Entscheidungsvorlage - FB 50/0061/WP17

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie stimmt der vorgeschlagenen Vorgehensweise der Verwaltung zu.

 

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Erläuterungen

Erläuterungen:

Die Fraktionen von CDU, SPD, Grüne, Linke, FDP und Piraten des Rates Stadt Aachen beantragen mit Ratsantrag vom 04.03.2015 die medizinische Versorgung von Flüchtlingen in Aachen zu verbessern (Anlage 1).

 

1. Optionen

Der Krankenschutz für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfolgt nach den Regelungen der § 4 Asylbewerberleistungsgesetz und § 6 Asylbewerberleistungsgesetz.

Zur Sicherstellung des Krankenschutzes für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG stehen drei Alternativen zur Auswahl:

 

1.1 Derzeitiges Verfahren in der Stadt Aachen

Die Hilfeempfänger erhalten Krankenscheine, die mit dem Hinweis versehen sind, dass nur die Kosten für die Behandlung akuter Erkrankungen und bei Schmerzzuständen übernommen werden. Dies entspricht den gesetzlichen Regelungen. Heilmittel, Hilfsmittel, Zahnersatz  und die Überweisung zu Fachärzten bedürfen der Zustimmung durch FB 50. Diese Verordnungen oder Überweisungen werden zur Prüfung an das Gesundheitsamt der Städteregion gesandt. Wird von dort die Notwendigkeit im Sinne des AsylbLG  festgestellt, wird die entsprechende Behandlung genehmigt. 

Krankenhauseinweisungen, abgesehen von Notfällen, bedürfen ebenfalls der vorherigen Zustimmung und werden auch durch das Gesundheitsamt der Städteregion geprüft.

 

Die Ausgabe der Krankenscheine und das Genehmigungsverfahren werden für alle Hilfeempfänger durch einen zentralen Sachbearbeiter durchgeführt. Hierdurch konnte das Verfahren beschleunigt werden.

Auch wurden mit dem Gesundheitsamt generelle Absprachen bezüglich Laboruntersuchungen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen getroffen, so dass in diesen Fällen die Prüfung durch das Gesundheitsamt in der Regel entfallen kann. Auch notwendige Behandlungen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft werden ohne ärztliche Überprüfung übernommen. Für Vorsorgeuntersuchungen  und Impfungen für Kinder gilt dies ebenfalls.

 

Die Abrechnung der Kosten erfolgt über die Kassenärztliche Vereinigung, die wiederum mit dem FB 50 abrechnet.  Die Kassenärztliche Vereinigung erhält hierfür keine Leistungen.

 

1.2. Bremer Modell

Das Bremer Modell sieht vor, dass jeder Leistungsberechtigte eine elektronische Gesundheitskarte erhält. Mit dieser Karte wird er bis auf wenige Ausnahmen den  GKV-Mitgliedern gleichgestellt. Lediglich die Übernahme der Kosten für Langzeitpsychotherapien, Vorsorgekuren, Rehabilitationsmaßnahmen und Zahnersatz bedürfen der vorherigen Zustimmung der Stadt.

Voraussetzung für eine solche Regelung ist ein Vertrag mit einer Krankenkasse, der u.a. den Leistungskatalog bestimmt.

 

Durch die Stadt müssten die Leistungsberechtigten bei der Krankenkasse an- und abgemeldet  werden. Auch wäre es Aufgabe der Stadt die elektronischen Gesundheitskarten wieder einzuziehen, wenn kein Leistungsanspruch mehr besteht. Die Prüfung der Leistungen, die nicht vom zu vereinbarenden Leistungskatalog erfasst sind, würde wie bisher durch die Stadt in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt der StädteRegion erfolgen.

Die Abrechnung der entstandenen Krankenhilfekosten mit den Ärzten würde durch die Krankenkasse erfolgen, die wiederum mit der Stadt abrechnen würde. Hierfür würde die Krankenkasse Gebühren erheben, die auszuhandeln wären.

Die zusätzlichen Leistungen würden über den Rechtsanspruch nach dem Asylbewerberleistungs-gesetz hinausgehen und sind damit freiwillig.

 

1.3. Gleichstellung mit GKV-Mitgliedern

Eine dritte Möglichkeit besteht darin, jedem Leistungsberechtigten eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen, mit der er den GKV-Mitgliedern völlig gleichgestellt ist. Die ärztliche Abrechnung der entstandenen Krankenhilfekosten würde durch die Krankenkasse erfolgen, die summarisch mit der Stadt abrechnet. Hierfür würde die Krankenkasse Gebühren berechnen.

Dieses Verfahren wird derzeit bereits auf Leistungsberechtigte angewandt, die gemäß § 2 AsylbLG Leistungen entsprechend dem SGB  XII erhalten. Diese werden gemäß § 264 SGB V bei einer Krankenkasse angemeldet. Bisher mussten die Leistungsberechtigten 48 Monate im Leistungsbezug des AsylbLG gestanden haben, um diese analogen Leistungen beziehen zu können. Seit dem 01.03.2015 können Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG bereits nach 15 Monaten Aufenthalt im Bundesgebiet diese analogen Leistungen in Anspruch nehmen.

