Entscheidungsvorlage - FB 36/0025/WP17

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz folgt dem Vorschlag der Verwaltung und beschließt die Beibehaltung eines Stilllegungsanteils von fünf Prozent der städtischen Waldfläche.

 

Der Ratsantrag der Fraktion: Die Linke (Nr. 389/16) ist damit erledigt.

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Erläuterungen

Erläuterungen:

Mit Ratsantrag Nr. 389/16 vom 02.05.2014 beantragte die Faktion DIE LINKE, der Rat möge folgenden Beschluss fassen:

Die Verwaltung wird beauftragt, zu prüfen, in welchen Zeiträumen weitere städtische Waldflächen aus der wirtschaftlichen Nutzung herausgenommen werden können. Bei der Ausweisung sind bevorzugt ursprüngliche Waldstandorte mit naturnahem, altem Waldbestand zu berücksichtigen. Das Ziel der nationalen Biodiversitätsstrategie einer Herausnahme von 10 % der kommunalen Wälder bis 2020 aus der wirtschaftlichen Nutzung soll mindestens erreicht werden.

 

Allgemeines

Die Frage der Stilllegung von Waldflächen wird deutschlandweit sehr intensiv, teilweise auf einer emotionalen und ideologischen Ebene diskutiert. In der Fachwelt existieren eine ganze Reihe von Strategiepapieren zur Sicherung der Biodiversität und zur Reduzierung des Artenschwundes.

Die im Ratsantrag angesprochene Biodiversitätsstrategie strebt pauschal eine natürliche Entwicklung auf 10 % der Waldfläche der öffentlichen Hand bis 2020 an. Öffentliche Wälder sind Wälder im Eigentum des Bundes (4% , vorrangig Truppenübungsplätze), der Länder (33 %) und der Kommunen (20 %). Die o.g. Forderung leitet deutschlandweit einen Paradigmenwechsel ein, weg vom Modell der multifunktionalen Waldwirtschaft hin zum Segregationsmodell. Zum besseren Verständnis werden die beiden Modelle nachfolgend kurz vorgestellt:

 

1. Das Modell der „Segregation“

Das Segregationsmodell verfolgt den Grundsatz, die unterschiedlichen Waldfunktionen räumlich voneinander zu trennen:

              Nutzfunktion (u.a. Holznutzung, Jagd usw.)

              Schutzfunktion (u.a. Schutz gefährdeter Tier- und Pflanzenarten,

              Schutz ökologischer Prozesse)

              Erholungsfunktion

Dieses Modell ist bisher vorwiegend in Ländern mit großen Waldgebieten und unberührten (teils gefährdeten) Urwäldern und einer vergleichbar geringen Bevölkerungsdichte zu finden.

Befürworter des Segregationsmodells schlagen vor, dass in Deutschland insbesondere alte Buchenwälder aus der Nutzung herausgenommen werden. Nadelholzwälder sollen im Gegenzug noch konsequenter auf eine maximale Holzernte getrimmt werden. Für mittelprächtige Wälder wären waldbaulich jeweils geeignete Mischkonzepte zu entwickeln.

 

2. Das Modell der „multifunktionalen Waldwirtschaft“ (synonym: Integrative Waldwirtschaft)

Dieses Modell verfolgt das Ziel, die oben genannten Funktionen möglichst optimal auf ein und derselben Waldfläche zu vereinen. Dies führt zu einer unterschiedlich gewichteten, aber sich oft überlagernden Funktionenvielfalt auf der Fläche. Dieses Modell hat sich in bevölkerungsreichen Ländern durchgesetzt, in denen es keine Urwälder mehr gibt.

