Entscheidungsvorlage - FB 01/0076/WP16

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

 

1.       Die Wahl des Integrationsrates der Stadt Aachen vom 07.02.2010 wird für ungültig erklärt.

2.       Die Wiederholung der Wahl des Integrationsrates der Stadt Aachen wird angeordnet.

3.    Änderungen der Wahlvorschläge und des Wählerverzeichnisses werden nicht angeordnet.

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Erläuterungen

Erläuterungen:

Zunächst wird auf die Vorlage für die Sitzung des Wahlprüfungsausschusses am 28.04.2010, die als Anlage beigefügt ist, Bezug genommen.

 

In der v.g. Sitzung hatte der Wahlprüfungsausschuss beschlossen, zunächst das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten und danach einen neuen Termin für eine  abschließende Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses bis spätestens 26.05.2010 festzusetzen.

 

Zwischenzeitlich hat die Staatsanwaltschaft das Ergebnis ihrer Ermittlungen mitgeteilt.

 

Die Staatsanwaltschaft hat über das Polizeipräsidium Aachen ein Vergleich zwischen den Unterschriften auf den Anträgen auf Erteilung eines Wahlscheines sowie auf den mit den Stimmzetteln übersandten Wahlscheinen und Unterschriften auf offiziellen Dokumenten, die von den Wahlberechtigten stammen (z.B. eigenhändig unterschriebene Anträge und/oder Ausweispapiere), vorgenommen. Ein anonymisierter Auszug des Aktenvermerks der Kriminalpolizei ist als Anlage beigefügt.

 

Hiernach weichen 62 Unterschriften auf den Wahlscheinen von Unterschriften der Wahlberechtigten auf offiziellen Dokumenten ab.

 

Des Weiteren weichen 9 Unterschriften auf den Anträgen auf Erteilung eines Wahlscheines von Unterschriften der Wahlberechtigten auf offiziellen Dokumenten ab.

 

Weitere beweisbare Aussagen, insbesondere welche Listen von den Unregelmäßigkeiten betroffen sind, lassen sich aufgrund des Wahlgeheimnisses nicht treffen.

 

Nach dem in § 42 Abs. 1 KWahlG NRW geregelten Maßstab ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass es ernstzunehmende Gründe für die Annahme gibt, dass die Wahl bei ordnungsgemäßem Ablauf möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

Notwendig ist deshalb die reale Möglichkeit einer anderen Sitzverteilung; daran fehlt es, wenn nach der Lebenserfahrung und den konkreten Fallumständen Auswirkungen der Unregelmäßigkeit auf das Wahlergebnis praktisch so gut wie auszuschließen sind, ganz fern liegen, höchst unwahrscheinlich erscheinen oder sich gar als lebensfremd darstellen.

 

Hat sich bei der Wahl eine Mehrheit für eine bestimmte Sitzverteilung ergeben, so muss eine Unregelmäßigkeit von solchem Gewicht sein, dass sie das Wahlergebnis beziehungsweise die Sitzverteilung ernstlich als zweifelhaft erscheinen lässt. Je eindeutiger die Mehrheitsverhältnisse sind, um so gravierender muss der Wahlfehler sein, damit ihm Auswirkungen auf das Wahlergebnis beigemessen werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02. April 1974 - 2 BvP 1, 2/71 - , BVerfGE 37, 84.

 

Ferner ist zu beachten, dass das Wahlprüfungsverfahren dem so genannten Anfechtungsprinzip unterliegt, wonach Wahlen nicht generell auf die Einhaltung der Wahlvorschriften, sondern nur so weit überprüft werden, wie der Einspruch reicht (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Dezember 1971 – 3 A 35/71 – OVGE 27, 209 und Beschluss vom 11. März 1966 – 3 A 1039/65 – OVGE 22, 141; VG Aachen, Urteil vom 13. Mai 2004 – 4 K 1142/02).

 

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien liegen die Voraussetzungen für eine Ungültigkeitserklärung der Wahl des Integrationsrates vom 07.02.2010 vor.

 

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass durch die vom Wahlberechtigten abzugebende Versicherung an Eides statt und die damit verbundene Strafandrohung sichergestellt werden soll, dass nicht sonstige Personen anstatt des Wahlberechtigten wählen oder die Wahl des Wahlberechtigten unzulässig beeinflussen und damit das Wahlergebnis verfälscht wird.

 

Auf diese Wahlgrundsätze hat der Fachbereich 01/Wahlen alle Wahlkandidaten und die Vertrauenspersonen der Wahlvorschläge ausdrücklich mit Schreiben vom 14.01.2010 hingewiesen.

 

Nachdem nunmehr feststeht, dass 62 Unterschriften auf den Wahlscheinen nicht von den Wahlberechtigten stammen, ist nicht mehr gewährleistet, dass in diesen Fällen bei der Stimmabgabe die elementaren Wahlgrundsätze eingehalten worden sind.

 

Der Verstoß kann auch das Wahlergebnis beeinflusst haben.

 

Nach den Berechnungen des Fachbereiches 01/Wahlen führt ein Abzug von 9 Stimmen bei der Liste 4 (Aachen Türk Toplumu – Türkische Gemeinde in Aachen) zu einem Losentscheid über den 14. Sitz zwischen den Listen 4 und 10 (Initiative für Bildung).

 

Angesichts der deutlichen Anzahl der nicht von den Wahlberechtigten unterschriebenen Wahlscheine, erscheint es nicht lebensfremd, dass die Liste 4 von diesen Unregelmäßigkeiten in einem Umfang von mindestens neun Stimmen betroffen ist.

 

Die Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl des Integrationsrates sind auch damit begründet worden, dass „das Ergebnis der Wahl des Integrationsrates […] signifikante Auffälligkeiten hinsichtlich der per Briefwahl abgegebenen Stimmen [zeige]“.

Eine Wiederholungswahl ist auf Anordnung der Vertretung oder des Wahlprüfungsgerichts durchzuführen, wenn in einem Stimmbezirk bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus den Reservelisten von entscheidendem Einfluss gewesen sein können (§ 40 Abs. 1 Buchst. b, § 42 Abs. 1 KWahlG).

Die Wiederholungswahl ist so bald wie möglich, spätestens vier Monate nach rechtskräftiger bzw. unanfechtbar gewordener Feststellung der Ungültigkeit der Hauptwahl, abzuhalten.

Sie wird grundsätzlich nach denselben Wahlvorschlägen und nach denselben Wählerverzeichnissen durchgeführt, die für die als ungültig erklärte Hauptwahl gegolten haben. Dadurch ist das sog. Rekonstruktionsprinzip der Wiederholungswahlen gewährleistet.

Ferner ist es der Entscheidung im Wahlprüfungsverfahren vorbehalten, im Einzelfall besondere Anordnungen für die Durchführung der Wiederholungswahl zu treffen.

Hierzu zählt insbesondere, ob für eine Wiederholungswahl Einschränkungen bei den Wahlvorschlägen angeordnet werden. Dies wäre dann zu erwägen, wenn ein Wahlkandidat bzw. eine zur Wahl gestellte Liste nachweislich für die Unregelmäßigkeiten verantwortlich gewesen ist.

Für eine derartige Anordnung liegen keine belastbaren Informationen über Manipulationen von Wahlkandidaten bzw. Vertreter der Wahllisten vor.

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Anlagen

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