Entscheidungsvorlage - FB 36/0138/WP18
Grunddaten
- Betreff:
-
Lichtverschmutzung reduzieren – Dark-Sky-Kommune, Sachstand & Handlungsempfehlungen, Ratsantrag Nr 088/18 der Fraktion die Linke
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Entscheidungsvorlage
- Federführend:
- FB 36 - Fachbereich Klima und Umwelt
- Beteiligt:
- E 26 - Gebäudemanagement; FB 61 - Fachbereich Stadtentwicklung und Stadtplanung
- Verfasst von:
- FB 36/700
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
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Kenntnisnahme
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08.03.2022
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14.06.2022
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Erledigt
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Mobilitätsausschuss
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Kenntnisnahme
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19.05.2022
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23.06.2022
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01.09.2022
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Beschlussvorschlag
Beschlussvorschlag:
Der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis. Die Verwaltung wird über die weitere Vorgehensweise erneut berichten.
Der Mobilitätsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis. Die Verwaltung wird über die weitere Vorgehensweise erneut berichten.
Erläuterungen
Erläuterungen:
Eingehend auf einen Rats- (02.03.2021) und Tagesordnungsantrag (01.06.2021) der Fraktion DIE LINKE zum Thema Lichtverschmutzung – Dark-Sky-Kommune, hat die Verwaltung im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz (AUK) am 24.08.2021 eine erste Kurzstellungnahme abgegeben und um mehr Zeit zur intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema gebeten.
Im Folgenden wird der Politik der aktuelle Sachstand sowie eine Empfehlung der Verwaltung zur Verringerung künstlich erzeugter Lichtbelastungen im Stadtgebiet – nachfolgend als Lichtverschmutzung bezeichnet – zur Kenntnisnahme vorgestellt.
- Einleitung
Seit der Mensch vor etwas mehr als 100 Jahren das künstliche Licht entwickelt hat, wird die Nacht mehr und mehr zum Tag. Öffentliche aber auch private Plätze, Straßen, Gebäude, Parks und Bäume werden künstlich beleuchtet, nicht nur innerhalb der Orte, sondern auch in der offenen Landschaft. Energieeffiziente und preisgünstige LED-Lampen und Lichtsysteme erhellen weite Teile unserer Erde. Durch diese technologische Entwicklung und in der Folge absinkenden Energiekosten für Außenbeleuchtung, wird die Beleuchtung von Stadt und Freiraum immer weiter ausgeweitet. Dies belegen Satellitenbilder, die eine jährliche Zunahme der globalen Helligkeit um 2–3 % offenbaren, allein in Europa sind es sogar 5–6 % (vgl. Abb. 3 und 4, weiter unten).
Die dabei zwangsläufig entstehende Lichtverschmutzung ist inzwischen so stark, dass heute mehr als die Hälfte der Europäer die Milchstraße nicht mehr sehen kann. Damit geht nicht nur ein vom Menschen von je her geschätztes und kulturell bedeutsames Naturphänomen – der natürliche Nachthimmel – schleichend verloren, sondern auch der „Lebensraum Nacht“ für viele Pflanzen und Tiere. Auch die Lebens- und Wohnqualität der Bürger*innen wird von übermäßigem Kunstlichteinsatz beeinträchtigt und vor diesem gilt es sie zu schützen.
Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen stellt die Lichtverschmutzung für Mensch und Natur ein aktuelles und nicht zu unterschätzendes Problem dar1, welches von der Gesellschaft als Zukunftsaufgabe anerkannt und ernst genommen wird und im Folgenden betrachtet werden soll.
- Die Bedeutung von Licht – ein Sachstand
Generell kommt Licht in unserer heutigen Welt eine ganz besondere Stellung zu, die für viele Menschen selbstverständlich ist, aber in der Vergangenheit nicht so selbstverständlich war. Der Wechsel von Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit ist eine der Konstanten in unserem Leben; steuert auch unseren natürlichen Biorhythmus. Der über die „innere Uhr“ vorgegebene Rhythmus regelt z. B. den Schlaf-Wach-Zyklus, die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, den Zellstoffwechsel, das Zellwachstum, die Energiebilanz und das Hormonsystem. Wird die Ausschüttung des Schlaf-Hormons Melatonin in den Abendstunden häufig durch kaltweißes Licht unterdrückt, kann die „innere Uhr“ verstellt werden und sich der Körper nicht mehr ausreichend regenerieren. Schlafstörungen können auftreten und chronische Krankheiten wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen, Schlaganfall, Diabetes, Adipositas und möglicherweise auch Krebs können längerfristig entstehen.1, 2 Durch die heutigen Möglichkeiten des Menschen an jedem Ort Licht zu erzeugen, ist diese natürliche Zyklizität in den vergangenen Jahrzehnten mehr oder weniger aufgelöst bzw. gestört worden. Sicher ist, dass wir auch nachts arbeiten, uns sicher bewegen und auch draußen aufhalten möchten; doch zu welchem Preis? Ein bewussterer Umgang mit dem dafür notwendigen Licht ist daher zunehmend wichtig.
