Kenntnisnahme - FB 01/0674/WP18
Grunddaten
- Betreff:
-
Koordination für kommunale Entwicklungspolitik (KEpol)
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- FB 01 - Fachbereich Bürger*innendialog und Verwaltungsleitung
- Verfasst von:
- DEZ I, FB 01/300
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Geplant
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Hauptausschuss
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Kenntnisnahme
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07.05.2025
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Erläuterungen
Hintergrund und Ausgangslage
Die Stadt Aachen verfügt über eine langjährige und vielfältige Erfahrung in der internationalen Partnerschaftsarbeit. Besonders hervorzuheben ist die aktive und lebendige Partnerschaft mit Kapstadt, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert. Diese Zusammenarbeit steht beispielhaft für ein entwicklungspolitisches Engagement, das soziale, ökologische und bildungsbezogene Aspekte im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung verbindet. In enger Kooperation mit dem Förderverein Aachen-Kapstadt e.V. sowie einer Vielzahl an Akteurinnen und Akteuren in Kapstadt wurden im Laufe der Jahre zahlreiche Projekte realisiert – darunter Studierenden- und Fachaustausche, Begrünungs- und Schulgartenprojekte, Schulpartnerschaften sowie das Klimaticket.
Die Stadt Aachen engagiert sich nicht nur in dem Bereich internationaler Zusammenarbeit vielfältig entwicklungspolitisch: Seit 2011 als „Fairtrade Town“ ausgezeichnet, fördert sie fairen Handel und die faire Beschaffung (FB60), z.B. durch Fairtrade-Messen und Aktionstage (FB36). Auch in Bereichen wie Bildung für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz (im FB36) zeigt sich dieses Engagement.
Globale Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit und geopolitische Krisen erfordern gemeinsames Handeln über nationale Grenzen hinweg. Auch Kommunen tragen dabei Verantwortung – sowohl in ihrer Vorbildfunktion als öffentliche Institutionen als auch als lokale Gestalterinnen einer globalen nachhaltigen Entwicklung. Vor diesem Hintergrund leistet die Stadt Aachen mit ihren vielfältigen entwicklungspolitischen Aktivitäten einen konkreten Beitrag zur gemeinsamen Verantwortung für eine nachhaltige zukünftige Entwicklung und beschäftigt sich seit 2024 strukturiert mit dem Thema kommunale Entwicklungspolitik.
Auf Basis der bisherigen Erfahrungen und des gewachsenen Engagements wurde im Jahr 2024 eine Stelle eingerichtet, um die entwicklungspolitische Arbeit der Stadt Aachen fachlich zu begleiten, weiterzuentwickeln und gezielt mit der internationalen Partnerschaftsarbeit zu verknüpfen. Zur Koordination und Professionalisierung dieses Prozesses ist seit Oktober 2024 Karolina Kohl als „Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik (KEpol)“ bei der Stadt Aachen tätig. Die sogenannte KEpol-Stelle wird bis 2026 zu 90 % durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über das Programm „Kommunen in der Einen Welt“ von „Engagement Global“ gefördert.
Die Stelle ist im Dezernat I der Oberbürgermeisterin im Fachbereich 01 und der Abteilung „Stadt der Zukunft und Bürger*innendialog“ angesiedelt. Da hierin auch die Abteilung Protokoll/Städtepartnerschaften (FB01/400) sowie die Koordination Euregionale Zusammenarbeit und Internationales (Luise Clemens) verortet sind, ist eine direkte Anbindung an die Partnerschaftsarbeit sichergestellt. Die inhaltliche Ausrichtung orientiert sich an der Agenda 2030 und ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Aachen engagiert sich bereits seit Jahren in diesem Themenfeld – durch Austausch auf Augenhöhe, Wissenstransfer und die konkrete Umsetzung globaler Ziele vor Ort. Kommunale Entwicklungspolitik ist dabei kein Randthema, sondern ein zentraler Bestandteil zukunftsfähiger Stadtentwicklung und Ausdruck gelebter globaler Solidarität.
Warum kommunale Entwicklungspolitik?
Grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit und Kooperation ist kein neues Phänomen, Europa blickt hier auf eine lange Tradition bspw. durch die Städtebündnisse zurück. Ein Wegbereiter kommunaler Entwicklungspolitik waren nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen kommunale Partnerschaften mit dem Zweck der Annäherung. Sie förderten die Völkerverständigung und Aussöhnung, meist durch Kultur- und Jugendaustausch. Diese Partnerschaften wurden später mit Ländern aus dem globalen Süden erweitert. Heute ermöglicht die globale Vernetzung neue Formen kommunaler Zusammenarbeit, getragen von bürgerschaftlichem Engagement und dem Wunsch, sich international solidarisch zu zeigen.
Gerade in Krisenzeiten – wie aktuell im Kontext des Ukraine-Kriegs – zeigt sich der Wert solcher Partnerschaften: Sie ermöglichen praktische Aufbauarbeit und stärken den Zusammenhalt über Grenzen hinweg. Kommunen, die über entsprechende Ressourcen und Strukturen verfügen, können besonders wirkungsvoll entwicklungspolitisches Engagement umsetzen – doch auch kleinere oder weniger ressourcenstarke Kommunen können durch kreative Ansätze und Partnerschaften einen wichtigen entwicklungspolitischen Beitrag leisten. Denn weltweit stehen Städte vor ähnlichen Herausforderungen – im Klima- und Bildungsbereich, bei sozialer Gerechtigkeit oder nachhaltiger Stadtentwicklung. Kommunen wie Aachen können dabei nicht nur von der Zusammenarbeit profitieren, sondern auch Verantwortung übernehmen und ihr Wissen weitergeben.
Ziele der KEpol-Stelle
Zentrales Ziel der neu eingerichteten KEpol-Stelle ist die Entwicklung eines entwicklungspolitischen Gesamtkonzepts in enger Zusammenarbeit mit den relevanten Fachbereichen (u.a. Klima und Umwelt FB36, Stadtentwicklung und Stadtplanung FB61, Vertrags-, Vergabe- und Fördermittelmanagement FB60) und zivilgesellschaftlichen Akteursgruppen – analog zu vergleichbaren wie Nürnberg, München, Freiburg und Düren. Außerdem sollen die kommunalen Partnerschaften mit Kapstadt (Südafrika) und Chernihiv (Ukraine) intensiviert werden.
Bisher fehlt es der Stadt Aachen an einer Gesamtstrategie, um Aktivitäten und Wissen als Best Practice sowohl lokal als auch international und global wirksam einsetzen zu können. Vielmehr existieren bislang zahlreiche Einzelprojekte, deren Verzahnung und Zielorientierung noch optimiert werden müssen. Um die zahlreichen entwicklungspolitischen Aktivitäten zu bündeln und strategisch auszurichten sowie neue lokale Impulse für eine globale nachhaltige Entwicklung zu setzen, ist die KEpol-Stelle nun im FB01 tätig.
Die Konzeptentwicklung orientiert sich klar an den Zielen der Agenda 2030. Die Partnerschaften mit Kapstadt und Chernihiv dienen dabei als praxisnahe Bezugspunkte. So wird für Bürger und Bürgerinnen konkret und nachvollziehbar, wie Aachen globale Verantwortung auf lokaler Ebene umsetzt. Eine transparente Kommunikation des Prozesses ist dabei zentral – mit dem Ziel, das Bewusstsein für globale Zusammenhänge zu stärken und eine breite Mitwirkung zu ermöglichen.
Im Vordergrund steht der strategische Aufbau einer verwaltungsinternen Koordinationsstruktur sowie einer fachübergreifenden Steuerungsgruppe „Kommunale Entwicklungspolitik“, deren Entwicklung, Besetzung und Umsetzung unter der zentralen inhaltlichen Steuerung und organisatorischen Koordination durch die KEpol-Stelle erfolgt. Thematisch konzentriert sich das Konzept zunächst auf globale Partnerschaften (SDG 17), fairen Handel (SDG 12) sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung (SDG 4). Die im Konzept vorgesehenen Maßnahmen adressieren neue oder weiterentwickelte Projektformate (bspw. Ausbau der Schulpartnerschaften, öffentlichkeitswirksame Bildungsformate für nachhaltige Entwicklung), den Aufbau dauerhafter Strukturen innerhalb der Verwaltung (bspw. Ausbau von fair/regional beschafften Produkten in städtischen Einrichtungen) sowie eine vertiefte Kooperation mit der Zivilgesellschaft. Die kontinuierliche Begleitung durch die Koordinationsstelle ermöglicht dabei eine effektive Verzahnung und Fortschreibung der Prozesse. Nach Abschluss einer begleitenden Evaluation bilden die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen eine fundierte Entscheidungsgrundlage für eine politische Entscheidung über die dauerhafte institutionelle Verankerung des kommunalen entwicklungspolitischen Engagements.
