Kenntnisnahme - FB 56/0383/WP17
Grunddaten
- Betreff:
-
Geplante Einführung Mieterschutzverordnung NRW
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- FB 56 - Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration
- Beteiligt:
- FB 23 - Fachbereich Immobilienmanagement
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Wohnungs- und Liegenschaftsausschuss
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Kenntnisnahme
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16.06.2020
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Erläuterungen
Erläuterungen:
Die geplante Mieterschutzverordnung NRW
Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBG NRW) plant zum 01.07.2020 die Einführung einer neuen Mieterschutzverordnung (MietSchVO). Die neue Verordnung möchte die nachfolgend erläuterten bestehenden mietrechtliche Verordnungen, unter ersatzlosem Wegfall der Umwandlungsverordnung, zusammenfassen und die Gebietskulisse harmonisieren:
- Mietpreisbegrenzungsverordnung (§ 556d Abs. 2, S. 1 BGB; befristet bis zum 30.6.2020):
Die als „Mietpreisbremse“ bekannte Verordnung begrenzt die Erhöhung der Miete bei Neuvermietung einer Wohnung auf max. 10 % über der ortsüblichen Miete. Ohne entsprechende Verordnung besteht keine Begrenzung.
- Kappungsgrenzenverordnung (§558 Abs. 3, S. 2 und 3 BGB; befristet bis zum 30.06.2020):
Mieterhöhungen bei bestehenden Mietverhältnissen sind bei Anwendung der zusätzlichen Regulierung über die Landesverordnung auf maximal 15 % innerhalb von drei Jahren begrenzt. Ohne Verordnung erlaubt das BGB bis zu 20 % Mieterhöhung.
- Kündigungssperrfristverordnung (§577a Abs. 2 BGB; befristet bis 31.12.2021, wird durch neue MietSchVO vorzeitig ersetzt):
Droht der Verlust der Mietwohnung aufgrund Eigenbedarfsanmeldung durch den Eigentümer*in, sichert die Verordnung dem bisherigen Mieter*innen der Wohnung einen zusätzlichen Kündigungsschutz zu. So müssen im Geltungsbereich der Verordnung 5 Jahre vergehen, bis der neue Eigentümer den Mietvertrag kündigen kann, ohne Verordnung besteht diese Möglichkeit bereits nach 3 Jahren.
- Umwandlungsverordnung (§ 172 Abs. 1, S. 4 BauGB; befristet bis 27.03.2020, läuft ersatzlos aus):
Genehmigungspflicht der Begründung von Wohneigentum an bestehenden Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten, also der Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen.
Der Geltungsbereich der o. g. Verordnungen bezieht sich auf Gebiete, die - auf wissenschaftlicher Grundlage nachgewiesen - einen angespannten Wohnungsmarkt aufweisen. Da die bisher bestehenden Verordnungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft gesetzt wurden, liegen unterschiedliche Gebietsbezüge vor. Bisher schlossen die Gebietskulissen der einzelnen Verordnungen bis zu 37 Gemeinden ein. Dabei gilt die MietbegrenzVO in 22 Gemeinden (4,1 Mio Einwohner*innen), die KappGrenzVO in 37 Gemeinden (6,4 Mio. Einwohner*innen) und die KSpVO in 37 Gemeinden (4,5 Mio. Einwohner*innen).
Bisher war bei allen o. g. Verordnungen die Stadt Aachen vom Geltungsbereich erfasst, da eine entsprechende Anspannung des Aachener Wohnungsmarktes empirisch festgestellt wurde. Wie die jährliche Wohnungsmarktberichterstattung und die Wohnungsbedarfsprognose zeigen ist Aachen, insbesondere durch die erfreuliche Hochschulentwicklung, eine kontinuierlich wachsende Stadt. Dies ist ein großes Potenzial, aber gleichzeitig auch eine Herausforderung in Bezug auf die steigende Wohnraumnachfrage. Die Anspannung des Aachener Wohnungsmarktes nimmt in diesem Kontext stetig zu. Seit vielen Jahren sind in Aachen Politik, Verwaltung und Wohnungsmarktakteure aktiv, um mit verschiedenen Initiativen und Instrumenten, insbesondere im Bereich des Neubaus, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und den Anstieg der Miet- und Eigentumspreise einzudämmen. Die neue Mieterschutzverordnung wäre ein wichtiges zusätzliches Instrument um bei den bestehenden Wohnungen und Mietverhältnissen eine Fehlentwicklung zu vermeiden.
