Kenntnisnahme - FB 61/1081/WP18

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Beratungsfolge

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Erläuterungen

 

1. Hintergrund

Der Rat der Stadt Aachen hat mit dem Beschluss über den aktuellen Flächennutzungsplan AACHEN*2030 im Jahr 2020 entschieden, unbebaute Flächen nur noch in begrenztem Maß für die Gewerbe- und Siedlungsflächenentwicklung zur Verfügung zu stellen – Gründe des Klima- und Landschaftsschutzes sowie der Klimaresilienz waren hierfür maßgeblich.

Dieser Beschluss hat zur Folge, dass die wenigen Frei- und Konversionsflächen räumlich effizient und infrastrukturell passgenau entwickelt werden müssen. Falls es nicht möglich ist, die Funktionen zu kombinieren und zu vermischen, müssen nutzungsbezogene Festlegungen in der Gesamtbilanz zugunsten anderer Nutzungen zurückgestellt werden (z. B. Wohnen im Vergleich zu Gewerbe und umgekehrt).

Um in der durch Knappheit gekennzeichneten Ausgangslage Entscheidungen zu erleichtern und den Masterplan AACHEN*2030 dynamisch fortschreiben zu können, will die Fachverwaltung den politischen Gremien die Auswirkungen potenzieller Richtungsentscheidungen auf die zu entwickelnden Flächen, die unmittelbare Umgebung und das Nutzungsprofil der Gesamtstadt so transparent wie möglich darlegen.

Als Instrument für diesen Prozess wurde der AACHEN Kompass entwickelt. Auf Grundlage der Beschlüsse der politischen Gremien (vgl. Vorlagen FB61/0266/WP18 sowie FB 61/0374/WP18) ist das Instrument im Frühjahr 2023 in eine zunächst 18-monatige Erprobungsphase gestartet. Zukünftig soll er in einem standardisierten Prozess von ca. sechs Monaten Orientierung bieten.

 

Auf Basis von ausführlichen Untersuchungen sollen Begabungen und Restriktionen für die Entwicklung von ausgewählten Räumen festgestellt werden. Anschließend sollen die Auswirkungen möglicher Flächennutzungen auf das Umfeld und die Gesamtstadt aufgezeigt werden.

Der AACHEN Kompass zielt darauf ab, in Form einer sogenannten „Phase 0“ eine Grundlage für die Abwägung anstehender Richtungsentscheidungen zu zukünftigen Flächennutzungen zu schaffen. Neben den relevanten Fachbereichen der Stadtverwaltung werden Vertreter*innen der Politik sowie externe Akteur*innen in den Prozess eingebunden. Für die Erprobungsphase hat der Planungsausschuss mit den Beschlüssen vom 05.05.2022 und vom 17.08.2023 folgende Flächen ausgewählt:

 

  1. Areal an der Sittarder Straße, Stadtbezirk Aachen-Mitte,
  2. Areal an der Roermonder Straße | Schloss-Schönau-Straße, Stadtbezirk Aachen-Richterich,
  3. Gemengelage zwischen Jülicher Straße und Wurm, Stadtbezirk Aachen-Mitte.

 

Für die Erprobungsphase stehen der Stadt Aachen zwei Büros zur Seite, welche den Prozess inhaltlich begleiten und unterstützen. Für die Prozessbegleitung, -moderation, Evaluierung und die anschließende Optimierung hat die Fachverwaltung das Münchener Büro STUDIO | STADT | REGION gewonnen. Die raumbezogenen Standortanalysen inkl. der Erarbeitung von Entwicklungsszenarien wird durch die deutsch-französische Arbeitsgemeinschaft KH STUDIO aus Paris mit REICHER HAASE ASSOZIIERTE GMBH aus Aachen durchgeführt.

 

Der erste Betrachtungsraum des AACHEN Kompass an der Sittarder Straße wurde 2023 durchgeführt. Dabei wurde unter anderem die Erkenntnis gewonnen, dass eine frühzeitige städtische Analyse eine wertvolle Grundlage für tiefergehende Debatten darstellt. Sie ermöglicht es, durch die frühzeitige Priorisierung von Belangen eine Richtungsentscheidung für den weiteren Planungsprozess zu treffen. Tiefgehende Erkenntnisse aus dem ersten Prozess an der Sittarder Straße sind der Vorlage zu entnehmen, welche am 29.02.2024 im Planungsausschuss vorgestellt wurde (vgl. Vorlage FB61/0733/WP18).

