Entscheidungsvorlage - FB 61/0764/WP16

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Mobilitätsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis. Die Anträge der SPD-Fraktion vom 21.09.2011, 11.10.2011 und 13.12.2011gelten damit als behandelt.

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Erläuterungen

Erläuterungen:

 

1. Anlass

Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt hat verschiedene Anträge eingereicht, die sich mit der Ausgestaltung des Bewohnerparkens in Aachen beschäftigen.

 

Im Antrag zur adressbezogenen Bewirtschaftung von Bewohnerparkzonen wird die Problematik der „Randbereiche“ der einzelnen Bewohnerparkzonen angesprochen. Bewohner, die in einem solchen Randbereich wohnen, können nicht in den angrenzenden Randbereichen anderer Zonen auf ihre Parkberechtigung zurück greifen, bei der Suche nach Parkplätzen innerhalb einer Zone müssen demnach weitere Zu- und Abgangswege in Kauf genommen werden. Für Abhilfe könnte hier ein individuelles System sorgen, das auf z.B. QR-Code-basierte Ausweise zurück greifen und mithilfe der GPS-Ortung der Überwachungsgeräte der Kontrollkräfte im Straßenraum überprüft werden könnte.

 

Der Antrag „Differenziertes Modell für das Bewohnerparken“ zielt darauf ab, das bisherige Modell zur Einrichtung von Bewohnerparkzonen differenzierter anzuwenden. Dabei sollen die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Stadtviertel besser berücksichtigt werden.

Begründet wird der Antrag mit den unterschiedlichen Strukturen, die in den Vierteln jenseits des Alleenrings existieren. Die dortigen „vielen kleinen Handwerksbetriebe“ hätten keinen Zugang zu Alternativangeboten wie dem Jobticket, sodaß ein Umstieg auf den ÖPNV erschwert werde. Und auch andere Interessengruppen hätten berechtigte Interessen, die eine Änderung sinnvoll erscheinen ließen. Als konkrete Änderungen werden die Anpassung der Bedienzeiten z.B. auf 17:00 – 09:00 Uhr, die Ausgabe von Besucherausweisen oder die Vergabe einer kleinen Anzahl von zeitlich begrenzten Parkberechtigungen an Unternehmen genannt.

 

Im Antrag zur „Einrichtung neuer Bewohnerparkzonen“ wird im Wesentlichen der Prozess der Planung und Einrichtung der Zonen hinterfragt. Explizit wird eine neue, bürgerfreundlichere Vorgehensweise gewünscht. Nach Erhebung der Grundlagendaten sollen Bedarf, Konzeptentwurf und Bewirtschaftungsmodalitäten zunächst in einer Bürgeranhörung diskutiert werden, erst danach die weitere Ausarbeitung und die Beratung erfolgen, um danach – wie bisher auch – eine weitere Bürgerinformation und endgültige Beschlussfassung vor zu nehmen.

 

2. Aktuelle Situation des Bewohnerparkens in Aachen

In Aachen existieren derzeit 17 Bewohnerparkzonen, darüber hinaus befinden sich die Zonen N, C, V und Erweiterung Z aufgrund einstimmiger politischer Beschlüsse in unterschiedlichen Planungsständen.

