Kenntnisnahme - A 50/0109/WP15

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss nimmt die Erläuterungen der Verwaltung und der Suchthilfe Aachen zur Kenntnis.

 

In Vertretung

 

(Lindgens)

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Erläuterungen

Erläuterungen:

 

Die Aufgaben im Suchtbereich sind in der Stadt Aachen der Suchthilfe Aachen im Rahmen einer Leistungsvereinbarung übertragen worden. Die Finanzierung der vereinbarten Leistungen erfolgt vorrangig durch Landes- und durch städtische Mittel.

 

Ab 1.4.2006 hat das Land die Mittel für das niedrigschwellige Angebot der Suchthilfe am Kaiserplatz

gekürzt. Durch einmalige zusätzliche Spendeneinahmen gelang es, die Leistungen in 2006 ohne

Einschränkung vorzuhalten. Der Kürzungsbetrag ab 1.1.2007 in Höhe von 35.700 Ⓤ pro Jahr ist nicht

durch andere Mittel zu kompensieren.

 

Mit der Suchthilfe wurden daher Verhandlungen geführt, mit welchen Leistungsveränderungen die

Mittelkürzung aufzufangen ist. Nach Prüfung aller Leistungssegmente bestand Übereinstimmung, dass mit einer Reduzierung der Öffnungszeit des Drogenkonsumraums die Auswirkungen der Landesmittelkürzung aufzufangen sind. Die Stellungnahme der Suchthilfe vom 20.8.2006 ist als Anlage beigefügt.

 

Der Einsatz öffentlicher Mittel erfordert die ständige Prüfung der zwingenden Notwendigkeit der Ausgaben. Für die Drogentherapeutische Ambulanz mit integrativem Drogenkonsumraum werden Jahresausgaben in Höhe von ca. 236.000 Ⓤ geleistet. Dieser Betrag ergibt sich infolge der Umsetzung der im Jahre 2001 vorgelegten und im Antrag zur Erlaubnis zum Betrieb eines Drogenkonsumraums 2004 fortgeschriebenen Konzeption zu dieser Einrichtung.

 

Der Ausstattung und den Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums liegen Planzahlen zugrunde, die nicht erreicht wurden. Es wurden monatlich 80 Nutzer und ca. 1.400 Konsumvorgänge zugrundegelegt.

Die Suchthilfe legt monatlich einen Bericht zur Situation und zur Auslastung des Drogenkonsumraums vor. Die Auswertung dieser Zahlen ergibt für das Jahr 2005 monatlich eine Durchschnittsnutzerzahl von 54, die Zahlen für Jan. - Juli 2006 ergeben den Durchschnittswert 38. Die Konsumvorgänge 2005 liegen bei der Durchschnittszahl 578 monatlich und für die ausgewerteten 7 Monate 2006 bei 446 monatlich.

 

Im Sinne einer Würdigung des Gesamtzusammenhangs ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass Menschen mit einer Opiatabhängigkeit, die gewohnt sind, mittels Injektion zu konsumieren, pro Tag ca. drei  Konsumvorgänge benötigen. Die Zahl der Opiatabhängigen in der Stadt Aachen ist unbekannt. Nimmt man zum Maßstab die Anzahl der abgegeben Spritzen, so kommt man auf ca. 200 Betroffene.

Geht man von der kalkulierten Anzahl von 80 Klienten aus, so sprechen wir über insgesamt 240 Konsumvorgänge pro Tag entsprechend 1680 Konsumvorgänge pro Woche. Bei einer angenommenen maximalen Anzahl von 350 Konsumvorgängen pro Woche wurde bereits bei der Konzeption davon ausgegangen, dass 80% der Konsumvorgänge außerhalb des Drogenkonsumraums stattfinden würde. Die tatsächliche wesentlich geringe Auslastung bedeutet, dass nur ca. 6 - 7% der Konsumvorgänge dieser Zielgruppe wirklich im Konsumraum stattfindet. Nimmt man als Maßstab die Anzahl der abgegebenen Spritzen, so wären nur 2,6% der Konsumvorgänge dieser Menschen im Drogenkonsumraum.

 

 

 

 

 

Konsumvorgänge

Max. Auslastung nach Konzeption 2001

Mittlere Auslastung 05/2002 – 03/2004

Mittlere Auslastung

04/2004 – 07/2006

Mittlere Auslastung
der letzten sieben Monate

 pro Monat ca.

1400

585

518

446

 pro Woche

326

136

120

104

 

Die von der Suchthilfe Aachen  beschriebenen Risiken, die mit einer Reduzierung der Öffnungszeit des Drogenkonsumraums verbunden sind, relativieren sich in Anbetracht der bisherigen Auslastungszahlen. Sie dürfen selbstverständlich aber auch nicht unerwähnt bleiben.

