Entscheidungsvorlage - Dez II/0001/WP18

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Rat der Stadt nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

Der Antrag ist damit behandelt.


 

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Erläuterungen

Erläuterungen:

Mit Ratsantrag vom 26.06.2020 (Nr. 632/17) stellt die Fraktion Die Linke den Antrag, wonach der Rat wie folgt beschließen möge:

 

„Die Verwaltung wird beauftragt, Verhandlungen mit der Landesregierung zu führen, um Anteile an der WestSpiel GmbH und die Konzession für den Betrieb des Aachener Spielcasinos an die Stadt Aachen zu übertragen. Über das Ergebnis ist dem Rat zeitnah zu berichten.“

 

Die Verwaltung bekräftigt zunächst - in voller Übereinstimmung mit der am 22.01.2020 einstimmig gefassten Resolution des Stadtrates - ihre ablehnende Haltung zu der Neufassung des „Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken im Land Nordrhein-Westfalen (Spielbankgesetz NRW –SpielbG NRW)“, insbesondere der hiermit bezweckten Privatisierung der Spielbanken im Land NRW. Im Rahmen der Anhörung im Düsseldorfer Landtag am 07.05.2020 wurde diese Haltung der Stadt Aachen sowohl schriftlich hinterlegt, als auch ergänzend von Frau Stadtdirektorin Annekathrin Grehling ausführlich mündlich erläutert.

Es muss befremden, dass die Landesregierung das Gesetzesvorhaben danach trotzdem im Eilverfahren - gegen den Rat vieler Experten und ohne Berücksichtigung der vorgetragenen Belange aller vier betroffenen Spielbanken-Standortkommunen -  am 28.05.2020 im Landtag hat beschließen lassen. Das Gesetz ist nach seiner Verkündung am 29.05.2020 in Kraft getreten.

 

Vor diesem Hintergrund gesetzlich geschaffener Fakten hat die Verwaltung zunächst die damit entstandene Rechtslage geprüft. Als Ergebnis ist festzustellen, dass - wie nachstehend ausgeführt - rechtlich kein Raum zur Übernahme einer Konzession für den Betrieb des Aachener Spielcasinos auf die Stadt Aachen besteht.

 

 

Regelung im Spielbankgesetz NRW vom 29.05.2020

Zur Zulassung von öffentlichen Spielbanken schreibt das Gesetz in § 2 Abs. 1 zunächst vor, dass „die Errichtung und der Betrieb von öffentlichen Spielbanken der Konzessionierung nach diesem Gesetz bedürfen“. Hierzu öffnet § 3 den Kreis möglicher Konzessionsinhaberin oder Konzessionsinhaber für „natürliche oder juristische Personen, Personengesellschaften oder sonstige Vereinigungen, die Träger von Rechten und Pflichten sein können.“ Insoweit könnte also auch die Stadt Aachen Konzessionsinhaberin werden.

 

Zu beachten ist hierbei allerdings die ergänzende Vorgabe in § 2 Abs. 2, wonach „für alle Spielbanken die Konzessionierung ausschließlich an eine Konzessionsinhaberin oder einen Konzessionsinhaber erfolgt, wobei die Verpflichtung besteht, mindestens vier Spielbanken zu betreiben.“ Nach dieser zwingenden gesetzlichen Regelung wäre es für die Stadt folglich nicht möglich, eine Konzession nur für den Betrieb des Aachener Spielcasinos zu erwerben – vielmehr müssten sich dahingehende Bemühungen auf eine Konzession für mindestens vier Spielbanken richten. Es darf unterstellt werden, dass dies nicht das Ziel des vorliegenden Ratsantrages sein kann. 

 

Eine ergänzende Prüfung der Gesetzesbegründung zur Statuierung des vorgenannten Privatmonopols zum Betrieb aller Spielbanken in NRW hat ergeben, dass der Regelung im Gesetz erhebliche Bedeutung beigemessen wurde.