Erstellung eines entwicklungspolitischen Konzeptes
Kommunale Entwicklungspolitik wird als die Summe der entwicklungspolitischen Mittel und Maßnahmen verstanden, die von deutschen Kommunalverwaltungen im In- und Ausland eingesetzt werden. Sie ist auf eine global nachhaltige und gemeinwohlorientierte Entwicklung ausgerichtet (Definition nach Engagement Global).
Zahlreiche Kommunen in Deutschland – darunter Düren (2021), Freiburg (2019), München (2020), Nürnberg (2019) – haben bereits entwicklungspolitische Konzepte erarbeitet und erfolgreich umgesetzt. Diese Konzepte schaffen einen verbindlichen Rahmen, um kommunales Engagement im Bereich globaler Verantwortung strategisch zu steuern und langfristig abzusichern. Diese Konzepte enthalten beispielsweise folgende Maßnahmen: Intensivierung von Städtepartnerschaften durch kommunale Fachaustausche und Schul-/Jugendaustausche, entwicklungspolitische Bildungsarbeit an und mit Schulen oder für Bürger und Bürgerinnen im Rahmen von Seminaren (zu Themenbereichen wie Nachhaltigkeit, Globalisierung), Schulung der Mitarbeitenden der Verwaltung/Auszubildenden zu den SDGs, faire Beschaffungsmaßnahmen in der Verwaltung (bspw. Konsum von regionalem bzw. fairem Kaffee), Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie, Aufbau eines Netzwerkes für Entwicklungszusammenarbeit.
Die Konzepterstellung beginnt mit der Identifikation relevanter Akteurinnen und Akteure in und außerhalb der Verwaltung sowie der Vernetzung mit Städten mit ähnlichen Schwerpunktthemen (z.B. Lübeck).
Ein erster Meilenstein ist die Bestandsanalyse zu den priorisierten Themenfeldern (Q2/2025), in enger Abstimmung mit FB36 und unterstützt durch Engagement Global. Darauf folgen themenbezogene Fokusgruppen-Workshops zur Zieldefinition und Konzeptentwicklung.
Ein erster Konzeptentwurf wird auf dieser Basis erstellt, in weiteren themenbezogenen Workshops reflektiert und finalisiert. Letzter Meilenstein ist das Einbringen des Konzeptentwurfes als Beschlussvorlage in den Rat der Stadt Aachen.
Partnerschaft mit Kapstadt (Südafrika)
Das erste konkrete Projekt im Kontext der Entwicklung der Strategie war die Organisation einer Delegationsreise nach Südafrika im März 2025. Anlass war das 25-jährige Bestehen der Partnerschaft mit Kapstadt, verbunden mit einem offiziellen Arbeitsbesuch.
Grundlage für diese Zusammenarbeit ist der Ratsbeschluss vom 11.07.2018 (FB36/0284/WP17) „Der Rat der Stadt Aachen begrüßt die von den Vereinten Nationen am 27.9.2015 verabschiedete ,2030-Agenda‘ und die darin enthaltenen Entwicklungsziele, die ,Sustainable Development Goals‘ (SDGs). Die Stadt wird ihre Möglichkeiten nutzen, sich weiterhin konkret für eine nachhaltige Entwicklung zu engagieren sowie eigene Maßnahmen umzusetzen und in Vorbildfunktion sichtbar zu machen. Sie wird dies in einem breiten Bündnis gemeinsam mit den lokalen Akteuren und den Bürgerinnen und Bürgern vorantreiben.“
Ein weiterer Schwerpunkt des Arbeitsbereichs liegt somit auf der Stärkung der Partnerschaftsarbeit mit Kapstadt (Südafrika). Ein Gegenbesuch der Delegation aus Kapstadt ist für August 2025 geplant und wird mit einem Festakt zum 25-jährigen Jubiläum in Aachen verbunden – in enger Zusammenarbeit mit dem Verein Aachen– Kapstadt e.V.. In diesem Rahmen wird die bis dahin aktualisierte Absichtserklärung unterzeichnet.
