Entscheidungsvorlage - E 18/0157/WP15

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Rat beschließt die beigefügte Resolution zum Abfallwirtschaftsplan NRW, Teilplan Siedlungsabfälle (LAP) an die Landesregierung und beauftragt Herrn Oberbürgermeister Dr. Linden diese der Landesregierung vorzulegen.

Der Rat bittet die Landtagsabgeordneten der Stadt Aachen, diese Resolution bei der Landesregierung zu unterstützen.

 

 

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Erläuterungen

Erläuterungen:

In der Sitzung des AWA Aufsichtsrates am 19.06.2009 haben sich die Gesellschafter und dort vertretenen Politiker aller Fraktionen für eine gemeinsame Resolution von AWA und ZEW  ausgesprochen.

 

Resolution der Gesellschafter

und des Aufsichtsrates der

AWA Entsorgung GmbH, Eschweiler

an

die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen

 

1. Gesellschafter und Aufsichtsrat der AWA Entsorgung GmbH fordern die Landesregierung NRW auf, den von ihr vorgelegten Entwurf des Abfallwirtschaftsplans NRW, Teilplan Siedlungsabfälle (LAP) aufzugeben und zu der bisherigen Praxis, wie sie durch den Abfallwirtschaftsplan im Regierungsbezirk Köln festgelegt war, zurückzukehren, der eine verbindliche Zuweisung der beseitigungspflichtigen Abfälle der Kreise bzw. kreisfreien Städte zu den einzelnen Hausmüllverbrennungsanlagen vorsieht. Die Landtagsabgeordneten der Region werden aufgefordert, bei der Landesregierung entsprechend zu intervenieren.

 

2. Gesellschafter und Aufsichtsrat der AWA Entsorgung GmbH bitten die Landesregierung NRW dringend darum, die Planungs- und Investitionssicherheit für die MVA Weisweiler sicherzustellen und zu gewährleisten, dass die Randbedingungen zur Auslastung der Müllverbrennungsanlage Weisweiler bis auf Weiteres beibehalten werden, um Gebührenerhöhungen im Gebiet des Zweckverbandes Entsorgungsregion West (Kreis Aachen, Kreis Düren, Stadt Aachen) zu verhindern.

 

3. Die Landesregierung NRW wird dringend gebeten, das Aufstellungsverfahren für den Landesabfallplan auszusetzen. Das Aufstellungsverfahren darf erst nach Umsetzung der novellierten EU-Abfallrahmenrichtlinie vom 19.11.2008 in deutsches Recht (Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes) wieder aufgenommen werden.

Andernfalls wären die von der Landesregierung vorgesehenen Regelungen europarechtswidrig.

 

4. Die Landesregierung wird aufgefordert, vor Wiederaufnahme der Planung für einen neuen Landesabfallplan eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der EU-Wettbewerbskommission einzuholen, dass der mit dem LAP vorgesehene Wettbewerb der 16 MVAs in NRW untereinander auf den Bereich des Landes NRW tatsächlich begrenzt werden darf. Ohne diese Erklärung besteht ein erhebliches Risiko, dass durch den LAP nicht nur ein – u.E. sehr problematischer – landesweiter „Mülltourismus“ gefördert wird, sondern dieser sogar bundesweite oder europaweite Dimensionen annehmen kann.

 

Ein neuer Landesabfallplan darf auf keinen Fall vor Vorlage einer solchen Unbedenklichkeitsbescheinigung der EU-Wettbewerbskommission in Kraft gesetzt werden.

 

 

Begründung:

 

Nach ihren eigenen Ausführungen in der o.g. Landtags-Vorlage möchte die Landesregierung die „Marktmechanismen“ in der Abfallbeseitigung stärken. Anders als bisher u.a. im Regierungsbezirk Köln durch den Abfallwirtschaftsplan vorgeschrieben, plant die Landesregierung den in den einzelnen Kreis- und kreisfreien Städten anfallenden Hausmüll nicht mehr bestimmten Hausmüllverbrennungsanlagen (MVA) oder mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen (MBA) zuzuweisen. Stattdessen – so die Vorstellung der Landesregierung – soll es um den Hausmüll einen Wettbewerb aller Entsorgungsanlagen geben.

 

Die Folge eines solchen „Wettbewerbs“ wären ein ruinöser Preiskampf um Müllmengen zwischen den MVA/MBA auf Kosten von Umweltstandards und ein neuer Mülltourismus quer durch das ganze Land, denn es wird dann nicht mehr in der räumlich nächsten, sondern in der billigsten Anlage entsorgt. Im Ergebnis wird auch nicht mehr nachvollziehbar sein, welcher Hausmüll in welchen Anlagen entsorgt wird.

