Erläuterungen:
Für die Umsetzung des Antrages bedarf es einer gesamtstädtischen Strategie zur institutionalisierten und ressortübergreifenden Zusammenarbeit v.a. von
- Bauverwaltung,
- Stadtentwicklung,
- Wirtschaftsförderung
- sowie Kultur.
Dadurch entsteht eine Grundlage für die Sensibilität bezüglich des Antragsthemas.
Das Antragsthema selbst besteht in der Analyse aus den Aspekten:
-Analyse der Kulturtopographie – ungenutzte Ressourcen identifizieren, erschließen, der Nutzung zuführen
-Sensibilitätserhöhung gegenüber Kultur- und Kreativwirtschaft; Berücksichtigung bei der Planung
-Neue Räume, Plätze, Orte erschließen, nutzbar machen und erproben sowie Sicherung vorhandener Räume der Kultur- und Kreativwirtschaftschaffenden.
Die Verwaltung regt an, durch ressortübergreifende Gespräche mit den oben genannten Dezernaten und Fachbereichen pilothaft das Thema Kulturtopographie im Bereich der Hochschulen aufzuarbeiten. Dies soll sowohl unter dem Gesichtspunkt der Nutzung von Flächen und Räumen erfolgen, als auch unter dem Aspekt der Ansprache von Kultur- und Kreativwirtschaft.
Um weitere Möglichkeiten zur Umsetzung des Antragsziels aufzuzeigen, kann die nachfolgend vom Kulturbetrieb zusammengestellte Darstellung von Szenarien für Kreativräume dienen. Diese Liste ist unvollständig und soll als Ideenspeicher dienen, der fortgeschrieben und stets aktualisiert werden kann.
Urbanität und Kulturtopographie – Szenarien für Kreativräume
Oberziele | Ziele | Handlungsempfehlungen |
Urbanität fördern durch Kulturangebote im Zentrum - Rezentralisierung der Innenstadt - | - Steigerung der „mythischen Attraktivität“ (HÄUSSERMANN; SIEBEL) zentraler Standorte zum Zwecke der Begegnung, des Austauschs, der Kommunikation
| - Im kulturellen Bereich die Planung der Bespielbarkeit von zentralen Plätzen (Markt, Münsterplatz, Elisengarten, Hof, Kármán-Auditorium, Pontviertel) bewerten, zuordnen, optimieren, abstimmen (across the borders)
- Aufwertung der innerstädtischen Kulturorte und „lieux de mémoire“ (Theater, Krönungssaal, Dom) städtebaulich; SCHLÖGEL
- Zugangstransparenz (Öffnungszeiten, Leistungen) und Abstimmung mit Dehoga- und APAG-Angeboten
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Urbanität fördern durch Nutzungsänderungen - Revitalisierung der Stadt - - zones of transition - | - Umnutzung aufgelassener Fabrikgelände als „Kulturfabriken“ für die creative industry bzw. innovative KünstlerInnen; Förderung der kreativen Klasse ( s. SPIEGEL)
- Nutzung von Verkehrsknotenpunkten zu kulturellen Zwecken, um dieses Merkmal urbaner Lebensform (Mobilität) herauszuarbeiten und den mobilen urbanen Bürger dort zu erreichen
- Produktiven Austausch von Bürgern diverser Lebensbereiche fördern
| - Weitere Nutzung Nadelfabirk für kulturelle Zwecke und/oder Objekte im Bereich Jülicher Str., Aachen-West, Aachen-Ost;
- Nutzung des Depots und der Fabrikhalle Strang
- Räume im Übergang und Umbruch nutzen, z.B. Pontstr. („zone of transition“ à la Schwabing, Prenzlauer Berg); nicht nur ordnungsrechtlich betrachten; Kooperation mit RWTH, Anliegern und Anwohnern intensivieren
- Jülicher Straße, St. Elisabeth mit digital hub, Musikschule, Lufo, Depot entwickelt sich zu einem Quartier im Übergang unter Beteiligung der Bürger
- Kulturveranstaltungen im Hauptbahnhof und im Bushof
- Offene Veranstaltungsformen im Hochschulbereich anregen, fördern, koordinieren (wie z.B. FilmSchauPlätze NRW in 2017)
- Kultur in den Hörsaal, Hörsaal ins Museum
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Urbanität fördern durch konzeptionelle Nutzung von Grünflächen - Re-kultivierung der Parks | - Neben der Erholungsfunktion sind die Parks durch eine arbiträre Nutzung für diverse kulturelle Veranstaltungen markiert (Kurpark Classix, Open-Air-Kino, 4th of July, Jazz-Veranstaltung, Grillen für den guten Zweck der Fleischerinnung, Multi-Kulti-Fest). Der charmanten Beliebigkeit könnte eine programmatische Konzeption zur Seite gestellt werden. Die fußläufig gut erreichbaren Parkanlagen könnten Bühne ( bereits jetzt Kennedypark) und Veranstaltungsort für v.a. Kulturveranstaltungen werden, bei denen verschiedene Zielgruppen (Familien, Migranten, Hochschulangehörige) angesprochen werden.
