Kenntnisnahme - FB 01/0105/WP18

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Hauptausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.
 

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Erläuterungen

Erläuterungen:

Die Stadt Aachen befindet sich wie viele deutsche Städte in einem grundlegenden Wandel. So müssen in der Innenstadtentwicklung, in der Mobilität, beim Wohnen, bei der Digitalisierung, beim Klima und bei Themen der Bildung und sozialen Gerechtigkeit Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit gefunden werden. Diesen Wandel können nur Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft gemeinsam gestalten. Zugleich erleben wir derzeit an vielen Stellen eine Erosion bisheriger Engagement- und Beteiligungsstrukturen. Die Mitgliedschaft in politischen Parteien, Vereinen und Verbänden, die bisher als zuverlässige Vermittlungsstellen in die Bürgerschaft funktioniert haben, nimmt ab, zugleich steigt die Demokratieverdrossenheit. Parallel wächst die Erwartung an Mitbestimmung und es entsteht eine Vielzahl an bürgerschaftlichen Initiativen, die sich einbringen möchten.

 

Um zu befürchtende Abkopplungseffekte bestimmter Bevölkerungsteile zu verhindern und die Identifikation mit der örtlichen Demokratie zu stärken gilt es, die großen Themen und Veränderungsprozesse der Stadt eng mit der Bürgerschaft zu diskutieren und Entscheidungen und Planungen transparent zu kommunizieren. Gleichzeitig bietet die Stadtgesellschaft – insbesondere in einer Hochschulstadt wie Aachen – ein großes Potenzial, Lösungen gemeinsam zu erarbeiten und in die Umsetzung zu bringen, indem sie eine Vielzahl eigener Ressourcen einbringen. Solche kooperativen Prozesse wurden im Projekt Büchel (Stichwort: Stadtmacher*innen) und in verschiedenen Entwicklungsprozessen in den Stadtbezirken und Quartieren auf den Weg gebracht. Zudem gewinnen Ermöglichungs- und Zukunftsräume (Stadtteilbüros, Öcher Lab, Planbar, Maker Space etc.) an Bedeutung.

 

Mit der aktuellen Ratsperiode und der Neubesetzung der Fachbereichsleitung im Januar 2021 wird auf Initiative der Oberbürgermeisterin das Aufgabenprofil des FB 01 hinsichtlich einer stärkeren inhaltlich-strategischen Ausrichtung geschärft und um das Themengebiet des Bürger*innendialogs erweitert (s. auch Vorlage aus der Sitzung des Hauptausschusses vom 16.12.2020). Als Ausdruck dieses neuen Verständnisses trägt der Fachbereich seitdem die Bezeichnung „Bürger*innendialog und Verwaltungsleitung.“ Durch seine zentrale Funktion im Dezernat I und die unmittelbare Anbindung an die Oberbürgermeisterin wirkt der FB 01 als Querschnittsfachbereich in die Verwaltung und als Schnittstelle zu den politischen Gremien, so dass die Verortung die dezernatsübergreifende Abstimmung garantiert wird und eine enge Anbindung des Bürger*innendialogs an die strategischen Themen des Verwaltungsvorstandes und der politischen Gremien erfolgt.

 

Bürger*innendialog muss auf Augenhöhe erfolgen, allen die gleiche Chance zur Teilhabe eröffnen und eine Wirkungsorientierung entfalten. Gleichzeitig müssen Umfang und Grenzen der Beteiligung für die Beteiligten transparent sein. In diesem Sinne gilt es zum einen die politischen Beschlüsse mit ihren Zielen, Potenzialen und Folgen zu vermitteln und zum anderen Anregungen und Potenziale aus Bürgerschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu identifizieren und zu fördern, die dann wiederum in die politische Willensbildung einfließen können.

 

Es gibt in Aachen bereits gute und erfolgreiche Beteiligungs- und Dialogansätze: Eine wichtige institutionelle Säule des Bürger*innendialogs ist das Bürgerforum, welches nach dem Kommunalverfassungsrecht ein Ausschuss ist, jedoch in seinen Sitzungen und durch die besondere Geschäftsordnung eine in NRW wegweisende Form der unmittelbaren Beratung zwischen Politik, Verwaltung und Bürger*innen zu aktuellen Bürgeranträgen, Planungen, Projekten und Beschlüssen bietet. Zur Rolle des Bürgerforums als „zentraler Baustein einer modernen Bürgerbeteiligung“ liegt ein Konzeptpapier der Sprecher*innen der Fraktionen im Bürgerforum vor, das gemeinsam mit dem vorliegenden interfraktionellen Antrag zur weiteren Aufwertung des Bürgerforums in ein Eckpunktepapier zum Aufbau des Bürger*innendialogs einfließen soll.

 

Eine neue Entwicklung im Bürger*innendialog ist die Initiative zur Einrichtung eines Bürgerrates für Aachen nach dem Losverfahren, welche sich derzeit in der politischen Beratung befindet. Bürgerräte erarbeiten in mehrtägigen Werkstätten eine unmittelbare Empfehlung aus der Bürger*innenschaft an die Ratspolitik zu ausgewählten, großen gesamtstädtischen Herausforderungen.