Durch die Erhöhung der Lichtpunktdichte sowohl im Stadtgebiet Aachens aber auch in vielen anderen Teilen Deutschlands und der Welt werden insbesondere auch Tiere in ihrem natürlichen Rhythmus gestört. Neuste Untersuchungen legen einen Zusammenhang zwischen Insektenartensterben und der Erhöhung der Lichtpunktdichte mit einhergehender Beleuchtungsstärke sowie der dabei zum Einsatz kommenden Lichtfarbe nahe.2, 3 Unerwartet hohe 15–20 % des Insektensterbens soll auf falsche künstliche Belichtung zurückzuführen sein.3, 4
Exkurs Lichtfarbe: Leuchtmittel werden je nach der Zusammensetzung der emittierten Wellenlängen nach Lichtfarben unterschieden, die als korrelierte Farbtemperatur (CCT) in Kelvin gemessen wird. Je mehr Licht im längeren Wellenlängenbereich emittiert wird, desto „wärmer“ (d. h. rötlicher) erscheint das Licht; ist das emittierte Licht überwiegend kurzwellig, wirkt das Licht „kälter“ (d. h. bläulicher). Man unterscheidet daher „kaltweißes“ (über 5500 K), „neutral-weißes“ (5500 - 3000 K) oder „warmweißes“ (unter 3000 K) Licht (s. Abb. 1). Das Farbspektrum bezeichnet die Zusammensetzung des emittierten Lichts und wird in Wellenlängen gemessen. In Abhängigkeit der Wellenlängen erscheint das Licht für das menschliche Auge in unterschiedlicher Farbe. Violett und Blau werden zwischen 380 bis 490 nm Wellenlänge, Grün und Gelb zwischen 490 und 585 nm und Orange-Rot zwischen 585 und 750 nm wahrgenommen. Zudem emittieren viele Leuchtmittel auch ultraviolettes Licht (UV-A: 315 bis 380 nm), das zwar für den Menschen nicht sichtbar ist, aber von vielen Tierarten – insbesondere von Insekten, Vögeln und Fledermäusen – visuell wahrgenommen werden kann.5
Beleuchtungsstärke: Die Wahrnehmung von Helligkeiten wird physikalisch durch die Beleuchtungsstärke in der Maßeinheit Lux (lx) quantifiziert, welche die Lichtintensität beschreibt mit der ein Bereich ausgeleuchtet wird (s. Abb. 2). Die Helligkeit einer Fläche wird auch in der Maßeinheit der Leuchtdichte mit Candela/Quadratmetern (cd/m²) angegeben. Sie wird maßgeblich für die Bewertung der Erkennbarkeit von Objekten auf Straßen oder auf Werbeschildern genutzt. Anhand der Leuchtdichte als Maßeinheit für die Helligkeitswahrnehmung einer Fläche wird auch das Rückstrahlpotenzial der zu beleuchtenden Oberfläche berücksichtigt, z. B. durch farbliche Unterschiede des Bodenbelags oder vorherrschende Witterungsbedingungen.5 |
Abb. 1: Lichtfarbskala mit Angabe von natürlichen Beleuchtungszuständen. https://farbtabellen.org/2018/12/farbtemperatur/
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Berücksichtigung findet diese schädlichen Belange in einigen Gesetzestexten von Bund und Ländern. Hierzu zählen z. B. die Naturschutzgesetze und Immissionsschutzgesetze. In Ihnen werden häufig Obergrenzen der Beleuchtung gesetzt, wohingegen die sinnvoll zu erreichenden Untergrenzen kaum definiert werden und nur Aussagen zu finden sind, die eine Vermeidung von übermäßigem Einsatz von Kunstlicht empfehlen.6 Einzig in Bayern gibt es über den Art. 9 (1) des BayImSchG ein Verbot Fassaden baulicher Anlagen der öffentlichen Hand von 23 Uhr bis zur Morgendämmerung zu beleuchten7; gleichgerichtete Überlegungen zur Einschränkung nächtlicher Beleuchtung gibt es zunehmend aber auch in anderen Bundesländern und Kommunen.
