Entscheidungsvorlage - FB 01/0015/WP17

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

 

Für den Wahlprüfungsausschuss:

In der Wahlprüfungssache betreffend den Wahleinspruch von Herrn Safi Özbay als Einspruchsführer vom 28.05.2014 bzw. vom 17.06.2014, zugegangen per Email am 18.06.2014, gegen die Gültigkeit der Integrationsratswahl der Stadt Aachen beschließt der Wahlprüfungsausschuss:

 

Der Wahleinspruch ist unzulässig und daher zurückzuweisen. Der Wahlprüfungsausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt, entsprechend zu beschließen.

 

 

Für den Rat der Stadt:

Der Rat der Stadt beschließt, der Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu folgen und den Wahleinspruch zurückzuweisen.

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Erläuterungen

Erläuterungen:

 

  1. Sachverhalt

 

Mit seiner an Herrn Oberbürgermeister Philipp adressierten E-Mail  vom 28.05.2014 (12:57), die als Anlage 1 beigefügt ist, hat der Einspruchsführer die nach seiner Auffassung nicht ordnungsgemäß durchgeführte Wahl zum Integrationsrat gerügt , Einspruch gegen das vorläufige Ergebnis der Integrationswahl erhoben und eine zeitnahe Wiederholung der Wahlen gefordert. Seine Forderung zur Wiederholung der Integrationsratswahlen begründet der Einspruchsführer mit  Beobachtungen von Wahlbewerbern, die ihm zugetragen wurden und die er in vier Punkten einzeln ausführt. Gegenstand der Einspruchsbegründung war im Wesentlichen der späte Transport der Wahlumschläge zum Wahlamt ( Ziffer 1), die Tatsache, dass am Wahlabend gegen 24 Uhr erst zwei von zehn Schnellmeldungen vorlagen (Ziffer 2),  die Unterbrechung der Zählung in der Nacht zum 26.05.2014 (Ziffer 3) und der Umgang mit den Wahlunterlagen bei Fortsetzung der Zählung am  26.05.2014 (Ziffer 4).

 

Der für die Integrationsratswahlen zuständige Wahlausschuss wurde in seiner Sitzung  am 30.05.2014 durch die Wahlleiterin über die Verfahrensabläufe anlässlich der Stimmzählung, die trotz Unterbrechung jedwede Manipulation des Wählerwillens ausschließen konnten,  informiert. Der positive Beschluss des Wahlausschusses, mit dem das Ergebnis der Integrationsratswahl entsprechend der Niederschrift beschlossen wurde, erfolgte einstimmig.

 

Herr Özbay  erhielt  auf seine E-Mail vom 28.05.2014 ein Antwortschreiben der Wahlleiterin, in dem diese die vom Einspruchsführer befürchteten Manipulationsmöglichkeiten  entkräftete. Zugleich wurde der Einspruchsführer  darauf  hingewiesen, dass sich sein Einspruch gegen das vorläufige Endergebnis  nicht,  wie in § 39 Abs. 1 KWahlG NRW gefordert, gegen das öffentlich bekanntgemachte und festgestellte Wahlergebnis richtete. Da der mit E-Mail vom 28.05.2014 verfrühte Einspruch unzulässig wäre, wurde der Einspruchsführer gebeten mitzuteilen, ob er seinen Einspruch auch in Bezug auf das am 05.06.2014 in der örtlichen Tagespresse öffentlich bekanntgemachte Wahlergebnis aufrechterhalten wissen wolle. Dies hat der Einspruchsführer mit seinem Einspruchschreiben vom 17.06.2014, zugegangen per E-Mail am 18.06.2014 (12:50), bestätigt und unter Ziffer 5 die unterschiedlichen Angaben zur Wahlbeteiligung (26.05.2014, 18.00 Uhr 12,22 % und 28.05.2014mit 14 %) als weiteren Anhaltspunkt  für eine nicht ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen gewertet (Anlage 2).

