Entscheidungsvorlage - FB 61/0587/WP15

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Planungsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und beauftragt sie konkrete Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten und diese kurzfristig zur Beschlussfassung vorzulegen.

 

Der Bürger- und Beschwerdeausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis. Durch die bereits erfolgte Beratung im Fachausschuss gilt der Antrag als behandelt.

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Erläuterungen

Erläuterungen:

Mit Schreiben vom 29.05.07 stellt die  CDU Fraktion im Rat der Stadt folgenden Antrag zur Tagesordnung des Planungsausschusses am 16.08.07:

“Die Verwaltung soll prüfen, inwiefern die Barrierefreiheit am neu gestalteten Bahnhofsvorplatz gewährleistet ist.”

 

Bereits mit Schreiben vom 13.05.07 wendete sich eine Bürgerin  mit ähnlicher Intention an die Verwaltung und die Politik. In Ihrem Antrag an den Bürger- und Beschwerdeausschuss beklagt die Antragstellerin, dass der Ausbau des Bahnhofplatzes nur unzureichend den Anforderungen an Barrierefreiheit vor allem für Blinde bzw. Seheingeschränkte gerecht werde. Dieser Antrag soll mit identischer Vorlage am 04.09.07 im Bürger- und Beschwerdeausschuss beraten werden.

 

Fragt der Antrag der CDU-Fraktion noch allgemein nach der Berücksichtigung eines barrierefreien Ausbaustandards und impliziert damit, dass beim neu ausgebauten Bahnhofplatz die Belange von Menschen mit Handicap nicht ausreichend Berücksichtigung fanden, geht der Bürgerantrag weiter. Zwar wird anerkannt, dass der ehemals zu stark möblierte und mit Einbauten versehene Vorplatz durch die frei geräumten großzügigen Flächen und die Gestaltung für den Aufenthalt an Qualität gewonnen hat, an der Gesamtplanung und etlichen Ausführungsdetails werden jedoch sehr differenziert Kritikpunkte vor allem für Menschen mit Sehbehinderung formuliert.

 

Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf den Bedürfnissen der Sehbehinderten. Allgemein ist aber zu sagen, dass die heutige Platzgestaltung den Anforderungen auf Barrierefreiheit sehr entgegenkommt. Die Entscheidung für große Flächen aus Natursteinpflaster stellt allerdings für mobilitätseingeschränkte Personen eine erhebliche Komforteinbuße dar.

 

Hintergrund                

 

Der Planungsprozess für den Bahnhofsvorplatz dauerte beginnend mit einem Gutachterverfahren rd. 10 Jahre.  Fertig gestellt und der Öffentlichkeit übergeben wurde der Platz im August 2006 auf der Basis der Ausführungsplanung, die das planende Architekturbüro in einer ARGE erstellt hatte. Die verschiedenen Planungsphasen durchliefen in der Verwaltung und durch die Beratungen in den politischen Gremien diverse Kontrollmechanismen. Auch die Behindertenbeauftragten der Verwaltung waren in den Prozess einbezogen.

Leider war das Thema des barrierefreien bzw. des barrierearmen Bauens der Maßnahmen im öffentlichen Raum in dieser Planungs- und Ausführungsperiode noch nicht in dem Maße als Standard realisiert, wie es dem Anliegen der behinderten Bevölkerungsgruppen angemessen wäre.

 

Obwohl im Artikel 3 des Grundgesetzes der Passus “Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden” enthalten ist und inzwischen durch verschiedene Gesetze und Verordnungen konkretisiert ist, ist die tatsächliche Gleichstellung behinderter Menschen in der Praxis schwer umzusetzen.

So besteht seit 2002 auf Bundesebene das Behindertengleichstellungsgesetz und seit 01.01.2004 das Landesgleichstellungsgesetz. Die Barrierefreiheit öffentlich zugänglicher Gebäude ist im §55 der Bauordnung NRW geregelt. Darüber hinaus gibt die DIN 18024-1 Angaben über “Barrierefreies Bauen von Straßen, Plätzen, Wegen, öffentlichen Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätzen”.

