Kenntnisnahme - E 18/0082/WP16
Grunddaten
- Betreff:
-
Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG)
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- E 18 - Aachener Stadtbetrieb
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Betriebsausschuss Aachener Stadtbetrieb
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Kenntnisnahme
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27.03.2012
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Beschlussvorschlag
Beschlussvorschlag:
Der Betriebsausschuss nimmt die Ausführungen des Aachener Stadtbetriebes zu den Änderungen des Kreislaufwirtschaftgesetzes zur Kenntnis.
Im Hinblick auf die Einführung einer Wertstofftonne beschließt der Betriebsausschuss auf Empfehlung des Aachener Stadtbetriebes aufgrund der unklaren Rechtslage und der damit verbundenen rechtlichen, prozessualen und finanziellen Risiken für die Stadt Aachen zunächst die weitere Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens zum Wertstoffgesetz abzuwarten und derzeit noch keine kommunale Wertstofftonne einzuführen.
Erläuterungen
Erläuterungen:
Am 09. und 10.02.2012 haben Bundestag und Bundesrat dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz zugestimmt.
Am 29.02.2012 ist das Kreislaufwirtschaftsgesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, sodass es zum 01.06.2012 in Kraft treten kann.
Nachstehend werden die für die Stadt Aachen als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger wesentlichen Gesetzesänderungen unter besonderer Würdigung der derzeitigen Rahmenbedingungen zur Einführung einer Wertstofftonne dargestellt.
I. wesentliche Gesetzesänderungen
Bis zum Jahr 2020 sollen 65 Prozent aller Siedlungsabfälle recycelt und 70 Prozent aller Bau- und Abbruchabfälle stofflich verwertet werden.
Durch die Einführung einer 5-stufigen Abfallhierachie orientieren sich die Pflichten der Abfallerzeuger und -besitzer zukünftig konsequent am Vorrang der Vermeidung und des Recyclings. Beide Seiten müssen die beste ökologische Option für die jeweilige Abfallart wählen.
In diesem Zusammenhang ist eine Überprüfung und ggf. Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes erforderlich. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die bestehenden Entsorgungswege noch dem Hochwertigkeitsgebot des § 8 KrWG entsprechen.
Mit der Pflicht zur getrennten Sammlung von Bioabfällen sowie von Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfällen ab dem Jahr 2015 schafft das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz die maßgeblichen Voraussetzungen für weiter steigende Recyclingquoten.
Bei der Bioabfallsammlung ist zu prüfen, ob der Anschlussgrad ausreicht, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen (Stichwort: Flächendeckung). Ebenfalls ist der Umgang mit Eigenkompostierern zu hinterfragen (Stichwort: Kleinere Pflichtbiotonne auch für Eigenkompostierer?).
Im Hinblick auf die Getrenntsammlungsgebote für Papier, Metall, Kunststoff und Glas ist zu prüfen, ob das derzeitige Abfallwirtschaftskonzept die Getrenntsammlungsgebote bereits hinreichend berücksichtigt. Wenn nein, ist dort nachzubessern, es sei denn, eine Anpassung ist technisch unmöglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar.
Weiterhin ermöglicht das Gesetz in einem zweiten Schritt die rechtlichen Regelungen für die Einführung einer Wertstofftonne oder einer einheitlichen Wertstofferfassung in vergleichbarer Qualität zu treffen.
Darüber hinaus werden durch das Gesetz unnötige Bürokratielasten abgebaut und gleichzeitig die behördliche Überwachung der Abfallwirtschaft gestärkt.
Der durch das Gesetz gefundene Ausgleich zwischen öffentlicher und privater Entsorgungswirtschaft trägt auch den Vorgaben des EU-Wettbewerbsrechts Rechnung.
Wenn die Kommune die Wertstoffe der Haushalte selbst effizient erfasst und hochwertig verwertet, soll sie durch gewerbliche Sammlungen nicht daran gehindert werden.
Wenn sie dieses Angebot nicht machen kann oder will, kann sie ein besseres Serviceangebot des gewerblichen Sammlers an die Haushalte nicht verhindern.
Die Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger werden auch weiterhin die Verantwortung für die Entsorgung der Abfälle aus privaten Haushalten haben.
Gewerbliche Sammlungen sind möglich, müssen jedoch den zuständigen Behörden angezeigt werden.
Wenn die Funktionsfähigkeit, Planungssicherheit oder Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährdet ist, kann eine gewerbliche Sammlung untersagt werden.
Ressourceneffiziente, haushaltsnahe kommunale Sammlungen, wie etwa blaue Tonne, und sonstige hochwertige kommunale Entsorgungssysteme, wie etwa effiziente Wertstoffhöfe, werden vor der Konkurrenz der Sammler besonders geschützt.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass alle Versuche, mittels der gewerblichen Sammlung eine Liberalisierung der Hausmüllentsorgung durchzusetzen, gescheitert sind. Obwohl mit § 3 Abs. 18 KrWG der restriktive Sammlungsbegriff des Bundesverwaltungsgerichts aus seinem Altpapierurteil vom 18.06.2009 wieder außer Kraft gesetzt wird, sind die Hürden für gewerbliche Sammlungen in § 17 Abs. 3 KrWG so hoch, dass im Ergebnis von einem Erhalt des Status Quo gesprochen werden kann.
Die gewerbliche Sammlung bleibt somit ein sehr eng umgrenzter Ausnahmetatbestand von der grundsätzlich geltenden Überlassungspflicht für Abfälle aus privaten Haushaltungen.