In der Begründung wird hierzu wie folgt ausgeführt:

 

„Die Konzession zum Betrieb der Spielbanken in NRW soll zukünftig im Rahmen eines Konzessionsverfahrens nach den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der Konzessionsvergabeverordnung vergeben werden. Dabei soll nur eine Rahmenkonzession erteilt werden, die die Erlaubnis zum Betrieb von bis zu sechs Spielbanken beinhaltet. Um den öffentlichen Kanalisierungsauftrag flächendeckend im gesamten Land wirksam zu erfüllen, ist der Betrieb von mindestens vier Spielbanken in NRW notwendig.

 

Die Statuierung eines Privatmonopols dient der Abwehr spielbankspezifischer Gefahren. Werden die Spielbanken von unterschiedlichen Anbietern betrieben, muss davon ausgegangen werden, dass diese in einer Konkurrenzsituation stehen, die dazu führt, dass jeder Anbieter versucht, die anderen an Einfallsreichtum zu übertreffen, um sein Angebot attraktiver zu machen (Vergleiche hierzu EuGH, Urteil vom 19.12.2018, Rs. C-375/17, Rn. 48). Entsprechend wäre auch die Werbung expansiver ausgerichtet. Es bestünde die Gefahr, dass Anbieter sie zur Sicherung der eigenen Einnahmen übermäßig einsetzten und der Verhinderung der Entstehung von Spielsucht keine oder zumindest nur geringe Beachtung schenkten. Dies kann dazu führen, dass auch Personen, die bislang nicht spielgeneigt waren, zum Spiel verleitet werden. Werden jedoch sämtliche Spielbanken in NRW von einer Betreiberin oder einem Betreiber betrieben, werden eine aggressive Geschäftspolitik und die damit verbundene konkurrenzbedingte Anheizung der natürlichen Spielleidenschaft wirksam vermindert.

 

Würde es mehrere Konzessionsinhaberinnen oder Konzessionsinhaber geben, könnte dies überdies dazu führen, dass einige derzeit existierende Standorte aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation unter Umständen nicht dauerhaft betrieben würden, obwohl dies in der Gesamtschau zur Erfüllung des öffentlichen Kanalisierungsauftrages erforderlich sein könnte.

 

Darüber hinaus können spielbanktypische Manipulationsgefahren, die durch die Konzessionsinhaberin oder den Konzessionsinhaber, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Spielerinnen und Spieler verursacht werden, am wirksamsten bekämpft werden, wenn die Konzession nur an eine Konzessionsinhaberin oder einen Konzessionsinhaber erteilt wird. Die Überwachung und die Durchsetzung etwaiger Anordnungen oder ordnungsrechtlicher Verfügungen wird wesentlich erleichtert, weil sie nur an eine Adressatin oder einen Adressaten erfolgen müssen. Die Abläufe der Aufsicht und die Überwachungstätigkeiten können vereinfacht werden.

 

Die genannten Gründe, insbesondere die Abwehr von der Bevölkerung drohenden spielbankspezifischen Gefahren, die sich aus der Ausnutzung der Spielleidenschaft ergeben, rechtfertigen als überragend wichtige Gemeinwohlbelange beziehungsweise zwingende Gründe des Allgemeininteresses die Vorgabe, dass nur eine Konzession vergeben wird. Die Tatsache, dass es neben dem Monopol für Spielbanken auch Glücksspielarten gibt, die im Wege einer monopolfreien Erlaubnis betrieben werden dürfen, steht einem Monopol nicht entgegen. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 28.02.2018 (C-3/17) entschieden, dass ein duales System zur Organisation des Glücksspielmarkts, wonach bestimmte Arten von Glücksspielen einem staatlichen Monopol unterliegen, während andere von privaten Betreibern mit einer entsprechenden Erlaubnis veranstaltet werden dürfen, die Vereinbarkeit des Monopols mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs nicht in Frage stelle.“ 

 

