Entscheidungsvorlage - FB 30/0037/WP17

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

  1. Der Rat der Stadt beschließt, das Bürgerbegehren „Radentscheid Aachen“ als zulässig zu erachten.

 

  1. Variante A:

Der Rat der Stadt entspricht in der Sache dem zulässigen Bürgerbegehren „Radentscheid Aachen“.

Variante B:

Der Rat der Stadt entspricht in der Sache dem zulässigen Bürgerbegehren „Radentscheid Aachen“ nicht.


 

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Erläuterungen

Erläuterungen:

Zulässigkeits- und Sachentscheidung des Rates

 

Vorbemerkung:

Die Änderungen, die die Vorschrift des § 26 GO NRW seit ihrer Einfügung in die Gemeindeordnung durch das Änderungsgesetz vom 17. Mai 1994 (GV.NRW.S. 270) genommen hat, lassen erkennen, dass der gesetzgeberische Wille  darauf abzielt,  der bürgerschaftlichen Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeit  keine allzu hohen bürokratischen Hürden entgegen zu stellen. So wurde durch das Gesetz zur weiteren Stärkung der Bürgerbeteiligung in den Kommunen vom 28. März 2000 (GV.NRW. 237) § 26 Abs. 2 dahingehend ergänzt, dass die Verwaltung in den Grenzen ihrer Verwaltungskraft ihren Bürgern bei der Einleitung eines Bürgerbegehrens behilflich sein muss. Darüber hinaus wurden in  dessen Abs. 4 die Quoren der erforderlichen Unterstützungsunterschriften abgesenkt. Ebenso wurde das zum Erfolg eines Bürgerentscheid führende Quorum von 25 % auf 20 % abgesenkt. Das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 9. Oktober 2007 (GV.NRW. Seite 380) fügte in § 26 Abs. 1 ein Initiativrecht des Rates zur Durchführung eines Ratsbürgerentscheids ein. Darüber hinaus wurde  Abs. 6  um die gesetzliche Anordnung einer Sperrwirkung des zulässigen Bürgerbegehrens ergänzt. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung vom 13.Dezember 2011 (GV.NRW. S. 685; vgl. a. LT-Drs. 15/2151) wurden  weitergehende Änderungen an der Vorschrift vorgenommen. So wurde der Kostendeckungsvorschlag der Antragsteller durch eine Kostenschätzung der Kommunalverwaltung ersetzt. Der Grund hierfür lag darin, dass die Praxis vor den Verwaltungsgerichten inzwischen gezeigt hatte, dass zahlreiche Bürgerbegehren formal an der Notwendigkeit des Kostendeckungsvorschlags scheiterten. Zuletzt wird durch das Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes zur Stärkung des Kreistags und zur Änderung kommunalrechtlicher, haushaltsrechtlicher und steuerrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2018 (GV.NRW. S. 738) den Initiatoren eines Bürgerbegehrens die Option einer Vorprüfung zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens eröffnet, über die der Rat nach Vorlage der Kostenschätzung – mit Ausnahme des Quorums – innerhalb von acht Wochen zu entscheiden hat, sofern der formgerecht gestellte Antrag von 25 Bürgern unterzeichnet wurde. Mit dieser Regelung, die einen entsprechenden Antrag der Vertretungsberechtigten voraussetzt, soll den Initiatoren vor der Sammlung der Unterschriften bezüglich der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens eine weitgehende Sicherheit verschafft werden.

Der Intention des Gesetzgebers folgend ist es angezeigt, eine gegenüber dem Bürgerbegehren wohlwollende Position einzunehmen und – sofern möglich – durch eine praxisorientierte Auslegung einzelner Textpassagen im Sinne des Begehrens Bedenken, die einer Bejahung der Zulässigkeit entgegenstehen könnten, zu überwinden.