Auf Grund der im Vermittlungsverfahren weiter präzisierten Formulierungen ist nunmehr auch ein Niveau an Rechtssicherheit erreicht, das den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern eine verlässliche Planungssicherheit bei der Weiterentwicklung ihrer Erfassungs- und Recyclingstrukturen gewährleistet.
II. Wertstofferfassung
Die Ausgestaltung der Wertstofferfassung ist Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens für ein neues Wertstoffgesetz. Dieses Gesetzgebungsverfahren wird mit der Vorlage der entsprechenden Eckpunkte des Bundesumweltministeriums beginnen. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass dieses Gesetzgebungsverfahren in der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen werden wird. Die laufende Wahlperiode wird daher eher für entsprechende Vorarbeiten für ein neues Wertstoffgesetz genutzt werden müssen.
A) Aktuelle Sachlage
In jüngster Vergangenheit haben einige Kommunen bereits Wertstofftonnen eingeführt. Eine Reihe weiterer Kommunen betreibt Planungen zur Einführung einer Wertstofftonne.
Organisation und Trägerschaft sind dabei in den einzelnen Kommunen teilweise unterschiedlich ausgestaltet. Zudem unterscheiden sich auch die Zusammensetzungen der in den einzelnen Wertstofftonnen erfassten Materialien und die Regelungen zur Miterfassung von Verpackungen.
Da der Gesetzgeber bislang weder über Inhalt noch über Trägerschaft einer Wertstofftonne entschieden hat, sind mit einer derzeitigen Einführung einer Wertstofftonne zahlreiche rechtliche Probleme, insbesondere vergaberechtlicher und wettbewerbsrechtlicher Natur, verbunden, die durch das Nebeneinander von gebührenfinanziertem kommunalem System und durch Lizenzentgelte finanzierten dualen Systemen bedingt sind.
B) Kommunale Strategie
Aus Sicht der kommunalen Entsorgungswirtschaft und der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger scheint ein zweigleisiges Vorgehen ratsam.
Zum einen muss in dem anstehenden Gesetzgebungsverfahren die kommunale Position bestimmt und argumentativ untermauert und akzentuiert werden. Insbesondere der Aspekt der Bedeutung der kommunalen Organisationshoheit bei der Ausgestaltung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie der Abfallwirtschaft, sollte herausgestellt werden.
Parallel zu dieser politischen Positionierung müssen konkrete Handlungsoptionen für die operativ tätigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entwickelt werden.
C) Handlungsoptionen für die kommunale Entsorgungswirtschaft
Als Handlungsoptionen für die kommunale Entsorgungswirtschaft kommen verschiedene Alternativen in Betracht.
Die Einführung einer Wertstofftonne unter kommunaler Trägerschaft sollte in erster Linie einvernehmlich mit den Systembetreibern durch das Angebot einer Mitbenutzung eingeführt werden. Eine gerichtliche Durchsetzung des bestehenden Mitbenutzungsanspruchs nach § 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV empfiehlt sich zurzeit nicht.
Falls die Systembetreiber die Mitbenutzung ablehnen, kommt auch die parallel Einführung einer ausschließlich kommunalen Wertstofftonne, in der nur überlassungspflichtige Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushalten sowie tatsächlich überlassene Abfälle (Verpackungen) erfasst werden, in Frage.
Als dritte Option schließlich kommt auch die Mitbenutzung eines privaten Erfassungssystems der Systembetreiber durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in Betracht, diese Möglichkeit ist nach der 5. Novelle der VerpackV ausdrücklich eingeräumt. Allerdings bedarf diese Variante einer sorgfältigen Prüfung, da hier die Gefahr besteht, dass die kommunale Entsorgungszuständigkeit für Verwertungsabfälle aus privaten Haushalten aufgrund des fehlenden Zugriffs auf diese Fraktion ausgehöhlt wird.
Diese grundsätzlich in Betracht kommenden Optionen muss jeder öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und jedes kommunale Unternehmen für sich im Einzelfall prüfen.
D) Weiteres Vorgehen
Nach der Entscheidung für eine der oben dargestellten Varianten ist ein Umsetzungskonzept mit den erforderlichen rechtlichen Anpassungen zu erstellen.
Die Einführung einer einheitlichen Wertstofftonne bedarf neben einer Anpassung der Abstimmungs-vereinbarungen mit sämtlichen Systembetreibern der Anpassung der jeweiligen Abfallentsorgungssatzung, der Abfallgebührensatzung, des Abfallwirtschaftskonzeptes und ggf. weiterer zivilrechtlicher Verträge.
Daran schließt sich eine Vorbereitungs- und schließlich die Durchführungsphase an.
E) Empfehlung
Die Einführung der einheitlichen Wertstofftonne durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger berührt eine Reihe rechtlicher Aspekte, insbesondere des Abfall-/Verpackungsrechts, des Kartell-, des Gebühren- und des Vergaberechts.
Aufgrund der unklaren Rechtslage und der damit verbundenen rechtlichen, prozessualen und finanziellen Risiken für die Stadt Aachen sollte man nicht dem Fehler der Überaktivität verfallen und übereiltes Handeln einem sinnvollen Abwarten vorziehen.
Daher empfiehlt der Aachener Stadtbetrieb zunächst die weitere Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens zum Wertstoffgesetz und weiterer notweniger Gesetzesänderungen (z.B. Landesabfallgesetz) abzuwarten und derzeit noch keine kommunale Wertstofftonne einzuführen. Dies entspricht im übrigen auch der derzeitgen Empfehlung des Dachverbandes für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (VKS im VKU).