Entscheidungsvorlage - E 49.5/0131/WP17
Grunddaten
- Betreff:
-
Schenkung von Dr. Zerlin, Meerbusch, an das Suermondt-Ludwig-Museum
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Entscheidungsvorlage
- Federführend:
- E 49 - Kulturbetrieb
- Verfasst von:
- E 49/1
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Betriebsausschuss Kultur
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Anhörung/Empfehlung
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25.01.2018
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Erledigt
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Rat der Stadt Aachen
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Entscheidung
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07.02.2018
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Beschlussvorschlag
Beschlussvorschlag Betriebsausschuss Kultur:
Der Betriebsausschuss Kultur empfiehlt dem Rat der Stadt Aachen, die Schenkung von Herrn Dr. Zerlin, Meerbusch, an das Suermondt-Ludwig-Museum anzunehmen.
Beschlussvorschlag Rat:
Auf Empfehlung des Betriebsausschusses Kultur beschließt der Rat der Stadt Aachen, die Schenkung
von Herrn Dr. Zerlin, Meerbusch, an das Suermondt-Ludwig-Museum anzunehmen.
Erläuterungen
Erläuterungen:
Schenkung unter Lebenden ( § 7 ErbStG) durch Dr. jur. Reiner Zerlin, Meerbusch, an das SLM/an die Stadt Aachen
Dr. jur. Reiner Zerlin (Jg. 1939), ehemaliger Jugendrichter am Amtsgericht Düsseldorf, hat über Jahrzehnte eine reiche Skulpturen- und Kunstgewerbesammlung mittelalterlicher Kleinskulpturen zusammengetragen. Er möchte seine Sammlung dem SLM bzw. der Stadt Aachen als Schenkung übereignen.
Der erste Kontakt mit ihm und seinem ebenfalls sammelnden Bruder ergab sich 1999 im Zuge der Vorbereitungen für die Ausstellung „Antlitz des Mittelalters. Mittelalterliche Bildwerke aus rheinischem Privatbesitz“, die im selben Jahr im SLM Aachen und 2000 im Museum Dominikanerforum Rottweil gezeigt wurde. Für den Begleitkatalog wurde ein großer Teil seiner Skulpturen wissenschaftlich bearbeitet und erstmals publiziert. Seit 2000 begleitete das SLM den weiteren Aufbau der Sammlung beratend mit der Aussicht, seine Skulpturen- und Kunstgewerbesammlung nebst einigen Gemälden in Form einer „Schenkung“ für das SLM zu übernehmen. Im Laufe der Jahre erbat sich das SLM fünf Skulpturen der Zerlin’schen Sammlung als Dauerleihgabe für die permanente Präsentation im SLM.
Die Gesamtkollektion umfasst 66 Skulpturen/Schnitzereien, drei Gemälde, 363 bemalte Fliesen und 80 Objekte des Kunstgewerbes im geschätzten Gesamtwert von 1.280.770.- EUR.
Die Sammlung von Dr. Zerlin beinhaltet durchwegs qualitativ hochrangige mittelalterliche Bildwerke vom Oberrhein, Franken und Schwaben über Frankreich (Lothringen, Limoges) und Köln bis in die Alten Niederlande. Besonders hervorzuheben ist die Trauernde Maria aus der Werkstatt des wohl berühmtesten deutschen Bildhauers der Spätgotik, Tilman Riemenschneider (um 1460-1531), der bisher mit keinem Werk im SLM vertreten ist. Angesichts des von Riemenschneider-Werken „leergefischten“ Kunstmarktes und der astronomischen Kunsthandelspreise für diesen Künstler, wäre dieses Objekt ein höchst willkommener Zugang. Ferner passt die Hl. Barbara aus der Werkstatt des ulmisch-augsburgischen Bildhauers Gregor Erhart (um 1465 - 1540/1) hervorragend in die Reihe ulmischer Meister, die im SLM fast lückenlos mit Einzelwerken ab ca. 1420 dokumentiert sind. Auch die kleinformatigen Holzfiguren aus den burgundisch-habsburgischen Niederlanden (Mecheln, Brüssel, Antwerpen, Lüttich, Roermond, Maasland usw.) ergänzen den eigenen Bestand in idealer Weise. Ferner wären die frühen Skulpturen, die im SLM eher spärlich vertreten sind, eine absolute Bereicherung der Aachener Kollektion (Maria mit Kind, maasländisch, um 1270/80; Maria mit Kind, um 1220/30; Maria mit Kind, maasländisch, 1290/1310; Engel, Limoges, 13. Jh. usw.).
