Kenntnisnahme - FB 61/0814/WP17

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Planungsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis.

 

Der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz nimmt die Ausführungen der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis.
 

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Erläuterungen

Erläuterungen:

 

Anlass

Mit Beschlussfassung vom 20.09.2017 hat der Rat Stadt Aachen die Verwaltung beauftragt (Ratsantrag 299/17 der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion vom 12.09.2017), in den zuständigen Fachausschüssen darzustellen, welche Schritte zur Umsetzung des Ziels, dem Erhalt und der Sicherung der Grünfinger in Aachen einen besonderen Stellenwert zuzuordnen, durchgeführt werden können. Ferner wurde festgehalten, dass die Abwägung zu einzelnen Bereichen im Rahmen des Verfahrens zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes  Aachen*2030 erfolgen soll. Hierbei steht der Verbrauch unbebauter Flächen wie auch die kritische Auseinandersetzung mit Schlüsselstellen im bebauten Bereich im Fokus.

 

Ausgangslage

Die abwechslungsreiche landschaftliche Lage der Stadt Aachen wird geprägt durch den Übergang von den ländlich besiedelten, bewaldeten Naturräumen der Voreifel im Süden und der landwirtschaftlich genutzten Börde im Norden. Mehrere Bachtäler verknüpfen den 'Waldgürtel' über 'Grünfinger' mit der Kernstadt Aachens.

 

Der Erhalt eines gesunden Stadtklimas gehört in der Kur- und Badestadt Aachen seit Jahren zu den zentralen Feldern kommunaler Umweltpolitik. Anpassungserfordernisse an die Folgen des Klimawandels stellen sich in der Stadt Aachen besonders dringlich, weil die Kernstadt aufgrund ihrer Talkessellage seit vielen Jahren mit stadtklimatischen und lufthygienischen Problemlagen „zu kämpfen hat“. Deshalb ist es langjähriger Planungskonsens, Grünzüge und Frischluftbahnen von Bebauung freizuhalten, um die Klimatisierung der Kernstadt zu gewährleisten, um gesundheitlich bedenkliche Aufheizungen von Stadtquartieren zu vermeiden und klimatische Extremereignisse abzumildern. Aufgrund der begrenzten Flächenverfügbarkeit und wegen des anhaltenden Drucks zur baulichen  Nachverdichtung wird sich die Diskussion um innenstadtnahe Freiflächen voraussichtlich tendenziell noch verschärfen. Eine planerische Verankerung ist daher zum Erhalt und zur Sicherung der Aachener Grünfinger unabdingbar.

 

Zu den Konzepten, die sich mit dem Thema „Erhalt und Sicherung der Aachener Grünfinger“ befassen, zählen neben dem Masterplan Aachen*2030 die Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes, die Erarbeitung des neuen Landschaftsplanes, das Aachener Klimafolgenanpassungskonzept von 2015 sowie das Konzept zur Sicherung der Aachener Freiflächen. Diese konkretisieren Vorgaben aus der Regional- und Landesplanung, die zum Teil als Zielvorgaben verbindlich zu berücksichtigen sind. Die vorgenannten Konzepte und Planungen sind damit Weichen stellend für die verbindliche Bauleitplanung und die Bewertung von konkreten Bauvorhaben.

 

Die Wichtigkeit des Themas insgesamt wird auch durch die Einbindung der Stadt Aachen und seiner Repräsentanten in nationale und internationale Netzwerke. So ist die Stadt Aachen z.B. Mitglied in den Klimaschutzinitiativen der EU-Kommission 'Covenant of  Mayors – Konvent der Bürgermeister' europäischer Städte sowie 'Mayors Adapt'.

 

Einordnung in die Regional- und Landesplanung

Die kommunale Bauleitplanung ist in die Planungssystematik der Regional- und Landesplanung eingebunden. Auf diesen übergeordneten Planungsebenen sind Zielvorgaben formuliert, die durch die kommunale Bauleitplanung verbindlich zu berücksichtigen sind.