| - Konzepterstellung für die „Jardins culturelles“/ Gärten der Kunst (Stadtpark, Garten der Kunst im LuFo, Elisengarten, Westpark, Kennedypark)
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Urbanität fördern durch Innovation, Irritation, Umgang mit Unsicherheiten, Fremdheiten und Ambivalenzen | - Urbanität als Geisteshaltung fördern (produktiver Umgang mit der Kultur der Differenz, Förderung der Toleranz );SIMMEL, SENNETT, FLORIDA; Entfaltung der Individualität fördern und Kommunikation ermöglichende Formate entwickeln BAHRDT
| - Stärkung der innovationsfreudigen freien Kunst- und Kulturszene durch stärkere Kooperation u.a. mit festen Kultureinrichtungen (Orte), programmatischer Einbindung, Marketing
- Öffentlichkeitswirksame Projekte und Konzepte zum Thema Wissenschaft und Kultur; Europa und Kultur stärken
- Flächendeckendes Zweigstellenetz der Bibliothe u.a. als Begegnungsstätten div. Kulturen ausbauen
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Urbanität fördern durch Thematisierung der Urbanität Aachens | - Öffentliche Verständigung über die urbane Entwicklung und die urbanen Merkmale der Stadt Aachen im Laufe ihrer Geschichte
| - Öffentliches Forum „ Urbs aquensis - Die Urbanität der Stadt Aachen. Geschichte und Entwicklung“ unter Beteiligung von u.a. Stadtarchiv, Geschichtswissenschaft, Stadtplanung, Kultur. Verortung: Rathaus, Grashaus und Gang in die Bezirksvertretungen
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Urbanität fördern durch interkulturelle Projekte | - Austausch, Kooperation und Vernetzung mit qualitätsvollen Kulturprojekten von (i. Gegensatz zu reinen Folklore-Veranstaltungen) Migranten zur Begegnung mit der kulturellen Vielfalt in Aachen zwecks ästhetischer Sensibilisierung und Förderung des gegenseitigen Verständnisses
| - Kommunikation, Information und Vernetzung mit Kulturvereinigungen ausländischer Bürger auch über die Stabsstelle Integration fördern unter dem Gesichtspunkt der Qualität
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Kultur und Wissenschaft vernetzen | - Begegnung und Kommunikation zwischen Bürgern und Hochschulangehörigen fördern
| - Orte und Räume der Hochschulen für Kulturveranstaltungen nutzen; Kultureinrichtungen für Formate der Hochschulen öffnen, gemeinsame Projekte und Formate entwickeln; Projekt Campus Templergraben, Projekt RWTH Aachen Campus bedürfen der Begleitung der Kultur
- Stadtplan mit allen Hochschuleinrichtungen und allen Kultureinrichtungen publizieren
- Bibliothek als Wissens- und Kulturspeicher wahrnehmbar machen
- RWTH Aachen Campus kulturtopographisch betrachten
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Kultur in der Stadtmitte verankern | - Die Stadtmitte ist der Ort der Begegnung mit „mythischer Attraktivität“ (HÄUSSERMANN; SIEBEL); dieses Zentrum muss, analog zur Route Charlemagne, selbstverständlicher Spielort für vielfältige Kulturveranstaltungen sein
| - Abstimmung und Planung mit allen Akteuren (E 49; Rathaus; Dom; MAC etc.)