 

Die Stadt Aachen hat sich ebenfalls zum Ziel gesetzt, Barrieren abzubauen und hat aus diesem Grund eine Broschüre mit der Checkliste des Arbeitskreises der Behindertenbeauftragten und -koordinatoren in NRW herausgegeben, in die die Regelungen der vorgenannten DIN eingearbeitet sind. Diese ist seit Mai diesen Jahres auch über Internet als PDF-Datei abrufbar.

Legt man diese Standards zu Grunde, dann ist der Bahnhofsplatz an einigen Stellen unzulänglich und sollte auf eine Nachbesserung hin überprüft werden.

                       

 

 

Handlungsansatz

 

Die Antragstellerin hat in Kooperation mit der Blindenorganisation ProRetina e.V. eine umfängliche Bestandsaufnahme für den Hauptbahnhofvorplatz erarbeitet und  Verbesserungsvorschläge entwickelt.

Hauptkritikpunkt ist das fehlende Leitsystem für Seheingeschränkte auf dem Vorplatz, das an das vorhandene System im Bahnhof, bestehend aus hellen Rillenplatten in dunklem Rahmen,  anknüpfen und über den Platz führend in die anliegenden Straßen weiterleiten soll.

 

Um mit den lokal nebeneinander bestehenden zwei Verbänden der Sehbehinderten Lösungsansätze zu finden hat ein gemeinsamer Ortstermin stattgefunden. Vor Ort wurden zunächst die Bedürfnisse der Sehbehinderten formuliert. Dabei wurde deutlich, dass das  Erfordernis entsprechender Maßnahmen sehr unterschiedlich eingeschätzt wird. Aus diesem Grund fanden mit Hilfe einer Simulationsbrille - diese versetzt eine normalsehende Person in den Zustand eine Sehbehinderten indem die Sehfähigkeit genommen wird und lediglich Hell-Dunkel-Kontraste erkennbar bleiben- und eines Blindenstocks mehrere Testläufe über den Platz statt. Diese Simulation verschaffte den Mitarbeiterinnen der Verwaltung einen wertvollen “Einblick” in die Realität der Sehbehinderten und führte in Ergänzung zu den vorgetragenen Anregungen der Sehbehinderten selbst zu folgendem Ergebnis.

 

Problempunkte und Lösungsansätze

 

Eine Überprüfung und ggf. Anpassung des Bahnhofplatzes an die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Personen - hier mit besonderem Gewicht auf die Anforderungen der Sehbehinderten- kann einerseits erhebliche Auswirkungen auf die derzeitige Gestaltung, die einem hohen optischen Anspruch unterliegt , haben und andererseits mit beachtlichen Kosten, hervorgerufen durch bautechnisch komplizierte Lösungen, verbunden sein. Ziel dieser Erläuterungen ist es, Vorschläge auszuarbeiten, die sowohl den Anforderungen an eine barrierefreie Verbindung Hauptbahnhof -Innenstadt möglichst weit entgegenkommen als auch dem hohen gestalterischen Anspruch an die Platzfläche als Entrée zur Innenstadt Rechnung tragen. Gleichzeitig ist auf einen vertretbaren finanziellen Aufwand zu achten.

 

Generelle Führung

Der Bahnhofvorplatz stellt sich heute als eine weitgehend frei geräumte Fläche dar, die farblich durch das helle Oval in einer insgesamt dunklem Fläche geprägt ist. Das Bedürfnis vom Bahnhof auf direktem Wege in Richtung der beiden Überwege geführt zu werden, kann nicht wie bei Sehenden erfolgen. Auch die Lichtleiste entlang des Steinteppichs kann dieses Bedürfnis nicht abdecken, da sie für eine Wahrnehmung als Leitlinie nicht ausreichend breit ist. Die Funktion der Führung zu den beiden Überwegen kann aber  entlang des Randes des Ovals erfolgen, da hier neben der verschiedenen Rauhigkeit (stocktaktil erfassbar) auch der Kontrast zwischen dem dunklen Natursteinpflaster und dem hellen Oval gegeben ist. Allerdings stellen sowohl der Fahrgastunterstand auf der Westseite als auch die Pferdeskulptur auf der Ostseite  Störfaktoren dar, an denen sich der Sehbehinderte entlang tasten muss, um dann weiter bis zum Fahrbandrand an den Überwegen zu gelangen.