Im Gegensatz zu den Analysen, die den bisherigen Verordnungen zu Grunde lagen und zum dokumentierten realen Entwicklungsverlauf, kommt das der Mieterschutzverordnung zugrundeliegende empirica-Gutachten jedoch überraschend zu dem Ergebnis, dass die Stadt Aachen nicht mehr zu den Gemeinden in NRW zu zählen sei, in denen ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt. Eine Einschätzung, die definitiv nicht der Realität vor Ort entspricht. Ein Faktencheck durch die Kommunale Wohnungsmarktbeobachtung der Stadt Aachen kommt zu dem Schluss, dass die Neubewertung nicht Ergebnis einer veränderten Wohnungsmarktsituation ist, sondern sich auf statistische Verzerrungseffekte zurückführen lässt, welche bezogen auf die Stadt Aachen insbesondere daraus resultieren, dass für den Indikator der Mietbelastungsquote der Gesamtwert der StädteRegion Aachen zugrunde gelegt wurde. Zudem erfolgte eine extreme statistische Simplifizierung, die die Anspannung des Wohnungsmarktes alleine auf zwei Indikatoren – Leerstand und Mietbelastungsquote - zurückführt (siehe weitere Erläuterungen zum Mantelgutachten, S. 4ff). Durch diese Änderung der Systematik werden statt der bisher umfassten 22 bis 37 Gemeinden mit 4 bis 6 Millionen Einwohner*innen nur noch 18 Gemeinden mit ca. 2,9 Mio. von den Schutzbestimmungen erfasst. Eine statistische Ungenauigkeit, die zu erheblichen Auswirkungen führt: So würden bei Wegfall der bisherigen Schutzbestimmungen und ohne Aufnahme in die neue Mieterschutzverordnungen wichtige Schutzbestimmungen für die Aachener Mieter*innen wegfallen, um z. B. Mietpreissteigerungen bei Neuvermietungen zu begrenzen, Anpassungen von Bestandsmieten zu regulieren und den zusätzlichen Kündigungsschutz bei drohendem Verlust der Mietwohnung aufgrund Eigenbedarfsanmeldung durch den Eigentümer zu sichern.
Damit ginge ein wichtiger Baustein verloren, der bisher zur Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen beigetragen hat. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der Stadt Aachen dringend geboten, die statistischen Ungenauigkeiten zu korrigieren, eine Neubewertung der Wohnraumsituation vorzunehmen und die Stadt Aachen in den Anwendungsbereich der Mieterschutzverordnung aufzunehmen.
Um dies zu erreichen hat der Aachener Wohnungsdezernent Prof. Manfred Sicking im April 2020 unmittelbar nach Bekanntwerden des Mantelgutachtens zur neuen Mieterschutzverordnung mit einer Stellungnahme beim Städtetag NRW reagiert. Basierend auf einer Vielzahl weiterer kommunaler Stellungnahmen aus anderen Kommunen in NRW hat der Städtetag / die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen eine Stellungnahme zum Thema an das verantwortliche Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen gesendet (s. Anlage 1). Als Reaktion auf den deutlichen Appell aus den Kommunen hat der zuständige Fachausschuss Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen im Landtag NRW am 15.05.2020 eine Anhörung zum Thema auf Basis schriftlicher Stellungnahmen durchgeführt. Zudem hat sich die Verwaltungsspitze aus Dortmund und Bielefeld mit einem Schreiben an Frau Ministerin Scharrenbach gewandt und um eine Überarbeitung des Gutachtens gebeten. Auch der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp hat eine entsprechende Stellungnahme an die Ministerin adressiert. In weiteren NRW Kommunen (z. B. Bochum, Essen) befinden sich entsprechende Schreiben nach Kenntnis der Stadt Aachen in Vorbereitung. Die neue Mieterschutzverordnung soll am 01.07.2020 in Kraft treten.