Auch in ikonographischer Hinsicht ist eine Reihe von Skulpturen herausragend und teilweise sogar unikat: Exemplarisch genannt werden kann ein Auferstehungschristus vom Oberrhein (um 1480) und eine um 1390 vermutlich in Köln entstandene Christusfigur, die eine singuläre Mischung von Schmerzensmann und Grablegungschristus darstellt. Bemerkenswert ist ferner das kleine Konvolut an kleinen Pfeifentonfigürchen Wormser und Utrechter Produktion, das mittlerweile in zwei Katalogen umfassend publiziert wurde, und dessen überragende Qualität herausgestrichen wurde (Grimm 2011).
Der Großteil der Sammlung an holländischen Wandfliesen wurde 2005/2006 von Mitarbeiterinnen der Städt. Museen bearbeitet. Das Ergebnis dieser Arbeit liegt in einem reich bebilderten Katalog vor und mündete 2006 in Ausstellungen im Couven-Museum und in Schloss Oranienbaum/Dessau. Die sehr gezielt gesammelten Fliesen stellen eine unerschöpfliche Quelle für Kulturgeschichte, Historie und Alltagsleben der Niederlande dar. So werden die sog. „Kinderspielfliesen“ in die diesjährige Ausstellung zu Kinderspielzeug im Couven-Museum integriert werden.
In das Sammlungsprofil des SLM/der städt. Gesamtsammlung passen auch die vielfältigen Exponate des Kunstgewerbes (Ostasiatika, Antike, europäisches Mittelalter und Renaissance, rheinische Keramik usw.). Hierbei sind auch besonders 10 Bücher, zumeist Koranausgaben, des 17.- 19. Jh.s in formvollendeter arabischer Kalligraphie und Ornamentik zu nennen, die – in Auswahl zusammen mit einer beschnitzten afghanischen Koranwiege und drei osmanischen Tellern (Iznik/Westanatolien, 16.-17. Jh.) - in der Bürgerlichen Kunstkammer ausgestellt werden könnten. Die Objekte eignen sich hervorragend als Ersatz für die im Krieg fast vollständig vernichtete Teilsammlung Islamischer Kunst und, der veränderten Demographie Rechnung tragend, beispielsweise als niederschwelliger Museums-Zugang für MigrantenInnen („kulturelle Integration“).
Bei Zustimmung zur Übernahme der Sammlung im Rahmen der „Schenkung“ möchte Herr Zerlin 10 Skulpturen permanent ausgestellt wissen, eine Forderung, der leicht nachzukommen wäre, handelt es sich in erster Linie um kleinformatige Figuren, die in einer Vitrine aufgestellt werden können. Weitere Auflagen, die über die musealen Standards bezüglich Handling, Aufbewahrung, Publikationen und Kenntlichmachung des Schenkers hinausgehen, bestehen nicht.
Zusammenfassend können als Gründe für die Annahme der Schenkung folgende Argumente genannt werden:
Die Übernahme der Sammlung steht in der Tradition des SLM seit 1882. Die städt. Gesamtkollektion setzt sich ja in der Hauptsache aus zahlreichen geschenkten und vermachten privaten Sammlungen zusammen.
Die aufgelisteten Sammlungsgegenstände passen perfekt in das Sammlungsprofil des SLM (die Übernahme der Ikonen der Zerlinschen Sammlung wurde deshalb vonseiten des SLM abgelehnt).
Es wäre aufgrund fehlender Mittel für das SLM nicht möglich, Objekte von solch großer Qualität sowie Vielfältigkeit und in solcher Zahl zu erwerben.
Besonders die Skulpturensammlung – in Deutschland immerhin die drittgrößte in kommunaler Trägerschaft - würde sowohl bezüglich zahlenmäßigen Umfangs und Qualität in erheblichem Maß profitieren.
Für die Unterbringung der Schenkung wird im Depot sowie im Museum nur ein geringer Platzbedarf erforderlich sein.
Literatur:
Ausst.kat. Antlitz des Mittelalters. Meisterwerke spätmittelalterlicher Skulptur in rheinischem Privatbesitz (bearb. v. Reinhard Karrenbrock u. Claudia Lichte), Rottweil/Aachen 1999
Grimm, Gerald Volker : Kleine Meisterwerke des Bilddrucks. Ungeliebte Kinder der Kunstgeschichte, Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im SLM 14.07.-16.10.2011, Büchenbach-Erlangen 2011
Bestandskat. Niederländische Skulpturen von 1130 bis 1600, bearb. von Dagmar Preising, Wibke Birth, Michael Rief u.a.), Petersberg 2017 (zugleich Ausst.kat. Leuven 2017)
Ausst.kat. 13x13. Die Welt im Quadrat. Niederländische Fliesen aus zwei rheinischen Privatsammlungen(bearb. v. Belinda Petri und Ulrike Hartmann), Aachen 2006
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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(wie Dokument)
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