Kenntnisnahme - FB 61/0145/WP18

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Planungsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.

 

Der Wohnungs- und Liegenschaftsaussschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.

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Erläuterungen

Erläuterungen:


Mit der aktuellen Novellierung des Baugesetzbuches (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) sollen die Ergebnisse der beim Bund angesiedelten Kommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ umgesetzt werden. Aus diesem Kontext heraus wird die aktuelle Novellierung des BauGB und der BauNVO auch „Baulandmobilisierungsgesetz“ genannt. Nichtdestotrotz wurden zusätzlich zahlreiche punktuelle Änderungen auch aus anderen Beweggründen (Ladeinfrastruktur, Klimawandel, Freiflächen) eingefügt.

Die Novellierung steht kurz vor dem Abschluss des parlamentarischen Verfahrens. Bislang ist geplant, dass die Novellierung noch im Mai 2021 Inkrafttreten soll.

Anlass der Novellierung sind die angespannten Märkte, insbesondere auf dem Wohnungsmarkt in wachsenden Städten, wodurch die Wohnungsversorgung in Teilräumen nicht mehr gewährleistet werden kann. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Kommunen aus der Flächenbevorratung und dem Wohnungsbau zurückgezogen. Die Baulandkommission hat sich zum Ziel gesetzt, die Gemeinden zu unterstützen, Flächen erwerben und aktivieren zu können. Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen und Ergänzungen vorgestellt.

Bei der Novellierung des BauGB und der BauNVO setzt der Gesetzgeber auf die vorausschauende Gemeinde, die für eine aktive Baulandmobilisierung einen konzeptionellen Rahmen bzw. einen Argumentationszusammenhang entwickelt. So kann eine Vielzahl von Änderungen der derzeitigen Novellierung nur angewendet werden, wenn entsprechende Konzepte vorliegen. Hierfür werden neue Instrumente eingeführt wie das städtebauliche Entwicklungskonzept und das Sonderrechtsgebiet „angespannter Wohnungsmarkt“. Ein bereits bekanntes Instrument ist das Baulandkataster, welches hierbei ebenso Teil des planunsrechtlichen Instrumentarismus ist.

 

Städtebauliches Entwicklungskonzept gemäß § 176a BauGB

Neu eingeführt wird der „§ 176a städtebauliches Entwicklungskonzept zur Stärkung der Innenentwicklung“. Damit soll die Gemeinde ihre Ziele der Innenentwicklung benennen und Maßnahmen zur Umsetzung bestimmen. Das Besondere ist hierbei, dass das Konzept sich nicht nur auf ein zusammenhängendes Gebiet, sondern auch auf unzusammenhängend verteilt liegende Innenentwicklungspotenzialflächen (Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und ungenutzte Grundstücke) beziehen kann. Das Entwicklungskonzept dient damit der Begründung der Deckung des Wohnbedarfs, was in bestimmten Fällen bei der Anwendung von Baugeboten und Vorkaufsrechten erforderlich werden kann.

 

Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt gemäß § 201a BauGB

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) werden durch den § 556d (2) im Rahmen des Mietrechtes die Landesregierungen ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Der Begriff eines „angespannten Wohnungsmarktes“ wird nun unter § 201a ebenfalls im BauGB übernommen. Ein angespannter Markt zeichnet sich aus durch

-          deutlich stärker steigende Mieten und höhere Mietbelastungen der Haushalte als im bundesweitem Durchschnitt,

-          durch deutlich steigende Wohnbevölkerung ohne entsprechende Neubautätigkeit oder

-          einen geringen Leerstand bei großer Nachfrage.

Der Gesetzgeber schafft hierdurch ein neues Satzungsrecht für Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten, um die Anwendung von Vorkaufsrechten und Baugeboten an brachliegenden und unbebauten Grundstücken sowie Befreiungstatbestände zu erleichtern. Die Gebiete sind zu qualifizieren, in dem einerseits ein angespannter Wohnungsmarkt nachgewiesen wird und andererseits auch entsprechende Grundstücke, die brachliegen oder untergenutzt sind (Baulandkataster) vorzufinden sind, da ansonsten keine Handlungsmöglichkeit gegeben ist.

 

Vorkaufsrecht gemäß §§ 24, 25 BauGB

Die bislang 7 Anwendungsbereiche des allgemeinen Vorkaufsrechtes gemäß § 24 (1) BauGB werden um Nr. 8 erweitert. Demnach kann in Gebieten mit Bebauungsplan und ohne Bebauungsplan (§§ 30, 33, oder 34) das Vorkaufsrecht ausgeübt werden, wenn die Grundstücke dadurch einen städtebaulichen oder anlagenbezogenen Missstand darstellen und erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale und städtebauliche Umfeld aufweisen, insbesondere durch ihren baulichen Zustand oder ihre missbräuchliche Nutzung. Allerdings muss die Gemeinde die Funktions- und Substanzschwäche belegen, daher braucht es hierfür vorbereitende Untersuchungen.