 

 

  1. Rechtliche Würdigung

 

  1. Zulässigkeit des Wahleinspruchs bezogen auf Form und Fristen

Nach § 27 Abs. 11  GO NRW  i.V.m. § 39 Abs.1 KWahlG NRW und § 35 Abs. 2 der Wahlordnung zur Bildung des Integrationsrates der Stadt Aachen (Wahlordnung) ist ein Wahleinspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses bei der Wahlleiterin schriftlich einzureichen oder mündlich zur Niederschrift zu erklären.

 

1.1   Frist

Das Wahlergebnis zur Wahl des Integrationsrates wurde am 05.06.2014 in den beiden Aachener Tageszeitungen (AN und AZ) öffentlich bekannt gemacht. Der Einspruch des Einspruchsführers vom 17.06.2014, der Wahlleiterin per E-Mail zugegangen am 17.06.2014, erfolgte innerhalb der Monatsfrist  nach der Bekanntmachung und somit fristgerecht.

 

1.2   Schriftformerfordernis

In § 39 Abs. 1 KWahlG  NRW ist die Schriftform gesetzlich vorgeschrieben. Der Einspruch ist nicht schriftlich im eigentlichen Sinne des Gesetzes eingelegt worden, da die Einspruchsschrift  nicht als Schriftstück im Original eingereicht wurde. Fraglich ist, ob die E-Mail vom 18.06.2014, die als Anhang das mit eingescannter Unterschrift versehene Einspruchsschreiben vom 17.06.2014 enthält, dem Schriftformerfordernis genügt.

 

Die öffentliche Bekanntmachung des Ergebnisses der Integrationswahl  in den Tageszeitungen enthält sowohl den Hinweis auf die Einspruchsfrist  als auch den Hinweis darauf, dass der Einspruch bei der Wahlleiterin schriftlich einzureichen oder mündlich zur Niederschrift zu erklären ist. Damit ist der Einspruchsführer über das Formerfordernis des § 39 Abs. 1 KWahlG zutreffend informiert worden. Es liegt in der Verantwortung des  Einspruchsführers, die Einspruchsfrist durch rechtzeitige Vorlage bzw. Einreichung eines formgerechten Schreibens zu wahren.

 

Sofern für Einreichungen die Schriftform  oder die elektronische Form  gesetzlich vorgeschrieben ist, sind grundsätzlich die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Unabhängig davon, dass eine solche Zulassung im Bereich des KWahlG (noch) nicht erfolgt ist, genügt der Einspruch des Herrn Özbay nicht dem Erfordernis des § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes. 

 

Abweichungen von der gesetzlichen Schriftform sind im KWahlG für die Einspruchseinlegung nicht getroffen. Während  § 29 Abs. 1 S. 2 KWahlO NRW für den Fall der Beschwerde gegen eine Entscheidung des Wahlausschusses betreffend die Zulassung von Wahlvorschlägen ausdrücklich bestimmt, dass die Schriftform auch u.a. durch E-Mail oder als sonstige dokumentierbare Übermittlung als gewahrt gilt, verweist die Wahlordnung in § 63 Abs. 2 WahlO NRW lediglich auf  den in der Bekanntmachung  aufzunehmenden Hinweis auf die Frist zur Erhebung von Einsprüchen gegen die Wahl gemäß § 39 KWahlG NRW, ohne eine entsprechende Regelung hinsichtlich der Schriftform zu treffen. Entsprechend dem Grundsatz Argumentum e Contrario legt dies den Schluss nahe, dass das Schriftformerfordernis in § 39 KWahlG NRW nicht durch die Versendung einer E-Mail als gewahrt angesehen werden kann.

 

Andererseits ist der Einspruch mittels eingescannter Unterschrift des Erklärenden als vom Einspruchsführer stammend zu erkennen. Der Bundesgerichtshof hat es in einem Beschluss vom 15.7.2008 (juris Rdz. 8 zur Wahrung der Berufungsbegründungsfrist vor  In-Kraft-Treten der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr -ERVVO VG/FG- am 01.01.2013)  für die Einhaltung der Schriftform ausreichen lassen, wenn ein Abbild eines (in Papierform) tatsächlich vorhandenen unterschriebenen Schriftstücks auf elektronischem Weg an den Empfänger übermittelt und dort ausgedruckt wird. Auch wenn diese Entscheidung nicht unumstritten geblieben ist, bietet die vorliegende E-Mail betreffend den Einspruch des Herrn Özbay eine hohe Garantie für die Echtheit von Inhalt und Unterschrift. Die Einhaltung des Schriftformerfordernisses ließe sich mit der vorstehenden BGH-Rechtsprechung bejahen.