- Der Nachthimmel verändert sich
Wie sich vor allen Dingen in den vergangenen Jahren die nächtliche Belichtung verändert hat, lässt sich eindeutig über die beiden folgenden Abbildungen (Abb. 3 und Abb. 4) darstellen.
Abb. 3: Darstellung der nächtlichen Oberflächenstrahlung (Strahldichte) der Region um Aachen 2012 in 10-9 W/cm²*sr. Blau gestrichelte Linie und Kreise = exemplarische Betrachtungsräume 2012. Quelle: www.lightpollutionmap.com (Abruf: 07.02.2022). |
Abb. 4: Darstellung der nächtlichen Oberflächenstrahlung (Strahldichte) der Region um Aachen 2021 in 10-9 W/cm²*sr. Blau gestrichelte Linie und Kreise = exemplarische Betrachtungsräume 2012. Quelle: www.lightpollutionmap.com (Abruf: 07.02.2022). |
Die nächtliche Abstrahlung wird heutzutage sehr gut über das satellitenbasierte VIIRS-Instrument erfasst. Die jüngsten Daten zeigen, dass die Abstrahlung durch künstliches Licht in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Die beiden Bilder zeigen jeweils den gleichen Ausschnitt der Städteregion Aachen um 2012 (Abb. 3) und 2021 (Abb. 4). Alleine über diesen Beobachtungszeitraum von knapp 10 Jahren wird deutlich, dass sich die Oberflächenabstrahlung in vielen Bereichen der Region signifikant erhöht hat (vgl. blau gestrichelte Betrachtungsräume). Eindrücklich ist dies z. B. an der Ausdehnung des rötlichen Bereiches Richtung Brand und östlich von Eilendorf/Rothe Erde erkennbar (vgl. Umriss der blau gestrichelten Linie).
Zu bemerken ist allerdings, dass dies gerade nicht gleichzusetzen ist mit einer Erhöhung der Straßenbeleuchtung. Der dabei zu Grunde liegende Anlagenlichtstrom hat laut STAWAG in den vergangenen Jahren durch z. B. Rückbau von Freistrahler Leuchten sogar signifikant abgenommen. Generell hat der Flächenanteil von helleren und rötlicheren Farben von 2012 (Abb. 3) zu 2021 (Abb. 4) zugenommen, was für eine deutlich erkennbare Erhöhung der Beleuchtungsintensität spricht und auf eine Zunahme der Lichtverschmutzung durch fortschreitende Siedlungsentwicklung und durch die rasant steigende Beleuchtung privater Wohnhäuser und von Gewerbegebieten hinweist.
Beim Thema der Lichtverschmutzung ist auch der Aspekt der sozialen Sicherheit ein wichtiger. Für neue geplante und bestehende Geh- und Radwege werden gerade vor dem Hintergrund der Mobilitätswende vermehrt Anträge für das Errichten neuer Beleuchtungsanlagen gestellt. Eine Reduktion der Lichtverschmutzung soll daher nicht der Errichtung von neuer Beleuchtung zur Verbesserung des subjektiven Sicherheitsempfindens und damit der Förderung von Fuß- und Radverkehr entgegenstehen. Aber auch hier ist zukünftig bei der Errichtung von Neuanlagen auf eine umweltfreundliche Beleuchtung mit geeigneter Beleuchtungsstärke, Lichtfarbe und in Nutzungsabhängigkeit (z.B. mit Bewegungsmeldern) zu achten.