Generell darf ein Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit das rechtfertigt. Hierfür wurden in der Novellierung zusätzliche Gründe aufgenommen, wie die Deckung eines Wohnbedarfs und die Förderung der Innenentwicklung, sofern hierfür ein städtebauliches Entwicklungskonzept (neuer § 176a) oder ein anderer Nachweis insbesondere unter Nutzung eines Baulandkatasters vorliegt. Die Stadt Aachen hat bereits ein Baulandkataster aufgestellt, welches aktiver Bestandteil der Flächenentwicklung in Aachen ist. Anhand des Baulandkatasters wurde so auch das Flächenpotential der Innenentwicklung ermittelt.

 

Das besondere Vorkaufsrecht gemäß § 25 (1) BauGB kann bislang nur auf unbebauten Grundstücken und im Bereich von Bebauungsplangebieten angewendet werden. Durch die Novellierung wird die Anwendbarkeit auf geringfügig bebaute und brachliegende Grundstücke erweitert. Zusätzlich können auch in „§ 34er Gebieten“ (im Zusammenhang bebaute Ortsteile) Vorkaufsrechtssatzungen erlassen werden. Allerdings gelten diese Erweiterungen nur im Falle der Bebauung mit Wohngebäuden und wenn es sich um ein durch Satzung der Gemeinde bestimmtes Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt handelt (neuer § 201a).

 

Baugebote gemäß § 176 BauGB

Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans kann bislang die Gemeinde Eigentümer*innen verpflichten, unbebaute Grundstücke zu bebauen und vorhandene Gebäude an die Festsetzungen anzupassen. Mit der Novellierung kommt für den Einsatz des Baugebots eine 3. Möglichkeit hinzu: Das Grundstück ist mit einer oder mehreren Wohneinheiten zu bebauen, wenn in dem Bebauungsplan Wohnnutzungen zugelassen sind und wenn es sich um ein durch Satzung der Gemeinde bestimmtes Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt (neuer § 201a) handelt. Interessant ist hierbei, dass bei dem Baugebot für Wohnungsbau zusätzlich das Maß der Nutzung bestimmt und somit die maximale Ausnutzung des im Bebauungsplan festgesetzten Bauvolumens gefordert werden kann.

Zusätzlich wurden Ergänzungen aufgenommen, um familiäre Umstände berücksichtigen zu können. Der § 176 (3) BauGB  („Enkelgrundstück“) bestimmt, vom Baugebot abzusehen, wenn die*der Eigentümer*in glaubhaft macht, dass die Durchführung des Vorhabens aus Gründen des Erhalts der Entscheidungsbefugnis über die Nutzung des Grundstücks für ihren*seinen Ehegatte*in oder eine in gerader Linie verwandte Person nicht zuzumuten ist. Die Regelung ist bis 5 Jahre nach Inkrafttreten der Novellierung befristet und zu evaluieren.

Analog zum Vorkaufsrecht, das zugunsten Dritter ausgeübt bzw. abgewendet werden kann, wenn ein Dritter die städtebaulich geforderten Maßnahmen umsetzt, wird diese Regelung auch für das Baugebot eingeführt. Der § 176 (4) wird mit Satz 2 ergänzt und bestimmt, dass die Gemeinde das Grundstück zugunsten einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, eines gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens, einer Genossenschaft oder einer Stiftung übernehmen kann, wenn diese innerhalb angemessener Frist in der Lage sind, das Baugebot zu erfüllen und sich hierzu verpflichten.

 

Sektoraler Bebauungsplan zum sozial geförderten Wohnungsbau gemäß § 9 d BauGB

Es wird ein neuer sektoraler Bebauungstyp für den Wohnungsbau eingeführt, allerdings nur für einen befristeten Zeitraum (Einleitung des Bauleitplanverfahrens bis zum 31.12.2024, Satzungsbeschluss bis zum 31.12.2026). In „§ 34er Gebieten“ können demnach Bebauungspläne für die Entwicklung des sozial geförderten Wohnungsbaus aufgestellt werden. Hierbei können Flächen für Wohnungsbau festgesetzt werden, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für den sozial geförderten Wohnungsbau erfüllen oder sich ein Vorhabenträger dazu verpflichtet. Weitere Festsetzungen z.B. zum Maß der Nutzung sind möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Die Umsetzung einer Quote für geförderten Wohnungsbau wird damit für einen begrenzten Zeitraum nun auch in Angebotsbebauungsplänen möglich.

 

Diverse Ergänzungen bei den Grundsätzen der Bauleitplanung gemäß § 1 BauGB

Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen gemäß § 1 (3) BauGB wird insbesondere die Festsetzung von Flächen für den Wohnungsbau aufgenommen.