Das Mantelgutachten zur MietSchVO NRW
Basis für die Verordnung und die stark reduzierte Gebietskulisse ist das „Mantelgutachten zu den mietrechtlichen Verordnungen in Nordrhein-Westfalen – Endbericht“ (03/2020), welches durch die „empirica ag – Büro Berlin“ erstellt wurde. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Stadt Aachen nicht mehr zu den Gemeinden in NRW zu zählen sei, in denen ein angespannter Wohnungsmarkt identifiziert werden könnte. Ein Faktencheck durch die Kommunale Wohnungsmarktbeobachtung im Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration hat ergeben, dass die Neubewertung nicht Ergebnis einer veränderten Wohnungsmarktsituation ist, sondern sich auf statistische Verzerrungseffekte zurückführen lässt sowie durch ein methodisch inkonsistentes Vorgehen im Verlauf des Gutachtens.
Das Gutachten nimmt erstmals die Bewertung eines angespannten Wohnungsmarktes abschließend auf Basis einer Kombination von lediglich zwei Indikatoren vor, die beide nach Systematik des Gutachtens gleichzeitig im kritischen Bereich liegen müssen, damit eine entsprechende Anspannung hinreichend zu identifizieren wäre:
- Wohnungsleerstand < 4%
- Mietbelastung > 120 % des Bundesdurchschnittes
Das BGB bietet zur sachgemäßen Identifizierung noch zwei weitere Kriterien an: die überdurchschnittliche Entwicklung der Mieten sowie Wachstum der Wohnbevölkerung ohne entsprechend erforderliche Neubautätigkeit. Das Gutachten verzichtet dabei auf die Verwendung dieser beiden Indikatoren.
Mit einem hier vorliegenden (und im Gutachten mit 1,6 % benannten) Wohnungsleerstand von 1,7 % in der Stadt Aachen ist die erste Bedingung für die Stadt Aachen eindeutig erfüllt.
Im Rahmen des Gutachtens scheitert Aachen jedoch laut Verfasser am zweiten Kriterium, der relativen Mietbelastung, die nach Ansicht der Gutachter oberhalb von 120 % des bundesweiten Durchschnittes liegen muss. Dabei handelt es sich nach Auffassung der Stadt Aachen um eine statistische Verzerrung, die durch eine falsche Gebietskulisse hervorgerufen wurde. Das verwendete Medianeinkommen wird bei den kreisfreien Städten wie bspw. Münster, Düsseldorf und Bonn korrekterweise für das Stadtgebiet erhoben. Im Falle Aachens liegt jedoch nur ein Gesamtwert für die StädteRegion Aachen vor. Durch diese fehlende Datenlage missachtet das Gutachten dabei die erheblichen Unterschiede bei Bevölkerungsstruktur und Wohnungsmarkt, die zwischen Stadt Aachen und den anderen städteregionalen Gemeinden vorliegen. Trotz städteregionaler Betrachtung (Stadt Aachen und Alt-Kreis-Aachen) erreicht Aachen im Gutachten einen Wert von 100-110 %. Durch den hohen Anteil studentischer Einwohner*innen, der in der Regel ein niedriges oder gar kein Erwerbseinkommen besitzt und die im Oberzentrum Aachen höheren Mietpreise ist zu vermuten, dass die Stadt Aachen bei Berechnung allein auf Stadtebene den Grenzwert von 120 % deutlich überschreiten würde.
Daher müssten zur Behebung der fehlenden statistischen Grundlagen gerade für eine hochfrequentierte Universitätsstadt wie Aachen im Nachgang weitere Indikatoren zur Identifizierung eines angespannten Wohnungsmarktes heran gezogen werden, um die oben beschriebene statistische Verzerrung korrigieren zu können. Hierbei könnte auf eine bewährte, umfangreiche, statistisch valide und aktuelle Datenlage im Rahmen der Kommunalen Wohnungsmarktbeobachtung der Stadt Aachen zurückgegriffen werden. Würde dies umgesetzt werden, kann die Stadt Aachen nur in die Kategorie angespannter Wohnungsmarkt fallen.