 

Mit der Zulässigkeitsentscheidung, die der Gesetzgeber gemäß § 26 Abs. 6 S. 1 GO NRW ausdrücklich dem Rat zugewiesen hat, stellt dieser gegenüber den Antragstellern verbindlich fest, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines Bürgerentscheid vorliegen. Rechtlich ist der Rat verpflichtet, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Bürgerbegehrens vorliegen. Nach einer positiven Zulässigkeitsentscheidung kann der Rat die Durchführung eines Bürgerentscheids nur dadurch abwenden, dass er dem Bürgerbegehren entspricht.

 

  1. Sachverhalt

 

Die Initiative „Bürgerbegehren Radentscheid Aachen“, vertreten durch die Herren Jan van den Hurk und Steffen van Bergerem, hat mit der am 1. Oktober 2019 erfolgten Übergabe der Unterschriftenlisten an Herrn Oberbürgermeister Philipp die Durchführung eines Bürgerentscheids mit der Fragestellung „Soll die Stadt Aachen folgende 7verkehrspolitische Ziele in den nächsten 8 Jahren umsetzen?“ beantragt.

 

Zur Begründung des Bürgerbegehrens wird Folgendes ausgeführt:

 

„Wir wollen eine lebenswerte Stadt, in der sich jeder Mensch sicher und konfliktfrei bewegen kann. Dafür brauchen wir einen zügigen Ausbau der Rad-Infrastruktur. Bessere Infrastruktur für Radfahrende sorgt für weniger Stau, Stress, Lärm und Abgase im öffentlichen Raum. Sicherheit für Rad- und Fußverkehr muss dabei stets vor Leistungsfähigkeit gehen. Der Radverkehr stagniert seit Jahren bei ca. 11 %: Die Verkehrsführung ist an vielen Stellen der Stadt mangelhaft und risikoreich. Angst und Unsicherheit hält viele vom Radfahren ab. Wir erwarten vom Radentscheid Aachen ein entspannteres Miteinander, gesünderes Stadtklima, bezahlbare Mobilität und mehr Lebensqualität für alle.“

 

Ziel 1: Durchgängiges, engmaschiges Radwegenetz erstellen

Innerhalb eines Jahres wird ein durchgängiges, engmaschiges Routennetz zwischen und innerhalb der Bezirke geplant. Im Sinne der aktuellen Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (2010) erreichen 90 % der Bevölkerung die Radhauptverbindungen in max. 200 m. Die Radhauptverbindungen sind unterbrechungsfrei, durchgängig beleuchtet, steigungsarm und baulich vom Fußverkehr getrennt. Jährlich werden 10 km dieses Netzes möglichst in Nebenstraßen erstellt.

 

Ziel 2: Kreuzungen sicher gestalten

Kreuzungen werden mit Priorität auf Sicherheit und zügigem Vorankommen für Fuß- und Radverkehr gestaltet. Dies gilt bei Neubauten und grundlegenden Umbaumaßnahmen.

2.1: Große Ampelkreuzungen

Jährlich werden drei Kreuzungen wie folgt umgebaut: Der Radverkehr erhält eigene Ampeln und durch Schutzinseln getrennte Wartezonen im vorgelagerten Sichtbereich des Kfz-Verkehrs; die Haltelinien für den Radverkehr liegen direkt an der zu querenden Fahrbahn. Die Schutzinseln verkleinern die Abbiegeradien der Kfz und sorgen dabei für ideale Sichtbeziehungen zwischen Kfz sowie Fuß- und Radverkehr. Wartezeiten werden mittels bedarfsgesteuerter Ampelanlagen minimiert. Umbaupriorität haben Kreuzungen mit besonderer Bedeutung im Radwegenetz, hohem Verkehrsaufkommen oder besonderem Gefährdungspotenzial.