Der Katalog der zu berücksichtigenden  Belange  gemäß § 1 (6) BauGB wird ergänzt durch die Belange des Mobilfunkausbaus (Nr. 8), der Elektromobilität (Nr. 9), der ausreichenden Versorgung mit Grün- und Freiflächen (Nr. 14).

Der Festsetzungskatalog gemäß § 9 BauGB wird erweitert durch die Möglichkeit der Festsetzung von mit Flächen für Lade-infrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge (Nr. 11) und Naturerfahrungsräume (Nr. 15).

 

Genehmigungsrecht bei Ausnahmen und Befreiungen gemäß § 31 BauGB

Die „Wohnbedürfnisse der Bevölkerung“ werden als Allgemeinwohl ausdrücklich genannt, so dass diese eine Befreiung rechtfertigen können (§ 31 (2) BauGB). Darüber hinaus kann bis zum 31.12.2024 in „Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten“ (neuer § 201a) von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden (§ 31 (3) BauGB).

 

 

Genehmigungsrecht im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB

Bei der Umnutzung von landwirtschaftlichen Gebäuden sind statt 3 nun maximal 5 Wohneinheiten zulässig. Nutzungsänderungen von ehemals landwirtschaftlichen Gebäuden sind mehrfach möglich. Es fällt das Erfordernis der längeren Selbstnutzung weg (Rheumaklausel).

 

Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren gemäß § 13b BauGB

Die zum 31.12.2019 ausgelaufene Regelung zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigtge Verfahren bei der Aufstellung von Bebauungsplänen wird wieder aufgenommen und erneut befristet (Einleitung des Bauleitplanverfahrens bis Ende 2022, Satzungsbeschluss bis Ende 2024).

Seit der Einführung 2017 wurde in Aachen lediglich in einem Fall das Verfahren angewendet (Bebauungsplan Nr. 965 – Verlautener Straße / Kelmesbergweg –). Gemäß § 35 (1) sind Vorhaben im Außenbereich, die öffentliche Belange beeinträchtigen, unzulässig, gemäß § 35 (3) Nr. 1 stellen Vorhaben, die den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widersprechen, eine solche Beeinträchtigung dar. Durch die Anwendung des "wieder aktivierten" §13b wird die Funktion des Flächennutzungsplan als gesamtstädtisches Steuerungsinstrument ausgehöhlt. Der §13b steht weiterhin im grundsätzlichen Widerspruch zum Ziel der Innenentwicklung und stellt einen Einriff in den ökologisch sensiblen Außenbereich dar. Damit ist es kein geeignetes Instrument zur zeitgemäßen Schaffung von Bauland, in der Aspekte des Klimaschutzes, der Biodiversität und des Schutzes des Bodens eine hohe Relevanz haben müssen.

 

Flüchtlingsunterbringung gemäß § 246 (8) ff BauGB

Die zum 31.12.2019 ausgelaufenen Regelungen zu den Erleichterungen bei der Genehmigung von Flüchtlingsunterkünften werden bis zum 31.12.2024 verlängert. Bei der Anwendung von Befreiungen und Errichtung im Außenbereich dürfen die damit verbundenen Fristen um drei Jahre längstens bis zum 31.12.2027 verlängert werden. Allerdings dürfen von den Sonderregelungen nur Gebrauch gemacht werden, wenn dringend benötigte Unterkünfte nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

 

Umwandlungsverbot gemäß § 250 BauGB

In Gebieten mit „angespannten Wohnungsmärkten“ (neuer § 201a) bedarf es in bestehenden Wohngebäuden bei der Teilung in Wohnungseigentum (Eigentumswohnung) einer Genehmigung. Diese Regelung soll die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen sichern.

 

Wesentliche Änderungen in der Baunutzungsverordnung (BauNVO)

Orientierungswerte statt Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung gemäß § 17 BauNVO

Das Maß der baulichen Nutzung wurden bislang durch Obergrenzen bestimmt. Mit der Novellierung werden die Obergrenzen zu Orientierungswerte. Damit ergeben sich größere Ermessensspielräume bei der Aufstellung von Bebauungsplänen und höhere Dichten können festgesetzt werden. Es bleibt jedoch der Abwägungsbelang, so dass Überschreitungen städtebaulich zu begründen sind.

 

Dörfliches Wohngebiet gemäß § 5a BauNVO

Durch die Einführung einer neuen Baugebietskategorie „Dörfliches Wohngebiete“ gemäß § 5a BauNVO soll ein einvernehmliches Nebeneinander von Wohnen (Neubau und Bestand), landwirtschaftlichen Betrieben (im Neben- und Haupterwerb) und gewerblichen Nutzungen in einem sich stark wandelnden ländlichen Raum ermöglicht werden. Es handelt sich um ein „Robustes Wohngebiet“ nach dem Vorbild des urbanen Gebietes mit geringeren Anforderungen an Durchmischung und höheren Lärm- und Geruchstoleranzen. 

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