 

Damit wird in Kauf genommen, dass beim Hausmüll ähnliche Zustände eintreten wie sie heute schon beim Gewerbemüll herrschen: Durch dessen Deklaration als „Abfall zur Verwertung“ sind die Verursacher dem Anschluss- und Benutzungszwang enthoben und können sich den billigsten Entsorgungsweg für ihren Müll aussuchen. Die Folgen sind umweltfeindlicher und Klima schädigender Mülltourismus auf unseren Straßen und das Entstehen von obskuren Entsorgungskanälen außerhalb der öffentlichen Müllentsorgung, z.B. in Kraft- und Zementwerken, Deponien im Ausland u.a., mit mindestens fragwürdigen Umweltstandards.

 

Durch den jetzt vorgelegten Landesabfallplan würden diejenigen Kommunen belohnt, die in der Vergangenheit untätig geblieben sind. Hingegen werden die Kommunen, die Anfang der 90er Jahre zum Bau von teuren Müllverbrennungsanlagen gezwungen wurden – obwohl es damals bereits berechtigte Kritik an der Überdimensionierung gab – jetzt belastet und zur drastischen Erhöhung der Müllgebühren gezwungen sein.

 

So betreibt die Städteregion Aachen gemeinsam mit dem Kreis Düren unter dem Dach des „Zweckverbandes Entsorgungsregion West (ZEW)“ die MVA Weisweiler. Durch Abschreibung, Zinsen, Tilgung etc. verursacht die MVA Fixkosten, die GebührenzahlerInnen unabhängig von der dort verbrannten Müllmenge aufbringen müssen. Andere Kreise und Städte haben solche kostenträchtigen Investitionen nicht getätigt und zur Entsorgung ihrer Abfälle vorhandene Kapazitäten in den Anlagen anderer Gebietskörperschaften genutzt. Für den ZEW bzw. die AWA bedeutet das: Derzeit liefern Stadt Aachen und Kreise Aachen Düren und Heinsberg jeweils etwa 40.000 bis 50.000 Tonnen Hausmüll pro Jahr in der MVA Weisweiler an.

Würde der Landesabfallwirtschaftsplan in Kraft gesetzt, könnte beispielsweise der Kreis Heinsberg, anders als Aachen und Düren, die über ZEW/AWA die MVA betreiben, in einer andere – zwar viel weiter entfernte, aber vielleicht billigere – MVA liefern. Dem ZEW/AWA fehlten dann die Einnahmen aus dem Hausmüll des Kreises Heinsberg, die durch entsprechende Gebührenerhöhungen in der Städteregion Aachen und im Kreis Düren aufgefangen werden müssten.

In der neuen EU-Abfallrahmenrichtlinie, die in deutsches Recht bis zum 12.12.2010 umgesetzt werden muss, wird in Artikel 28 Abs. 1 von den Mitgliedsstaaten gefordert, dass entsprechende Abfallwirtschaftspläne aufzustellen sind. Hierbei stellt die Richtlinie den Umweltschutz bei der Abfallwirtschaftsplanung neben den Schutz der menschlichen Gesundheit als wichtiges Ziel heraus.

Die Abfallwirtschaftsplanung soll nach Art. 28 Abs. 2 AbfRRl ferner die Erfüllung der Ziele und der Bestimmungen der Richtlinie umsetzen. Es ist zunächst erklärtes europäisches Ziel, dass die Gemeinschaft insgesamt zu einer Autarkie bei der Abfallbeseitigung und bei der Verwertung von gemischten Siedlungsabfällen aus privaten Haushaltungen gelangt und jeder Mitgliedstaat dieses Ziel jeweils für sich erreichen kann.

Hierfür ist ein Kooperationsnetz für Abfallbeseitigungsanlagen und Anlagen für die Verwertung von gemischten Siedlungsabfällen aus privaten Haushaltungen aufzubauen (Erwägungsrund 32 der RL).

Neben dem Prinzip der Entsorgungsautarkie zählt hier vor allem auch die Stärkung des Prinzips der Nähe, das in Art. 16 AbfRRl seinen – vom  Regelungsumfang her - erweiterten Niederschlag gefunden hat.

Denn nach Art. 16 AbfRRl neuer Fassung haben die Mitgliedstaaten Maßnahmen zu treffen, um ein integriertes und angemessenes Netz von  Abfallbeseitigungsanlagen und Anlagen zur Verwertung von gemischten  Siedlungsabfällen, die von privaten Haushaltungen eingesammelt worden sind, zu erreichen.

