Kenntnisnahme - FB 02/0169/WP17
Grunddaten
- Betreff:
-
Qualifizierungsmaßnahmen in der digitalen Arbeitswelt für Aachener Unternehmen
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- FB 02 - Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft, Digitalstadt und Europa
- Verfasst von:
- FB 02
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Gestoppt
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Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Wissenschaft
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Kenntnisnahme
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04.09.2019
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Erläuterungen
Qualifizierungsmaßnahmen in der digitalen Arbeitswelt für Aachener Unternehmen
Notwendigkeit und Erfahrungen aus dem ESF-Förderprojekt ‘[STRG] + [A] + [C] – Eine digitale Qualifizierungsoffensive‘
Mit der Digitalisierung erlebt unsere Gesellschaft eine der dynamischsten Innovationsphasen, die zum einen große Chancen für mehr Wohlstand und Arbeit bietet, zum anderen aber auch die berufliche Aus- und Weiterbildung vor neue Herausforderungen stellt.
Die Arbeitswelt wird immer digitaler, schneller und spezieller. Wer mithalten will, muss sich laufend fort- und weiterbilden. Lebensbegleitendes Lernen ist sowohl Voraussetzung als auch Garant für den Erfolg der Wirtschaft.
Die Bundesregierung hat sich bspw. zum Ziel gesetzt, berufliche Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen stärker als bisher zu fördern und hat als Antwort auf den digitalen Wandel die Nationale Weiterbildungsstrategie (NWS) entwickelt. Schwerpunkte sind hier u.a. die Stärkung der Weiterbildungsberatung für Unternehmen und der Motivation zur Weiterbildungsteilnahme, erworbene Kompetenzen von ArbeitnehmerInnen in der beruflichen Bildung sichtbar machen und anerkennen, die Weiterentwicklung von Weiterbildungsangeboten, die Qualifizierung des Personals in der Weiterbildung und die strategische Vorausschau des Kompetenzbedarfs durch eine Verbesserung der Datenlage in der Weiterbildung.
Mit der Nationalen Weiterbildungsstrategie soll die (informelle) Weiterbildung bzw. Kompetenzentwicklung zu einem selbstverständlichen Teil der Erwerbsbiographie werden.
Damit sich Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote besser inhaltlich festlegen lassen, sollten laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) neue Verfahren entwickelt werden, mit denen die in den Berufen, Branchen und Regionen erforderlichen Kompetenzprofile beschrieben werden können. Hilfreich wären außerdem eine engere Verzahnung von Technologieentwicklern und den für Ausbildung und Qualifizierung zuständigen Akteuren sowie eine systematische Begleitung von Technologieforschungs-förderung.
Der Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft und Europa konnte hier im Rahmen des ESF-Förderprojektes ‘[STRG] + [A] + [C] – Eine digitale Qualifizierungsoffensive‘ in Kooperation mit verschiedenen (universitären) Weiterbildungsanbietern unterschiedliche Formate umsetzen, um Aachener KMU und deren Fachkräfte durch Know-How-Vermittlung für die Anforderungen der Digitalisierung fit zu machen. Über den zweijährigen Projektverlauf wurden bis August 2019 verschiedene Workshops, Vorträge, Betriebsbesichtigungen und Netzwerkveranstaltungen zu wechselnden Themen (u.a. Digital Culture, Führung 4.0, Digitale Unterweisung und Demographic Change) angeboten. Das Projekt hat hierbei durch eine breite thematische Ausrichtung bewusst den Fokus auf die Vermittlung von Basis-Know-How rund um die Digitalisierung gesetzt und anhand einzelner Praxisbeispiele die theoretische Wissensvermittlung veranschaulicht. Zudem wurden den Partnerunternehmen vereinzelt Kreativitätsmethoden wie bspw. Design Thinking oder die Möglichkeiten von E-Learning aufgezeigt. Den Unternehmen war hierbei freigestellt, welchen Mitarbeitenden sie zu den Qualifizierungsangeboten anmelden. Dementsprechend variierte die Zusammensetzung der Teilnehmenden von Veranstaltung zu Veranstaltung.