 

Konzeptionell sind mit der Reduzierung der Öffnungszeit keine Änderungen verbunden. Die

Leistungsangebote der Einrichtung werden nicht in Frage gestellt. Die verbleibende Öffnungszeit ist

ausreichend, so dass alle Konsumvorgänge in den Umfängen der letzten Jahre innerhalb der neuen

Öffnungszeiten möglich sind. Von der Suchthilfe Aachen wird jedoch darauf hingewiesen, dass insofern Risiken mit der Kürzung verbunden sind, als fraglich ist, ob die Klienten ihre Konsumtätigkeit auf die reduzierten Öffnungszeiten verlagern werden.

 

Die von der Suchthilfe Aachen  benannten Risiken sollten von Beginn der reduzierten Öffnungszeit an durch alle im Drogenhilfe- und Ordnungssystem beteiligten Stellen verstärkt beobachtet werden. Das Gesundheitsamt wird die entsprechenden Rückmeldungen aufnehmen und bei Bedarf zur erneuten Beratung der Angelegenheit Auswertungen vorlegen.

 

Die Staatsanwaltschaft, die Polizei und die Ordnungsbehörde haben sich bei ihrer Beratung am

28.09.2006 im Rahmen der Großen Ordnungspartnerschaft mit diesem Vorgehen einverstanden erklärt.


­Veränderung der Leistungen im

niedrigschwelligen Angebot der Suchthilfe Aachen

 

Vorlage für das Gesundheitsamt Aachen

 

Ausgangslage

 

Auf Grund der Kürzungen im Haushaltsentwurf 2007 des Landes NRW reduzieren sich die Mittel für die niedrigschwellige Arbeit der Suchthilfe Aachen am Kaiserplatz um i 35.700,--

Ohne Kompensationszahlungen Dritter sind die Trägerverbände nicht in der Lage, dieses Defizit auszugleichen. Die Suchthilfe muss daher ihr Leistungsangebot kürzen.

 

Problemlösungsvorschlag

 

Die Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums werden ab 2007 um 10,5 Stunden von 28 auf 17,5 Stunden reduziert.

Bisher: Mo – Fr  10.00 – 15.00 Uhr Ab 2007: Mo - FR 10.00 –13.30 Uhr

 Samstags 10.00 – 13.00 Uhr   Samstags: geschlossen

 

Strukturelle Konsequenzen

 

Bisher war im Stellenplan im Bereich Sozialarbeit ein Beschäftigungsumfang von 163,5 % vorgesehen. Dieser wird um 78 % auf BU 85,5 % gesenkt, mit der Konsequenz, dass ab 01.01.2007 nur noch eine hauptamtliche Sozialarbeiterin in der Einrichtung zur Verfügung steht.  Dies entspricht einer Gesamtwochenarbeitszeit von 33 Stunden.

Während der Öffnungszeiten ist die ständige Präsens einer sozialarbeiterischen Fach­kraft (sowie zweier weiterer Mitarbeiter) verbindlich vorgeschrieben.

 

Beim Einsatz legen wir folgende Berechnung zu Grunde:

Wochenarbeitszeit insgesamt:     33 Stunden

Abzüglich 15 % (Urlaub / Krankheit)     5 Stunden

Tätigkeiten im Bereich Qualitätsmangement    2 Stunden

Leitungsaufgaben / Umfeldarbeit     6 Stunden

Präsens Öffnungszeit    20 Stunden 

 

Bei einer täglichen Öffnungszeit von 3,5 Stunden gehen wir hier von einem tatsächlichen Einsatz von 4 Stunden aus, da je 15 Minuten zur Vor- und Nachbereitung nötig sind.

 

Der o.g. Veränderungsvorschlag sieht eine Angleichung der Öffnungszeit mit der der Drogentherapeutischen Ambulanz (DTA) vor.

Daraus ergeben sich sinnvolle Synergieeffekte, insbesondere kann das Personal der DTA teilweise die vorgeschriebene Mitarbeiterzahl von mindestens 3 Personen im Konsumraum sicher stellen. Weiterhin sorgt er dafür, dass in den anderen Bereichen „Kontaktcafé“ und „Streetwork“ keine Leistungsreduzierungen vorgenommen werden müssen.