Neuste Studien belegen, dass durch die Verringerung der Beleuchtungsstärke keine signifikante Kriminalitätsveränderung zu verzeichnen ist8, 9; eine der großen Sorgen politisch Verantwortlicher und auch der Bürger*innen, dass eine solche Korrelation besteht, hat sich insoweit nicht bestätigt. Allerdings gibt es den Umstand, dass sich Menschen in zuvor hell erleuchteten Arealen bei Beleuchtungsstärkenreduktion zunächst unsicherer bewegen; diesbezüglich wird aber von Gewöhnungseffekten ausgegangen.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Stadt Aachen vor einigen Jahren im Mobilitätsausschuss (MoA vom 03.12.2015) beschlossen hat die Leuchtentypen „Maiglöckchen“ und darauffolgend auch andere Typen auf 4000 K umzurüsten; die in diesem Zusammenhang wichtigen Themen Lichtverschmutzung bzw. Insektenschutz wurden seinerzeit nur randlich thematisiert. Die STAWAG setzt den politischen Beschluss sukzessive um. Hintergrund der Entscheidung war, dass eine LED-Lampe mit einer Lichtfarbe von 4000 K im Vergleich zu einer 3000 K-Lampe bei gleicher Beleuchtungsstärke einen 5-10 % geringeren Energieverbrauch hat und somit einen höheren Beitrag zum Klimaschutz leistet; noch höhere Farbtemperaturen – damit schädlicher für Tier- und Pflanzenwelt – bieten noch größere CO2-Energieeinsparpotenziale.
- Kurzüberblick über die Handlungsspielräume der Stadt
Folgende Handlungsfelder stehen der Stadt Aachen zur Verringerung der Lichtverschmutzung grundsätzlich zur Verfügung:
- direkt: Vorgaben bzgl. Art und Qualität der Straßenbeleuchtung (STAWAG); Hinweis: zuständig hierfür ist innerhalb der Stadtverwaltung die Stadtentwicklung (Dez. III | FB 61) bzw. der Mobilitätsausschuss; Betriebszeiten und Beleuchtungsstärke der städtischen Außenwerbungsanlagen einschränken (RBL-Vertrag mit FB 23 überprüfen und wenn möglich nachschärfen).
- Verabschiedung einer selbstbindenden Richtlinie zur Vermeidung von Lichtverschmutzung; Berücksichtigung dieser Richtlinie bei städtischen Vorhaben (z.B. Gebäudeneu- und -umbau),
- Vorgaben in Bauleitplänen (Einschränkung von Beleuchtung, die in den oberen Halbraum abstrahlt etc.),
- Landschaftsplanung,
- Beratung und Information der Stadtgesellschaft (Privatpersonen, Unternehmen, etc.).
- Vorgehensweise der Stadt Aachen
Im Zusammenhang der Diskussion um Lichtverschmutzung, Klima- und Umweltschutz haben der Fachbereich Umwelt sowie die STAWAG folgende Schritte eingeleitet:
a) Um dem Antrag der Fraktion Die Linke Rechnung zu tragen, wurden intensive Gespräche sowohl mit Verantwortlichen der Stadt Fulda, die als erste Stadt Deutschlands das Prädikat der Dark Sky Association erhalten hat und eine Richtlinie zur Vermeidung von Lichtverschmutzung erlassen hat,10 als auch mit Experten aus der Dark Sky Community geführt (Dr. Hänel und Herr Hettlich (MULNV NRW)). Dabei haben sich zusammenfassend folgende Punkte herauskristallisiert:
- Die Stadt Fulda ist eine Mittelstadt mit ca. 70.000 Einwohnern, insoweit nicht mit der Großstadt Aachen vergleichbar;
- Im Unterschied zu Aachen nutzt die Stadt Fulda den Titel Dark-Sky-Kommune bewusst als ein die bisherige Angebotspalette mit Teleskop und dem nahegelegenen Sternenpark Rhön erweiterndes touristisches Element;
- Der Arbeitsaufwand für eine Prämierung durch die Dark Sky Association ist sehr hoch (bei der Stadt Fulda eine volle Stelle über 2 Jahre) und in Kürze nicht erreichbar, eine spätere Bewerbung bleibt allerdings grundsätzlich möglich;
- Die Ansprüche der Dark Sky Association für den Erhalt des Labels sind für Aachen teilweise nicht erfüllbar, zielführende Schritte der Stadt Aachen werden aber sehr begrüßt;
- Um innerhalb der Stadt eine nachhaltige und weitgehende Verringerung der Lichtverschmutzung zu erreichen, muss auch der private Bereich eingebunden werden, was intensiver Öffentlichkeitsarbeit bedarf. Von einer rechtlich bindenden Satzung wurde abgeraten, da sich die Frage der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf Bußgelderhebung, Kontrolle und Aufsicht der Einhaltung der Satzung etc. stellt;
- Als sinnvoll und sehr wirksame Maßnahme in puncto Lichtverschmutzungsverringerung wird vor allen Dingen die Verringerung der Beleuchtungsintensität (lx) angesehen;
- Herr Dr. Hänel von der Dark Sky Association hat sich bereit erklärt, für Informationsveranstaltungen zur Verfügung zu stehen.