Der Bedarf und das Interesse an Weiterbildungsangeboten sind seitens der Unternehmen jedoch nach wie vor ungebrochen. Nun gilt es, nach Projektende die gewonnen Erfahrungen zu analysieren und die weiteren Qualifizierungsmaßnahmen vor dem Hintergrund der neuen Nationalen Weiterbildungsstrategie strategisch und thematisch fokussierter auszurichten, um eine systematische Roadmap zur Qualifizierung des Personals für Aachener Unternehmen, durch eine gezielte Umsetzung von Maßnahmen in den Unternehmen, zu etablieren.
Die (digitale) Qualifizierung von MitarbeiterInnen Aachener Unternehmen, auch vor dem Hintergrund des Strukturwandels, ist ein wichtiges Thema, dass der Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft und Europa vor dem Hintergrund der Fachkräftesicherung bzw. –bindung auch zukünftig vorantreiben möchte. Die Stadt Aachen bietet aufgrund der hohen Dichte an Forschungsinstituten und einer stark wachsenden Startup-Szene eine passende Infrastruktur für die in der Nationalen Weiterbildungsstrategie geforderte Stärkung der Weiterbildungsberatung und systematischen Begleitung von Technologieforschungsförderung. Der Fachbereich ist hier in enger Abstimmung mit dem Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) e.V., um eine branchenübergreifende Qualifizierungsakademie für Aachener KMU umzusetzen und ist darüber hinaus Partner des geplanten Konsortialprojektes ‘Kompetenzzentrums für Arbeitsforschung‘ im Bereich Produktion unter Federführung des Instituts für Arbeitswissenschaften (IAW) an der RWTH Aachen.
Während das BMBF geförderte Kompetenzzentrum einen starken Schwerpunkt auf die Erforschung der zukünftigen Arbeitsgestaltung und Technologie in Produktionsunternehmen legt (Technologieforschungsförderung), beschäftigt sich die branchenübergreifende Qualifizierungsakademie primär mit der Entwicklung einer Qualifizierungsroadmap, die die jeweilige Unternehmensstrategie aufgreift und systematisch Kompetenzlücken (Soft Skills) der Mitarbeitenden schließt. Beide Vorhaben sollen im weiteren Verlauf vorgestellt werden.
Qualifizierungsakademie mit FIR e.V.
Die Qualifizierungsakademie soll bedarfsgerechte Angebote bündeln und Führungskräften sowie HR-Abteilungen bei der Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter mit Bezug auf relevante Themen rund um die Digitalisierung der Wirtschaft beraten. Ziel ist es, für Aachener Unternehmen ein maßgeschneidertes Bildungsangebot bereitzustellen, mit dem sie ihre Organisation auf die Herausforderungen „als digitales Unternehmen“ vorbereiten und qualifizieren können. Die Qualifizierungsakademie wird sich dabei auf branchenübergreifend relevante Themen fokussieren, anhand derer die Mitarbeiter eine systematische Qualifizierung erhalten sollen:
- Digital Readiness durch Qualifizierungsroadmap: Analyse der aktuellen Situation, wo sind momentan die größten ‘Pains‘, welche Bereiche sind betroffen und welche Qualifizierungen fehlen den Mitarbeitenden zur Problemlösung?
Oftmals fehlen hier besonders KMU die formellen Prozesse und Ressourcen in der Organisation, um Qualifikationslücken zu begegnen. Durch Qualifizierungsberatung für die einzelnen Unternehmen die Kompetenzanforderungen bezogen auf Ziele und Strategien für Einzelne oder Gruppen bestimmen. Die Qualifizierungsroadmap soll dadurch das betriebliche Weiterbildungsmanagement stärken - Wie können MA mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen am effektivsten für die neuen Anforderungen fit gemacht werden? Im Rahmen der Qualifizierungsakademie werden vorhandene Bewertungsverfahren und Methoden für die Evaluierung des Weiterbildungsbedarfes optimiert.
