Entscheidungsvorlage - FB 02/0142/WP15

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschluss:

Der Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und europäische Angelegenheiten nimmt den Auftrag an die Verwaltung zustimmend zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung die vorgeschlagenen Maßnahmen zu prüfen und so weit wie möglich umzusetzen.

 

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Erläuterungen

Unterstützung von Ausbildungsbetrieben im Ostviertel,

Antrag der Fraktion Grüne vom 30. Mai 2006

 

 

1. Ausgangssituation

 

Die Ausbildungsplatzsituation eines Stadtteils muss immer im Gesamtkontext des städtischen und regionalen Angebots betrachtet werden. Ausbildungsplatzsuchende können sich schon lange nicht mehr nur auf ihre Stadt konzentrieren. Entsprechend größer ist die Konkurrenz um vorhandene Stellen geworden.

 

a) Ausbildungssituation Aachen

 

Die Situation in der Stadt Aachen sieht auf den ersten Blick positiv aus. Es überwiegt die Anzahl der Ausbildungsplatzangebote gegenüber der Zahl der Bewerber. 1987 Plätzen standen im September 1304 Bewerber gegenüber. Dies entspricht einer Relation von 1,52. Trotz dieser großen Nachfrage, konnten 48 Ausbildungsplätze im Stadtgebiet bislang nicht besetzt werden. Die Ursache hierfür liegt, vereinfacht ausgedrückt, in einer Unvereinbarkeit von Bewerbern und Plätzen. Hinter dieser Unvereinbarkeit verbirgt sich eine ganze Fülle von Problematiken (schlechte Qualifizierung der Bewerber, unbeliebte Berufe, etc.). Dabei lassen die statistischen Daten bei Betrachtung der Schulausbildung der Bewerber kaum mangelnde Qualifizierung erwarten.

5% ohne Abschluss

25% Hauptschulabschluss

38% Mittlere Reife

32% FH-/Hochschulabschluss

Was die statistischen Daten jedoch nicht ausdrücken ist, dass vielen Schülern  v.a. Basiswissen in Grundlagenfächern wie Mathematik und Deutsch fehlt, obgleich sie einen gültigen Schulabschluss erreicht haben (siehe auch Punkt 2).

 

Betrachtet man den Ausbildungsmarkt im gesamtregionalen Kontext (Agenturbezirk Aachen) wird deutlich, dass die positive städtische Situation bei einer Einbettung in die regionale Lage relativiert werden muss. Im gesamten Agenturbezirk überwiegen die Bewerberzahlen (6106 Bewerber) gegenüber den angebotenen Plätzen (4479 Plätze). Damit liegt ein Defizit von 1627 Plätzen im Berichtszeitraum vor. Am Stichtag 30.09.06 wurden im Agenturbezirk noch 175 nicht vermittelte Bewerber registriert. Diese vergleichsweise geringe Zahl kommt dadurch zu Stande, dass Bewerber sich für ein alternatives Angebot, z.B. schulische Ausbildungen, eine Einstiegsqualifizierung, o.ä. entschieden haben und damit vorerst nicht mehr in der Statistik geführt werden. Dennoch machen die Zahlen deutlich, dass Aachen als Wirtschaftsstandort trotz der Fülle an Angeboten offenbar nicht die insgesamt hohe Nachfrage im gesamten Agenturbezirk auffangen kann.

 

b) Situation Aachen-Ost

 

Eine gesonderte Statistik über die Ausbildungssituation in Aachen-Ost wird von der Agentur nicht geführt. Einen Eindruck erhält man bei Betrachtung der IHK/HWK-Daten.

Im gesamten Gebiet Aachen-Ost sind 74 Ausbildungsbetriebe (38 IHK/36 HWK) registriert, die derzeit Ausbildungsplätze anbieten. Von den bei der HWK geführten 36 Unternehmen werden insgesamt 84 Ausbildungsplätze angeboten. Von der IHK stehen derzeit leider keine entsprechenden Angaben zur Verfügung.

Rund 50% aller Ausbildungsplätze in Aachen-Ost werden von Betrieben aus dem Bereich Einzel- und Großhandel angeboten. Dahinter verbergen sich vor allem etliche größere Betriebe, wie z.B. die dort ansässigen Autohäuser, oder Supermärkte wie real und WalMart. Kleine Betriebe sind im Ausbildungsbereich unterrepräsentiert.