Eine Entscheidung  bezüglich der Frage, ob das Schriftformerfordernis vorliegend gewahrt wurde, kann jedoch  dahingestellt bleiben, wenn die Zulässigkeit des Wahlausschusses auch noch aus anderen Gründen nicht gegeben ist.

 

1.3  Einspruchsberechtigung

Der Einspruchsführer Herr Özbay ist als gewähltes Mitglied der Liste 2 -Aachen Türk Toplumu- zugleich Wahlberechtigter im Sinne von § 27 Abs. 3 GO NRW und damit Einspruchsberechtigter nach § 39 Abs. 1 KWahlG NRW.

 

 

  1. Zulässigkeit des Wahleinspruchs bezogen auf  das Begründungserfordernis

Das Begründungserfordernis fordert  für die Zulässigkeit  von Einsprüchen gegen das Wahlergebnis, dass sich dem tatsächlichen Vorbringen des Einspruchsführers die konkrete Möglichkeit eines für den Ausgang der Wahl erheblichen Wahlfehlers  hinreichend deutlich entnehmen lässt.

 

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Wahleinspruch zulässig.

 

Eine hinreichende Begründung eines Wahleinspruches liegt nur dann vor, wenn der Einspruchsführer darlegt, welche konkreten Vorkommnisse bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl beanstandet werden, die das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Dabei muss der Einspruchsführer den vermeintlichen Wahlfehler substantiiert geltend  machen. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung einer Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, dürfen als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (BVerfG, Beschl. v. 24.8.1993 - 2 BvR 1858/92 -, juris).

 

Der Einspruchsführer  begründet seinen Einspruch wie folgt:

 

Zu Ziffer 1:

„Die Stimmzettel der Integrationsratswahl wurden teilweise sehr spät abgeholt und zum Zählen zum Wahlamt in die Peterstraße 17 gebracht. So wurde durch Zeugen beobachtet, wie beispielsweise die Stimmzettel des Wahllokals in der Barbarastraße erst nach 21.00Uhr zum Wahlamt befördert worden. Beobachtet wurde dies von Herrn  Bülent  Lortoglu. Mir ist bekannt, dass die Stimmen als letzte ausgezählt werden sollten. Aber kann es damit begründet werden, die Wahlumschläge so spät zum Zählen zum Wahlamt zu bringen?“

 

Soweit gerügt wird, dass die Stimmzettel teilweise erst sehr spät in den Stimmlokalen abgeholt worden und zum Wahlamt in die Peterstraße verbracht worden seien, ist dieser Sachvortrag für sich betrachtet hinreichend substantiiert. Fraglich ist jedoch, ob in dem für spät befundenen Transport der  Wahlunterlagen eine Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren gesehen werden kann.

Eine Unregelmäßigkeit beim Wahlverfahren ist gegeben, wenn gegen Bestimmungen des Kommunalwahlgesetzes oder der zur Ausführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder gegen allgemeine Wahlgrundsätze verstoßen wird. Zum Wahlverfahren gehören der eigentliche Wahlakt sowie die Entscheidungen und Maßnahmen der Wahlorgane und Wahlbehörden bei der Erledigung ihrer Aufgaben der Vorbereitung, Überwachung, Durchführung und Auswertung der Wahl.

