Entscheidungsvorlage - FB 02/0024/WP17

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Wissenschaft nimmt die Ausführungen zustimmend zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung im Sinne einer ganzheitlichen Flächenvorsorge

 

1) im Rahmen des Entwurfs des Flächennutzungsplans 2030 in Abstimmung mit den

Fachbereichen Immobilienmanagement, Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen, sowie Umwelt nach Möglichkeiten der Ausweisung von zusätzlichen Gewerbestandorten zu suchen bzw. die bisher vorgesehenen Standorte auf Ihre Umsetzbarkeit und Akzeptanz zu prüfen,

2) mit der umfassenden Erfassung von Brachflächen, entsprechend der Richtlinie bzw.

Förderkulisse des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW),

3) mit der modellhaften Initiierung von Brachflächenrevitalisierungen, insbesondere im Hinblick auf urbane Produktion im Zuge der beauftragten Standort- und Marktanalyse Aachen Nord,

4) mit der Strategieentwicklung hinsichtlich interkommunaler Gewerbeflächenstandorte sowie

Kontaktaufnahme zu Nachbarkommunen bzw. potenziellen Partnern und

5) mit der Etablierung einer gemeinsamen datenbankgestützten Flächeninformationsstruktur für die Fachbereiche Immobilienmanagement, Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen, Umwelt sowie Wirtschaftsförderung.

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Erläuterungen

Ganzheitliche Flächenvorsorge sichert Wirtschaftsentwicklung

Eine ausreichende, zeit- und nachfragegerechte Versorgung mit Gewerbeflächen ist Voraussetzung einer erfolgreichen und nachhaltigen kommunalen Wirtschaftsentwicklung. Angesichts der Endlichkeit der Ressource Boden und damit verbundenen Nutzungskonkurrenzen zwischen Freiraum und Siedlungsraum einerseits und innerhalb des Siedlungsraums zwischen Stadtfunktionen wie Wohnen, Gewerbe, Verkehr und Erholung etc. andererseits, kommt einem ausgewogenen Mix aus Flächenneuausweisung, Revitalisierung und interkommunaler Zusammenarbeit in der kommunalen Flächenstrategie eine besondere Bedeutung zu.

 

Der ökonomische Strukturwandel in Richtung einer stärkeren Dienstleistungs- und Wissensökonomie bringt andererseits neue digitale Produktions- und vernetzte Logistikkonzepte (Stichwort: Industrie 4.0) mit sich und hat vielerorts zu betrieblichen Neuinvestitionen geführt. Befördert wird dies durch die derzeitige Niedrigzinsphase, die einerseits unternehmerische Investitionen in eigene Gebäudeinfrastrukturen ermöglichen, andererseits aber auch neue Anlagemodelle der Immobilienwirtschaft beflügeln.

Traditionelle immissionsstarke Industrien, die bislang Gewerbe- und Industriestandorte prägten, werden dagegen zunehmend aufgegeben und hinterlassen ein großes Angebot an Brach- und untergenutzten Gewerbeflächen, mit weitreichenden Fragestellungen für die Wirtschaftsförderung, die Stadtplanung und Standortentwicklung.

Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Neuaufstellung des städtischen Flächennutzungsplanes, gemäß Auftrag des Planungsausschusses der Stadt Aachen im Jahre 2008.

 

Flächennutzungsplan

Im Hinblick auf das Thema Gewerbeflächen weist der Vorentwurf für den neuen FNP vom 03.04.2014 in der Summe 748 ha gewerbliche Baufläche (davon 75 ha Reservefläche) aus, wobei der derzeit noch geltende FNP von 830 ha (davon 120 ha Reservefläche) ausgeht. In der Summe aus Reduzierungen, Flächenumwidmungen und Neuausweisungen sind somit insgesamt 82 ha (davon 45 ha Reservefläche) nicht mehr als klassische gewerbliche Baufläche nutzbar. Allerdings sind ein Teil der Gewerbeflächen (Haaren, Forst, Laurensberg, Prager Ring) in Mischgebietsflächen umgewandelt und parallel die sog. GE-Ausweisungen um Verkehrsflächen reduziert worden. Reduzierungen erfolgen insbesondere in Bereichen der bisherig mittelfristig verfügbaren Vorsorgefläche (Brand Nord, Schleckheim) zugunsten des Freiraums bzw. der Landwirtschaft. Im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs West erfolgt u.a. eine Ausweisung als Sondergebiet Hochschule zugunsten des RWTH Aachen Campus. Weitere Umwidmungen erfolgen zugunsten von Wohnbauflächen (Brand).