2.2: Einmündungen und Grundstückszufahrten

Jährlich werden 15 Einmündungen wie folgt umgebaut: An Kreuzungen von Haupt- und Nebenstraßen werden beim Überqueren der Nebenstraßen Geh- und Radwege jeweils niveaugleich weitergeführt. Bei Neuanlagen von (sowie Baumaßnahmen an) bestehenden Grundstückszufahrten werden Rad- und Gehwege ebenfalls nach diesen Standards ausgeführt.

 

Ziel 3: Sichere Radwege an Hauptstraßen

Jährlich werden an Hauptverkehrsstraßen 5 km Radwege gebaut, die als Einrichtungsradwege mit 2,30 m Breite zwei Knotenpunkte lückenlos verbinden. Sie werden baulich vor Befahren, Halten und Parken durch Kfz geschützt. Die Radwege entstehen ohne Flächenminderung für Fußverkehr und ÖPNV und sind auch von diesen baulich getrennt.

 

Ziel 4: Geh- und Radwege durchgängig und einheitlich gestalten

Neue oder zu sanierende Radfahrflächen sind – auch in Kreuzungsbereichen – deutlich durch rote Farbe (z.B. farbiger Asphalt) vom übrigen Straßenraum abgesetzt. Das Fahrbahnmaterial ist durchgängig griffig mit möglichst niedrigem Rollwiderstand. Geh- und Radwege werden baulich voneinander getrennt. Die Führung ist eindeutig und unterbrechungsfrei. Bevorrechtige Geh- und Radwege werden jeweils niveaugleich weitergeführt und sind optisch sowie baulich eindeutig hervorgehoben.

 

Ziel 5: Fahrradstellplätze umfassend ausbauen

a) 2.500 Plätze in bewachten Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen mit hohem Pendleraufkommen,

b) 2.500 überdachte, beleuchtete Plätze an weiteren Bahnhöfen und Haltestellen,

c) je 5.000 Plätze an Fahrradbügeln außer- sowie innerhalb des Alleenrings.

 

Ziel 6: Mängel online erheben und zeitnah beseitigen

Ein Online-Portal erlaubt die Meldung von Mängeln am Geh- und Radwegenetz. Sowohl gemeldete als auch von der Stadt festgestellte Mängel sind öffentlich einsehbar mit Eingangsdatum, Kartenposition, Klassifizierung des Mangels, Foto, Datum der geplanten und tatsächlichen Behebung.

 

Ziel 7: Verkehrswende konsequent und transparent fördern

Ein schriftlicher Bericht über den Umsetzungsstand der Ziele und städtischen Akquise von (Rad-) Verkehrsfördermitteln wird jährlich veröffentlicht und in Bürgerforen sowie politischen Gremien diskutiert.

 

Weiterhin enthält die Unterschriftenliste eine Kostenschätzung der Verwaltung der Stadt Aachen nach § 26 Abs. 2 S. 5 GO NRW in Höhe von 91.177.800 € im Rahmen der Laufzeit von 8 Jahren.

 

Im Anschluss hieran findet sich folgender Passus: Der Bau von Radverkehrsinfrastruktur wird üblicherweise mittels verschiedener Programme gefördert. Der Radentscheid Aachen schätzt für die hier aufgeführten Maßnahmen eine Förderquote von insgesamt 50 – 70 %. Für den Haushalt der Stadt Aachen wird abzüglich dieser Fördermittel eine jährliche Belastung von 3,4 bis 5,7 Mio. € erwartet.

 

Die Vertretungsberechtigten werden mit Namen und  mit Anschrift genannt:

Jan van den Hurk, Jakobstraße 28, 52064 Aachen und Steffen van Bergerem, Veltmanplatz 2, 52062 Aachen.

 

Nachfolgend findet sich folgender Hinweis: Die Vertretungsberechtigten werden ermächtigt, zur Begründung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Änderungen vorzunehmen, soweit diese rein redaktioneller und nicht inhaltlicher Natur sind, sowie das Bürgerbegehren bis zum Tag vor der Abstimmungsbekanntmachung gemeinschaftlich zurückzunehmen. Sollten Teile des Begehrens unzulässig sein oder sich erledigen, so gilt meine Unterschrift weiterhin für die verbleibenden Teile.

