die Bezirksamtsleiter/innen können weiterhin Trauungen vornehmen.                   

 

Die Bezirksvertretung Aachen-Brand lehnt dies mit 7 Nein-Stimmen und 5 Ja-Stimmen ab.

 

4. Aufgaben der Bezirksämter

Die heutigen Aufgaben der ortsnahen Verwaltung verbleiben auf Dauer in den Bezirksämtern.

 

Die Bezirksvertretung Aachen-Brand beschließt dies mit 7 Ja-Stimmen und 5 Nein-Stimmen.

 

 

Anschließend gibt Herr Hellmann eine persönliche Erklärung ab.

 

Er führt aus, dass er bei Punkt 4. lediglich deshalb mit Nein gestimmt habe, weil dort das

Wort „heutige“ aufgeführt ist. Dies würde die Aufgaben der Standesämter mit einschließen.

Er ist zwar für die Zentralisierung der Standesämter aber auch für die Beibehaltung der

verbleibenden von der Verwaltung aufgelisteten Aufgaben der Bezirksämter. Dies gelte

ebenfalls für die SPD-Fraktion Brand.

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Abstimmungsergebnis:

Zustimmung:                        Ablehnung:                        Enthaltung:

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Anlagen zur Vorlage

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Anlagen

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