Kenntnisnahme - FB 50/0269/WP16

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

 

Reduzieren

Erläuterungen

Erläuterungen:

Im Ratsantrag der Fraktion “Grüne“ vom 24.06.2013 (Anlage 1), der am 03.07.2013 in den Rat eingebracht wurde, wird die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, welche innerstädtische Immobilie für die Errichtung eines Aufenthaltsangebots als extrem niedrigschwelliges Hilfsangebot für obdachlose Alkoholiker geeignet ist und Gespräche mit potentiellen Betreibern zu führen.

Mit Schreiben vom 17.07.2013 (Anlage 2) beantragt die Fraktion “ Grüne“ den Tagesordnungspunkt „Einrichtung eines Aufenthaltsangebots für obdachlose Alkoholiker“  auf die Tagesordnung der Sitzung am 26.09.2013 zu nehmen. Die Verwaltung wird aufgefordert, über die in anderen Städten mit einer solchen Einrichtung gemachten Erfahrungen zu berichten und die Möglichkeiten der Umsetzung des Antrags in Aachen aufzuzeigen.

 

Bereits in der Vergangenheit wurde dieses Thema im Rahmen einer Diskussion um die Petition eines Aachener Bürgers zur “Verlagerung der „Szene“ vom Kaiserplatz zum Bahnhofplatz“ im Bürgerforum und nachfolgend im Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie aufgegriffen.

Am 14.04.2011 hat der AfSID die Verwaltung beauftragt, einen Erfahrungsbericht der Stadt Kiel zum dort errichteten „Trinkraum“ einzuholen. Der sogenannte „Trinkraum“ der Stadt Kiel wurde im Jahr 2003 zur Entspannung der “Straßenszene“ geschaffen, in der vorrangig Alkohol konsumiert wird.

Der Erfahrungsbericht der Stadt Kiel wurde den Mitgliedern des Ausschusses mit Schreiben vom 27.05.2011 zur Kenntnis gegeben. In ihrem Bericht hat die Stadt Kiel darauf hingewiesen, dass es sich dort bei der Einrichtung des “Trinkraumes“ nicht um ein suchttherapeutisches Angebot handelt, sondern um eine ordnungspolitische Maßnahme zur Entspannung der Straßenszene.

 

Die Verwaltung hat alle Einrichtungen in Aachen, die sich mit dem Thema “Sucht“ befassen befragt. Die Meinungsumfrage und eine Auswertung der Antworten sind als Anlage 3 beigefügt.

Durchweg herrscht die Auffassung, dass mit der Einrichtung einer “Trinkerstube“ kein suchtherapeutischer Nutzen für die Konsumenten verbunden ist und folglich ordnungsrechtliche Aspekte für die Entscheidung maßgebend sind.

 

Vergleichbare Angebote eines Trinkraumes nach dem Kieler Modell gibt es in  Dortmund, Gelsenkirchen, Wuppertal und Kassel. Hamburg hat die Einrichtung eines „Trinkraumes“ nicht befürwortet. Recherchen über die in den og. Städten gemachten Erfahrungen haben zu folgenden Ergebnissen geführt:

 

Kiel

Im November 2003 wurde in Kiel der erste “Trinkraum“ in den Räumen des Clubcafé “Hempels“ eröffnet. Aufgrund des damit verbundenen Erfolgs wurde im August 2010 ein weiterer Trinkraum im Stadtteil “Gaarden“ eröffnet.

Bis Juni 2013 wurde das Projekt  “ Trinkraum Gaarden“, Träger Hempels e.V.,  über das Städtebauförderungsprogramm “Soziale Stadt“ gefördert.

Auch im “Trinkraum Gaarden“ konnten inzwischen Teilerfolge erzielt werden. Der montags bis samstags in der Zeit von 9.00 – 16.00 Uhr geöffnete Trinkraum wird als Treffpunkt und Aufenthaltsraum genutzt. Das Projekt wurde zwischenzeitlich mit dem  Gartenprojekt des Kinder- und Jugendhilfeverbundes (KJHV) verknüpft, welches ebenfalls erfolgreich läuft. Gäste aus dem Trinkraum arbeiten regelmäßig im Gartenprojekt mit. Es wäre so ein geschützter Raum ohne Verdrängungsdruck entstanden. Auf Wunsch werden weitere niedrigschwellige Angebote durch Sozialarbeiter(innen) vor vermittelt. Der Trinkraum wird täglich von ca. 30 Besucherinnen und Besuchern genutzt. Es besteht eine Kooperation mit der örtlichen Drogenhilfe, der Schuldnerberatung und dem AWO-Ortsverband. Es wird eine Geldverwaltung über das Treuhandkonto von HEMPELS e.V. angeboten und von 33 Personen in Anspruch genommen. Für die Weiterführung des Projektes ist eine Finanzierung über städtische Zuwendung ab 01.07.2013 erforderlich. Das Projekt umfasst ein jährliches Kostenvolumen von 98.000 Euro. Davon entfallen auf Personalkosten 75% (Projektleitung, pädagogische Betreuung, Sozialdienst/ Geldverwaltung, sozialversicherte “Tresenkräfte“) und 25 % auf Sachkosten. Der Träger hat die Weiterführung des Trinkraums bis 2016 beantragt.