 

Der Schutz und die Sicherung der natürlichen Lebengrundlagen ist eine zentrale Prämisse des aktuellen Landesentwicklungsplanes (LEP). Mit Blick auf die lokal bedeutsamen Grünfinger finden diese dort eine Entsprechung durch die Darstellung von Grünzügen, die sich an den natürlichen Strukturen der Bachtäler und der Topographie orientieren. Eine bauliche Entwicklung in diesen Bereichen ist nicht zulässig, diese bleibt dem ausgewiesenen Siedlungsraum vorbehalten. Diese Zielsetzung wird im LEP unter Kapitel 7.1-5 „Ziel Grünzüge“ textlich konkretisiert: „Regionale Grünzüge sind im Hinblick auf ihre freiraum- und siedlungsbezogenen Funktionen vor einer siedlungsräumliche Inanspruchnahme zu schützen.“ Die Umsetzung dieser landesplanerischen Zielsetzung erfolgt durch den Regionalplan, welcher seinerseits die Zielvorgabe durch die Darstellung von regionalen Grünzügen definiert und die bauliche Entwicklung auf allgemeine Siedlungsbereiche beschränkt.

 

Die als „Grünfinger“ bezeichneten Strukturen reichen mehrheitlich südwestlich bis südöstlich zum innerstädtischen Talkessel. Diese Grünbereiche, die die Verbindung der Landschaft bis in den Siedlungsbereich darstellen, sind seit vielen Jahren bekannt als bedeutsame Flächen für Naherholung, Sport, Stadtklima und Grünvernetzung.

 

Im Hinblick auf die anstehende Überarbeitung  des Regionalplanes wird die Verwaltung über verschiedene Themenfelder wie Klimaschutz, Lufthygiene, Energie, Biotopverbund und Biodiversität, Verkehrs-, Gewerbe- und Wohnungsbauentwicklung die Sicherung und den Erhalt der Aachener Grünfinger einbringen.

 

Masterplan Aachen*2030

In seiner Sitzung am 19.12.2012 hat der Rat der Stadt Aachen den Masterplan Aachen*2030 als Ausdruck eines gemeinsamen Grundverständnisses über die gesamtstädtische Zielkonzeption beschlossen. Die Ergebnisse des Masterplanes sind gem. §1 (6), Nr.11 BauGB im Sinne der gemeindlichen Selbstbindung als städtebauliche Entwicklungskonzeption in der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Daraus resultiert die Verpflichtung, die enthaltenen Zielsetzungen im Zuge der Weiterentwicklung der Bauleitplanung in den Abwägungsprozess einzubeziehen.

 

Der Masterplan Aachen*2030 zeigt Perspektiven und Impulse für die räumliche Entwicklung der Stadt Aachen auf und erfüllt die Funktion eines strategischen Instrumentes. Besondere Bedeutung kommt der Sicherung und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen zu. Diese sind in den Handlungsfeldern 7 Freiraum, 8 Natur und Landschaft sowie 9 Klimaschutz und Klimaanpassung beschrieben und die Zielsetzungen jeweils in Plan und Text konkretisiert sowie in einigen Schwerpunktbereichen detaillierter ausgearbeitet.

 

Hinsichtlich der „Grünfinger“ ist das „Handlungsfeld 7 - Freiraum“ hervorzuheben. Dort ist als Ziel formuliert: „Tief in den Stadtkörper hineinreichende Grünfinger mit Bachläufen verknüpfen die Siedlungsbereiche mit den vielfältig strukturierten Landschaftsräumen; dies begünstigt die notwendige Klimatisierung des Stadtkerns durch Kaltluftentstehung und -abfluss ebenso wie die quartiersnahe Erholung. Die Grünzüge tragen wesentlich zur Stadtattraktivität und zur Lebensqualität der Wohnstandorte bei. Sie sollen deshalb grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden.“

 

In der zugehörigen Kartendarstellung ist die Synergie der „grünen und blauen Vernetzungen“ dargestellt und darüber hinaus sind Bereiche definiert, in denen die Grünfinger dauerhaft zu sichern sind oder fortgeführt werden sollen. Dem Ziel der Vernetzung mit den Siedlungsbereichen ist durch eine Signatur Rechnung getragen, die die Verknüpfungsbereiche mit den Grünfingern darstellt.