- New Work – Digital Cultures: Die besten Arbeitskräfte zu gewinnen und zu binden wird zunehmend zum Wettbewerbsvorteil. Auch Aachener Unternehmen müssen sich zu einem attraktiven Arbeitgeber entwickeln, bei dem Menschen arbeiten wollen. Dabei gibt es vier Gestaltungsfelder zu betrachten: Work Organisation & Culture, Workplace Design, Framework Conditions und Work Systems.
- Customer Insights (KI und IoT) – Datennutzung aus Kundensicht: Allen Unternehmen ist gemein, dass sie Kunden haben. Je besser ein Unternehmen die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden kennt, umso eher kann es sein Angebot darauf abstimmen. Customer Insights meint das Wissen um den Kunden, das in Form von Daten bereits vorliegt (oder erhoben werden kann), und das heute noch nicht zur Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen bzw. von neuen Geschäftsmodellen eingesetzt wird.
Eine direkte positive Auswirkung durch die Qualifizierung der Mitarbeitenden auf Strategie und Ziel des jeweiligen Unternehmens fördert die Motivation der Unternehmen und deren Mitarbeitenden, Qualifizierungen und Weiterbildungen im betrieblichen Alltag zu verankern. New Work und Customer Insights sind bereits etablierte Begriffe im Zeitalter der Arbeitswelt 4.0, jedoch werden in diesem Zusammenhang die dafür notwendigen Qualifizierungen der Mitarbeitenden häufig außer Acht gelassen bzw. fehlt den Arbeitgebern das richtige ‘Handwerk‘ den Qualifzierungsstand der Arbeitnehmer zu erfassen. Die Qualifzierungsakademie wird hier ansetzen, um den Unternehmen nicht nur eine systematische Qualifzierungsroadmap an die Hand zu geben, sondern diese auch mit Inhalten zu füllen, um die Qualifzierungslücken für aktuelle und neue Mitarbeitende nachhaltig zu schließen.
Den Mittelpunkt der Qualifizierungsakademie wird ein ‘Experience Lab‘ als Raum für Innovationen und des Ausprobierens bilden. Hier soll die Digital Readiness ihren Anfang finden, Methoden für die Umsetzung der Qualifizierungsroadmap (z.B. Design Thinking, Scrum, Kanban, Design Sprints) vermittelt werden und besonders wechselnde Best-Practice-Beispiele zu den o.g. Themen aus der regionalen Wirtschaft bzw. aus der Startup-Szene für die regionale Wirtschaft ihren Platz finden.
Die Erfahrungen mit [STRG] + [A] + [C] haben bspw. gezeigt, dass einfache Umsetzungsbeispiele aus der Region den meisten Mehrwert für die Partnerunternehmen erzielt haben.
Unter Berücksichtigung der ‘Digital Culture‘ soll das Experience Lab dem angestaubten Image klassischer Weiterbildungsakademien entgegenwirken und einen smarten Raum für ‘Qualifizieren zum Anfassen‘ bieten – ein digitales Fitnessstudio für die Kompetenz-entwicklung der Mitarbeitenden.
Die KMU bzw. Unternehmen können dabei auf ein erfahrenes Netzwerk etwa des Clusters Logistik auf dem Campus zurückgreifen. Im weiteren Verlauf werden zudem Gespräche mit weiteren möglichen Umsetzungspartnern und regionalen Netzwerken erfolgen, um die Planung der Qualifizierungsakademie weiter zu konkretisieren.
Kompetenzzentrum für Arbeitsforschung im Bereich Produktion
Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist die Umsetzung eines Aachener Kompetenzzentrums der Arbeitsforschung für den Bereich der Erwerbsarbeit in der Industrie 4.0 unter Berücksichtigung der regionalen Strukturen – der Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft. Die drei zentralen Bestandteile des Aachener Kompetenzzentrums sind:
- Infrastruktur: Mixed-Reality-Modellfabrik zur Evaluation von Parametern der Arbeitsgestaltung, die sich durch betriebliche Komponenten und innovative Demonstratoren kontinuierlich erweitern lässt sowie ein offen zugänglicher Wissensspeicher,
- Vernetzung: Verschiedene Vernetzungsformate zum Austausch mit und Einbindung von lokalen Akteuren, Clustern und Institutionen,
- Methoden: Arbeitswissenschaftliche Bewertungsverfahren und Vorgehensweisen.