 

Auch durch die Verwaltung werden schon heute über den gesetzlichen Rahmen hinaus Bürger*innen bei der Begleitung und Umsetzung von politisch beschlossenen Entwicklungsprozessen einbezogen. Dabei erfolgt der Dialog jedoch je nach Fachbereich und Themengebiet noch unterschiedlich intensiv. Zudem ist festzustellen, dass Inhalt und Form der Beteiligung – insbesondere im Kontext von Förderprojekten – oft stark ressourcenabhängig sind. Zur Weiterentwicklung des Bürger*innendialogs ist es wichtig, die strategischen Planungen abzustimmen, einen fachbereichsübergreifenden Austausch zu organisieren, Qualitätsstandards zu entwickeln und auch Best-Practice aus anderen Kommunen aufzugreifen. Zudem sollten verstärkt Formate entwickelt werden, die sicherstellen, dass der Dialog über die Betroffenheitsbeteiligung hinausgeht, das gesamtstädtische Interesse in den Fokus rückt und jede*r Bürger*in die gleiche Chance zur Teilhabe hat. Dies betrifft insbesondere auch Bevölkerungsgruppen, die bisher wenig erreicht wurden. Wichtig ist es zudem, die Beteiligungs- und Engagementmöglichkeiten transparent zu machen und insbesondere die Ebene der Stadtbezirke und des Stadtteilmanagements in die Prozesse einzubeziehen, da sich Engagement in der Regel vor Ort konzentriert. Zudem erscheint es sinnvoll und geboten, in diese Dialogprozesse auch verstärkt die politischen Repräsentanten und Gremien einzubinden.

 

Um den Bürger*innendialog in Aachen stadtweit strategisch aufzustellen und alle vorgenannten Ansätze professionell zu unterstützen und zu begleiten, wird auf Initiative der Oberbürgermeisterin eine Fachabteilung für „Stadt der Zukunft und Bürger*innendialog“ im FB 01 aufgebaut, welche strategische Themen der Verwaltungsleitung aufgreift, die verschiedenen Dimensionen des Bürger*innendialogs dezernats- und fachbereichsübergreifend koordiniert, die Bürger*innenpartizipation und das Engagement weiter stärkt, zusätzliche Beteiligungsanreize schafft und als Expertise der Verwaltung dem Bürgerforum beratend und empfehlend zuarbeitet. Hierbei sollen insbesondere auch Erfahrungswerte aus anderen Kommunen in die Weiterentwicklung einfließen. Die Gestaltung der Zukunftsthemen gemeinsam mit der Stadtgesellschaft ist inzwischen in einer Vielzahl von bundesdeutschen Kommunen gestartet. Beispielgebend ist für all diese Foren und Formate die Stadt Münster. Gute Erfahrungen mit einer zentralen Koordination und Steuerung des Bürger*innendialogs hat zudem die Stadt Bonn gemacht, die bereits 2010 einen Fachbereich Bürgerbeteiligung beim Oberbürgermeister aufgebaut hat.

 

Seitdem die Stadt Aachen den Fachbereich Verwaltungsleitung zum 01.01.2021 um das Themengebiet des Bürger*innendialogs erweitert hat, wurden bereits folgende Initiativen ergriffen/ begleitet:

-          Erstellung einer Konzeptskizze „Stadt der Zukunft und Bürger*innendialog“ (März 2021)

-          Start Engagementkampagne „Aachen blüht“

-          Begleitung der Initiative Bürgerrat in Abstimmung mit dem Bürgerforum

-          Eröffnung „Bürger*innentreff“ als Kontaktstelle von Politik und Verwaltung mit der Bürger*innenschaft

-          Einrichtung offener Sprechstunden des Fachbereichs Bürger*innendialog und Verwaltungsleitung

-          Aufbau von Netzwerken und Begleitung der Initiativen der Stadtmacher*innen

-          Erfolgreiche dezernatsübergreifende Bewerbung (Dez. III, FB 01, FB 61, FB 56, SEGA, Meffis) auf den Bundespreis kooperative Stadt, Vorbereitung einer Austauschplattform der Akteure

-          Planungen zur Gestaltung der Innenstadtentwicklung in einem kooperativen Zukunftsprozess mit den Hochschulen und der Bürger*innenschaft

 

In einem nächsten Schritt werden nun im Rahmen einer organisatorischen Betrachtung des FB 01 durch den Fachbereich Personal, Organisation, E-Government und Informationstechnologie die vorhandenen strategischen und dialogorientierten Bereiche des Fachbereichs, die bereits jetzt eng zusammenarbeiten, in einer Abteilung zusammengeführt. Dies sind:

-          Die neu eingerichtete Stelle „Gesamtsteuerung Bürger*innendialog“, welche die Ansätze strategisch zusammenführt (Ausschreibung bis 01.06.2021, Besetzung im Herbst)

-          Die Geschäftsstelle Bürgerforum/ Klärungsstelle, welche organisatorisch und inhaltlich den Ausschuss Bürgerforum begleitet sowie die Klärungsangelegenheiten (Bürger*innenanfragen) der Oberbürgermeisterin abschließend bearbeitet.

-          Das Büro für bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamtsförderung, dessen Profil in Richtung engagierte und kooperative Stadt erweitert wird

-          Das Citymanagement, welches in einem kooperativen Prozess die Innenstadt entwickelt

 

Parallel wird durch die Verwaltung ein inhaltlich-konzeptionelles Eckpunktepapier erstellt, welches eine Vision des Aachener Wegs des Bürger*innendialogs entwirft und auch das Zusammenspiel und die Rolle der verschiedenen Akteure und Institutionen umfasst sowie notwendige Ressourcen identifiziert. Dabei wird vor dem Hintergrund der Vielzahl der Informations- und Konsultationsprozesse des Dez. III. vorausgesetzt, dass dieses sog. „laufende Tagesgeschäft“ auch zukünftig im Sinne eines effizienten Ressourceneinsatzes aus der jeweiligen Fachlichkeit heraus geplant und gesteuert wird.

 

Das zu erarbeitende Papier soll nach der Sommerpause in das Bürgerforum zur Beratung eingebracht werden. Über den weiteren Aufbau des Bürger*innendialogs wird auch im Hauptausschuss fortlaufend berichtet.


 

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