Unverständlich ist zudem, dass Aachen angesichts der vorgenannten Überlegungen nicht wenigstens zu den im Gutachten aufgeführten Diskussionsfällen erklärt wird. Die aufgenommenen Diskussionsfälle erfüllen zwar das Kriterium der ausreichend hohen Mietbelastung von 120 % im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt, weisen jedoch keine ausreichend niedrige Leerstandsquote auf. Diese Ausnahmeregelung begründet das Gutachten mit einer möglichen statistischen Ungenauigkeit bei der Berechnung des Leerstandswertes und plädiert dementsprechend dafür, einen Leerstand knapp über dem Grenzwert von 4 % nicht als hartes Ausschlusskriterium zu werten (bis 8,2 % Leerstand wird dieses Kriterium aufgeweicht). Die StädteRegion Aachen liegt im Ganzen betrachtet bei der Berechnung der Mietbelastung über das Medianeinkommen bereits im Bereich von 100-110 %, ein Wert der sonst nur noch von den Städten Köln, Düsseldorf, Bonn, Münster, Leverkusen und dem Rhein-Erft-Kreis[1] erreicht oder übertroffen wird. Es ist angesichts der eben beschriebenen Begründung, warum das Gutachten auch Diskussionsfälle im Rahmen des Leerstandskriteriums erlaubt, nicht nachvollziehbar, warum das Kriterium Mietbelastung bei gleichermaßen auftretenden methodischen Schwierigkeiten (wie im Gutachten und weiter oben detaillierter für die Stadt Aachen ausgeführt) nicht analog behandelt wird. So hätte der Gesetzgeber auch für dieses Kernkriterium die Möglichkeit erhalten, weitere aussagekräftige Indikatoren zur Identifizierung von angespannten Wohnungsmärkten für die betroffenen Gemeinden heran zu ziehen, um eine valide und adäquate Entscheidung treffen zu können. Im Falle der durch das Gutachten identifizierten Diskussionsfälle führt dies nach aktuellem Stand dazu, dass 6 dieser 7 Gemeinden ebenfalls in die neue Mieterschutzverordnung ab 01.07.2020 mit einbezogen werden[2].
[1] Dabei erreichen die Stadt Leverkusen und der Rhein-Erft-Kreis ebenfalls nur den Bereich zwischen 100-110 %, die anderen vier Städte überschreiten den Grenzwert von 120 %.
[2] „Die Landesregierung hat sich eingehend mit den Ergebnissen beschäftigt, und sechs von sieben Kommunen, bei denen die Indikatoren Anspannungstendenzen erkennen lassen, ebenfalls einbezogen.“ aus der Pressemitteilung vom 02.04.2020 des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.
Auswirkungen
Finanzielle Auswirkungen
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Investive Auswirkungen | Ansatz 20xx | Fortgeschriebener Ansatz 20xx | Ansatz 20xx ff. | Fortgeschriebener Ansatz 20xx ff. | Gesamtbedarf (alt) | Gesamtbedarf (neu) | |
Einzahlungen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Auszahlungen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Ergebnis | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
+ Verbesserung / - Verschlechterung | 0 | 0 |
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| Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden | Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden | |||||
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konsumtive Auswirkungen | Ansatz 20xx | Fortgeschriebener Ansatz 20xx | Ansatz 20xx ff. | Fortgeschriebener Ansatz 20xx ff. | Folgekosten (alt) | Folgekosten (neu) | |
Ertrag | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Personal-/ Sachaufwand | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Abschreibungen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Ergebnis | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
+ Verbesserung / - Verschlechterung | 0 | 0 |
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| Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden | Deckung ist gegeben/ keine ausreichende Deckung vorhanden | |||||
Es ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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(wie Dokument)
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