Man mag kritisch bewerten, ob die vorstehenden Erwägungen in allen Einzelheiten überzeugen können. Erkennbar steht aber das gesetzlich beschlossene Privatmonopol für den Betrieb aller Spielbanken als ein konstituierendes Element der Neuorganisation (Privatisierung) des Spielbankenbetriebes in NRW. Hierbei ist nicht zu übersehen, dass diese Regelung - wie eine Reihe anderer neuer Bestimmungen im Spielbankgesetz NRW – eigentlich nur die rechtlichen Lücken schließen soll, die bei Fortführung der Spielbanken unter öffentlicher Trägerschaft erst gar nicht entstanden wären. Gleichwohl besteht aufgrund der insoweit nunmehr eindeutigen Gesetzeslage im Spielbankgesetz NRW (SpielbG NRW) für Verhandlungen mit der Landesregierung über die Herauslösung - und gesonderte Vergabe - einer einzelnen Spielbanken-Konzession kein Spielraum.

 

 

Regelung in der Gemeindeordnung

Ergänzend wurde auch noch betrachtet, wie der vorliegende Ratsantrag rechtlich zu bewerten wäre, wenn die zuvor dargelegten Beschränkungen aus dem Spielbankgesetz NRW nicht bestehen würden. Hierzu wird unterstellt, der Stadt Aachen könnte (entgegen der Gesetzeslage) eine Konzession für den Betrieb des Aachener Spielcasinos - zum Weiterbetrieb in öffentlicher Hand und zur Sicherung der Arbeitsplätze (so die Begründung im Ratsantrag) - erteilt werden.

 

Diese Prüfung führt letztendlich zu keinem anderen Ergebnis.

 

In diesem angenommenen Fall läge – da es sich vorliegend um keine nichtwirtschaftliche Betätigung der Stadt im Sinne des § 107 Abs. 2 handeln würde - eine wirtschaftliche Betätigung der Stadt Aachen vor, deren Zulässigkeit nach § 107 Abs. 1 der Gemeindeordnung (GO) gegeben sein müsste.

 

Einer Gemeinde ist danach eine wirtschaftliche Betätigung durch Gründung privatwirtschaftlich organisierter kommunaler Unternehmen nur dann gestattet, wenn sie der Erfüllung ihrer Aufgaben dienen, sie in ihrer Leistungsfähigkeit nicht überfordern, ein öffentlicher Zweck vorliegt und der öffentliche Zweck nicht durch andere Unternehmen besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann.

 

Die Betätigung muss sich demnach zunächst im Aufgabenbereich der Gemeinde bewegen. Zu den kommunalen Aufgaben gehören, neben pflichtigen oder übertragenen Aufgaben auch freiwillige Aufgaben im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge. Im Unterschied zu den nichtwirtschaftlichen Einrichtungen in § 107 Abs. 2 enthält die GO in Abs. 1 keinen Katalog wirtschaftlicher Unternehmen. Als solche sind nach der Literatur aber namentlich in Betracht zu ziehen: Versorgungsbetriebe (Wasser-, Gas-, Elektrizitäts- und Fernwärmeunternehmen), Verkehrsbetriebe (Straßenbahnen, Autobusse, Parkhäuser) sowie Dienstleistungsbetriebe (Stadthallen, Messehallen, Kurbetriebe, Reklamebetriebe, Telekommunikation).

 

Zum gemeindlichen Aufgabenbereich gehört der Betrieb eines Spielcasinos erkennbar nicht – weshalb diese Aufgabe auch nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde wahrgenommen werden kann.

 

Selbst wenn man aber den Betrieb eines Spielcasinos hier zurechnen würde, müsste ein öffentlicher Zweck diese wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde erfordern.

Ein öffentlicher Zweck liegt immer dann vor, wenn die Leistungen und Lieferungen eines Unternehmens im Aufgabenbereich der Gemeinde liegen und eine im öffentlichen Interesse gebotene Versorgung der Einwohner zum Ziel haben.