 

Die zusätzlichen Leistungen würden über den Rechtsanspruch nach dem Asylbewerberleistungs-gesetz hinausgehen und sind damit freiwillig.

 

Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge erhalten ohnehin im Rahmen der Jugendhilfe einen umfassenden Krankenversicherungsschutz entsprechend den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung.

 

 

2. Finanzielle Auswirkungen

 

2.1. Bisheriges Verfahren

Für Leistungsberechtigte nach § 4  AsylbLG wurden im Jahr 2014 insgesamt 1.694.828,61 Euro aufgewendet. Dies ergibt pro Monat pro Kopf einen Betrag von 168,52 Euro. Die Abrechnung der ambulanten Krankenhilfekosten erfolgt durch die Kassenärztliche Vereinigung, hierfür entstehen keine Kosten.

 

2.2. Bremer Modell

Die finanziellen Auswirkungen dieses Verfahrens können nur geschätzt werden. Es ist derzeit nicht klar, wie sich die pro Kopf Ausgaben für die Krankenhilfe bei Einführung dieses Modells entwickeln würden. Auch ist zu verhandeln, welche Kosten bei der Krankenkasse für die Abrechnung der Leistungen entstehen und abgerechnet werden dürfen.

In Hamburg wird das Bremer Modell praktiziert. Dort fallen derzeit pro Person pro Monat 10 Euro Bearbeitungsgebühr an. Hinzu kommen noch 8 Euro pro ausgestellte Karte.

In Aachen hätte dies in 2014 Mehrkosten von ca. 112.560 Euro für den Verwaltungsaufwand bei der Krankenkasse bedeutet.

Es werden im Monatsdurchschnitt 838 Personen betreut. Daraus errechnen sich jährliche Verwaltungskosten in Höhe von 838 x 10 € x 12 Monate =               100.560

Zuzüglich ca. 1.500 Karten je 8 Euro =     12.000

 

Die Auswirkung auf die tatsächlichen Krankenhilfekosten kann nicht eingeschätzt werden.

Eine Steigerung um 10 % würde Mehrkosten von jährlich 169.482 Euro zur Folge haben.

Insgesamt betragen die Mehrkosten für diese Regelung nach überschlägiger Schätzung ca.282.000 €.

 

2.3. Gleichstellung mit GKV-Mitgliedern

Hier können als Anhaltspunkt  für die Kostenentwicklung  die Kosten herangezogen werden, die im Jahr 2014 für den Personenkreis nach dem AsylbLG, der bereits im Jahr 2014 nach § 264 SGB V bei der Krankenkasse angemeldet war, entstanden sind. Für diesen Personenkreis muss pro Quartal für jede angemeldete Person bei der Krankenkasse eine Kopfpauschale gezahlt werden. Diese Zahlung ist unabhängig davon, ob Leistungen im Rahmen der Krankenhilfe erbracht wurden. Die Kopfpauschale beträgt je nach Krankenkasse zwischen 78 und 117 Euro pro Quartal. Die Krankenkassen stellen zusätzlich 5 % Verwaltungskosten in Rechnung. Überträgt man dies auf den Personenkreis, der im Jahr 2014 Krankenhilfe nach dem bisherigen Verfahren erhalten hat, so wären im Jahr 2014 zusätzliche Kosten in Höhe von 446.165 Euro entstanden.

Berechnung:

5 % Verwaltungskosten von 1.864.311 Euro (110% der Kosten 2014)

nach Gesamtkosten 93.215€

Kopfpauschalen durchschnittlich 97,50 Euro pro Quartal für 905  Personen

nach ausgestellten Krankenscheinen ergibt jährlich       352.950€.

 

Die Auswirkung auf die tatsächlichen Krankenhilfekosten kann nicht eingeschätzt werden.

Eine Steigerung um 10 % (möglicherweise mehr wegen des höheren Leistungsanspruches) würde Mehrkosten von jährlich 169.482 zur Folge haben.

 

Insgesamt würden überschlägig Mehrkosten in Höhe von 615.000€ entstehen.

 

In wieweit es durch eine Änderung im Verfahren zu Einsparungen bei den Personalkosten bei FB 50 kommt, ist nur schwer abzusehen. Abhängig vom neuen Verfahren fallen auch weiterhin Tätigkeiten beim FB 50 an. Bei der Einführung des neuen Verfahrens bei der Stadt Hamburg wurden erhebliche Personalkosten eingespart. Diese Einsparungen resultierten jedoch aus dem Wegfall von  Aufgaben, die derzeit nicht vom FB 50, sondern von der Kassenärztlichen Vereinigung (Verträge mit Leistungserbringern, Direktabrechnung mit Leistungserbringern) oder vom Gesundheitsamt der Städteregion (Prüfung von Anträgen nach den Grundsätzen der § 4 und 6 AsylbLG) übernommen werden. 