- Kulturelle Highlights in der Stadtmitte (Ausstellungen: Krönungen, Ex oriente, Karlsjahr 2014,Aachen-September-Special) strategisch planen
- „Stadt als Bühne“
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Orte der freien Szene markieren, öffnen, bewerben, vermarkten | - Orte und Programme zeitgenössischer Kunst und Kultur müssen stärker bewusst gemacht werden, um den Zugang zu erleichtern und den Zuspruch zu erhöhen (z.B. NAK, Das-Da-Theater, Raststätte, Bleiberger Fabrik, Musikbunker, AKUT e.V); diese Inkubatoren des Neuen, Anstößigen und Visionären sollen auffindbar sein.
| - Instrumente (Web, Flyer, Übersicht) über die „festen“ Spielorte der „freien“ Kulturszene entwickeln.
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Haltepunkte im öffentlichen Raum | - Kunst im öffentlichen Raum, auch temporär, als Haltepunkte der Irritation, Reflexion und Besinnung etablieren; ggfs. Auftragsvergabe unter den Gesichtspunkten Kunst und Wissenschaft, Kunst und Europa.
| - Mit der Kommission Kunst im öffentlichen Raum existiert ein Instrument.
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Identifikation mit und Profilierung von Stadtteilen fördern | - Kulturelles Profil und Flair der Stadteile mit Bezug zur je ansässigen Bevölkerung ausarbeiten
| - Kartographierung der Stadtteile nach ansässigen Künstlern, Migranten, Randgruppen, Restaurants, Cafés, Kultureinrichtungen, Altersstruktur s. SPIEGEL, Porträt v. Amsterdam
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Literatur:
-„Die Archäologie des Monströsen.“ In der bretonischen Hafenstadt St. Nazaire wird der große U-Boot-Bunker der Nazis zum Kulturzentrum umgebaut. Art. v. Lothar Müller in: SZ, Nr. 153, 6.7.2007, S. 13.
-Bahrdt, Hans-Paul: Die moderne Großstadt. Soziologische Überlegungen zum Städtebau. 1969.
-Beckmann, Klaus J.: Städte der Zukunft brauchen Wissen. In: Difu-Berichte 2/2007, S.2-4.
-Europas coole Städte. Was Städte sexy macht. DER SPIEGEL Nr. 34/2007, S.98-112.
-Florida, Richard: The Rise of the Creative Class. And How It’s Transforming Work, Leisure and Everyday Life. New York 2002.
-Glaser, Hermann: Urbanität im Wandel. Vortrag an der evangelischen Akademie Tutzing. 2005.
-Häussermann, Hartmut u. Siebel, Walter: Stadt und Urbanität. In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken. Jg. 51 (1997), S. 293-307.
-Historisches Wörterbuch der Philosophie: Urbanität. HWPh, Band 11., S. 351 ff. Autor des Artikels Franz Pröfener.
-Neumann, Peter: Zur Bedeutung von Urbanität in kleineren Industriestädten – untersucht am Beispiel von Henningsdorf und Ludwigsfelde im Umland von Berlin. Münster 2002.
-Schlögel, Karl: Im Raume lesen wir die Zeit. München, Wien: 2003.
-Sennett, Richard: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. Frankfurt am Main: 1986 [1974 engl. Originalausgabe].
-Simmel, Georg: Die Großstädte und das Geistesleben (1903). Gesamtausgabe Bd. 7 (1995) 116-131.
-Stadtforum Berlin 2020: Talents, Technology, Tolerance. Berlin im internationalen Wettbewerb. Dokumentation der Veranstaltung vom 03. Februar 2006 im Café Moskau.
-„Die Zukunft ist urban“. Der Wissenschaftler Horst Opaschowski entwickelt ein Szenario über das künftige Leben und Wohnen. In: SZ, 06.07.2007, Nr. 153, Immobilien.