 

Ein bereits geänderter Vorentwurf vom 26.05.2014 sieht im Ergebnis die weitere Reduzierung zusätzlicher Gewerbeflächen, insbesondere die Rücknahme von Neuausweisungen in Eilendorf und Haaren vor. Dies könnte tendenziell in Summe zum zusätzlichen Wegfall von Flächen in der Größenordnung von 44 ha führen.

 

Angesichts der Flächenknappheit für Neuansiedlungen und Erweiterungen, hat der Fachbereich Wirtschaftsförderung/Europäische Angelegenheiten im April 2015, nach Rücksprache mit den Fachbereichen Immobilienmanagement sowie Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen, die AGIT mbH mit der Ermittlung des zukünftigen Gewerbeflächenbedarfs in der Stadt Aachen beauftragt. Ziel dieser Expertise war es, auf Basis von zwei nachfrageorientierten Prognosemodellen den zukünftigen Gewerbeflächenbedarf bis 2030 zu ermitteln und diesen dem verfügbaren Gewerbeflächenreserven im aktuellen FNP auf Basis des Gewerbeflächen-Monitorings gegenüberzustellen.

 

Im Ergebnis attestiert die Studie auf Basis der Trendfortschreibung der Gewerbeflächennachfrage der letzten 12 Jahre einen Bedarf von rd. 73 ha gewerbliche Baufläche bis 2030. In den jeweiligen Extremszenarien schwankt dieser Wert zwischen 47 ha bei einer andauernden Rezession und 108 ha bei einem andauernden Boom auf dem Gewerbeflächenmarkt. Zuletzt stieg die Nachfrage deutlich, so dass 70 % (bzw. 38,15 ha) der erfassten 124 Grundstücke seit dem Jahre 2009 veräußert wurden. Auf Basis der durch das Deutsche Institut für Urbanistik (DIFU) entwickelte trendbasierten standort-spezifischen Gewerbe- und Industrieflächenprognose (TBS-GIFPRO) kommt das Gutachten mit Hilfe verschiedener Quoten und Kennziffern rechnerisch sogar auf einen Flächenbedarf von 111 ha.

 

Vergleich „Vorentwurf für den neuen FNP“ mit Gewerbeflächenreserven zum 31.12.2014

Die Gegenüberstellung mit den zukünftigen Gewerbeflächenreserven des Vorentwurf für den neuen FNP zeigt eine deutlich verschlechterte Situation, insbesondere aufgrund fehlender Aktivierungsmöglichkeiten. Das bedeutet, 45 ha Gewerbeflächenangebot bis 2030 stehen einem prognostizierten Bedarf von ca. 110 ha gegenüber.

 

Die Prognosen des durch die AGIT erstellten Gutachtens (s. o.) greifen ebenfalls das Szenario eines deutlich verringerten Gewerbeflächenangebotes auf. Die Detailergebnisse werden im Rahmen eines Vortrags durch die AGIT im Ausschuss vorgestellt.

 

Neuausweisung

Die o.g. Gegenüberstellung der zukünftige Gewerbeflächenreserven (45 ha) mit dem prognostiziertem Bedarf von ca. 110 ha ist ein für Kommunen typische Baulandparadoxon und veranschaulicht u.a. auch den Bedarf neue Gewerbeflächen auszuweisen. Die Realisierung der im Vorentwurf benannten Flächen (z.B. Verlautenheide) ist daher von zentraler Bedeutung. Parallel stellt sich die Frage, ob der Verzicht auf bereits ausgewiesene Gewerbeflächen, wie z.B. die Erweiterungsfläche der Schumag AG, tatsächlich sinnvoll erscheinen und ob es richtig ist, die erst kürzlich als GE erworbene Fläche (Brand Nord) nun doch nicht zu entwickeln.