 

 

 

Stadt Aachen: Status Quo

Die Stadt Aachen bewirtschaftet ihren Wald bisher nach integrativen/multifunktionalen Grundsätzen, und hat die zugrunde liegenden waldbaulichen Vorgaben per Ratsbeschluss vom 24.01.1996 konkretisiert. Erweitert wurden die Bewirtschaftungsvorgaben im Jahr 2003 durch die Zertifizierung des Waldes nach FSC. In diesem Zusammenhang wurden wie von FSC gefordert 5 % der Waldfläche als Referenzflächen stillgelegt. Diese Stilllegungsflächen haben nicht in erster Linie die Funktion des Naturschutzes, auch wenn rund zwei Drittel der Fläche einem besonderen Schutzstatus unterliegen, sondern dienen der langfristigen Beobachtung von Entwicklungsprozessen in Waldflächen unterschiedlicher Naturnähe. Hieraus lassen sich Schlussfolgerungen für die Umsetzung waldbaulicher Ziele ableiten und Eingriffe in das Ökosystem minimieren. Das Forstamt verfügt des Weiteren über ein Habitat- und Totholzkonzept sowie über eine Feinerschließungsrichtlinie zur Minimierung von Befahrungsschäden.

 

Flächenstilllegung: Pro und Contra

Die Stilllegung von Waldflächen ist ein sehr komplexes Thema und berührt eine ganze Reihe ökologischer, ökonomischer und sozialer Fragestellungen, die nachfolgend kurz aufgezeigt werden. Der Fachbereich Umwelt hat die Vor- und Nachteile einer Flächenstilllegung abgewogen und nach folgenden Kategorien bewertet: „günstig“, „eher günstig“, „neutral“, „eher ungünstig“, „ungünstig“.

 

I. Themenfeld Ökologie

I.1 Arten und Biotopschutz -> Flächenstilllegung: „eher günstig“

(Hinweis: wissenschaftliche Untersuchungen liegen nicht vor)

Durch eine Flächenstilllegung steigt auf lange Sicht der Alt- und Totholzreichtum als Lebensraum für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten (insbesondere Vögel, Fledermäuse, Insekten, Pilze).

Das Waldbewirtschaftungsmodell der Stadt Aachen strebt auf ganzer Fläche (nicht nur im Bereich der Stilllegung) eine Zielgröße von 10 Biotopbäumen je Hektar an. Der Fachbereich Umwelt geht davon aus, dass die Besiedlungs-, Zersetzungs- und Humifizierungsphase mit den hochspezialisierten und zum Teil seltenen Insekten- und Pilzarten durch die naturgemäße Waldwirtschaft der Stadt Aachen in gleicher Weise gefördert wird. Eine Ausdehnung der  Flächenstilllegung um weitere 5 % wird den Biotop- und Artenschutz geringfügig begünstigen.

 

I.2 Biodiversität/genetische Vielfalt -> Flächenstilllegung: „günstig“

Eine Flächenstilllegung führt zu einer höheren biologischen Vielfalt durch mehr Lebensräume und Arten sowie zu einer höheren genetischen Vielfalt innerhalb der Art.

 

I.3 Baumartenvielfalt -> Flächenstilllegung: „eher ungünstig“

Eine Flächenstilllegung führt zu einer Abnahme der Baum- und Strauchartenvielfalt wegen der vielerorts dominanten Vitalität der Buche gegenüber anderen Waldbaumarten wie z. B. Eiche, Kirsche, Ahorn.

Im Hinblick auf die waldbaulichen Risiken, hervorgerufen durch den Klimawandel, empfehlen Experten, die Baumartenvielfalt zu erhöhen. Bei Aufforstungen und Voranbauten bevorzugt das Gemeindeforstamt standortheimische Baumarten, je nach Standort werden aber auch trockenheitsresistentere Baumarten (z. B. Traubeneiche, Weißtanne) eingebracht. Der Aachener Wald wird sich in der Kürze der Zeit nicht eigenständig auf den prognostizierten Klimawandel einstellen können. Zur Risikominimierung werden daher Mischbaumarten durch forstwirtschaftliche Eingriffe erhalten bzw. gefördert.

 

I.4 Bodenschutz -> Flächenstilllegung: „günstig“

Durch die Flächenstilllegung wird eine Befahrung in der Regel obsolet (außer zu Zwecken der Verkehrssicherung). Die restlichen, nicht stillgelegten Waldflächen (90 %) werden dennoch bewirtschaftet und befahren. Dort findet die Befahrung auf permanenten Rückegassen statt; die Befahrungsquote liegt deutlich unter 10% der Fläche.