Der Parkraum in den betroffenen Gebieten wird nahezu ausschließlich im Mischsystem bewirtschaftet, d.h. für jedermann ist gegen Bezahlung eines von der Nutzungszeit abhängigen Entgeltes die Inanspruchnahme des Parkraums möglich. Anwohner werden in den einzelnen Bewirtschaftungsbereichen gegen Zahlung einer Verwaltungsgebühr von 30€/Jahr von der Bedienpflicht und Höchstparkdauer ausgenommen. In Aachen existieren zur Zeit zwei Tarifzonen; Tarifzone 1 umfasst im Wesentlichen die Straßen des Allenrings sowie die innerhalb dieses Bereichs liegenden öffentlichen Parkplätze und damit den Haupteinkaufsbereich wie auch zahlreiche Vergnügungsstätten und Gastronomiebetriebe. In dieser Tarifzone ist ein Betrag von 0,30 € für die ersten 20 Minuten, dann 0,20 € je 10 Minuten bis 60 Minuten, dann 0,30 € je 10 Minuten bis 90 Minuten und darüber hinaus 0,50 € je 25 Minuten zu entrichten, die Parkhöchstdauer liegt bei zwei Stunden. Die Tarifzone 2 setzt sich jenseits des Alleenrings fort; die hier eingerichteten Bewohnerparkzonen wurden aufgrund des dort vorliegenden Parkdrucks auf Wunsch der Anwohner auf der Grundlage individueller Ratsbeschlüsse eingeführt. Die Höhe der Parkgebühren ist deutlich geringer und liegt bei 0,25 € für die ersten 30 Minuten, dann 0,15 € je 10 Minuten bis 90 Minuten und darüber hinaus 0,20 € je 10 Minuten.  In einigen jüngeren Parkzonen wurde bereits die Parkhöchstdauer von zwei Stunden und damit die zeitliche Befristung der Parkvorgänge aufgehoben.

Aktuell wurde aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse einer Nacherhebung in der Zone Ost2  beschlossen, ein kostengünstiges Tagesticket anzubieten und somit auch ein Angebot für diejenigen, die auf das Tagesparken in dieser Zone im öffentlichen Straßenraum angewiesen sind, anzubieten.

 

3. Aktuelle Vorgehensweise zur Planung von Bewohnerparkzonen

Die Vorgehensweise bei der Planung sieht zunächst eine Grundlagenerfassung durch Erhebung und Auswertung von Statistiken vor. Dies wird in der Regel durch ein externes Büro erarbeitet. Aktuell werden diese Ergebnisse dann zunächst politisch vorgestellt und anschließend – zusammen mit einem Planungsvorschlag - in einer Bürgerversammlung diskutiert, bevor die Ergebnisse aus der Bürgerinformation zusammen mit einem überarbeiteten Planungsvorschlag den politischen Gremien zur weiteren Beschlussfassung vorgelegt werden. Insofern existiert bereits eine bewährte Verfahrensweise, die der beantragten Vorgehensweise sehr nahe kommt.

 

4. Stellungnahme der Verwaltung zu den einzelnen Anträgen

Zur adressbezogenen Bewirtschaftung muss zunächst die rechtliche Zulässigkeit der Einführung individueller Bewohnerparkumkreise anknüpfend an den Wohnsitz geklärt werden. Rechtliche Grundlage für die Einrichtung von Bewohnerparkzonen ist § 6 Abs.1 Nr.14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 45 Abs. 1b Nr. 2a Straßenverkehrsordnung (StVO).

Danach treffen die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel durch vollständige oder zeitlich beschränkte Reservierung des Parkraums für die Berechtigten oder durch Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen.

Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich aus Sicht des städtischen Rechtsamtes, dass von dieser Ermächtigungsgrundlage nur von vornherein räumlich festgelegte Parkraumreservierungen abgedeckt werden. Die Regelung ermächtigt zur „Kennzeichnung“ von Parkmöglichkeiten regelmäßig durch Reservierung von Parkraum für die Berechtigten, regelmäßig durch Aufstellen eines Halteverbotsschildes mit dem Zusatzzeichen „Bewohner mit Parkausweis …. frei“ (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, StVO, § 45 Rn. 36). Dies bedeutet, dass eine nach außen erklärte Festlegung auf einen bestimmten räumlich festgelegten Bereich erforderlich ist.

Die von Seiten der SPD-Fraktion vorgeschlagene Einrichtung von individuellen Bewohnerparkbereichen dürfte mit diesen Vorgaben nicht vereinbar sein. Sie können nicht vorab mittels Allgemeinverfügung (Verkehrszeichen) festgelegt werden, weil sie individuell auf die Meldeadresse bezogen zu ermitteln sind. Eine Kennzeichnung wie in § 45 Abs. 1b Nr. 2a StVO vorausgesetzt, ist somit gar nicht möglich.

