Kenntnisnahme - FB 61/1502/WP17

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Das Bürgerforum nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis und verweist ihn zur weiteren Beratung an die Bezirksvertretung Aachen-Mitte und den Mobilitätsausschuss.

 

Der Mobilitätsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.

 

Die Bezirksvertretung Aachen-Mitte nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.


 

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Erläuterungen

Erläuterungen:

Anlass

 

Uni.urban.mobil., der VCD Aachen-Düren sowie der ADFC Aachen beantragen gemäß § 24 der Gemeindeordnung NRW eine Netzdurchtrennung für den motorisierten Individualverkehr auf dem Templergraben zwischen Schinkelstraße und Wüllnerstraße zur Unterbindung der dortigen Schleichverkehre. Dazu sollen wirksame Maßnahmen gegen eventuelle Ausweichverkehre auf dem Annuntiatenbach und auf der Jakobstraße ergriffen werden. Die Maßnahmen sollen kurzfristig, gegebenenfalls durch vorläufige Maßnahmen hergestellt werden.

 

Begründet wird der Antrag mit der besonderen Bedeutung dieses Straßenraums für den Fuß- und Radverkehr und den Innenstadt-Campus der RWTH, der durch die in den vergangenen Jahren ergriffenen Maßnahmen wie den Umbau des Templergrabens in Anlehnung an das shared-space-Prinzip sowie die Ausweisung von Tempo 30 nicht ausreichend verändert worden sei. Auch weiterhin sei ein hohes KFZ-Verkehrsaufkommen festzustellen.

 

Der ÖPNV soll seine Linienwege weiter wie heute mit weniger Autoverkehr fahren können. Die Netzdurchtrennung würde der Bedeutung der Umgestaltung des Grabenrings für das geplante Radvorrangroutennetz folgen und dem bereits aus 2017 stammenden Antrag des ADFC entsprechen.

 

Bisherige Arbeiten

Antrag und Petition nehmen ein Thema auf, das schon mehrfach beraten wurde: Die dauerhafte Sperrung des Templergrabens für den Kfz-Verkehr vor dem Hauptgebäude der RWTH war Bestandteil des Schleifenkonzeptes im VEP von 1994. Dieser VEP wurde allerdings politisch nicht beschlossen. Die Sperrung des Templergrabens wurde ferner 2006 im Auftrag der Stadt im Verkehrsmodell durch das Büro Harloff-Hensel Stadt- und Verkehrsplanung untersucht und zuletzt 2017 von ADFC und VCD im Vorschlag zur raderkehrsfreundlichen Umgestaltung des Grabenrings wieder aufgegriffen.

 

2002 wurden auf dem Templergraben rd. 6.600 Fahrzeuge (7 - 19 Uhr) gezählt.

 

Eine detaillierte Untersuchung für den Templergraben von HHS wurde für den "Masterplan Campus Innenstadt" erstellt. Dessen zentrale Perspektive war die stärkere Verknüpfung des traditionellen Standortes der RWTH zwischen Turmstraße und Annuntiatenbach mit dem zentralen Innenstadt-/Altstadtbereich. Der Hochschulbereich sollte attraktiver gestaltet, die Trennwirkung von Verkehrsachsen, insbesondere die des Templergrabens reduziert werden. Diese Zielsetzung wurde gemeinsam von der RWTH als auch von der Stadtverwaltung formuliert und war mit der Hauptaussage verknüpft, dass nur durch eine verkehrliche Entlastung Spielraum für eine attraktive Gestaltung und eine nachhaltige Aufwertung dieses wichtigen städtischen Raumes entstehen kann. HHS wurde im November 2006 mit der Untersuchung beauftragt. In einem ersten Teil "Verkehrserhebungen und Analyse" wurden die Ergebnisse einer umfangreichen Kordonanalyse, d.h. einer Zählung von Autos mit der Notierung von Autokennzeichen an definierten Querschnitten um den Templergraben, dargestellt. Darauf basierend wurde ein Verkehrssimulationsmodell für den Kfz-Verkehr aufgebaut, mit dem verschiedene Varianten begutachtet und bewertet wurden. Besondere Aufmerksamkeit galt darüber hinaus den starken Fußgängerverkehrsströmen.

 

2006 wurden auf dem Templergraben fast 5.800 Fahrzeuge (7-19 Uhr) erfasst.