 

Die Unterschriftenleiste bietet Raum für fünf Einträge von Unterstützern und gliedert sich in den Rubriken Name, Vorname, Geburtsdatum, Anschrift, Postleitzahl, Datum und Unterschrift.

 

Abschließend findet sich der Hinweis: Damit Ihre Stimme zählt, muss eine Unterschriftenzeile vollständig ausgefüllt sein. Bitte verwenden Sie keine Unterführungszeichen (″) bei gleichen Inhalten wie in der Zeile über Ihrem Eintrag. Bitte senden Sie die Liste an Radentscheid Aachen, Postfach 1016 06, 52016 Aachen, oder geben Sie sie in einer auf www.radentscheid-aachen.de genannten Sammelstelle ab.

 

  1. Rechtliche Würdigung

 

Gemäß § 26 Abs. 1 GO NRW können die Bürger beantragen, dass sie anstelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde entscheiden.  Das Bürgerbegehren ist damit der formalisierte Antrag von Bürgern zur Durchführung eines Bürgerentscheids.

Die nach § 26 Abs. 6 S. 1 GO NRW durchzuführende Zulässigkeitsprüfung umfasst sowohl Voraussetzungen formeller und inhaltlicher Art als auch solche, die den Gegenstand des Bürgerbegehrens betreffen.

 

  1. Formelle Zulässigkeit des Bürgerbegehrens

 

  1. Antragsteller

Antragsteller nach § 26 Abs. 1 GO NRW können alle Bürger  sein und damit  diejenigen, die gemäß § 21 Abs. 2 GO NRW berechtigt sind, an den Kommunalwahlen teilzunehmen.

 

  1. Vertretungsberechtigte

Das Bürgerbegehren hat bis zu drei Bürger zu benennen, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten (sog. Vertretungsberechtigte, § 26 Abs. 2 S. 2 GO NRW). Eine Unterschreitung der im Gesetz normierten Zahl der Vertretungsberechtigten ist unschädlich.

Vertretungsberechtigt sind vorliegend die auf der Unterschriftenliste benannten Personen, Herr Jan van den Hurk und Herr Steffen van Bergerem. Diese sind  in Aachen wohnhaft und als Bürger der Stadt, in der das Bürgerbegehren durchgeführt wird, berechtigt, die Unterzeichnenden zu vertreten.

 

  1. Antragsform

Gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 GO NRW ist das Bürgerbegehren schriftlich einzureichen. Diese Voraussetzung wurde erfüllt. Am 1. Oktober 2019 wurden Herrn Oberbürgermeister Philipp die Unterschriftenlisten im Original mit insgesamt 37.436  ausgefüllten Unterschriftenzeilen übergeben.

 

  1. Unterschriftenlisten

Auf den Unterschriftenlisten müssen jeweils alle Bestandteile des Bürgerbegehrens (Antrag) enthalten sein (§ 26 Abs. 4 S. 3 i.V.m. § 25 Abs. 4 GO NRW).

Zu diesen Bestandteilen gehören nach § 26 Abs. 2 GO NRW:

 die zur Entscheidung zu bringende Frage,

 die Begründung,

 die Kostenschätzung der Verwaltung sowie

 die Vertreterbenennung.