 

Inhaltliche Konsequenzen

Zu den Zielen des Drogenkonsumraumes gehören schnelle Hilfe bei Überdosierungen, die Vermeidung dieser, Reduktion von Infektionsrisiken und Verletzungen beim Injizieren durch die Bereitstellung sauberer und ruhiger Plätze. Ein weiteres Ziel ist die Verminderung öffentlich stattfindenden Drogenkonsums und ein damit einhergehendes größeres Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.

Die Evaluation der Arbeit der Drogenkonsumräume in der Bundesrepublik zeigt, dass Drogenkonsumräume zur Reduktion des Sterberisikos schwer abhängiger Menschen beitragen und dazu führen, dass weiterführende Hilfen in Anspruch genommen werden ( Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: Evaluation der Arbeit der Drogenkonsumräume in der Bundesrepublik Deutschland. Baden – Baden 2003, S. 31).

 

Die Verantwortlichen der Suchthilfe Aachen haben alle Möglichkeiten der Veränderung des Gesamt-Leistungsangebotes geprüft mit dem Ziel, die negativen Auswirkungen für Klientel und Umfeld möglichst gering zu halten.

Besonders wegen der geringeren Auslastung des Drogenkonsumraums verglichen mit den Ausgangsplanungen scheint eine Leistungsreduzierung hier am ehesten verkraftbar.

 

Gleichwohl werden die Einschnitte für Klientel und Umfeld nicht folgenlos bleiben. Die Suchthilfe Aachen sieht folgende Risiken:

 

Mögliche Folgen durch eingeschränktes Angebot:

Evtl. Anstieg von ( lebensbedrohlichen ) Drogennotfällen und Auffinden von hilflosen Personen im öffentlichen Raum. Nach Auskunft der Feuerwehr Aachen reduzierten sich die Einsätze des Rettungswagens am Kaiserplatz stetig auf über 50 %  (2000: 41 Einsätze, 2005: 18); dies gilt ebenso für die Einsätze des Notarztes ( 2000: 21, 2005: 8). Die milieugeprägte und von Verwahrlosung gezeichnete Lebensweise unserer Zielgruppe lässt nicht erwarten, dass alle Konsumvorgänge in die verbleibenden Öffnungszeiten verlegt werden.

 

Verlagerung des sonst im Konsumraum stattfindenden Drogen­gebrauchs in öffentlichen Toiletten, Parkhäusern oder Hauseingängen. Dies kann zu einer stärkeren Belastung der Anwohner führen. Die Zahl der Spritzenfunde kann ansteigen. Drogenkonsumenten ohne festen Wohnsitz nehmen Heroin oder Kokain außerhalb der Öffnungszeit oftmals auf der Straße zu sich. Allein die Anzahl der Konsumvorgänge des letzten Jahres für den zu reduzierenden Zeitraum von 10,5 Stunden in der Woche zugrunde gelegt, würde pro Jahr ca. 2.000 mal an anderen Orten Drogen konsumiert werden. Nach Einschätzung von Betroffenen finden sonntags allein am Platz zwischen 10 bis 30 Drogenkonsumvorgänge statt.

 

Die Kontaktmöglichkeiten mit dem Personal während bzw. nach dem Konsum und damit auch die Vermittlungschancen in weiterführende Hilfen durch Beziehungsarbeit werden verringert. Da für die Drogengebraucher nicht jeden Tag gewährleistet ist , dass die Substanz rechtzeitig zu beschaffen ist, kann eine geringere Öffnungszeit dazu führen, dass manche erst gar nicht zum Konsum kommen. Zudem hat das Straßenheroin aufgrund starker Verunreinigung kaum noch Wirkung, sodass einige Heroinabhängige bisher stündlich den Konsumraum aufsuchen. Die Kommunikation über Strategien zur Infektionsvermeidung und zum risikoärmeren Gebrauch würde mit Verkleinerung des Angebots  eingeschränkt.

 

Aachen, 31.08.2006

 

Wolfgang Offermann / Kalle Wilms

Suchthilfe Aachen

 

 

 

Anmerkung zu anderen DKR in NRW: In Köln mit 3 Plätzen und einer täglichen Öffnung von 6 Stunden gibt es Schwankungen der Konsumvorgänge von 650-850 monatlich. Troisdorf hingegen hat mit 4 Plätzen zum Injizieren und 25 Wochenstunden Öffnungszeit einen Vorgang am Tag.

 

Die Zahlen der Einrichtungen in NRW sind nicht vergleichbar, da Konsumvorgänge, Notfälle, Beratung etc. verschieden gezählt, definiert werden.  Die DKR haben unterschiedliche Öffnungszeiten und halten eine unterschiedliche Anzahl von Plätzen ( für intravenösen und inhalativen Gebrauch) vor.

 

 

 

 

 

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