 

Der weitaus überwiegende Teil der erfassten Fahrzeuge gehörte dem Durchgangsverkehr an, d.h. Fahrten, die nicht am Templergraben beginnen oder enden („Quell- oder Zielverkehr“). Dies insbesondere für die Fahrtrichtung Karlsgraben (76% Durchgangsverkehr); aber auch in der Gegenrichtung mit 59% aller Fahrten. Die Achse (Wüllnerstraße) - Templergraben - Karlsgraben wurde als attraktive zentrumsnahe (Durchgangs-) Verkehrsachse genutzt.

 

In der folgenden Variantenuntersuchung wurden verschiedene Ideen untersucht, dem entgegenzuwirken: "Verkehrsberuhigung", "Einbahnstraße", "Sperrung" und auch die Abbindung der Wüllnerstraße wurden hinsichtlich der Veränderung der Verkehrsbelastung simuliert. Die Sperrung des Templergrabens hatte erwartungsgemäß starke Zunahmen auf den umgebenden Routen zur Folge, die wiederum mit weiteren Sperrungen (etwa am Kehrmännchen) aufgefangen werden konnten. Die Simulationen haben den Durchgangsverkehr letztlich in Richtung Alleenring verschoben, was am Ende an den Knotenpunkten Ponttor und Alleenring/Königstraße Kapazitätsprobleme auslösen würde.

 

Bei der damaligen Modellbetrachtung wurden die vorhandenen Kfz-Ströme auf andere Strecken verteilt („umgelegt“), es wurden aber keine Verlagerungen vom Autoverkehr auf andere Verkehrsmittel betrachtet.

 

Die Ergebnisse wurden in der politischen Beratung aufgenommen und flossen in den Wettbewerb für die Umgestaltung des Templergrabens und die angrenzenden Freibereiche mit ein. Dabei sollte der Templergraben weiterhin für den Kfz-Verkehr nutzbar bleiben.

 

Die heutige Gestaltung in Anlehnung an das shared-space-Prinzip ist das Ergebnis. Fahrbahn und beidseitige Nebenanlagen sollten stärker als Ensemble wahrgenommen werden. Durch eine Beseitigung des „Trennprinzips“ wurde dem querenden (Fußgänger-)Verkehr im Vergleich zum längs fahrenden Verkehr mehr Bedeutung gegeben. Dazu wurden u.a. auch alle bis dahin vorhandenen Längsparker in diesem Bereich des Templergrabens entfernt. Damit wurde ein deutlicher Schritt unternommen, der mehr Platz und Bedeutung für den Fußverkehr geschaffen und auch - insbesondere durch die Gestaltung - ein gewisses Maß an Verkehrsberuhigung erzielt hat.

 

Bei einer erneuten Verkehrszählung im Jahr 2014 wurden rd. 4.600 Fahrzeuge gezählt (7 – 19 Uhr).

 

Diese Menge entspricht einer Reduzierung gegenüber der Zählung von 2002 um 30 % und gegenüber der Zählung in 2006 um 21 %.

 

Geändertes Hauptverkehrsstraßennetz seit 2017

Mit dem politischen Beschluss des Hauptverkehrsstraßennetzes für den Kfz-Verkehr nach RIN im Oktober 2017 wurde festgelegt, dass die Straßen innerhalb des Alleenrings keine Verbindungsfunktion besitzen: In der Vorlage hieß es: „Straßen innerhalb des Alleenrings sind nach der hier vorliegenden Kategorisierung nach RIN 08 keine Hauptverkehrsstraßen für den Kfz-Verkehr nach RIN 08. Der Stadtkern innerhalb des Alleenrings wurde als zentraler innerstädtischer Ort kategorisiert. Das Netz der Hauptverkehrsstraßen für den Kfz-Verkehr nach RIN 08 setzt folglich am Alleenring an und verbindet nach außen zu den Autobahnanschlüssen und den Landstraßen im außerörtlichen Bereich. Die Straßen in der City dienen insgesamt der Erschließung des Innenstadtbereichs und haben daher keine Verbindungsbedeutung.“

 