 

 

Hamburg

Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hatte im Dezember 2012 eine entsprechende Einrichtung in Anlehnung an das Kieler Modell diskutiert. Dies sollte zur Entspannung der Situation am Hamburger Hauptbahnhof beitragen. Weiterhin sollte das Ziel erreicht werden, niedrigschwellige Angebote  an sozialen Hilfsangeboten zu unterbreiten und die sozialen Kontakte der Zielgruppe zu verbessern. Der Nutzen einer solchen Einrichtung ist jedoch bis heute umstritten, da nicht alle Zielpersonen mit einem derartigen Konzept erreicht würden und sich die Situation in Kiel nicht auf jede Stadt übertragen ließe. Außerdem funktioniere eine Entspannung der Straßenszene nie ohne Sozialarbeit. Nach Auskunft der Bezirksversammlung ist in absehbarer Zeit  nicht mit der Einrichtung eines sog. Trinkraumes zu rechnen.

 

 

Dortmund

Das Projekt “ Trinkraum“ wurde am 02.12.2012 in der Nordstadt gestartet und läuft bis November 2013. Der Trinkraum wird “Café Berta“ (Beratung und Aufenthalt) genannt und wird von dem privaten Sozialdienst “ European Homecare“ betrieben. Das städtische Budget für das Projekt umfasst 237.500 Euro. Die Gesamtinvestition von Bund, Land und Kommune beträgt  ca. 500.000 Euro. Das Projekt ist nicht unumstritten. Von dem in Frage kommenden Klientel werden die Räumlichkeiten nur zum Teil aufgesucht. Erlaubt ist der Konsum von Bier und Wein, wenn die Getränke selber mitgebracht werden.   Schnaps und Drogen sind verboten. Das “Café Berta“ ist Mo –Fr. von 12.00 - 19.00 Uhr geöffnet .Am Wochenende ist geschlossen.

Der überwiegende Teil der Zielgruppe möchte den Trinkraum aus Gründen der Anonymität nicht nutzen.

Parallel gibt es das Projekt “ Treffpunkt Nordmarkt“ in der Trägerschaft des Diakonischen Werks Dortmund und Lünen GmbH, welches durch verstärkte Sozialarbeit in den Abendstunden und am Wochenende die Situation auf der Straße entspannen soll. Zudem soll die Einbindung in soziale Hilfesysteme erreicht werden und Krisenintervention betrieben werden.

 

 

Wuppertal

Die dortige Einrichtung , das “Café Döpps“ , wird nicht direkt als Trinkraum betrieben, sondern als eine Einrichtung mit einem Angebot der niedrigschwelligen Drogenhilfe, in der Alkoholkonsum erlaubt ist.

Das Café Döpps wurde am 23.10.2007 als eine Art “ Kontaktcafé“ mit Beschäftigungsorientierung eröffnet. Träger der Einrichtung ist die Suchthilfe Wuppertal (Freundes- und Förderkreis Suchtkrankenhilfe) in Kooperation mit dem Jobcenter der Stadt Wuppertal.

Es werden dort Therapien und andere Hilfsangebote vermittelt. Das Angebot wird nach Aussage der Suchthilfe gut angenommen. Die Situation auf öffentlichen Straßen und Plätzen, insbesondere die Situation auf der  sog. “Platte“ ( Szene an der Schwebebahnstation in Wuppertal-Döppersberg ) hat sich dadurch entspannt. Das Café Döpps befindet sich in unmittelbarer Nähe der “ Platte“. Die Projektkosten (rund 240.000 Euro) werden komplett durch das Jobcenter finanziert, weil Ein-Euro Jobbern dort eine Arbeitsgelegenheit geboten wird. Das Jobcenter Wuppertal hat es sich zur Aufgabe gemacht, neben der Arbeitsförderung und Vermittlung sog. “Marktfähiger Kunden“ auch soziale Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung zu unterstützen, die sich an Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen richtet.