Dass Aachen-Ost weiteres Potential für Ausbildungsbetriebe besitzt, erkennt man u.a. daran, dass von den rund 581 bei der IHK gemeldeten Betrieben in Aachen-Ost, lediglich 6,5% ausbilden. Die Zahl der Betriebe wird zwar verfälscht  dadurch, dass auch Kleinstgewerbe registriert werden (z.B. der gewerblich arbeitende Nachhilfelehrer), nichts desto trotz sind es v.a. viele kleinere Betriebe, die u.U. noch als Ausbildungsbetriebe in Frage kommen würden. Da gerade diese nicht immer alle Anforderungen an Ausstattung und Ausbildungsinfrastruktur für staatlich anerkannte Ausbildungsgänge erfüllen und bürokratische Hürden ohne Beratung kaum bewältigen können, müsste hier bei einer Förderung und Unterstützung angesetzt werden.

 

Auf Seiten der Schulabgänger ist Aachen-Ost gekennzeichnet durch Jugendliche, die aufgrund einer mangelnden Qualifizierung für vorhandene Stellen oft nicht in Frage kommen. Dies haben auch bisherige Projekterfahrungen in Aachen-Ost gezeigt. Hinzu kommt, dass neben einer geringen Qualifizierung häufig auch das soziale/familiäre Umfeld den Jugendlichen keine ausreichende Unterstützung bei der Berufsorientierung und der Auseinandersetzung mit den Problemen der Ausbildungsplatzsuche bietet. Die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplatzangebote alleine würde daher die Chancen der Jugendlichen aufgrund der Konkurrenz mit anderen Bewerbern (immer häufiger auch überregionaler Abstammung) nicht wesentlich verbessern. Vielmehr muss die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze mit weiteren, flankierenden Maßnahmen verbunden werden, die den Jugendlichen den Einstieg in den Ausbildungsmarkt erleichtert bzw. sie auf die entsprechenden Anforderungen gezielt vorbereitet.

 

 

2. Handlungsempfehlungen

Finanzielle Entlastung von Ausbildungsbetrieben wie dies in Marseille durch den Erlass der Gewerbesteuer erfolgt ist, ist aufgrund sehr unterschiedlicher Rahmenbedingungen auf Aachen nicht übertragbar. Die Ausbildungssituation in Marseille wurde zudem auch maßgeblich durch eine Fülle an Projekten zur Förderung von Jugendlichen (z.B. Mentorenprogramme)  positiv beeinflusst.

Dass finanzielle Förderung bzw. Unterstützung häufig nicht ausreicht, oder ausschlaggebend ist, um Betriebe für Ausbildung zu gewinnen, zeigt außerdem eine aktuelle Umfrage der DIHK (06/2006). Auf die Frage welche Faktoren sich hemmend hinsichtlich der Ausbildungsbereitschaft auswirken, wurde an erster Stelle (50% der Unternehmer) die mangelnde Ausbildungsreife der Jugendlichen genannt. Daneben waren allgemeine Faktoren wie „wirtschaftlich unsichere Zeit“ oder betriebs-/strukturbedingte Faktoren, wie die Unfähigkeit Auszubildende zu übernehmen, oder die Verschulung der Ausbildung, ausschlaggebend. Unternehmensförderung hinsichtlich einer Erhöhung der Ausbildungsbereitschaft kann und muss daher auch Jugendförderung beinhalten.

 

a) Jugendförderung Aachen-Ost

 

Verschiedenste Ansätze und Maßnahmen zur Förderung der Jugendlichen vor Ort existieren bereits. Ausreichend sind sie nicht. Folgende Schwerpunktsetzungen sind zu stärken:

- Vertiefung und Vermittlung vor allem von Grundlagenwissen (Mathematik, Deutsch) in  

Qualifizierungen auch nach dem Schulabgang

- Soft-Skills-Schulungen: Vermittlung sozialer Kompetenzen – Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, etc.