Sollte es darüber hinaus zu einer intensiveren Bewirtschaftung von Nadelwäldern und damit zu einer höheren Erschließungsdichte auf den hochproduktiven Waldflächen kommen, so relativiert sich dieser Effekt. Die Bewertung läge in diesem Fall bei „eher günstig“.

 

I.5 Referenzflächen für Wirtschaftswald -> Flächenstilllegung: „neutral“

Die Erweiterung der Stilllegungsflächen von derzeit 5% auf 10% würde die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Ableitung optimierter Waldpflegekonzepte – wenn überhaupt - marginal erhöhen. Aus dem NRW-Programm zu Naturwaldzellen liegen nach 40 Untersuchungsjahren ausreichende Erkenntnisse über die Entwicklung nicht bewirtschafteter Waldflächen vor. Dem regionale Aspekt wird nach Auffassung des Fachbereichs Umwelt durch die bisherigen 5 % Stilllegung (entspricht 115 ha) ausreichend Rechnung getragen.

 

I.6 Neophyten -> Flächenstilllegung: „ungünstig“

Das Konzept der Flächenstilllegung sieht keine menschlichen Eingriffe vor, d.h. die Bekämpfung von Neophyten oder das Entfernen von sich verjüngenden, nicht standortgerechten Nadelbäumen wäre nicht mehr möglich.

 

I.7 Klimaschutz -> Flächenstilllegung: „eher ungünstig“

In der Phase der Vorratsanreicherung speichern stillgelegte Wälder vermehrt CO2. Der Effekt geht jedoch spätestens in der Humifizierungsphase verloren. Das im Holz gespeicherte CO2 wird bei der Zersetzung wieder an die Umwelt abgegeben.

Bewirtschaftete Wälder binden CO2 aufgrund des Produktspeichers Holz und durch den Substitutionseffekt von energieintensiven Baustoffen langfristig. Selbst bei der Entsorgung (Verbrennung) werden fossile Brennstoffe durch den CO2-neutralen Brennstoff Holz ersetzt.

 

 

 

 

 

II. Themenfeld Ökonomie

II.1 Arbeitsplätze in der Forst- und Holzwirtschaft -> Flächenstilllegung: „ungünstig“

Volkswirtschaftlich betrachtet sichern 100 fm Rohholz einen Arbeitsplatz im Cluster Wald und Holz (Rohstoffproduzent, Waldarbeiter/Holzeinschlagsunternehmen, Spediteure, holzbe- und verarbeitende Säge-, Zellstoff-, Papier- und Möbelindustrie). Im Gegenzug ist – anders als im Umfeld von Nationalparks - nicht mit einer Kompensation der volkswirtschaftlichen Verluste durch ein höheres regionales Tourismusaufkommen zu rechnen.

Durch die Flächenstilllegung würden allein auf dem Gebiet der Stadt Aachen rund 700 fm Rohholz pro Jahr weniger genutzt.

 

II.2 Städtischer Haushalt -> Flächenstilllegung: „ungünstig“

Durch die Flächenstilllegung alter Buchenwälder wäre zum einen der jetzige Holzvorrat auf 115 ha nicht mehr nutzbar (grob geschätzter Wert: rd. 2.000.000 Euro [einmalig]), zum anderen würden auf diesen Flächen zukünftig keine Holzernteerlöse mehr realisiert (grob geschätzter Wert, holzerntekostenfrei: 20.000 Euro [jährlich]).

Dementsprechend wäre die Bilanz der Stadt Aachen anzupassen, d.h. Reduktion des Anlagevermögens (Aktiva) und des Eigenkapitals (Passiva). Zu verringern wären auch die Haushaltsansätze der kommenden Jahre um die nicht mehr zu erzielenden Erlöse.