 

Zeitlich beschränkt ist allein die Wahlhandlung. Schluss der Wahlhandlung ist gemäß § 44 KWahlO NRW, §§40,53 EuWO um 18:00 Uhr. Bei verbundenen Wahlen und solchen, die gleichzeitig mit der Europawahl durchgeführt werden, können die Ergebnisse der einzelnen Wahlen nur  jeweils gesondert ermittelt und festgestellt werden. Gemäß § 92 Abs. 1 KWahl O NRW ist das Ergebnis der Europawahl vor den Ergebnissen der Kommunalwahlen zu ermitteln und festzustellen. Für die kreisfreien Städte ist die Reihenfolge: Oberbürgermeisterwahl, Ratswahl, Wahl der Bezirksvertretung und Wahl des Integrationsrates verbindlich einzuhalten. Entsprechendes gilt für die Wahlen des Städteregionsrates und des Städteregionstages, die ebenfalls den Wahlen zum Integrationsrat vorgehen. Aufgrund der vorgegebenen Reihenfolge darf mit den nachrangig auszuzählenden Wahlen erst begonnen werden, wenn die Wahlniederschrift der vorrangig auszuzählenden Wahl abgeschlossen, d.h. die dazugehörigen Unterlagen verpackt und versiegelt worden sind (§ 49 Abs. 2 S. 3 KWahlO). Aufgrund der  hohen Anzahl der durchzuführenden Wahlen hat die Ermittlung der Wahlergebnisse nicht unerhebliche Zeit in Anspruch genommen.

 

Im Falle der Gefährdung der Geheimhaltung von Wahlentscheidungen kann eine von § 29 Abs.1 WahlG NRW  abweichende Regelung getroffen werden, indem die Feststellung des Wahlergebnisses mehrerer Stimmbezirke durch einen/ mehrere Zählvorstand/Zählvorstände erfolgt (§ 7 Abs. 5 S. 2 WahlO  zur Bildung des Integrationsrats der Stadt Aachen).

Um zu verhindern, dass sich die Wahlentscheidung der einzelnen Wahlberechtigten zur Integrationsratswahl aufgrund der geringeren Anzahl der aktiv Wahlberechtigten eines Stimmbezirks ermitteln ließe, wurde aus Gründen der Wahrung des Wahlgeheimnisses die Auszählung der Stimmen für die Wahl zum Integrationsrat  durch hierfür eigens eingerichtete Zählvorstände zentral im Wahlamt in der Peterstraße durchgeführt. Hierfür war es erforderlich, dass die Wählerverzeichnisse und die Stimmzettel für die Integrationsratswahlen nach deren farblicher Sortierung separiert und in einem verschlossenen und versiegelten Briefumschlag zur Abholung bereitgehalten wurden. Bis zur Abholung der versiegelten Umschläge befanden sich diese in der Obhut des jeweiligen Wahlvorstandes bzw. in versiegelten  Umschlägen in den gleichfalls verschlossenen Urnen des Wahllokals. Tatsächlich waren für die Abholung der Umschläge durch die Zählvorstände nicht so viele Taxen verfügbar, wie vorbestellt waren. Hierdurch kam es zu zeitlichen Verzögerungen. Diese Verzögerungen stellen jedoch keine Unregelmäßigkeit beim Wahlverfahren dar, da die zeitlich verzögerte Abholung nicht mit Bestimmungen des Kommunalwahlgesetzes sowie der zur Ausführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen kollidiert. Darüber hinaus hat der verzögerte Transport der Wahlunterlagen zu den Zählvorständen auch keinerlei Auswirkung auf das Wahlergebnis. Die versiegelten Umschläge befanden sich während des gesamten Zeitraums ununterbrochen in  verschlossenen Urnen bzw. in der Obhut hierzu autorisierter Vorstände bzw. Mitarbeiter des Wahlamtes.

 

Zu Ziffer 2:

„Gegen 24 Uhr waren in Aachen beinahe alle Stimmen der verschiedenen Wahlen gezählt. Die Ergebnisse zur Integrationsratswahl waren zu der Zeit erst 2 von 10 Meldungen bekannt. Da die Stimmen auf die Gefahr der Wahlgeheimnisverletzung aus unserer Sicht verständlicherweise in der zentralen Zählstelle gezählt werden sollten, wurde extra Personal zur Zählung der Stimmzettel und Stimmen zur Integrationsratswahl bestellt. Diese Personen müssen sehr wohl in der Lage gewesen sein, einige 100 Stimmen rechtzeitig zählen zu können. Was hat man solange gemacht?“

 

Der Sachvortrag ist in Teilen unrichtig. Auch lässt er nicht erkennen, ob in der Tatsache, dass gegen 24 Uhr noch nicht alle Ergebnisse der Integrationsratswahl vorlagen, eine Unregelmäßigkeit beim Wahlverfahren gesehen wird, die Einfluss auf das Wahlergebnis haben könnte.