 

Brachflächenentwicklung

Gleichzeitig zeigt das o.g. Prognosemodell aufgrund von Unternehmensschrumpfungen, Betriebsaufgaben und Verlagerungen 60 ha als wieder nutzbare Brachflächen aus. Diese Brachflächen sind sehr viel stärker als bisher in den Blick zu nehmen. Erste Schritte in diese Richtung zeigen das Potenzial, aber auch, dass weitere Untersuchungen z.B. im Rahmen von geförderten Projekten notwendig sind, um insbesondere durch ein intelligentes Gewerbeflächenmanagement das Ziel der dauerhaften Sicherstellung von nutzbaren Gewerbeflächen zu gewährleisten.

 

Hilfreich bei der angestrebten Revitalisierung ist, dass sich derzeit Standortfaktoren und Standortangebote sehr viel stärker ausdifferenzieren. Nach Jahrzehnten der (inter-)nationalen Auslagerung von Produktionsstandorten, die überwiegend die suburbanen Räume adressierte, erscheint aufgrund der Megatrends Digitalisierung, Individualisierung, Urbanisierung und demographischen Wandel, eine zunehmende Reintegration der Produktion in die Städte möglich. Die Entwicklung bringt weitreichende Implikationen für Innovationssysteme, Arbeitsmärkte und insbesondere Flächennutzungen für urbane Regionen mit sich, die mit Fläche 4.0 (analog zu Industrie 4.0) oder urbane Produktion umschrieben werden. Indem neue Produktionsverfahren wie z.B. 3D-Druck, die kundennahe, individuelle Fertigung vor Ort ermöglichen, können gleichzeitig Wünsche der städtischen Bevölkerung nach mehr wohnortnahen Arbeitsplätzen bedient, Zielvorgaben beim Flächensparen erfüllt, aber auch eine ausreichende, zeit- und nachfragegerechte Versorgung mit Gewerbeflächen für Unternehmen sichergestellt werden. Die Veränderung der Arbeitswelten bieten folglich nicht nur Anlass für Entflechtung und Trennung zwischen Gewerbe und empfindlicher Wohn und Freiraumnutzungen sondern auch Chancen für neue städtische Mischungen.

 

Eine wesentliche Basis für die nachhaltige Gewerbeflächenentwicklung liegt folglich u.a. auch in der Analyse der Gewerbeflächen und der damit verbundenen Identifizierung von unternutzten und brachliegenden Flächen. Ein im Dezernat Wirtschaftsförderung, Soziales und Wohnen durch den Fachbereich Wirtschaftsförderung/ Europäische Angelegenheiten erstellter Revitalisierungskatalog gewerblicher Bauflächen für die Stadt Aachen, hat 19 Flächen mit insgesamt 68,7 ha potenziell nutzbarer Flächen identifiziert. Es zeigt sich, dass insbesondere eine fachliche Bewertung der im Detail zu erfassenden natur- und umweltschutzrechtlichen Belange sowie planungsrechtlichen Restriktionen notwendig ist, um eine ausreichende Grundlage zu schaffen, die eine Kosten-Nutzenanalyse der Revitalisierung zulässt. Hierzu bietet das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW eine entsprechende Förderkulisse mit einer 80 % Förderquote für Städte und Gemeinden an.

 

Besonders die Mobilisierung dieser im Revitalisierungskatalog festgestellten bzw. neuen Potenzialflächen muss einzelfallbezogen nach gesamtstädtischen Interessen und lokalen Rahmenbedingungen vorangetrieben werden. Darüber hinaus sollte mit aktiver und strategischer Flächenpolitik agiert werden. Hierzu zählt das gesamtstädtische Flächenmanagement, welches wichtige Entwicklungsflächen erfasst sowie priorisiert, ggf. ankauft, nutzungsoptimiert entwickelt und vermarktet, um das benannte Flächenportfolio an verfügbaren Gewerbefläche nachhaltig zu gewährleisten. Hierzu ist eine fachbereichsübergreifende Datenbank notwendig, in der private und städtische Flächen gelistet sind, die sofort oder in den nächsten Jahren für eine Aktivierung zur Verfügung stehen und Steckbriefe der einzelnen Entwicklungsflächen anhand verschiedener Planungsparameter (Rahmendaten, Planungs- und Umweltrecht, Charakterisierung, Entwicklungsperspektiven, Ziele und Handlungsschritte) untersucht bzw. beschreibt.