Im Prinzip ist der Rand zwischen dem hellen, glatten Oval und der dunklen, rauhen Pflasterflächen ein Element das zur Führung sehbehinderter Personen zwar nicht optimal aber geeignet ist.

 

Fahrbahnrand

Am östlichen Überweg stellt die fehlende ertastbare Kante, die i.d. R. durch den abgesenkten Bordstein mit einer Höhendifferenz von 3-4cm gewährleistet ist, ein ernsthaftes Risiko dar. Der Steinteppich, der vom Bahnhofsausgang in die Bahnhofstraße führt, ist mit seiner Nullabsenkung zwar für Mobilitätseingeschränkte optimal, für Sehbehinderte aber kritisch. Die Idee, den Sehbehinderten den Gefahrenpunkt “Fahrbahnrand” wegen der fehlenden Bordsteinkante durch Metallnägel zu verdeutlichen, bringt nicht den beabsichtigten Effekt, da diese kaum ertastbar sind. Hier ist eine Nachbesserung erforderlich.

An dieser Stelle muss eine geeignete Lösung erarbeitet werden.

 

Signalanlagen

Sehbehinderte Menschen, die sich der Hilfe eines ausgebildeten Blindenhundes bedienen, sind darauf angewiesen, dass dieser Elemente im Straßenraum wieder erkennt, auf die er trainiert ist. Dies bezieht sich z.B. auf das Auffinden von Signalanlagen. Auf den Befehl “Such Ampel” sucht der Hund entlang eines Bordsteins. Deshalb stellen die in Bezug auf das Oval und die Überwege verschieden angeordneten Signalmasten in ihrer heutigen Anordnung ein Problem dar.

Die Signalanlagen selbst sind bereits heute mit Taktgebern (akustisches Signal) und Vibrationsgebern ausgestattet. Die akustischen Signale sind aber wegen des hohen Lärmpegels der Umgebung nur sehr begrenzt wahrnehmbar.

Die Nachbesserung der Signalanlagen selbst ist technisch (die Ausrichtung der Lautsprecher und die lautere Einstellung, möglicher Konflikt mit Anwohnern) und finanziell einfach zu realisieren. Ein Versetzen der Maste am östlichen Überweg ist dagegen mit Kosten verbunden, die zur Zeit noch ermittelt werden.

 

Bushaltestellen

Sehbehinderte sind zwangsläufig auf die Nutzung des ÖPNV angewiesen. Deshalb ist das sichere Auffinden der Haltestellen für sie von extrem hoher Bedeutung. An den Haltestellen fehlt eine taktiles Element, das die Haltestelle verdeutlicht. Der Hochbord selbst kann diese Funktion entgegen der Einschätzung der verantwortlichen Planer nicht übernehmen. Deshalb  wird die Nachrüstung eines im Sicherheitsabstand parallel zum Fahrbahnrand zu erfassenden stocktaktilen Merkmals gewünscht.

Ein nachträglicher Einbau taktiler Elemente  in die vorhandene Betonfläche ist mit hohem Aufwand verbunden. Eine Lösung ist bisher noch nicht bekannt. Dazu sind noch weitere Erkundungen erforderlich.

 

Alternative

Für den Westausgang des Bahnhofs ergibt sich der Bedarf einer separate Führung zum Überweg, wenn dieser als Alternative zu der ungeleiteten Wegeführung mitten über den Platz genutzt werden sollte. Hier könnte der ergänzende Einbau einer ertastbaren Leitlinie in die Basaltkleinpflasterflächen zwischen Bahnhofsgebäude und Zollamtsgebäude und die Weiterführung am Gebäude entlang  zum westlichen Überweg eine sinnvolle und praktikable Lösung sein, die aber noch im Detail ausgearbeitet und kalkuliert werden muss.

 

Fazit

 

Die Verwaltung beabsichtigt Elemente zur Verbesserung der Situation für Sehbehinderte am Bahnhofplatz auszuarbeiten und mit den Organisationen unter Hinzuziehung eines Mobilitätstrainers zu erörtern. Sie beabsichtigt bei zukünftigen Planungen im öffentlichen Raum, Betroffenengruppierungen bzw. professionelle Betreuer frühzeitig in den Planungsprozess einzubeziehen.

 

 

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Anlagen

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