Wahlberechtigt zur Integrationswahl waren in Aachen insgesamt 38.500 Personen. An der Wahl teilgenommen haben 5434 Wähler und Wählerinnen, wobei auf die Urnenwahl 4686 abgegebene Stimmen und auf die Briefwahl 748 Stimmen entfielen. So lagen um 24 Uhr auch lediglich die Ergebnisse der zwei Briefwahlvorstände (Briefwahlvorstand 9040 und Briefwahlvorstand 9041) vor, während von den insgesamt vier Zählvorständen, denen die Auszählung der insgesamt 4686  Urnenwähler oblag, bis 24 Uhr noch keine Ergebnisse vorlagen. Dies ist damit zu begründen, dass die Zählung der Stimmen der Urnenwähler erst deutlich später beginnen konnte und die Anzahl der Urnenwähler deutlich höher war.

 

Zu Ziffer 3:

„Am Montag, 26.05.2014 gingen gegen 01:00 Uhr Kandidaten aus 3 verschiedenen Listen der Integrationsratswahl zum Wahlamt auf die 5. Etage, um sich zu erkundigen, warum die wenigen 100 Stimmzettel nicht gezählt werden konnten. Sie konnten ihren Augen nicht glauben: Im Flur sahen sie auf dem Boden geöffnet Umschläge mit Stimmzetteln in  ungeordnetem Zustand. Im Wahlamt trafen sie einige junge unerfahrene für das zählen zuständige Personen an. Die Verantwortlichen haben etwas später das zählen beendet und gingen erschöpft nach Hause. Dies wurde beobachtet von Sensol Asik, Cengiz Ulug und Moren Newman.“

 

Die Zählvorstände waren ordnungsgemäß besetzt und haben vor ihrem Einsatz eine Unterrichtung und Unterweisung in die einzuhaltenden Abläufe des Wahlverfahrens erhalten. Der Vortrag, dass es sich hierbei um unerfahrene Person gehandelt habe, ist eine Wertung und kein Sachvortrag und als solcher nicht geeignet, Rückschlüsse  auf eine Unregelmäßigkeit des Wahlverfahrens schlüssig darzulegen.

Das Vorbringen, dass im Zeitpunkt des Eintreffens der Beobachter zuvor versiegelte Umschläge bereits geöffnet waren erklärt sich daraus, dass zu diesem Zeitpunkt die Auszählung schon begonnen hatte. Die Öffnung der versiegelten Umschläge erfolgte grundsätzlich nach dem Vier-Augenprinzip. Dies wurde auf Nachfrage von Herrn Sascha Beljanski, dem verantwortlichen Sachbearbeiter des Wahlbereichs  FB 01, ausdrücklich bestätigt. Ebenso wird ausgeschlossen, dass es sich bei den angeblich auf dem Flur gesichteten offenen Umschlägen mit Stimmzetteln um aktuelle Wahlunterlagen handelte. Nähere Angaben hierzu  (Beschriftung der Umschläge, Farbe der vermeintlichen Stimmzettel),  enthält der Vortrag nicht, so dass er als unsubstantiiert zurückgewiesen werden kann.

 

Die vom Einspruchsführer zutreffend geschilderte Unterbrechung der Stimmenzählung ist eine Unregelmäßigkeit, da das Wahlergebnis gemäß § 49 Abs. 1 KWahlO ohne Unterbrechung zu ermitteln ist.

Wenn die Verletzung von Vorschriften beanstandet wird, die das Verfahren der Stimmenauszählung und der Ermittlung des Wahlergebnisses regeln, kann die Erheblichkeit eines solchen Mangels für das Wahlergebnis und die Verteilung der Sitze im allgemeinen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Sinn und Zweck der die Stimmenauszählung betreffenden Vorschriften der Wahlgesetze ist es, die zutreffende Ermittlung des Wahlergebnisses zu gewährleisten.