Die Auswahl des zweiten Betrachtungsraums in Richterich erfolgte unter Zurückstellung der Fläche‚ Stadteingang Nord-West‘ auf der Grundlage eines gemeinsamen Ratsantrages der Fraktionen GRÜNE und SPD mit dem Titel „Entwicklungsimpuls Richterich Schloss-Schönau-Straße / Roermonderstraße“. Darin wurde das Ziel benannt, die vielfältigen Entwicklungsinteressen der verschiedenen Eigentümer*innen und Vorhabenträger*innen in ihrer Nutzungsvielfalt angemessen zu beurteilen. Mithilfe des AACHEN Kompass sollte ein Vorschlag zur Neuzuordnung der ausgewählten Flächen sowie eine angemessene Flächennutzung für den Betrachtungsraum entwickelt werden, um die vorhandenen Strukturen in Richterich zu stärken und die Entwicklung des Bezirks zu antizipieren.

 

Durchgeführte Methodik

Das für den ersten Betrachtungsraum entworfene Prozessdesign wurde für den zweiten Betrachtungsraum angepasst und weiterentwickelt. Die Methodik bleibt während der Erprobungsphase flexibel und passt sich an die spezifischen Gegebenheiten an. Dadurch können in den jeweiligen Phasen differenzierte Meilensteine gesetzt und fortgeschrieben werden. Die Methodik folgt einen fünfstufigen Ablauf, der sich in die nachfolgenden Bausteine gliedert:

 

  1. Vorphase
  2. Start & Analyse
  3. Begabungen & Szenarien
  4. Entscheidung und Korrektur
  5. Folgende Planungen

 

Der genaue Ablauf ist Anlage 1 zu entnehmen. Im Rahmen der Grundlagenbeschaffung flossen unter anderem die Handlungsansätze des Masterplans AACHEN*2030 und Flächennutzungsplans AACHEN*2030 sowie die Zwischenergebnisse aus dem Prozess ‚Perspektive Richterich‘ in den AACHEN Kompass ein. Insbesondere das letztgenannte Projekt ist als umfassende Strategie für den gesamten Stadtteil besonders hervorzuheben. Die hierbei erarbeiteten Erkenntnisse, Rahmenbedingungen und möglichen Wechselwirkungen wurden im Rahmen der Szenarienentwicklung berücksichtigt. Eine zentrale Weiterentwicklung des Prozessdesigns spiegelt sich beispielsweise in der Bedarfsermittlung der Nutzungsansprüche der verschiedenen Fachbereiche wieder. Hier sind bereits vor der Auftaktveranstaltung im Rahmen eines Fragebogens über das, Beteiligungsportal NRW‘ spezifische, teilweise raumbezogene Abfragen erfolgt, die sich in den Gesamtkontext der drei Leitsätze der ‚Perspektive Richterich‘ einbetten. Die qualitativ zusammengefassten (übergeordneten) Themenfelder fungierten als Basis, um auf Grundlage der vorherigen Analyseergebnisse eine zielführende Auftaktveranstaltung mit der Verwaltung und den Flächeneigentümer*innen durchzuführen. Der Fragebogen zur Bedarfsermittlung und die Auswertung ist Anlage 2 zu entnehmen (vgl. Vorlage FB61/1031/WP18).

