Entscheidungsvorlage - FB 20/0090/WP17
Grunddaten
- Betreff:
-
Neuregelung der Umsatzbesteuerung der juristischen Person des öffentlichen Rechts gem. § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG)
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Entscheidungsvorlage
- Federführend:
- FB 20 - Fachbereich Finanzsteuerung
- Verfasst von:
- Hr. Knoll
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Finanzausschuss
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Anhörung/Empfehlung
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13.12.2016
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Erledigt
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Rat der Stadt Aachen
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Entscheidung
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21.12.2016
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Beschlussvorschlag
Beschlussvorschlag:
Der Finanzausschuss nimmt die Änderungen des Umsatzsteuerrechts bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) ab dem 01.01.2017 zur Kenntnis und empfiehlt dem Rat der Stadt Aachen, bis zum 31.12.2016 gegenüber dem zuständigen Finanzamt Aachen-Stadt eine Optionserklärung gem. § 27 Abs. 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) abzugeben, um die bisher geltenden Regelungen für die Umsatzbesteuerung jPdöR nach Maßgabe der Begründung weiterhin anwenden zu können.
Der Rat der Stadt Aachen beschließt die Ausübung des Optionsrechts und beauftragt die Verwaltung, bis zum 31.12.2016 gegenüber dem zuständigen Finanzamt die nachstehende Optionserklärung gem. § 27 Abs. 22 UStG abzugeben:
„Hiermit erkläre ich, dass die Stadt Aachen für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführten Leistungen der Stadt Aachen weiterhin den § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) in der am 31.12.2015 geltenden Fassung anwenden wird.“
Erläuterungen
Erläuterungen:
Mit dem am 01.01.2016 in Kraft getretenen Steueränderungsgesetz 2015 ergeben sich für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) grundlegende Änderungen, um den Vorgaben des Europäischen Umsatzsteuerrechtes Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Änderungen betreffen auch die Stadt Aachen und führen zu einer deutlichen Ausweitung der umsatzsteuerrechtlich relevanten Tätigkeitsbereiche.
Der seit Anfang 2016 geltende und grundsätzlich erst ab 01.01.2017 anzuwendende neue § 2b UStG reformiert die Umsatzbesteuerung der jPdöR grundlegend.
Bisherige Rechtslage:
Nach derzeitigem Recht werden jPdöR gemäß § 2 Abs. 3 UStG nur im Rahmen ihrer „Betriebe gewerblicher Art (BgA)“ sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch im Sinne des UStG tätig.
Ob ein BgA vorliegt, ist nach den Kriterien des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu prüfen. Danach ist ein BgA jede Einrichtung, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dient und sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Stadt wirtschaftlich heraushebt.
Neue Rechtslage:
Der bisherige § 2 Abs. 3 UStG wurde gestrichen und stattdessen ein neuer § 2b UStG eingeführt.
Durch den Wegfall des § 2 Abs. 3 UStG wird das Umsatzsteuerecht vom Körperschaftsteuerrecht entkoppelt, d.h. für eine mögliche Umsatzsteuerpflicht ist nicht mehr das Vorliegen eines BgA erforderlich.
Nach der Neuregelung wird es vielmehr insbesondere darauf ankommen, ob eine jPdöR auf Basis eines privatrechtlichen Vertrages oder auf Basis einer öffentlich-rechtlichen Regelung tätig wird. Dabei wird auch verstärkt dem Wettbewerbsgedanken Rechnung getragen, d.h. sobald die jPdöR in Konkurrenz zu anderen Unternehmen tätig wird, kann dies eine Umsatzsteuerpflicht auslösen.
Zahlreiche und wesentliche Besteuerungsprivilegien der jPdöR werden dadurch zukünftig aufgehoben.
Kurz zusammengefasst ergeben sich nach der Neuregelung folgende Änderungen:
- Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage unterliegen – unabhängig vom Vorliegen eines BgA – stets der Umsatzbesteuerung.
- Leistungen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage unterliegen nur dann nicht der Umsatzbesteuerung, wenn sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt werden und zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen führen.
- Eine Wettbewerbsverzerrung ist nicht gegeben, wenn der Jahresumsatz gleichartiger Tätigkeiten 17.500 € nicht übersteigt (Nichtaufgriffsgrenze).
- Die interkommunale Zusammenarbeit unterliegt ebenfalls strengeren, nachfolgenden Voraussetzungen, um von der Umsatzbesteuerung ausgenommen zu werden.
Interkommunale Zusammenarbeit:
Die Leistungsbeziehungen zwischen jPdöR i. R. der interkommunalen Zusammenarbeit bzw. der Beistandsleistungen werden in § 2b Abs. 3 UStG wie folgt behandelt:
Sofern eine Leistung an eine andere jPdöR ausgeführt wird, liegen größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vor, wenn
- die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von jPdöR erbracht werden dürfen oder
- die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn
- die Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen,
- die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen,
- die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und
- der Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere jPdöR erbringt.
Übergangsregelung:
Der Gesetzgeber hat in § 27 Abs. 22 S. 3 UStG eine langfristige Übergangsregelung aufgenommen, um den jPdöR einen geordneten Wechsel in das neue Besteuerungssystem zu ermöglichen. Danach können diese optional erklären, dass sie weiterhin bis zum 31.12.2020 nach der alten Rechtslage besteuert werden wollen.
Die Abgabe dieser Erklärung ist nur bis zum 31.12.2016 möglich. Wurde bis dahin keine Erklärung abgegeben, gilt automatisch das neue Recht. Ein Nachholen der Erklärung ist nicht möglich.
Die Optionserklärung ist durch den gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten der jPdöR abzugeben und kann nur einmalig und einheitlich für alle städtischen Aufgabenbereiche und Tätigkeiten erklärt werden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe folgenden Kalenderjahres zu widerrufen. Eine erneute Rückkehr zur alten Rechtsanwendung ist dann jedoch nicht mehr möglich.
Es ist keine größere Kommune bekannt, die nicht von der Möglichkeit der Option Gebrauch macht.
Verfahrensvorschlag:
In einem ersten Schritt wurden im Rahmen einer Bestandsaufnahme die Tätigkeiten und Umsätze der Stadt Aachen erfasst. Aufgrund der derzeit noch bestehenden Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Vielzahl von noch nicht näher erläuterten Rechtsbegriffen im neuen § 2b UStG ist eine abschließende umsatzsteuerliche Beurteilung derzeit nicht möglich. Es sind zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Sachverhalte erkennbar, die für Anwendung der Neuregelung bereits zum 01.01.2017 sprechen.
Vor diesem Hintergrund wird empfohlen für die Stadt Aachen das Optionsrecht wahrzunehmen.
Sollten sich bis zum 31.12.2020 Sachverhalte ergeben, die aus städtischer Sicht insgesamt vorteilhafter sind, wird die Verwaltung dem Rat vorschlagen, die Optionserklärung zu widerrufen.