 

 

Gelsenkirchen

Als ein Bestandteil des „ Integrierten Handlungskonzepts des Koordinierungskreises Szenenbildung“ (Stadt Gelsenkirchen- Referat Gesundheit,- Ordnungsdienst, Polizei, Suchthilfe und des öffentlichen Verkehrsunternehmens BOGESTRA) betreibt die Stadt Gelsenkirchen unter Einbeziehung einer niedrigschwelligen Drogen-und Suchtberatung mit dem “ Café KontaktCentrum“ eine ähnliche Einrichtung wie die Stadt Wuppertal.

Mitgebrachte alkoholische Getränke dürfen dort maßvoll konsumiert werden. Zwei Vollzeitstellen aus dem Sozialbereich werden als Personalausstattung, neben 15 AGH-Kräften eingesetzt. Die AGH-Kräfte werden durch eine Fachkraft betreut. Für Café- Besucher besteht die Möglichkeit der Vermittlung in komplementäre Angebote des Suchthilfesystems. Das “Café KontaktCentrum“ ist montags – samstags von 11.00 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet.

 

 

Kassel

Die Stadt Kassel betreibt seit 2012 einen “Trinkraum“ als niedrigschwelliges, szenennahes und suchbegleitendes Angebot. Er ist Teil eines ordnungspolitischen, sozialpolitischen und präventiven Strategiekonzepts der Stadt Kassel zum Suchtmittelkonsum im öffentlichen Raum. Träger des Trinkraums ist die Stadt Kassel. Federführend als haushaltsbewirtschaftendes Amt ist das Ordnungsamt. Beteiligt ist das Jugendamt und partiell das Sozialamt und das Gesundheitsamt. Für die Anmietung der Räumlichkeit ist das Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft zuständig. Die Stadt Kassel spricht zusammenfassend nach zwölf Monaten Pilotphase von nahezu ausnahmslos positiven Erfahrungen.

Das Projekt, am derzeitigen Standort, in unmittelbarer Nähe eines Spielplatzes, ohne eigene Außenfläche, war jedoch auch in der Vergangenheit umstritten. Die Nachbarschaft befürchtete besonders in der wärmeren Jahreszeit Konflikte. Hierzu bedarf es einer Räumlichkeit mit geeigneten Außenbereichen. Es soll ein Standort gefunden werden, an dem sich die Trinker-Szene ganzjährig aufhalten kann.

Es wurde beantragt, dass die  Evaluierungsergebnisse des Projektes nach der Sommerpause im Kasseler Ausschuss für Recht, Sicherheit, Integration und Gleichstellung vorgestellt werden.

 

 

Möglichkeiten der Umsetzung in Aachen:

 

Aus Sicht der Verwaltung sollte die Einrichtung eines Trinkraumes in Aachen nicht erfolgen.

 

  1. Die Auswertung der Umfrage in den Städten mit Trinkraum hat gezeigt, dass jeweils sehr unterschiedliche Bedarfslagen und Umsetzungskonzepte vorliegen. Eine Vergleichbarkeit mit den Aachener Verhältnissen ist immer nur bedingt gegeben. Der mögliche Erfolg anderer Kommunen lässt nicht den Schluss zu, dass sich in Aachen ein ähnliches Ergebnis zeigen würde.

 

  1. Die Aachener Institutionen, die sich mit dem Thema Sucht befassen, halten unisono aus ihrer fachlichen  Sicht die Einrichtung eines Trinkraums für nicht für zielführend.

 

3.              Die Kosten von nicht unter 200.000€ jährlich stehen einem zweifelhaften Nutzen entgegen:

 

-        im Sinne einer sehr niedrigschwelligen Hinführung zu Therapie ist ein Trinkraum  wenig geeignet             

 

-        Alkohol trinkende Menschen werden an öffentlichen Plätzen in der Regel dann wahrgenommen und als störend empfunden, wenn sie in größeren Gruppen auftreten und Nutzungskonflikte entstehen. Eine solche Lage ergibt sich nahezu ausschließlich in den Sommermonaten bei sonnigem Wetter.

              Ein Trinkraum wird auch alkoholkranke Menschen nicht davon abhalten, sich bei schönem Wetter vorzugsweise im Freien aufzuhalten.

 

ein Trinkraum müsste sich im Innenstadtbereich befinden. Wenn auch davon ausgegangen wird, dass nur ein Teil der Trinkerszene bei schlechtem Wetter die Räumlichkeiten nutzen wird, sind dennoch Nutzungskonflikte mit der angrenzenden Bewohnerschaft, Geschäftswelt  sowie Einrichtungen für Kinder und Jugendliche bei der Standortwahl zu beachten. Ein geeigneter Standort ist derzeit nicht erkennbar.

Reduzieren

Anlagen

Loading...