Dementsprechend haben die Wahlprüfungsorgane in solchen Fällen den mit dem Einspruch vorgetragenen Sachverhalt durch geeignete Ermittlungen aufzuklären. Dabei ist die Aufklärung entsprechend dem Sinn des Substantiierungsgebots zunächst auf die Prüfung zu beschränken, ob sich die gerügten Verfahrensfehler bei der Auszählung der Stimmen ereignet haben. Ist dies der Fall, so haben sich die Ermittlungen der Frage zuzuwenden, ob die festgestellten Mängel des Zählverfahrens Auswirkungen auf das im konkreten Fall in Zweifel gezogene Wahlergebnis und darüber hinaus auf die Zuteilung von Mandaten haben (BVerfG,  Beschl v. 12.12.1991 -. 2 BvR 562/91-, juris).

Der gerügte Verfahrensfehler der Unterbrechung lässt keinen Rückschluss auf eine inhaltlich fehlerhafte Auszählung der Stimmen zu, so dass jegliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Unterbrechung der Zählhandlung auf die Zuteilung von Mandaten ausgewirkt haben könnte, fehlen.

Die Unterbrechung erfolgte zur Nachtzeit gegen 2:45 Uhr. Sie war notwendig geworden, da ein weiteres Verbleiben des Zählvorstandes die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes verletzt und aufgrund der auch vom Einspruchsführer beschriebenen Erschöpfung des Zählvorstandes die Genauigkeit und Sorgfalt bei der Ermittlung des Wahlergebnisses Vorrang vor einer schnelleren Bekanntgabe des Ergebnisses haben musste. Während der Unterbrechung der Zählung war ein Zugriff Dritter auf diese Unterlagen und damit auch eine Manipulation des Wählerwillens ausgeschlossen. Das Vorbringen ist somit nicht geeignet, eine Mandatsrelevanz zu begründen.

 

Zu Ziffer 4:

„Die Zählarbeit wurde am Montag um 11:30 Uhr wieder aufgenommen. Herr Asik, Herr Ulug und Frau Kazak waren wieder als Beobachter im Wahlamt und sahen dort große mindestens zwei offene Umschläge gefüllt mit (geschätzt hunderten) noch nicht gezählten Stimmen auf der Fensterbank liegen, die offensichtlich in unversiegeltem Zustand aus Wahllokalen abgeholt wurden. Frau Kazak dokumentierte dies fotografisch mit ihrem Handy. Weiterhin waren die anwesenden Wahlbeobachter Zeuge, als das Zählpersonal etwa 30 Stimmen nicht zuordnen konnte, weil diese Stimmzettel verglichen mit den Wählerverzeichnisvermerken über die Anzahl der abgegebene Stimmen zu viel waren. Das wurde darauf von dem dortigen Personal protokolliert.“

 

Die Schlussfolgerung, dass zwei gesichtete offene Umschläge mit noch nicht gezählten Stimmen offensichtlich unversiegelt aus Wahllokalen abgeholt worden seien, ist eine Mutmaßung, für die Tatsachen nicht vorgetragen wurden, so dass diese Behauptung mangels hinreichender Substantiierung ebenfalls zurückgewiesen werden muss. Da die Zählung – wie unter Ziffer 3 dargelegt – in der Nacht zuvor unterbrochen und am Folgetag gegen 11:35 Uhr fortgesetzt wurde, wurden die über Nacht im Amtszimmer des Bereichsleiters Herrn Riese verschlossenen Unterlagen in die fünfte Etage verbracht, um mit der Zählung fortzufahren. Als die vom Einspruchsführer benannten Beobachter gegen ca. 13:00 Uhr hinzutraten, war die Zählung bereits fortgesetzt worden, was voraussetzt, dass hierzu zuvor versiegelte Umschläge zu öffnen waren.  Sämtliche Wahlunterlagen waren während der Ermittlung des Wahlergebnisses ununterbrochen in der Obhut des FB 01/Wahlen und jederzeit vor Manipulationen geschützt.