b) Veranlasst durch die politische Debatte im AUK wird seit August 2021 bei aktuellen Bauanträgen und Bebauungsplanungen durch die Verwaltung (FB Klima und Umwelt sowie andere Fachbereiche) bereits auf eine im Sinne des Klima- und Umweltschutzes sinnvolle Beleuchtung der Bauareale hingewiesen.
c) STAWAG wurde im Hinblick auf die Thematik nochmals sensibilisiert und hat auf Nachfrage zu den Tätigkeiten der STAWAG in Bezug auf eine Verringerung der Lichtverschmutzung folgenden Sachstand mitgeteilt: Der aktuelle Stand der Lichtpunkttypen in Aachen stellt sich wie folgt dar:
- Natriumhochdrucklampen 43 %
- LED inkl. Retrofit 48 %
- Metalldampfhalogen / weiße Natriumhochdrucklampe 7 %
- Leuchtstoff- / Kompaktleuchtstofflampe 2 %
- Bis 2027 werden ca. 80 % der Straßenbeleuchtung im Stadtgebiet Aachen auf LEDs umgerüstet sein.
- Bis 2030 werden ca. 90-95 % der Straßenbeleuchtung im Stadtgebiet Aachen auf LEDs umgerüstet sein.
- Die aktuell über den Mobilitätsausschuss verabschiedete Absprache mit der Stadt der zum Einsatz kommenden Lichtfarbe beträgt aus Klimaschutzgründen 4000 K.
- Ca. 30 % der Straßenbeleuchtung wird 2027 mit einem Telemanagement ausgerüstet sein. Dies betrifft vor allen Dingen Haupt- und Anliegersammelstraßen wo sich in den Nachtstunden (nach 21 h) eine deutliche Nutzungsveränderung zeigt. Auch im Bereich der Radwegebeleuchtung kommen vermehrt intelligente Beleuchtungssysteme zum Einsatz.
- Bei der Beleuchtungsstärke in lx werden aktuell - soweit möglich - die minimal nach Norm DIN EN 13201-2 zulässigen Beleuchtungsstärken um- und eingesetzt.
- Der energetische Aufwand für die öffentliche Beleuchtung beträgt aktuell etwa 6,4 Mio. kWh (zum Vergleich: 2015 noch 7,9 Mio. kWh). Hier liegt Aachen im Verhältnis von Energieaufwand zur Lichtpunktzahl (~22.000 Lichtpunkte) im Vergleich zu anderen Städten am unteren guten Ende der Tabelle.
Die STAWAG ist selbstverständlich bereit auf Wunsch der Stadt Aachen Änderungen in der Lichtfarbe und auch einer noch stärkeren Reduktion der Beleuchtungsintensität (Verringerung der lx-Zahl) bei Anpassung des Straßenbeleuchtungsvertrags vorzunehmen. Die STAWAG bittet aber zu berücksichtigen, dass sich allein durch eine Veränderung der Lichtfarbe keine direkte Änderung in Bezug auf die Lichtverschmutzung ergeben wird und dass eine Umstellung auf 3000 K-Lampen gegenüber der Umstellung auf 4000 K-Lampen zu einer Verringerung der CO2-Einsparungen bei der Umrüstung führt.
- Schlussfolgerungen für den kommunalen Straßenraum
Versucht man nun die vorgestellten Informationen und Optimierungsmöglichkeiten innerhalb der öffentlichen Beleuchtung mit den Auswirkungen auf wichtige Umweltaspekte in einer Matrix zusammenführend und mit Bezug auf den Status quo zu vergleichen, so ergibt sich das folgende Bild:
Umstellung von herkömmlicher Beleuchtung auf LED | Allg. 4000 K | Allg. 3000 K | Allg. 4000 K und 3000 K nur in PA |
CO2-Einsparung (Klimaschutz) | ++ | + | +(+) |
Lichtverschmutzungsverringerung | + | + | + |
Tierschutz (Insekten etc.) | + | ++ | ++ |
Wohnhygiene/Lebensqualität | - | ++ | + |
Kosteneinsparungen | ++ | + | o/+ |
Tab. 1: Darstellung der optional zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Veränderung der Beleuchtung auf dem Stadtgebiet Aachens bei Umrüstung des aktuellen Bestands auf die jeweilig LED-Technik. Abkürzungen: PA = Straßen/Plätze mit vorwiegender Aufenthaltsqualität; ++ = sehr groß/sehr hoch; + = groß/hoch; o = kaum vorhanden/gering; - = schlecht/verringert. Durch die STAWAG wird immer die geringste Beleuchtungsstärke gewählt. Quelle: Eigene Zusammenstellung in Absprache mit der STAWAG.