Im Rahmen des Kompetenzzentrums sollen Fach- und Führungskräfte geschult werden, bspw. Parameter der Arbeitsgestaltung in der Produktion mit neuen Technologien und Anwendungen gezielt anzupassen. Vorstellbar sind hier etwa Anwendungsschulungen für ERP-Systeme, eine verbesserte Arbeitsbewältigung bei KI-Einsatz und Digitalisierung in der Produktion für verschiedene Beschäftigtengruppen (Wiki-Module, on- und off-the-job Lernmodule) oder die Förderung arbeitswissenschaftlicher Gestaltungskompetenzen von IngenieurInnen in einer Mixed-Reality Lernumgebung unter dem Einsatz von VR- und AR-Technologie.
Das Kompetenzzentrum ermöglicht zudem mit der Durchführung von Konsortial-Projekten die Transformation und Kombination von regionalen Bedarfen, von (über-)regionaler Expertise sowie von Innovationen und Technologien in passgenaue Lösungen, deren Verfügbarmachung in Form eines offenen Wissensspeichers zur Arbeitsgestaltung sowie die zielgerichtete Vernetzung verschiedener Akteure und Experten zu gleichen betrieblichen Themen. Dadurch soll sich das Kompetenzzentrum zum zentralen Ansprechpartner für das Thema ‘Arbeitsgestaltung‘ entwickeln sowie gesammeltes Wissen in die Ausbildung und universitäre Lehre transportieren.
Abb. 2: Schematische Darstellung des Kompetenzzentrums Arbeitsforschung
Zur Erreichung der Zielsetzung ist das Vorhaben in mehrere Arbeitspakete unterteilt. Aufgrund der inhaltlichen Komplexität wird eine Laufzeit von fünf Jahren festgelegt. Eine Besonderheit ist die Durchführung von Konsortial-Projekten zur Erprobung des Kompetenzzentrums. Hier werden unterschiedlichste bedarfs- und innovationsgetriebene Projekte durch die Zusammenführung der Partner mit Befähigern, Sozialpartnern und weiteren Anwendungspartnern durchgeführt. Im Projektverlauf sollen mindestens 20 Konsortial-Projekte mit geförderten, assoziierten und externen Unternehmen initiiert werden, z.B. eine Kollaboration zwischen Mensch und Maschine in Produktionssystemen durch KI-basierte Ablaufplanung und Arbeitsraumüberwachung, Auswahl und Anwendung von Methoden zur Arbeitsgestaltung in neu zu bauenden Werkhallen (Greenfield-Arbeitsgestaltung) oder die Auswahl und Erprobung von digitalen Assistenzsystemen zur Sammlung und Aufbereitung von Prozesswissen.
Die Strukturen des Kompetenzzentrums werden konsequent darauf ausgerichtet, für industrielle Produktionssysteme relevante Themenstellungen der Arbeitsforschung und -gestaltung agil bearbeiten zu können, Kompetenzen aufzubauen und für die betriebliche Praxis bereitzustellen. Das Aachener Kompetenzzentrum Arbeitsforschung soll als neues Cluster im Cluster Produktionstechnik am RWTH Aachen Campus verstetigt werden.
Sollte es zu einer Bewilligung des Vorhabens durch das BMBF kommen, umfasst das Projekt-Konsortium neben dem Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft und Europa noch 20 weitere regionale Partner (u.a. WZL der RWTH Aachen, VUV, IG Metall, Lebenshilfe Werkstätten, Fecken-Kirfel und AIXTRON SE). Durch diese Partner soll ein lokales Netzwerk aus Experten der Arbeitsgestaltung, Anwendungspartnern und Transferakteuren sichergestellt werden.
Im Falle der Projektgenehmigung durch das BMBF, wird über den Zeitraum von fünf Jahren voraussichtlich von einem jährlichen städtischen Eigenanteil in Höhe von 20.000 € an Sach- und Personalkosten ausgegangen. Dies ist unter der Annahme einer Förderquote von 80%, ggf. kann die Förderung im weiteren Antragsverfahren durch das BMBF noch höher ausfallen.