 

Vergisst der Schriftführer im Verlauf der Wahlhandlung ein entsprechendes Kreuz als Zeichen der Stimmabgabe im Wählerverzeichnis einzutragen, sind vermeintlich mehr  Stimmzettel als Wähler  vorhanden. Die Zählung ergab insoweit keine Auffälligkeiten.  Die anhand der Wählerlisten und der Stimmenzählung festgestellten Differenzen in den einzelnen Stimmbezirken lagen mit Abweichungen von 0 bis zu 3 nicht angekreuzten  Stimmabgabevermerken sämtlich im Bereich des Üblichen, was anhand der Wahlniederschriften dokumentiert wurde. Zu berücksichtigen ist die Anzahl der in den vier Zählbezirken (7005, 7006,7007 und 7008) gesichteten Wahlunterlagen aus mehreren Stimmbezirken. So war der Zählbezirk 7005 für die Stimmbezirke 1001-2106, der Zählbezirk 7006 für die Stimmbezirke 2107-3205, der Zählbezirk 7007 für die Stimmbezirke 3301-3705 und der Zählbezirk 7008 für die Stimmbezirke 3706-4808 zuständig. Dementsprechend wäre eine in der vom Einspruchsführer genannten Größenordnung liegende Gesamtzahl der in den  Wählerverzeichnissen versehentlich nicht erfolgten Stimmabgaben  nicht untypisch. Auch  ist hierin keine Unregelmäßigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1  lit b) zu erkennen.  Vielmehr wird durch § 50  S. 4 KWahlO NRW klargestellt, dass für diesen Fall die Zahl der in der Wahlurne enthaltenen Stimmzettel als Zahl der Wähler gilt.  Entsprechendes ist in der Wahlniederschrift zu vermerken. Aufgrund der Regelung des § 50 S. 4 KWahlO NRW können  sich  fehlende Stimmabgabevermerke nicht auf die Mandatsverteilung auswirken.

 

Zu Ziff. 5:

„Der Wahlausschuss tagte am Freitag, den 28. Mai 2014 stellte keinerlei Unregelmäßigkeiten fest. Weiter hieß es, dass es auch keine Beanstandung oder Einspruch gegen das vorläufige Wahlergebnis gegeben habe (Pressebericht vom 30. Mai 3014). Unser Einspruch dagegen lag nachweislich sehr wohl dem Oberbürgermeister vor. (…).“

 

Unabhängig davon, dass die zur öffentlichen Sitzung des Wahlausschusses erschienenen Listenvertreter, darunter auch die stellvertretende Vertrauensperson des Einspruchsführers, Herr Sensol Asik, den zutreffenden Verlauf der Sitzung aus eigener Wahrnehmung bezeugen könnten und es insoweit nicht ausreichend ist, sich auf einen Pressebericht zu beziehen, wurden die den Beanstandungen zu Grunde liegenden Vorkommnisse, insbesondere u.a. die notwendig gewordener Unterbrechung der Zählung sowie das Beförderungsproblem der Wahlunterlagen zum Wahlamt, dem Ausschuss mitgeteilt. Eine unzutreffende oder unvollständige Unterrichtung des Wahlausschusses über  Besonderheiten im Zusammenhang mit der  Integrationsratswahl  durch die Wahlleiterin erfolgte nicht. Vielmehr hat sich die Wahlleiterin in Vorbereitung auf die Sitzung des Wahlausschusses  durch den Fachbereich FB 01 eine Übersicht über  Besonderheiten/ Beanstandungen  im Zusammenhang  mit der Wahl zum Integrationsrat fertigen lassen, die als Anlage 1 dem Protokoll beigefügt wurde. Zutreffend ist, dass der Wahlausschuss der Verwaltungsvorlage zur Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses seine Zustimmung erteilen konnte. Das Verfahren im Wahlausschuss wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Unregelmäßigkeiten sind hierin  nicht zu sehen und wurden vom Einspruchsführer auch nicht hinreichend detailliert begründet.