Das Vorgehen einer Revitalisierung zur Identifizierung gewerblicher Bauflächen soll im Rahmen der Standort- und Marktanalyse zu Gewerbeflächen in Aachen Nord erprobt werden. Anknüpfungspunkt für zukünftige Revitalisierungen bilden hierbei die innovativen Produktionsmethoden, die derzeit für den Streetscooter entwickelt werden. Die detaillierte Darstellung der geplanten Studie zum Revitalisierungspotential erfolgt ebenfalls im Rahmen eines Vortrags durch die beauftragte Arbeitsgemeinschaft KadaWittfeld Architekten / WZL in der Ausschuss-Sitzung.

 

Interkommunale Gewerbegebiete

Neben der eigenen Flächenknappheit zwingt auch die zunehmende Konkurrenzsituation in der Städteregion zur Beschäftigung mit interkommunalem Gewerbeflächenmanagement. In nur 10 – 15 km Entfernung zur Innenstadt werden in den Nachbarkommunen deutlich mehr Gewerbeflächen zu deutlich niedrigeren Preisen angeboten. Die Preisspanne reicht in der Städteregion von 18 €/qm in Baesweiler zu 130 € in Würselen. Beispiele in der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass zunehmend eine Randwanderung aus der Stadt ins Umland zu beobachten ist, die sich nur teilweise mit einer funktionalen Differenzierung und damit den Standortkosten erklären lassen. Im Ergebnis führt dies zu erhöhten Aufwänden für Unternehmen deren Mitarbeiter und den konkurrierenden Standortkommunen.

Dem setzt das sog. Interkommunale Gewerbeflächenmanagement bzw. der Standortpool ein intelligentes und faires Management von Standortansprüchen, -potenzialen und -interessen entgegen. Ziel sollte dabei sein, bedarfsorientierte, funktional differenzierte Gewerbestandorte gemeinsam zu entwickeln, zu vermarkten und nachhaltig zu betreiben. Notwendig ist hierfür neben der durch das Gewerbeflächen-Monitoring erreichten Transparenz, Vertrauen und gemeinsame Regeln zu Verteilung der Kosten und Gewinne (z.B. gemeinsamer Gewerbesteuerpool).

 

Im bundesweiten Vergleich existieren mit rd. 75 interkommunalen Gewerbestandorten in NRW die meisten Kooperationen, bei denen zwei und mehr Kommunen gemeinsam Flächen entwickeln. In der Region Aachen gibt es bereits einige Beispiele interkommunaler Gewerbestandorte (Eschweiler/Inden, Düren/Niederzier, Baesweiler/Aldenhoven), die allerdings nur einen geringen Integrationsgrad aufweisen (d.h. eher als angrenzende kommunale Einzelgebiete verstanden werden). Die eigenen Erfahrungen mit dem interkommunalen UND grenzüberschreitenden Gewerbegebiet Avantis zeigen jedoch, neben vermeintlichen Synergien auch Doppelaufwände bei der Abstimmung. Beispiele aus anderen Teilen NRWs zeigen allerdings auch, dass dies bei einer langfristigen Strategieentwicklung und den richtigen Partnern möglich ist.

 

Fazit:

Die dargestellten politischen Vorgaben auf allen Ebenen lassen bei den gleichzeitig erfassten Gewerbeflächenbedarfen und zukünftigen Reserven nur den Schluss zu, im Sinne einer ganzheitlichen Flächenvorsorge die o. g. Maßnahmen einzuleiten bzw. durchzuführen.

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