 

Die durchgeführten Veranstaltungen und Beteiligungen dienten als zentrale Grundlagen für die Ausarbeitung der Begabungsanalyse und der Szenarien. Es wurden die räumlichen Gegebenheiten, Herausforderungen und Entwicklungspotenziale für den Betrachtungsraum aufgezeigt. Im Anschluss erfolgten gezielte Anpassungen auf Basis der Rückmeldungen von Stadtverwaltung und Flächeneigentümer*innen. Die zentralen Analysen, welche durch das Projektbüro erarbeitet wurden, sind Anlage 3 zu entnehmen. Im Rahmen des Arbeitsprozesses haben sich folgende vier Entwicklungsperspektiven herauskristallisiert, welche das Grundgerüst für die Entwicklung der Szenarien gebildet haben:

 

  • Technologie, Wissenschaft, Bildung
  • Gesellschaft, Kultur, Soziales, Wohnen
  • Wirtschaft, Gewerbe
  • Ökologie, Klima, Freiraum

 

Neben den beiden Fokusräumen ‚Roermonder Straße‘ und ‚Schloss-Schönau-Straße‘ wurden der Resonanzraum Richterich sowie die Gesamtstadt in die Überlegungen einbezogen. Mit Blick auf die entwickelten Szenarien wurden Wechselwirkungen analysiert und gegenseitige Abhängigkeiten aufgezeigt. Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Prozessbausteine samt Lerneffekten im Rahmen des zweiten Kompass-Prozesses ist dem umfassenden Evaluierungsbericht in Anlage 4 zu entnehmen, welcher durch das beauftragte Projektbüro STUDIO | STADT | REGION in Abstimmung mit der Verwaltung verfasst wurde.

 

Entwickelte Szenarien

Als Ergebnis des Kompass-Prozesses standen folgende drei Szenarien zur Auswahl, welche für die Fokusräume entwickelt wurden:

 

  1. ‚Das Blatt‘: Fokus auf einen hohen Anteil an Wohnnutzung mit starker Durchgrünung.
  2. ‚Die durchmischte Mitte‘: Aktivierung der Fokusräume durch Nutzungsmischung.
  3. ‚Gewerbe Neudenken‘: Entwicklung nach Vorgabe des Flächennutzungsplans.

 

Die Szenarien dienen als Ausgangsbasis, um unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten der Fokusräume systematisch zu analysieren und darauf aufbauend eine strategische Richtungsentscheidung zu treffen. Eine ausführliche Erläuterung ist Anlage 5 zu entnehmen.

In der Sitzung des Planungsausschusses am 07.11.2024 wurde die Verwaltung damit beauftragt, das Szenario ‚Die durchmischte Mitte‘ im Rahmen einer nachgelagerten Arbeitsphase vertieft zu betrachten. Es basiert vordergründig auf einer vielfältige Nutzungsstruktur. Ziel ist es, eine derzeit suburbane und gewerbliche Fläche in ein urbanes, lebendiges Quartier zu verwandeln, geprägt von einer Mischung aus Wohnen und Gewerbe.

Bei diesem Szenario sollen neben der Wohnnutzung vielfältige Angebote, wie zum Beispiel Dienstleistungen und Arbeitsräume, geschaffen werden. Diese kommen nicht nur den Anwohner*innen im direkten Umfeld zu Gute, sondern der gesamten Stadtgesellschaft. Das Szenario orientiert sich an den Leitsätzen der ‚Perspektive Richterich‘, welche die Themenfelder ‚Wohnraum‘ und ‚attraktive Mitte‘ aufgreifen.

Im Mittelpunkt des Szenarios steht neben der Integration von Gewerbe und Wohnen die Schaffung vielseitiger Wohn- und Arbeitsformen sowie lebendiger Orte. Es wird ein System aus unterschiedlichen funktionalen Räumen vorgeschlagen, das sowohl die Nähe zur Natur schätzt als auch ein städtisches Quartier schafft, in dem Gewerbe und Wohnen gut integriert sind.

Im Rahmen des Szenarios besteht eine große Chance in der Synergie zwischen verschiedenen Nutzungen und Flächen. Angestrebt werden vertikale Nutzungsmischungen, beispielsweise aus Einzelhandel oder sozialen Dienstleistungen im Erdgeschoss und Büroräumen oder Wohnnutzung in den oberen Geschossen.

Als Referenzen dienen das ‚Kreative Quartier‘ in München sowie der ‚Dakpark‘ im Rotterdam Makers District, in dem die Umnutzung eines ehemaligen Hafenareals vollzogen worden ist.