 

II.3 Verkehrssicherung -> Flächenstilllegung: „ungünstig“

Die im Zuge der Flächenstilllegung überalternden und absterbenden Bäume bilden vermehrt Totholz bzw. stürzen um. Für Gefahrenbäume im Bereich von Straßen, Gebäuden oder Erholungseinrichtungen (Waldparkplätze, Bänke, Schutzhütten, Orientierungstafeln, Waldspielplätze usw.) besteht eine Verkehrssicherungspflicht seitens der Stadt Aachen. Heute werden Gefahrenbäume im Zuge einer Durchforstung (meist gewinnbringend) entfernt. Aufgrund der fehlenden Erschließung in Stilllegungsflächen können Gefahrenbäume jedoch nicht mehr mit konventioneller Technik und nicht mit eigenem Personal gefällt werden; erforderlich sind hochspezialisierte Unternehmer (Raupenhubsteiger, Seilkletterer usw.).

Die gefällten Bäume bleiben in der Regel als Totholz im Bestand liegen; den Kosten stehen somit keine Erlöse entgegen.

 

III. Themenfeld Soziales

III.1 Erholung -> Flächenstilllegung: „ungünstig“

Wie alle Erholungswälder ist auch der Aachener Wald durch ein sehr dichtes Wald-, Wander- und Reitwegenetz erschlossen. Daher sind Stilllegungsflächen und erholungsgewidmete Wege eng ineinander verzahnt.

Auch wenn der Erholungssuchende grundsätzlich den Wald auf eigene Gefahr betritt und mit waldtypischen Gefahren rechnen muss, so passt das Segregationsmodell nicht so recht zum Erholungsbedürfnis der Waldbesucher. Entweder sie nehmen das steigende Unfallrisiko in Kauf oder die Stadt Aachen baut Teile der Wald-, Wander- und Reitwege zurück und schränkt die Waldnutzung an diesen Stellen ein.

 

III.2 Umweltbildung -> Flächenstilllegung: „eher günstig“

Stilllegungsflächen bieten langfristig die Chance, natürliche Prozesse im Rahmen von Führungen stadtnah zu erleben.

Als regionale Besonderheit bedient auch der Nationalpark Eifel dieses Themenfeld. Das Thema Prozessschutz wird von der Nationalparkverwaltung professionell aufbereitet und kompetent durch geschultes Fachpersonal vermittelt. Der positive Aspekt der Umweltbildung durch Flächenstilllegung kommt aufgrund dieser Alternative in Aachen nur bedingt zum Tragen.

 

Folgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die oben genannten Themenfelder. Bei der Bewertung wurde bewusst auf eine Gewichtung der jeweiligen Aspekte verzichtet!

 

 

Fazit

Die Wälder der Stadt Aachen wurden bisher multifunktional nach den Grundsätzen der naturgemäßen Waldwirtschaft gepflegt und genutzt. Der segregative Bewirtschaftungsansatz erscheint nach Abwägung aller Belange für großstädtische Wälder mit ihren vielfältigen Funktionen insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen als eher ungeeignet. Bereits heute kommt es aufgrund der Nutzungsaufgabe (FSC-Referenzflächen) zu Konflikten mit der Erholungsnutzung (beispielsweise am Beverbach, im Itertal, im Freizeitgelände Walheim). Weitere Konflikte, beispielsweise am Friedrichswald, folgen in absehbarer Zeit .

Dagegen bietet die multifunktionale Waldwirtschaft aus Sicht des Fachbereichs Umwelt ein bewährtes Konsensmodell, mit dem auch zukünftig im stark frequentierten Stadtwald ein relativ höchster Nutzen hinsichtlich aller Ansprüche bereitgestellt wird. Zur Steigerung von Biodiversität und Artenvielfalt wurden Urwaldelemente wie Habitatbäume und Totholz in das Waldbewirtschaftungskonzept der Stadt Aachen integriert, so dass den ökologischen Belangen auch heute schon in vielfältiger Weise Rechnung getragen wird.

Sollten sich die rechtlichen Vorgaben ändern oder die Bewirtschaftungsgrundsätze des FSC weitere Stilllegungsflächen vorsehen, so wäre das Thema erneut im zuständigen Ausschuss zu diskutieren. Sollten sich im Einzelfall Waldflächen für eine Flächenstilllegung anbieten (z. B. Freyenter Wald), so wird der Ausschuss hierüber informiert.

 

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Auswirkungen

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Anlagen

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