- Bewerbungstraining: professionelle Beratung bei Erstellung der Unterlagen und Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche

- frühzeitige Unterstützung der Jugendlichen bei der Berufsorientierung; in Zusammenarbeit mit Unternehmen anschauliche und realistische Vermittlung von Berufsbildern (auch neu entstandener Berufsbilder)

- Förderung der Jugendlichen bei der Suche nach Praktika/Ferienjobs während der Schulzeit- enge Zusammenarbeit mit vor Ort ansässigen Unternehmen

 

Neben diesen Fördermaßnahmen sollte jedoch auch durch eine Förderung/Unterstützung von Unternehmen die Ausbildungssituation in Aachen-Ost weiter verbessert werden.

 

b) Unternehmerseitige Ansatzpunkte

 

- Stärkere Verknüpfung von Unternehmen und Jugendeinrichtungen/Schulen im Stadtteil Aachen-Ost

- vor Ort Beratungen der ansässigen Unternehmen bezüglich Ausbildung und Unterstützung bei der Bewältigung des bürokratischen Aufwandes auf dem Weg zum Ausbildungsbetrieb

- Verbundausbildungen fördern, um kleinere Unternehmen mit weniger  Ausstattung/ Ausbildungsinfrastruktur als Ausbildungsbetriebe zu gewinnen

- Unternehmensansiedlungen in Aachen-Ost fördern und Neuansiedler von Beginn an in vor Ort bestehende Aktivitäten und Kooperationen mit Schule einbinden

- Betriebe und Bildungsträger als Kooperationspartner bei einer neuen Ausbildungsform zusammenführen (aktueller Vorschlag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW)

 

Wesentlich erscheint, dass sämtliche dieser Maßnahmen hilfreich und geeignet sind, die Ausbildungssituation in Aachen-Ost zu verbessern. Oftmals setzen sie jedoch nur vereinzelt, kurzfristig und miteinander konkurrierend an, so dass sich ihre Wirkung zum Teil nur punktuell und wenig nachhaltig entfaltet. Eine Bündelung und Abstimmung erscheint für Aachen-Ost sinnvoll. Hierfür sind jedoch personelle und finanzielle Ressourcen erforderlich.

 

 

3. Geprüfte Fördermöglichkeiten

 

In den vergangenen Monaten hat der Fachbereich für Wirtschaftsförderung/Europäische Angelegenheiten verschiedene Möglichkeiten zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation in Aachen-Ost geprüft. In diesem Zusammenhang sind Ideen entwickelt worden, die unter Punkt 4 aufgeführt werden. Zusätzlich zu den dort angeführten, geplanten Aktivitäten, wurden vom Fachbereich für Wirtschaftsförderung/Europäische Angelegenheiten die Fortführung der Kompetenzagentur in Aachen-Ost und eine Teilnahme an dem Förderprogramm JobStarter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geprüft, letztlich aber aus nachfolgenden Gründen nicht realisiert.

Kompetenzagentur:

- geringer Förderanteil, immens hoher Eigenanteil

- kritische Bewertung der Wirksamkeit der bisherigen Kompetenzagentur

- Verzicht der bisherigen Träger der Kompetenzagentur (Sozialwerk Aachener Christen und Jugendberufshilfe) auf Weiterführung

 

JobStarter:

- Konkurrenzantrag anderer arbeitsmarktpolitischer Träger für die Gesamtstadt

- je Kommune ist von lediglich einer Fördermittelbewilligung auszugehen

- im Rahmen des gesamtstädtischen Antrags kann Aachen-Ost berücksichtigt werden

 

 

4. Künftige Möglichkeiten

 

a) LOS – „Lokales Kapital für soziale Zwecke“

 

- Beginn der 4. Förderphase am 01.07.2006

- Fördervolumen: 83.000 €

- Räumlicher Schwerpunkt: Aachen-Ost

- Inhaltlicher Schwerpunkt: Ausbildung

Beispiele für geplante Projekte:

 

- „Leben und Arbeiten in Deutschland“: gezielte Unterstützung von Migranten hinsichtlich beruflicher Orientierung und der Orientierung bei Arbeits- und Ausbildungsplatzsuche

 

- Filmwerkstatt in Aachen Ost – Jugendliche setzen sich in ihrem Viertel mit den Thema „Ausbildungsplätze“ auseinander und verarbeiten die gewonnen Informationen in einem Film; dabei werden auch Kontakte zu Betrieben im Viertel hergestellt, aus denen sich evtl. auch weiterführende Praktika- und Ferienjob-Angebote ergeben