 

Die klimatische Bedeutung der Grünfinger kommt im „Handlungsfeld 9 – Klimaschutz, Klimaanpassung“ zum Ausdruck. Dort ist als Ziel formuliert: „Bei der weiteren Entwicklung der Siedlungsbereiche und der Freiräume werden Strategien und Maßnahmen erforderlich sein, die negative Auswirkungen des Klimawandels dämpfen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Siedlungsräumen, die aus stadtklimatischer Sicht und aus gesundheitlicher Sicht ein erhöhtes Risiko für die nachteiligen Folgen des Klimawandels bergen. Die Kaltluftentstehungsgebiete am Rande der Siedlungsbereiche müssen daher langfristig gesichert werden. Mit dem Kaltluftabfluss über die Grünfinger in die Kernstadt  erfolgt in Aachen ein wirksamer klimatischer Ausgleich, der langfristig gewährleistet bleiben muss.“

 

Neben der Berücksichtigung in der Abwägungsentscheidung der Bauleitplanung enthält der Masterplan auch Maßnahmen zur Umsetzung seiner Zielsetzungen. Er ist damit Grundlage für das Verwaltungshandeln in den erfassten Sachthemen. Im Zuge der Erarbeitung verschiedene Fachkonzepte und abgeleiteter Maßnahmen wird regelmäßig überprüft, wie sie zur Umsetzung der Zielsetzungen des Masterplanes beitragen können.

 

Erkenntnisse aus dem Klimafolgenanpassungskonzept

Für die Situation der dicht besiedelten Innenstadt haben die Bachtäler des Aachener Südens eine sehr hohe Bedeutung. Durch die Tallagen entlang von Bächen fließen große Mengen nächtlicher Kaltluft bis weit in die verdichtete Innenstadt hinein und ermöglichen so den Austausch schadstoffhaltiger und sauerstoffarmer Luft, die sich hier durch Verkehrs- und Hausbrandemissionen tagsüber einstellt. Hierzu liegen zahlreiche Gutachten und Modellrechnungen vor. Diese Effekte sind wissenschaftlich untersucht und belegt. Neben diesem lufthygienischen Effekt ist der abkühlende stadtklimatische Effekt heute und mit Blick auf die Auswirkungen des Klimawandels von besonderer Bedeutung für die Sicherung der Qualität des Wohnens und Lebens in der Stadt. Das  Aachener Klimafolgenanpassungskonzept von 2015 hat diese Funktion untersucht  und den besonderen Sicherungsanspruch der Bachtäler betont, helfen sie doch den mit dem Klimawandel zu erwartenden Erwärmungstendenzen entgegen zu wirken.

 

Gerade eine Stadt wie Aachen, die eine, im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich hohe Wohnbevölkerung im innerstädtischen Kern aufweist, ist diese Vorsorge elementar zum Schutz der Einwohner der Stadt. Die Erkenntnisse des Klimafolgenanpassungskonzeptes haben maßgeblichen Einfluss auf den Abwägungsprozess zum neuen Flächennutzungsplan sowie im Übergang zur Landschaft auch für den neuen Landschaftsplan.

 

 

Neuaufstellung des Flächennutzungsplan Aachen*2030

Schon 1978 wurden im Landschaftspflegerischen Fachbeitrag (Prof. Pflug) zum Flächennutzungsplan 1980 die herausragende Bedeutung  und Funktion sowie der damit verbundene Schutzanspruch der Talflächen belegt bzw. formuliert. Das hat in den letzten 35 Jahren dazu geführt, dass im Wesentlichen die stadtklimatisch wirksamen Bachtäler von Bebauung freigehalten wurden.

 

Fortschreitendes Siedlungs- und Verkehrswachstum führen im Zusammenwirken mit zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels zu weiteren Verschärfungen der stadtklimatischen und lufthygienischen Problemlagen im Talkessel, denen mit dem Klimafolgenanpassungskonzepte vorsorglich entgegengewirkt wird. Komplementär zu den Klimaschutzzielen verfolgt die Stadt Aachen deshalb auch das Ziel, negative Folgen des Klimawandels zu dämpfen.