 

Soweit der  Einspruchsführer des Weiteren vorträgt,  dass die Wahlbeteiligung am 26. Mai um 18.00 Uhr mit nachweislichen 12,22 % beziffert worden wäre und nach der Sitzung des Wahlausschusses am 28. Mai 2014 auf über 14 % gestiegen sei, hat dies technische Gründe im Zusammenhang mit der Nachmeldung der „verspätet“ ausgezählten Stimmen.  Die allein auf diesen Umstand basierende Vermutung, „dass zahlreiche Stimmen tagelang irgendwo herum gelegen haben und im letzten Moment aufgetaucht sind“, ist unzutreffend und ersetzt auch keine hinreichende Begründung für diese Annahme. Jedenfalls hat der Einspruchsführer nicht substantiiert dargetan, dass es aufgrund der unterschiedlichen Meldungen zur Wahlbeteiligung zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Vielmehr äußert er allein die Befürchtung, dass solche Unregelmäßigkeiten hätten vorkommen können. Auf derartige bloß allgemein gehaltene, vage Behauptungen vermögen die Zulässigkeit eines Wahleinspruchs nicht zu begründen.

 

Abschließend  ist festzustellen, dass über die innerhalb der Einspruchsfrist geltend gemachten Einwendungen gegen die Gültigkeit der Wahl im Wahlprüfungsverfahren  sachlich nur zu entscheiden ist, soweit der Einspruchsführer den Sachverhalt, auf den er den geltend gemachten Wahlfehler stützt, innerhalb der Einspruchsfrist so substantiiert dargelegt, dass sich anhand dessen feststellen lässt, ob der Tatbestand des § 40 Abs. 1 lit b) KWahlG NRW  gegeben ist.

Da eine Unregelmäßigkeit beim Wahlverfahren  gemäß dieser Vorschrift  nur dann zur Ungültigerklärung der Wahl führt, wenn sie auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein kann, sind die Einwendungen des Einspruchsführers hieran zu messen.  Ein Einfluss auf das Wahlergebnis ist anzunehmen, wenn aufgrund seines Einspruchsvorbringens nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fern liegende Möglichkeit bestand, dass es ohne die Unregelmäßigkeit zu einem anderen Wahlergebnis gekommen wäre.  Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Einspruchsführers nicht gerecht.

 

Sein Vorbringen unter Ziffer 1) enthält  zwar eine konkrete Beschreibung nachprüfbarer Sachverhalte, es beschreibt indes keine Unregelmäßigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 lit b) KWahlG.

 

Mit der Ziffer 2) bemängelt der Einspruchsführer die späte Feststellung des Wahlergebnisses und lässt mit seiner abschließenden Frage „Was hat man solange gemacht?“ unausgesprochenen Spekulationen und Mutmaßungen ihren Lauf, ohne Angabe der Tatsachen, aus denen sich ein Wahlrechtsverstoß ergeben soll.

 

Das Vorbringen zu Ziffer 3) beschreibt insoweit eine Unregelmäßigkeit, als die Stimmenzählung in der Nachtzeit unterbrochen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass diese Unterbrechung Auswirkungen auf die Mandatsverteilung im Integrationsrat haben könnte, wurden nicht vorgetragen und sind, da die Unterlagen ununterbrochen in der Obhut des Wahlamtes und vor dem Zugriff Dritter geschützt waren, allenfalls eine sehr fernliegende Möglichkeit, die nicht geeignet ist, die Zulässigkeit  eines hierauf begründeten Einspruchs zu begründen.

 

Das Vorhandensein unverschlossener Umschläge während der Zählung stellt, wie unter Ziffer 4 vom Einspruchsführer vermutet, keine Unregelmäßigkeit dar, da die Zählung notwendigerweise eine Öffnung der Umschläge voraussetzt.

Es entspricht jedenfalls nicht der Lebenserfahrung,  dass diese Beobachtung einen Rückschluss auf einen Verstoß gegen § 55 Abs. 1 S. 1 KWahlO zuließe, wonach  die Wahlunterlagen  vom Wahlvorstand versiegelt  zu  übergeben sind.

 

Soweit der Einspruchsführer unter Ziffer 5  inhaltlich  Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Wahlausschusses wegen unzureichender Informationen äußert, sind diese zum einen nicht hinreichend begründet und zum anderen durch das Sitzungsprotokoll zu widerlegen.

 

Demzufolge ist der Einspruch insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.

 

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Anlagen

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