 

Darüber hinaus liegen aber auch gravierende datenschutzrechtliche Bedenken vor. In dem Vorschlag wird auf das in die Smart-Phones der Ordnungsamtskräfte integrierte GPS-Ortungssystem und die dadurch leicht mögliche Kontrolle der Einhaltung der individuellen Bewohnerparkbereiche hingewiesen. Die Ortung ermöglicht gleichzeitig eine Lokalisierung der städtischen Mitarbeiter und theoretisch auch deren Überwachung durch ihren Arbeitgeber. Daraus ergibt sich ein datenschutzrechtlich problematischer Eingriff in deren informationelles Selbstbestimmungsrecht. Der Personalrat der Stadt Aachen hat folglich die Einführung der Smart-Phones im städtischen Ordnungsdienst seinerzeit ausdrücklich an die Bedingung geknüpft, dass die GPS-Funktion der Geräte abgeschaltet wird, gerade um eine dadurch technisch mögliche Überwachung der städtischen Mitarbeiter a priori auszuschließen.

 

Bei der Überwachung müsste zudem anders als heute üblich jedes Fahrzeug einzeln durch Eingabe der Daten überprüft werden. Das dürfte mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden sein. Der Parkberechtigte müsste sich zudem selbst mittels Verortung über den Standort seines Fahrzeuges vergewissern können. Es ist fraglich, ob sich dies in der Praxis fahrzeuggenau mit der notwendigen Bestimmtheit realisieren ließe.

 

Die Straßenverkehrsordnung sieht das Bewohnerparken explizit als Privilegierung der Bewohner eines städtischen Quartiers mit erheblichem Parkraummangel vor. Bewohnerparken ist nur dort zulässig, wo mangels privater Stellflächen und auf Grund eines erheblichen allgemeinen Parkdrucks die Bewohner des städtischen Quartiers regelmäßig  keine ausreichende Möglichkeit haben, in ortsüblich fußläufiger zumutbarer Entfernung von Ihrer Wohnung einen Parkplatz zu finden. Der Bewohnerbegriff bezieht sich auf die Personen, die in einem klar umrissenen Quartier meldbehördlich registriert sind und tatsächlich wohnen. Daher werden Erwerbstätige, die innerhalb dieses Gebietes arbeiten, wie auch Besucher von Bewohnern dieses Gebietes nicht von der Privilegierung erfasst.

 

Es ist bekannt, dass einige Kommunen hier unterschiedliche Ansätze (Vignettenlösungen, Besuchertickets, etc) anbieten, die diesen Gruppen zugute kommen. Diese Ansätze decken sich jedoch nicht mit der bestehenden Rechtslage. Das Bundesverkehrsministerium ist in Einklang mit dem nordrheinwestfälischen Verkehrsministerium aktuell in der Sitzung der Bund-/Länder Fachausschusses am 09./10.05.2012 (BLFA-StVO/OWi II/2012) zu der Einschätzung gekommen, dass die Ausgabe von Besucherkarten oder ähnlichem eine rechts- und verfassungswidrige Privilegierung von Besuchern bedeute und dies nicht zulässig sei. Eine tarifliche Privilegierung anderer Gruppen scheidet danach explizit aus. Das Straßenverkehrsrecht ist grundsätzlich privilegienfeindlich aufgebaut und schließt somit eine Wertung des jeweiligen Grunds für einen Fahrzeugeinsatz aus.

 

Die gesetzlichen Vorgaben zum Bewohnerparken müssen unbedingt eingehalten werden, damit die Regelungen im Klageverfahren einer gerichtlichen Überprüfung Stand halten. Bislang sind alle verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit Bewohnerparkregelungen in Aachen zugunsten der Verwaltung entschieden worden. Auch die Einrichtung zukünftiger Parkgebiete muss eng in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben stehen, da die gerichtliche Feststellung einer Rechtswidrigkeit einzelner Regelungen zur Aufhebung eines ganzen Parkbereiches führen könnte.