 

- Geplant: Berufsorientierungsseminare für SchülerInnen: Unterstützung bei der Berufswahl – dabei auch Einbeziehung neuer Berufsbilder sowie „alter“ Berufe und deren Entwicklung

 

- Geplant: Aktive berufliche Orientierung im Garten-, Landschaftsbau  - interessierte SchülerInnen können in Zusammenarbeit mit Betrieben  praktische Erfahrungen im Garten-/Landschaftsbau sammeln; dabei wird auch die Verknüpfung von Unternehmen und Schule eine große Rolle spielen

 

a) Qualifizierungsklasse für Schwellenschüler mit Migrationshintergrund

 

Im Rahmen einer Arbeitsgruppe an der u.a. die RWTH sowie das Sozialamt und der Fachbereich für Wirtschaftsförderung/Europäische Angelegenheiten beteiligt sind, wurde ein Konzept zur Förderung gering qualifizierter Schüler entwickelt. Die Inhalte sind nachfolgend aufgeführt:

 

- Zielgruppe: Jugendliche mit Migrationshintergrund, zwischen 16 und 19 Jahren, die nur einen ausreichenden/mangelhaften, oder keinen Schulabschluss haben

- Qualifizierungsdauer: 10-12 Monate

- Inhalte: Die Schüler erhalten intensive Schulungen in Grundqualifikationen (Mathe/Deutsch), zugleich werden 2-3 - wöchige Praktika in kooperierenden Unternehmen durchgeführt

- Ziel: bei erfolgreichem Abschluss (bestimmter Notendurchschnitt) wird ein Ausbildungsplatz in einem kooperierenden Unternehmen garantiert (finanziert durch RWTH) – insgesamt existieren 15 Plätze

 

In weiteren Arbeitsgruppentreffen wird in den nächsten Monaten über die Förderung und Umsetzung der Qualifizierungsklasse beraten.

 

c) EFRE – Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung

 

Der Fachbereich für Wirtschaftsförderung/Europäische Angelegenheiten prüft derzeit, ob im Rahmen von EFRE die Möglichkeit besteht, in Aachen-Ost beispielsweise ein Büro für wirtschaftliche Entwicklung einzurichten. Aufgabe dieses Büros soll es sein:

 

- aktiv die Unternehmensansiedlung in Aachen-Ost zu fördern

- intensive Vor-Ort-Beratungen von kleinen Betrieben sowie Betrieben mit ausländischen Inhabern zum Thema Ausbildung durchzuführen

- die Ausbildungsplatzentwicklung in den ansässigen Betrieben fördern, insbesondere im Bereich der ethnischen Ökonomie

- Ausbildungsverbünde zu initiieren, um speziell kleine Betriebe als Ausbildungsbetriebe zu gewinnen

- ggf. kann gerade dieses Büro essentiell zu einer stärkeren Bündelung und Abstimmung der verschiedensten Aktivitäten in Aachen-Ost beitragen

 

d) Weitere Fördermöglichkeiten (EU, Bund, Land)

 

- im Rahmen des vom Arbeitsministerium des Landes NRW geplanten Sonderprogramms für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz ist eine Umsetzung mit Schwerpunkt für Jugendliche in Aachen-Ost denkbar – nach Bekanntgabe der genauen Förderrichtlinien wird der Fachbereich für Wirtschaftsförderung/Europäische Angelegenheiten Möglichkeiten der Umsetzung in Aachen-Ost/Aachen prüfen

- Übergang Schule und Beruf – bspw. Kooperationsstrukturen zw. regionaler Wirtschaft und Schulen initiieren, professionelles Bewerbungstraining mit Schulklassen unter Mitwirkung von Lehrern durchführen

- Jugend in Arbeit plus -  Integration von langzeitarbeitslosen Jugendlichen in den Arbeitsmarkt:

 

Die unter Punkt 4 aufgeführten Fördermöglichkeiten werden in den nächsten Monaten umgesetzt, bzw. deren Umsetzung im Einzelnen geprüft und entsprechende Konzepte in enger Kooperation mit den örtlichen Einrichtungen und Bildungsträgern ausgearbeitet.

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