Aus der Matrix ergeben sich folgende Einschätzungen:
a) Bei einer allgemeinen Umstellung der Beleuchtungsfarbe für die Beleuchtung von Straßen, Wegen, Gebäuden und Plätzen auf dem Aachener Stadtgebiet – aktueller Standard s. Kap. 5 c – auf 4000 K ergibt sich der höchste Energieeinsparungseffekt. Der Nachthimmel wird bis 2030 gegenüber dem Status quo nochmal entlastet, für Mensch und Natur ist die Entwicklung aber nicht optimal.
b) Stellt man das gesamte Aachener Stadtgebiet auf eine Lichtfarbe von 3000 K um, so hat man durch die Nutzung der energieintensiveren LEDs bei gleichbleibender Beleuchtungsstärke mit etwa 5-10 % höheren Kosten zu rechnen. Zusätzlich wird die CO2-Bilanz um ca. 43,5-87 t pro Jahr mehr belastet. Generell sollte hier aber bedacht werden, dass der Anteil des durch EE erzeugten Stroms in Zukunft steigen wird und demnach auch die zusätzlichen CO2-Werte reduziert werden. Die Umstellung auf eine allgemeine Beleuchtungsfarbe von ≤ 3000 K bedeutet allerdings eine Verbesserung für den Tier- und Pflanzenschutz sowie einer Verbesserung der wohnhygienischen Bedingungen für die Bürger*innen (soweit dies durch die Kommune Berücksichtigung findet).5 Das Maß der Lichtverschmutzung bleibt insgesamt gleich.
c) Einen Mittelweg stellt die Beschränkung der Lichtfarbe auf ≤ 3000 K in PA-Bereichen (PA) dar. Hier werden bei gleichbleibender Belichtungsstärke einerseits Energieeinsparungen durch die Umrüstung der herkömmlichen Beleuchtungssysteme erzielt und darüber hinaus auch den anderen Mensch-Umweltbelangen Rechnung getragen. Laut STAWAG ergeben sich aus erhöhten Energiekosten, steigendem Planungsaufwand und einem erhöhten Aufwand im operativen Geschäft finanzielle Mehrkosten im Vergleich zu den zuvor genannten Optionen.
Alle Spalten beinhalten die Reduktion der Beleuchtungsstärke, wie sie bereits heute von der STAWAG umgesetzt wird, auf einen für den jeweiligen Straßenabschnitt passenden Wert nach DIN EN 13201.
Hinweis: Alle aktuellen LEDs mit 4000 K sollten grundsätzlich bis zum Ende ihrer kalkulierten Lebensdauer weiterbetrieben werden, da die Rentabilität eines vorgezogenen Austauschs in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Klar ist auch, dass die Verkehrssicherheit im öffentlichen Raum nicht durch eine Umstellung gefährdet wird. Daher überprüft die STAWAG intern bereits heute die notwendige Beleuchtungsstärke für relevante Verkehrspunkte und -achsen. Bei Umsetzung der Reduktion der Lichtfarbe auf 3000 K würde die Stadt Aachen als erste Großstadt in Deutschland eine Vorreiterrolle in puncto Lichthygiene für Mensch und Umwelt einnehmen. Dem gegenüber steht am Ende der Umrüstung allerdings eine leichte Erhöhung der CO2-Emissionen im Vergleich zu Lampen mit höheren Lichtfarbwerten.