 

3. Weitere relevante Parameter

 

3.1 Neue Rechtslage

Zum 01.03.2015 wurde das Asylbewerberleistungsgesetz  geändert. Leistungsberechtigte wechseln bereits nach 15 Monaten Aufenthalt im Bundesgebiet in die analogen Leistungen nach dem SGB XII, erhalten also nach 15 Monaten den Krankenversicherungsschutz entsprechend den Mitgliedern der GKV. Bisher lag diese Frist bei 48 Monaten.

 

3.2 Verkürzte Asylantragsverfahren

Es wird von Bund und Ländern angestrebt, die Verfahrensdauer der Asylantragsverfahren zu reduzieren, so dass nach erfolgter Anerkennung ein früherer Wechsel in die Leistungen der GKV möglich ist.

 

3.3 Rahmenbedingungen in Bund und Land

Dass die Regelungen der §§ 4 und 6 AsylbLG einer Überprüfung bedürfen ist allgemein anerkannt.

So hat die Bundesregierung  in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage erklärt, dass eine Reform der Gesundheitsleistungen im AsylbLG der Überprüfung bedarf. Eine Reform der Gesundheitsleistungen im AsylbLG wird daher noch im Verlauf dieser Legislaturperiode unter Beachtung der Aufnahme-Richtlinie der EU  angegangen (BT-Drs. 18/2184 vom 22.07.2014, Anlage 2).

Die Landesgesundheitskonferenz NRW hat am 20.11.2014 beschlossen, die Möglichkeiten eines Rahmenvertrages nach § 264 SGB V auf Landesebene mit Beitrittsmöglichkeit für interessierte Kommunen zu prüfen.

Die Landesregierung NRW sieht die zwingende Notwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung, die Krankenkassen verpflichtet, den Zugang zur Krankenbehandlung für Asylsuchende vor Ablauf der

15-Monatsfrist auf der Grundlage des § 264 SGB V zu ermöglichen, wenn die jeweilige Gemeinde es wünscht. Damit eine möglichst einheitliche Umsetzung realisierbar ist, hält die Landesregierung darüber hinaus eine Rahmenvereinbarung des Landes für notwendig. Die Landesregierung wird sich in den weiteren Gesprächen für eine gesetzliche Regelung einsetzen, die diese Voraussetzungen erfüllt. (LT-Vorlage 16/2596 vom 15.01.2015, Anlage 3).

„Der Tagesspiegel“ berichtet in seiner Ausgabe vom 01.03.2015, dass der Bund und die Länder bereits seit Wochen über eine gesetzliche Regelung verhandeln, die eine bundesweite Einführung einer Gesundheitskarte ermöglichen würde. Mit einem Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens wird bis zum Sommer gerechnet.

 

3.4 Beispiel Münster

Die Stadt Münster hat bereits im November beschlossen das Bremer-Modell einzuführen. Entsprechende Gespräche mit der AOK Bremen/Bremerhaven wurden begonnen. Laut Auskunft der Stadt Münster hat die AOK jedoch diese Gespräche zurückgestellt, bis über eine landesweite einheitliche Regelung für NRW entschieden wurde. 

 

 

4. Bewertung der Verwaltung

 

Die Option 1.1 (bisheriges Verfahren) ist in Aachen für die Leistungsberechtigten soweit möglich entbürokratisiert. Anträge auf Kostenübernahme werden zeitnah und bei dringendem Bedarf umgehend getroffen. Ermessensspielräume des Gesetzgebers werden genutzt, um eine sachgerechte und praxisnahe Entscheidung im Sinne der  Betroffenen zu treffen.

 

Die Option 1.2 (Bremer Modell) hat den Vorteil, dass die Leistungsberechtigten fast alle Leistungen der GKV erhalten können und nur im Ausnahmefall die Genehmigung des FB 50 benötigen. Es entstehen jedoch Mehrkosten von mindestens 112.560 Euro zuzüglich der Steigerung bei den tatsächlichen Krankenhilfeaufwendungen.

 

Die Option 1.3 (Gleichstellung mit der GKV) hat den Vorteil, dass die Leistungsberechtigten alle Leistungen der GKV erhalten können. Es entstehen jedoch Mehrkosten von mindestens 446.165 Euro zuzüglich der Steigerung bei den tatsächlichen Krankenhilfeaufwendungen, die über den gesetzlichen Anspruch nach den §§ 4 und 6 AsylbLG hinausgehen.

 

Die Verwaltung schlägt vor, die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge im Leistungsbezug nach den §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz in der Stadt Aachen zurückzustellen, bis abschließend über die Einführung von bundes- oder landesweit einheitlichen Regelungen entschieden wurde.

Nach dem Konnexitätsprinzip gem. Art. 78Abs. 3 der Landesverfassung NRW wäre dann vom Gesetzgeber auch eine Kostenregelung zu erwarten.

 

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Anlagen

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