Aktuelle Anforderungen: Rad-Vorrang-Netz

Mit dem 2019 politisch verabschiedeten Rad-Vorrang-Netz werden aktuell neue Anforderungen an den Grabenring und damit auch an den Templergraben formuliert. Radverkehr soll auf dem Grabenring gesammelt und sicher geführt werden. Die Schaffung dieses Radvorrangnetzes soll nicht nur ein wesentlicher Beitrag des Radverkehrs zur Mobilitätswende sein, der radverkehrsgerechte Ausbau des Grabenrings soll auch die Benutzung der hochbelasteten innerstädtischen Fußgängerzonen durch den Radverkehr reduzieren. Eine Sperrung des Templergrabens für den motorisierten Individualverkehr vor dem Hauptgebäude ist eine der offensichtlich attraktiven Varianten zur Erreichung dieses Ziels. Aktuell arbeitet die Verwaltung an einer Gesamtbetrachtung des Grabenrings, die die vielfältigen Eingaben des Beteiligungsprozesses aus dem September/Oktober 2019 in der "Planbar" aufnimmt und eine strukturierte Grundlage für die weitere Diskussion bieten soll.

 

Aktuelle Anforderungen: Leistungsfähigkeit des Straßennetzes bei Großbaumaßnahmen

Für die perspektivische Betrachtung ist darüber hinaus die Lage des Templergrabens im Kontext anstehender großer straßenbaulicher Maßnahmen im Umfeld zu betrachten. Die Erneuerung der Ludwigsallee hat im August 2020 begonnen und wird bis in das Jahr 2022 hineinreichen. Der Ersatzneubau der Brücke Turmstraße beginnt Ende 2021 mit einer Laufzeit bis Frühjahr 2024. Die Wüllnerstraße soll umgebaut werden und auch in der Pontstraße stehen umfangreiche Erneuerungen an. Für diese konkret absehbaren Maßnahmen ist es wichtig, dass es für baustellenbedingt erforderliche Einschränkungen stadtverträgliche Umleitungsmöglichkeiten gibt, ohne die Erreichbarkeit dieses innenstadtnahen Stadtquartiers zu gefährden. Eine hierzu erforderliche, zeitlich begrenzte, Nutzung des Templergrabens ist nach aktuellem Stand zu erwarten.

 

Die Stadtverwaltung wird für die Verkehrsführung während der Bauzeit der Baumaßnahme „Ersatzneubau Brücke Turmstraße“ ein umfassendes Verkehrskonzept für alle Verkehrsteilnehmergruppen (MIV, ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr) incl. Kommunikationskonzept erarbeiten. Das Verkehrskonzept wird neben der notwendigen Verkehrsumleitung vor Ort auch die Auswirkung der Umleitungsverkehre auf das gesamtstädtische Verkehrsnetz beleuchten und dafür entsprechende Lösungsansätze entwickeln. Grundsätzlich beabsichtigt die Verwaltung, insbesondere bei temporären Vollsperrungen, aber auch in der Zeit reduzierter Fahrspurenverfügbarkeit für den Durchgangsverkehr großräumige Umfahrungen auf dem Hauptverkehrsstraßennetz vorzusehen. Die Verwaltung wird im Rahmen des vorgenannten Verkehrsführungskonzeptes auch die parallele Sperrung des Templergrabens für den MIV untersuchen. Die Erarbeitung des Verkehrsführungskonzepts geschieht unter Mitwirkung externer Planungsbüros. Die zur Auftragsvergabe erforderlichen Ausschreibungs- und Vergabeverfahren  laufen bis voraussichtlich Herbst 2020. Mit dem Abschluss des Verkehrsführungskonzepts ist im II. Quartal 2021 zu rechnen.

 

Fazit und Ausblick

Der Grabenring hat keine Verbindungsfunktion für den Autoverkehr. Er ist wichtig für den ÖPNV in Aachen. Damit der Grabenring seine Funktion als Radverteilerring wahrnehmen kann, ist eine Reduzierung des MIV erforderlich. Ein Durchfahrtsverbot für den MIV am Templergraben unterstützt dies. Damit würde an dieser Stelle zugleich die mit dem Umbau des Templergrabens begonnene stärkere Vernetzung von Innenstadt und Hochschule insbesondere für die Fußgänger verbessert.

Die Verwaltung wird im zweiten Halbjahr 2020 den politischen Gremien eine Vorlage über die Möglichkeiten für eine Neugestaltung des Grabenringes zur Beratung vorlegen (hier: Stärkung des Radverkehrs auf dem Grabenring im Sinne des 2019 beschlossenen Rad-Vorrang-Netzes). Erst in der Zusammenschau dieser Vorlage mit dem „Verkehrsführungskonzept Brücke Turmstraße“ (II. Quartal 2021) kann zielführend über Ausgestaltung und Zeitplan einer Kfz-Reduktion auf dem Templergraben entschieden werden.


 

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Anlagen

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