- Zusammenfassung
Nach intensiver Abwägung empfiehlt die Verwaltung (FB 36, Fachbereich Klima und Umwelt) aus den oben geschilderten Sachständen in Abstimmung mit dem Gebäudemanagement und dem Fachbereich Stadtentwicklung, -planung & Mobilitätsinfrastruktur folgende Maßnahmen zu prüfen, um der zunehmenden Lichtverschmutzung entgegen zu wirken. Die Empfehlungen fokussieren insbesondere darauf, auf nicht notwendige Beleuchtung / Belichtungen unter Berücksichtigung sozialer, sicherheitsrelevanter und kultureller Aspekte soweit wie möglich zu verzichten – Weniger Licht ist mehr Natur! – und zur Förderung des Wohlbefindens der Menschen auf Straßen und Plätzen mit vorwiegender Aufenthaltsqualität (PA) in sukzessive eine Beleuchtung mit angenehmerem (warmem) und insektenfreundlicherem Licht (3.000 K) zu schaffen.
Folgende Maßnahmen werden dabei verfolgt:
- Zur Nachtzeit weniger Licht an öffentlichen Gebäuden: Eine zeitliche Einschränkung der Beleuchtung von öffentlichen Gebäuden (Ausnahme Weltkulturerbe / Pfalzbezirk) unter Berücksichtigung des Vorbild Bayerns (Art. 9 BayImSchG); Abschaltung der Anstrahlung von öffentlichen Gebäudefassaden nach 23 h bis 6 h des kommenden Tages in Abhängigkeit zur Jahreszeit. Ausgenommen von dieser Regelung sind festzulegende Feiertage oder kulturell bedingte Veranstaltungstermine.
- Fortführung des bereits laufenden STAWAG Licht-Konzepts: Verringerung der Beleuchtungsstärke auf öffentlichen Wegen und Straßen außerhalb von Wohngebieten (Außenbereich) auf die unterste Stufe der Empfehlungen der DIN EN 13201-2.
- 3000 K Licht im öffentlichen Raum priorisieren: Regelmäßige Überprüfung der energetischen Unterschiede von 4000 K und 3000 K LEDs; Bei nur noch geringen Unterschieden (< 1 %) in Mehrverbrauch und Anschaffungskosten sollten später dann in der Straßenbeleuchtung ausschließlich die ≤ 3000 K LEDs verbaut werden.
- Sensibilisierung der Stadtgesellschaft für das Thema Lichtverschmutzung: Bereitstellung von Informationen für private Bauherren und -frauen, die über Optionen zur Vermeidung potenzieller Lichtverschmutzungsquellen aufklärt und somit zu einer Sensibilisierung für das Thema führt.
- Minimierung der Belichtung im Freiraum: Geeignete Regelungen zur Minderung der Lichtemissionen werden im Landschaftsplan (derzeit in Neuaufstellung) berücksichtigt.
- Die Verwaltung wird mit der STAWAG über eine Anpassung des geschlossenen Vertrags zur öffentlichen Beleuchtung verhandeln und gemeinsam eine Änderung der Lichtfarbe von 4000 K auf 3000 K prüfen.
Über die Ergebnisse der verwaltungsinternen Beratungen und Abstimmungen unter Einbeziehung der Stadtbezirke wird die Verwaltung erneut berichten.
Quellen:
1 Navara, K. J. & R. J. Nelson (2007): The dark side of light at night: physiological, epidemiological, and ecological consequences. – Journal of Pineal Research, 43 (3): 215-224. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1600-079X.2007.00473.x
2 Hänsch, R., Könecke, B., Pottharst, M. & F. Wukovitsch (2013): Kosten und externe Effekte des künstlichen Lichts sowie Ansätze der ökonomischen Bewertung. – In: Hölker, F., Henckel, D. & S. Völker (Hrsg.): Ursachen und Folgen künstlicher Beleuchtung für Umwelt, Natur und Mensch, Bd. 1. BMBF-Verbundforschungsprojekt Verlust der Nach, TU Berlin.
3 Schroer, S., & F. Hölker (2018): Auswirkung der Lichtverschmutzung auf Fauna und Flora. – Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), 104 Seiten. https://doi.org/10.48440/GFZ.1.4.2020.003
4 Wilson, J. F., Baker, D., Cheney, J., Cook, M., Ellis, M., Freestone, R., Gardner, D., Geen, G., Hemming, R., Hodgers, D., Howarth, S., Jupp, A., Lowe, N., Orridge, S., Shaw, M., Smith, B., Turner, A. & H. Young (2018): A role for artificial night-time lighting in long-term changes in populations of 100 widespread macro-moths in UK and Ireland: a citizen-science study. – Journal of Insect Conservation, 22 (2): 189-196. https://doi.org/10.1007/s10841-018-0052-1
5 Schroer, S., Huggins, B., Böttcher, M. & F. Hölker (2019): Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen Anforderungen an eine nachhaltige Außenbeleuchtung. – BfN-Skripten 543.