 

Die Verlagerung der Bedienpflichtzeiten an Parkscheinautomaten auf den Nachtzeitraum entspricht nicht der eigentlichen Intention einer Parkraumbewirtschaftung. Einrichtungen zur Überwachung der Parkzeit (Parkscheinautomaten und Parkuhren) sind vor allem dort anzuordnen, wo kein ausreichender Parkraum vorhanden ist und deshalb erreicht werden muss, dass möglichst viele Fahrzeuge nacheinander für möglichst kurze genau begrenzte Zeit parken können. Die gebührenpflichtige Bewirtschaftung ist vornehmlich ein Mittel, um Kurzzeitparkern eine Parkmöglichkeit zu verschaffen. Zur Nachtzeit ist hierfür aber anders als tagsüber in der Regel kein Bedarf gegeben, da Geschäfte, Büros und Praxen geschlossen sind.

 

Aufgrund entsprechender gastronomischer Angebote lässt sich eine Parkraumbewirtschaftung aber bis in die späten Abendstunden rechtfertigen. In der Praxis findet zur tiefen Nachtzeit keine reguläre Parkraumüberwachung statt.

 

Insgesamt hat sich das bestehende System bewährt und trägt zur Entlastung des Parkraums wie auch von Parksuchverkehren in den einzelnen Vierteln bei. Nicht-gebietsansässige Dauerparker werden in größere Parkeinrichtungen verlagert, die Veränderung der Verkehrsmittelwahl insbesondere bei den Pendelverkehren wird angeregt. Durch die gemischte Bewirtschaftung aller Parkplätze haben alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen Zugang zu den Parkplätzen. Für Gast- und Besucherverkehre in den Vierteln wird vor allem Kurzzeitparkraum geschaffen, der zwar gebührenpflichtig, dafür aber ortsnah vorhanden ist. Die Anpassung der Bedienpflichtzeiten und der gestaffelten Gebührenhöhe ermöglicht die Berücksichtigung örtlicher Interessen. Über die Schaffung von Tagestickets in bestimmten Bereichen kann eine gewünschte Rabattierung erreicht werden. Ansonsten gewährleistet das praktizierte System die weitgehende Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer.

 

Die Vorgehensweise bei der Einrichtung neuer Bewohnerparkzonen hat sich im Laufe der Zeit ständig angepasst. Dabei wurde Wert darauf gelegt, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung kontinuierlich zu verbessern und Wünsche zu berücksichtigen. Dies hat inhaltlich allerdings Grenzen. Die Erfahrung aus einer Vielzahl von Beteiligungen zeigt, dass sich sehr viele Äußerungen grundsätzlicher Art ergeben, die selbstverständlich aufgenommen und protokolliert werden, aber nicht umsetzbar sind. Dies betrifft insbesondere die Auswahl des Berechtigtenkreises.

 

Die von der SPD nun beantragte Vorgehensweise wird  – wie bereits oben beschrieben – in Teilen schon praktiziert. Die Bürgerbeteiligung wird bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgenommen, sodass die Wünsche und Vorstellungen der Bürger in ein Konzept einfließen können, zu dem keine Vorfestlegung besteht. Dieses wird anschließend mit größtmöglicher Transparenz über die Bürgereingaben in die politische Beratung eingebracht und zur Beschlussfassung vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Bürgereingaben wichtig und sinnvoll.

 

Dem Vorschlag der SPD, anschließend eine weitere Bürgerbeteiligung mit dem Ziel erneute Anregungen nachzufragen, um erst danach endgültig politisch zu entscheiden, folgt die Verwaltung nicht, da nicht zu erwarten ist, dass grundsätzlich andere Anregungen formuliert werden. Eine weitere Bürgerbeteiligung scheint nur dann sinnvoll, wenn sich in der politischen Beratung tatsächlich deutliche Änderungen der vorgeschlagenen Gebietseinrichtung ergeben. Dies wäre dann jedoch im Einzelfall zu entschieden.

 

Unabhängig davon werden die betroffenen Bürger über den Ratsbeschluss über die Einrichtung einer Bewohnerparkzone informiert.

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Anlagen

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