 

Zur Sicherung der besonderen Funktion der Grünfinger ist beabsichtigt, diese und die darüber hinaus wichtigen klimarelevanten Bereiche im Rahmen der Neuaufstellung des FNP AC*2030 besonders darzustellen. Die Bereiche, die Frischluft zuführen, sollen als ‘Belüftungsbahnen‘ dargestellt werden, um ihnen bei zukünftigen Planungen besonderen Stellenwert zukommen zu lassen. Bereiche im zentralen, innerstädtischen Bereich, die besonderen Belastungen ausgesetzt sind (Stichwort „Hitzestress“) und damit einen besonderen Schutzanspruch haben, sollen als ‘Schutzbereich Stadtklima‘ dargestellt werden. Planungen und konkrete Baumaßnahmen, die zukünftig in diesen Bereichen vorgesehen sind, werden hinsichtlich dieser Thematik besonders zu prüfen sein. Die Festlegung von konkreten Maßnahmen geht über die Darstellungsmöglichkeiten und der Regelungsdichte des FNPs hinaus, die Umsetzung von stadtklimatisch wirksamen Maßnahmen wird dann im nachfolgenden Bauleitplanverfahren oder im Zuge der Realisierung der konkreten Baumaßnahmen geregelt.

 

Neuaufstellung des Landschaftsplanes

Anders als der Flächennutzungsplan, der als Instrument der Siedlungsentwicklung und -steuerung dient, trifft der Landschaftsplan Aussagen über den so genannten Außenbereich, erhält und sichert Qualitäten und zeigt Entwicklungsziele auf. Bundesnaturschutzgesetz und Landesnaturschutz Nordrhein-Westfalen definieren die Ziele und die Inhalte des Landschaftsplanes. Die Landschaftsplanung ist damit das zentrale Planungsinstrument des Natur- und Artenschutzes und der Landespflege. Als Satzung beschlossen, erreicht der Landschaftsplan mit seiner parzellenscharfen Abgrenzung einen hohen Verbindlichkeitsgrad.

 

Bei der Erarbeitung der Inhalte des „neuen“ Landschaftsplanes, der derzeit parallel zum  Flächennutzungsplan Aachen*2030 aufgestellt wird, ist der Abgleich mit den Vorgaben zur Siedlungsentwicklung und der siedlungsnahen Übergänge in den Landschafts- und Erholungsraum von besonderer Bedeutung. Zielsetzung für den neuen Landschaftsplan ist hier, über Landschaftsräume, Leitbilder und Entwicklungsziele behördenverbindliche Leitlinien im Hinblick auf den Erhalt und die Sicherung der „Grünfinger“ zu formulieren.

 

Derzeit wird der Vorentwurf des neuen Planwerks erarbeitet. Das beauftragte Planungsbüro, Gesellschaft für Umweltplanung und wissenschaftliche Beratung aus Bonn, sowie die Verwaltung legen dabei größten Wert auf einen Abgleich der konkurrierenden Interessen im Rahmen der Festsetzungskompetenzen des Landschaftsplanes für den Natur-, Landschafts- und Artenschutz. Hierbei wird auch das Entwicklungsziel „Klima“ bearbeitet.

 

Zusammenfassung

Der Erhalt und die Sicherung der Grünfinger ist eine Zielsetzung, die bereits aus der Regionalplanung herzuleiten ist. Das informelle Planwerk des Masterplan Aachen*2030 formuliert diese weiter aus. Hieraus ergibt sich eine Zielvorgabe, sowohl für die kommunale Bauleitplanung als auch für die konkrete städtebauliche Planung. Insbesondere die beiden in der Neuaufstellung befindlichen, umfassenden Planwerke, der Flächennutzungsplan Aachen*2030 und der Landschaftsplan bilden zukünftig das Herzstück zum Erhalt und zur Sicherung der Aachener Grünfinger und dienen im Rahmen der Abwägung zwischen Flächenschutz und –Inanspruchnahme als zentrale Maßgaben. Hieran lehnen sich weitere informelle Planungen und Konzepte an, die den Erhalt und die Entwicklung der Grünfinger sicherstellen.
 

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Anlagen

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