6 Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag (2019): Lichtverschmutzung – Rechtliche Regelungen zur Beschränkung von Beleuchtung in Deutschland und ausgewählten europäischen Staaten. https://www.bundestag.de/resource/blob/632966/7ba7c4cd1cfef87380d58376f1c2f165/WD-7-009-19-pdf-data.pdf
7 Bayerisches Immissionsschutzgesetz (BayImSchG) vom 10. Dezember 2019.
8 Steinbach, R., Perkins, C., Tompson, L., Johnson, S., Armstrong, B., Green, J., Grundy, C., Wilkinson, P. & P. Edwards (2015): The effect of reduced street lighting on road casualties and crime in England and Wales: controlled interrupted time series analysis. – J Epidemiol Community Health, 69: 1118-1124. https://jech.bmj.com/content/69/11/1118
9 Perkins, C., Steinbach, R., Tompson, L., Green, J., Johnson, S., Grundy, C., Wilkinson, P. & P. Edwards (2015): What is the effect of reduced street lighting on crime and road traffic injuries at night? A mixed-methods study. – Public Health Research, 3 (11). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK316503/
10 Stadt Fulda (2019): Richtlinie der Stadt Fulda zum nachhaltigen Umgang mit funktionalem und gestalterischem Licht im Außenbereich. https://www.fulda.de/fd/61_Stadtplanungsamt/Klimaschutz_und_Umweltschutz/Sternenstadt_Fulda/Richtlinie_Lichtverschmutzung_NEU.pdf
Auswirkungen
Finanzielle Auswirkungen
| JA | NEIN |
|
|
| x |
|
| |||||||
Investive Auswirkungen | Ansatz 20xx | Fortgeschriebener Ansatz 20xx | Ansatz 20xx ff. | Fortgeschriebener Ansatz 20xx ff. | Gesamtbedarf (alt) | Gesamtbedarf (neu) | |
Einzahlungen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Auszahlungen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Ergebnis | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
+ Verbesserung / - Verschlechterung | 0 | 0 |
| ||||
| Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden | Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden | |||||
| |||||||
konsumtive Auswirkungen | Ansatz 20xx | Fortgeschriebener Ansatz 20xx | Ansatz 20xx ff. | Fortgeschriebener Ansatz 20xx ff. | Folge-kosten (alt) | Folge-kosten (neu) | |
Ertrag | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Personal-/ Sachaufwand | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Abschreibungen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Ergebnis | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
+ Verbesserung / - Verschlechterung | 0 | 0 |
| ||||
| Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden | Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden | |||||
Weitere Erläuterungen (bei Bedarf):
Klimarelevanz
Bedeutung der Maßnahme für den Klimaschutz/Bedeutung der Maßnahme für die
Klimafolgenanpassung (in den freien Feldern ankreuzen)
Zur Relevanz der Maßnahme für den Klimaschutz
Die Maßnahme hat folgende Relevanz:
positiv | negativ | nicht eindeutig | |
| x |
|
|
Der Effekt auf die CO2-Emissionen ist:
gering | mittel | groß | nicht ermittelbar |
| x |
|
|
Zur Relevanz der Maßnahme für die Klimafolgenanpassung
Die Maßnahme hat folgende Relevanz:
keine | positiv | negativ | nicht eindeutig |
x |
|
|
|
Größenordnung der Effekte
Wenn quantitative Auswirkungen ermittelbar sind, sind die Felder entsprechend anzukreuzen.
Die CO2-Einsparung durch die Maßnahme ist (bei positiven Maßnahmen):
gering |
|
| unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels) |
mittel | x |
| 80 t bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels) |
groß |
|
| mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels) |
Die Erhöhung der CO2-Emissionen durch die Maßnahme ist (bei negativen Maßnahmen):
|
| unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels) | |
mittel |
|
| 80 bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels) |
groß |
|
| mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels) |
Eine Kompensation der zusätzlich entstehenden CO2-Emissionen erfolgt:
|
|
| vollständig |
|
|
| überwiegend (50% - 99%) |
|
|
| teilweise (1% - 49 %) |
|
|
| nicht |
|
|
| nicht bekannt |
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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1
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(wie Dokument)
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351,9 kB
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