Eine öffentliche Zwecksetzung ist demnach z.B. dann zu bejahen, wenn einzelne Maßnahmen der öffentlichen Infrastruktur, der Wirtschaftsförderung, der Wettbewerbssicherung, der Arbeitsplatzsicherung oder der Gewährleistung einer krisenfesten Versorgung der Bevölkerung zu dienen bestimmt sind (Kommentierung GO NRW von Rehn, Cronauge, Von Lennep und Knirsch). Aktivitäten, deren Ziele rein erwerbswirtschaftlicher Natur sind und ausschließlich der Gewinnerzielung dienen, stellen dagegen nach der ständigen Rechtsprechung keinen öffentlichen Zweck dar. Dies gilt auch dann, wenn die Gewinnerzielung der Haushaltskonsolidierung oder der Finanzierung anderer dringender Gemeindeaufgaben dient.

 

§ 107 Abs. 1 Nr. 1 GO setzt hierbei aber nicht nur das Bestehen eines öffentlichen Zwecks voraus, sondern der öffentliche Zweck muss die wirtschaftliche Betätigung erfordern. Das bloße Vorhandensein der öffentlichen Zwecksetzung genügt daher nicht. Die Gemeinde hat hierzu eine Verhältnismäßigkeitsabwägung im Sinne einer Güterabwägung anzustellen. Bei der Beurteilung ist vorrangig die gemeindliche Wirtschaftsbetätigung in Relation zu anderen gemeindlichen Handlungsformen zu setzen, da eine Abwägung mit den Belangen privater Unternehmen im Rahmen der Subsidiaritätsklausel des § 107 Abs. 1 Nr. 3 zu erfolgen hat. 

 

Für den vorliegenden Sachverhalt wurde bereits festgestellt, dass der Betrieb eines Spielcasinos schwerlich im Aufgabenbereich der Gemeinden liegt - folglich schon aus diesem Grund kein öffentlicher Zweck für eine dahingehende wirtschaftliche Betätigung gegeben sein kann.

 

Zudem haben Zwecke der Wirtschaftsförderung, Wettbewerbssicherung und Sicherung der Arbeitsplätze vorliegend bereits in den vergangenen Jahren städtische Anstrengungen zur - erfolgreichen - Unterstützung und Optimierung des Standortkonzeptes für das Spielcasino ausgelöst. Das Aachener Spielcasino ist damit auch für einen neuen Betreiber grundsätzlich zukunftsfähig aufgestellt.

 

Dass die derzeitige Besorgnis um den Verlust von Arbeitsplätzen im Spielcasino darüber hinaus eine wirtschaftliche Betätigung der Stadt zum Erwerb einer Konzession, in der Folge zum Betrieb des Spielcasinos, erfordert, erscheint im Sinne und in der Logik des Gesetzes nicht darstellbar.

 

Als Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 107 Abs. 1 GO für eine wirtschaftliche Betätigung der Stadt zum Betrieb des Aachener Spielcasinos nicht gegeben sein dürften.

 

Zusammenfassend ist somit als Ergebnis festzuhalten:

 

Trotz aller aus Sicht der Stadt Aachen berechtigten Besorgnisse und angreifbaren Zielsetzungen des hier in Rede stehenden Gesetzes - Spielbankgesetz NRW - SpielbG NRW - verschließt gerade dieses Gesetz jeden Raum i.S.d. Ratsantrages tätig werden zu dürfen.


 

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Auswirkungen

Finanzielle Auswirkungen

 

 

JA

NEIN

 

 

 

x

 

 

 

 

 

 

Investive Auswirkungen

Ansatz

2020

Fortgeschriebener Ansatz 2020

Ansatz 2021 ff.

Fortgeschriebener Ansatz 2021 ff.

Gesamt­bedarf (alt)

Gesamt­bedarf (neu)

Einzahlungen

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Auszahlungen

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Ergebnis

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+ Verbesserung /

- Verschlechterung

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Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

 

konsumtive Auswirkungen

Ansatz

2020

Fortgeschriebener Ansatz 2020

Ansatz 2021 ff.

Fortgeschriebener Ansatz 2021 ff.

Folgekosten (alt)

Folgekosten (neu)

Ertrag

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Personal-/

Sachaufwand

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Abschreibungen

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Ergebnis

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- Verschlechterung

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Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden

 

 

 

Der Beschluss hat keine finanziellen Auswirkungen.

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Anlagen

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