Gemischte Siedlungsabfälle aus Haushalten und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle fallen damit auch künftig immer unter die Grundsätze der von der EU vorgesehenen Entsorgungsautarkie und der Nähe. Sie unterliegen damit auch zukünftig dem Anschluss- und Benutzungszwang, unabhängig davon, ob sie unter Beachtung der Entsorgungshierarchie als Beseitigungsabfälle in eine Beseitigungsanlage oder als Verwertungsabfälle in eine Verwertungsanlage gelenkt werden sollen. Zukünftig wird es also nicht mehr darauf ankommen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Abfallmengen thermisch behandelt werden. Allein die Deklaration als Abfall zur Beseitigung oder als Abfall zur Verwertung führt nicht dazu, dass man sich dem Anschluss- und Benutzungszwang entziehen kann.

Diese für die Auslastung aller Müllverbrennungsanlagen wichtigen Grundsätze sind von der Abfallrahmenrichtlinie grundsätzlich vorgegeben. Bei der Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht sind die Bundesregierung sowie Bundestag und Bundesrat an die Vorgaben der EU gebunden. Da aber die genaue Ausgestaltung des Bundesgesetzes unbekannt ist, soll das Aufstellungsverfahren für den Landesabfallplan ausgesetzt werden, bis die Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt ist.

Im Gegenteil ist zu erwarten, dass eine Missachtung dieser Grundsätze der Abfallrahmenrichtlinie zur rechtlichen Anfechtbarkeit oder zur kurzfristigen Anpassung des LAP an das neue Bundesrecht führen würde.

Das MUNLV wertet derzeit alle Siedlungsabfälle als Abfälle zur Verwertung, da die NRW-Müllverbrennungsanlagen auf Grund der Konsensvereinbarung Verwerterstatus haben. Deswegen könne man nach Auffassung des MUNLV Zuweisungen nur noch für Abfälle zur Beseitigung aussprechen. Auch eine Verbindlicherklärung des gesamten Abfallwirtschaftsplans sei derzeit nicht möglich.

Umso einfacher ist die unmittelbare Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie anwendbar, die die sog. behandlungspflichtigen Abfälle (Hausmüll, hausmüllähnliche Gewerbeabfälle, kommunaler Sperrmüll etc.) bereits heute sinnvoll regelt.

Insgesamt ist es Ziel der neuen AbfRRL, die Mitgliedstaaten dazu zu bringen, den Schwerpunkt auf die Reduzierung der Umweltauswirkungen von Abfallerzeugung und -bewirtschaftung zu setzen (Erwägungsgrund 8 der RL).

Die AbfRRl verfolgt des Weiteren das Ziel, dass Inhalt und Umfang der Anforderungen an die Abfallwirtschaftsplanung der Mitgliedstaaten genauer festzulegen sind. Hierbei besteht die Notwendigkeit, die Umweltfolgen der Abfallerzeugung und -bewirtschaftung zu berücksichtigen und in das Verfahren der Abfallwirtschaftsplanung zu integrieren (Erwägungsgrund 37 der RL).

Eine Abfallwirtschaftsplanung, die vor allem zu erhöhtem Mülltourismus und damit verbundenen Emissionen führt, konterkariert diese Zielsetzungen grundsätzlich und verfehlt zudem auch die Zielsetzungen des Klimaschutzes, die von der Landesregierung ausdrücklich auch mit der Abfallpolitik verfolgt werden sollen.

Nach Vorstellung des vom MUNLV beauftragten juristischen Gutachtens durch Prof. Dr. Beckmann, Münster, anlässlich des Fachgespräches am 29.05.2009 in Duisburg bestehen seitens der AWA Entsorgung GmbH durchgreifende Bedenken, dass der von der Landesregierung vorgesehene Wettbewerb der Müllverbrennungsanlagen untereinander auf das Land NRW tatsächlich begrenzt werden kann. Da die Landesregierung keine Verbindlichkeit des LAP für das Gebiet von NRW insgesamt vorsieht, stößt die vergaberechtliche Begrenzung auf das Land NRW auf bisher nicht ausgeräumte juristische Bedenken.

Juristische Randbedingungen, zu denen eine Begrenzung des Marktes auf NRW ohne Verbindlichmachung des Abfallwirtschaftsplanes möglich sein sollen, wurden von Herrn Prof. Dr. Beckmann, nicht genannt. Das – von Landesmitteln finanzierte - Gutachten selbst ist bisher nicht veröffentlicht. Zur Transparenz gehört es, das Gutachten zu veröffentlichen.

Die räumliche Zuweisung von Müll ist nach der Abfallrahmenrichtlinie der EU nur zu den dort genannten Bedingungen zulässig (enge regionale und räumliche Begrenzung).

 

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