 

Resonanz und weiteres Vorgehen

Im Rahmen von Feedbackinterviews wurden die Meinungen der Fachabteilungen und der Eigentümer*innen sowohl zum ausgewählten Szenario ‚Die durchmischte Mitte‘ als auch zum bisherigen Prozess des AACHEN Kompass abgefragt. Das beschlossene Szenario einer Nutzungsmischung wird überwiegend positiv bewertet, jedoch wurde teilweise eine stärkere Berücksichtigung des Themas Gewerbe für den weiteren Prozess gewünscht. Allgemein sei es wichtig, die Vernetzung des Betrachtungsraums zur Dell und zur Landschaft mitzudenken. Des Weiteren sollten Aufenthaltsräume für Jugendliche in den Resonanzräumen mitgedacht werden.

 

Im Rahmen einer nachgelagerten Arbeitsphase sind Emissionen zu berücksichtigen, welche durch die Bahngleise, die Feuerwehr, den Recyclinghof und die geplante Haupterschließung zu erwarten sind. Bezüglich der Umsetzung des Szenarios besteht die Möglichkeit, zeitliche Entwicklungsabschnitte aufzuzeigen, die sich aus der Änderungsdynamik vorhandener Angebote und Nachfragen in den Fokusräumen ergeben.

 

Mit Blick auf das Prozessdesign sei eine weitere Schärfung des Instruments notwendig. Es wurde der Wunsch nach einer fachspezifischeren Ausrichtung und Kürzung der Fachbereichsbeteiligung geäußert. Der Fragenkatalog sei zu umfangreich gewesen, was zu einem hohen Arbeitsaufwand geführt habe. Sowohl die durchgeführte Ortsbegehung als auch die fachbereichsübergreifende Diskussion im Rahmen der Szenarien-Workshops wurden positiv bewertet, wobei der notwendige Bedarf für erstgenanntes nur teils vorhanden ist. Insgesamt wurde nach einem intensiveren Austausch zwischen Verwaltung und Eigentümer*innen gefragt. Dieser kann beispielsweise in Form eines gemeinsamen Szenarien-Workshops stattfinden.

 

Was die Darstellung der ausgearbeiteten Szenarien anbelangt, wurden die exemplarischen Nutzungsverortungen oftmals als verbindlich missverstanden. Eine Bewertung fiel den Befragten oftmals schwer, was einen Optimierungsbedarf aufzeigt. Insgesamt könnte die Mitwirkungsbereitschaft nochmals erhöht werden, indem die Wirkkraft des Instruments stärker kommuniziert wird. Es muss erklärt werden, welche Ziele der AACHEN Kompass verfolgt und was er bewirken möchte. Wichtig sei zudem, wie der Prozess nach Abschluss der Fläche weiter verläuft und wie das erworbene Wissen an die anderen Fachbereiche weitergegeben wird.

 

Im Rahmen der nachgelagerten Arbeitsphase hat die Entwicklung eines ganzheitlichen Leitkonzeptes für die Fokusräume ‚Roermonder Straße‘ und ‚Schloss-Schönau-Straße‘ begonnen. Hierbei besteht ein enger Austausch zur Abteilung Stadtplanung (FB 61/400), die federführend für die Ausarbeitung zuständig ist. Die Ergebnisse des AACHEN Kompass sollen in den Prozess einfließen, um als Grundlage für das Leitkonzept ein vertieftes Verständnis der Fokusräume zu ermöglichen. Anschließend ist geplant, auf Grundlage des Konzeptes Baurecht zu schaffen und entsprechende Aufstellungsbeschlüsse einzuholen. Für den Bereich Schloss-Schönau-Straße wird die Möglichkeit betrachtet, zukünftige Planungen weiterhin nach § 34 BauGB zu beurteilen. Dies ist im weiteren Prozess zu klären. Ein Plan mit den weiteren Meilensteinen für die Entwicklung des Leitkonzeptes ist in Anlage 6 dargestellt.

Mit der Auftaktveranstaltung am 09.04.2025 hat die Kompass-Erprobung für den dritten Fokusraum im Bereich Jülicher Straße/Wurm begonnen. Die Auftaktveranstaltung mit den Flächeneigentümer*innen ist für den 12.05.2025 geplant. Die bisher gesammelten Erkenntnisse werden berücksichtigt und in den Prozess einfließen.

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Anlagen

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