Partnerschaft mit Chernihiv (Ukraine)
Die Partnerschaftsarbeit mit Chernihiv soll durch regelmäßige Austausche intensiviert und langfristig strukturiert werden. Ende April 2025 findet ein verwaltungsinternes Austauschtreffen zwischen Chernihiv und Aachen statt, bei dem die Zusammenarbeit konkretisiert und weitere Schritte erarbeitet werden. Ein Treffen der Bürgermeister*innen sowie die Überarbeitung der Solidaritätspartnerschaft sind geplant. Zusätzlich nimmt die KEpol-Stelle an Austauschformaten zu deutsch-ukrainischen Partnerschaften teil.
Kommunale Partnerschaftsarbeit im Sinne der urbanen Diplomatie ist zentraler Bestandteil kommunaler Entwicklungspolitik. Sie fördert gegenseitigen Austausch, interkulturelles Verständnis und gemeinsames Lernen – und ermöglicht es, globale Herausforderungen lokal anzugehen. Durch ihre Struktur können verschiedene Verwaltungsbereiche und zivilgesellschaftliche Akteure und Akteurinnen sowie die Politik eingebunden werden, sodass Querschnittsthemen wie Klima, Bildung oder nachhaltige Stadtentwicklung praxisnah bearbeitet werden können. Partnerschaften schaffen Raum für den Austausch von Expertise, Best Practices und die Entwicklung gemeinsamer Lösungen. So werden globale Zusammenhänge vor Ort sichtbar und entwicklungspolitisches Engagement nachhaltig verankert.
In beiden Partnerschaften ist die Einbindung der Zivilgesellschaft ein zentrales Element – etwa durch Beteiligung an Veranstaltungen wie „Aachen zeigt Engagement“ oder der „Langen Tafel der Vielfalt“ 2025.
Veranstaltungshinweis
Zur fachlichen Orientierung zum Thema kommunale Entwicklungspolitik bietet die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) ein Online-Seminar für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker an:
„Entwicklungspolitik für Kommunalpolitiker*innen“ am Dienstag, 13. Mai 2025, von 18:00 – 19:30 Uhr
Anmeldung über die Webseite der SKEW. Veranstaltung Detail - SKEW.
Ausblick
Mit der Entwicklung eines entwicklungspolitischen Konzepts positioniert sich die Stadt Aachen als verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Kommune. Durch ihr entwicklungspolitisches Wirken unterstreicht die Stadt Aachen Haltung und Wertebewusstsein: Sie steht für Solidarität, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit – und trägt diese Werte über ihre Stadtgrenzen hinaus. Das Konzept stärkt die strategische Steuerung entwicklungspolitischer Aktivitäten, erhöht deren Sichtbarkeit und fördert eine breite Beteiligung innerhalb der Verwaltung und Zivilgesellschaft. Es bietet Raum für Synergien mit lokalen Initiativen, Vereinen und der engagierten Bürgerschaft und fördert so das gemeinsame Engagement für globale entwicklungspolitische Themen auf lokaler Ebene. Gleichwie das Welthaus, das sich bereits als aktiver Akteur im Bereich der Entwicklungspolitik etabliert hat, verfolgt auch die Stadt Aachen mit der neu geschaffenen Koordinationsstelle das Ziel, die Verbindung zwischen der Kommune, der Zivilgesellschaft, engagierten Bürgern und Bürgerinnen sowie Projekten im Globalen Süden gezielt zu stärken. Durch die entwicklungspolitische Arbeit, die maßgeblich von der Koordinationsstelle gestaltet, koordiniert und kontinuierlich ausgebaut wird, wird Aachen Teil eines wachsenden Netzwerks engagierter Städte, die Entwicklungspolitik als kommunale Aufgabe begreifen und aktiv gestalten. So trägt die Stadt Aachen nicht nur zur Lösung globaler Herausforderungen bei, sondern stärkt auch ihre Position als verantwortungsbewusster Partner in einer vernetzten Welt.