 

Die Unterschriftenlisten weisen alle erforderlichen  Bestandteile auf. Der Hinweis unter der Unterschriftenliste, wonach eine Unterschriftenzeile vollständig ausgefüllt sein müsse, damit die Stimme zählt, gilt nicht uneingeschränkt.  Nur die Unterschriften sind ungültig, die die Person des Unterzeichners nach Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Anschrift nicht zweifelsfrei erkennen lassen §§ 25 Abs. 4, 26 Abs. 4 GO NRW. Maßgeblich für die Gültigkeit einer Eintragung ist damit die zweifelsfreie Erkennbarkeit des Unterzeichners. Die Unterschrift soll einer bestimmten Person zugeordnet werden können, die im Sinne von § 26 Abs. 4 GO NRW befugt ist, ein Bürgerbegehren zu unterzeichnen. (OVG NRW, Beschluss vom 01. August 2013 – 15 B 584/13 –, Rn. 3, juris) Entsprechend wurden auch Unterschriften als gültig gewertet, die zwar nicht alle Angaben des Unterzeichnenden enthielten, dessen Erkennbarkeit aber  gleichwohl zweifelsfrei festgestellt werden konnte.

 

  1. Begründung

Ferner gehört die Begründung der zur Entscheidung zu bringenden Frage zum Mindestinhalt eines Bürgerbegehrens. Sie dient dem Zweck, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären. Da die Begründung Bestandteil der einzelnen Unterschriftenlisten ist (§ 26 Abs. 4 S. 3 i.V.m. § 25 Abs. 4 S. 1 GO NRW) reichen in aller Regel kurze Begründungen aus.  Ihre Funktion erfüllt die Begründung allerdings nur, wenn die dargestellten Tatsachen, soweit sie für die Entscheidung wesentlich sind, zutreffen. Ein Bürgerbegehren ist deshalb unzulässig, wenn tragende Elemente seiner Begründung unrichtig sind. Die Begründung soll der Sache nach über die zu entscheidende Frage aufklären.

 

Die in einem blauen Textfeld hervorgehobene Begründung gibt Auskunft über die Beweggründe und Erwartungen, die die Initiatoren des Bürgerbegehrens mit den zur Entscheidung gestellten verkehrspolitischen Zielen verbinden. Diese beinhalten mit Ausnahme der Aussage über die Stagnation des Radverkehrs in Aachen auf in die Zukunft gerichtete Erwartungen, die in Teilen in der verallgemeinerten Form („lebenswerte Stadt“, „konfliktfrei bewegen“, „entspannteres Miteinander“) einer Realitätskontrolle nicht zugänglich sind. Dies allein macht die Begründung jedoch noch nicht  in ihren entscheidungserheblichen Punkten unrichtig und damit das Bürgerbegehren unzulässig. Vielmehr dürfen an eine Begründung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.

 

  1. Kostenschätzung

Nach § 26 Abs. 2 S. 6 GO NRW ist die Kostenschätzung der Verwaltung bei der Sammlung der Unterschriften anzugeben. Mit dem Erfordernis der Kostenschätzung der Verwaltung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, sicherzustellen, dass die Bürger über die Kosten der Maßnahme als wesentliches Entscheidungskriterium informiert werden.

 

Nach § 26 Abs. 2 S. 6 GO NRW ist die Kostenschätzung der Verwaltung den Bürgern so zur Kenntnis zu geben, dass jeder Unterzeichnende von der Kostenschätzung Kenntnis nehmen kann. Die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens haben die Pflicht, die Kostenschätzung der Verwaltung zu übernehmen und der Bürgerschaft gemäß § 26 Abs. 2 Satz 6 GO NRW bei der Sammlung der Unterschriften nach § 26 Abs. 4 GO NRW so zur Kenntnis zu geben, wie die Verwaltung sie abgegeben hat. (OVG NRW, Beschluss vom 14. März 2016 – 15 B 242/16 –, Rn. 6, juris) Sie ist deshalb auf der Unterschriftenliste in unveränderter Form aufzunehmen (§ 26 Abs. 4 S. 3 i.V.m. § 25 Abs. 4 GO NRW). Diese Verpflichtung gilt auch dann, wenn die Vertreter des Bürgerbegehrens eine andere Einschätzung der Kosten haben. Für diesen Fall ist es den Vertretungsbefugten möglich,  ihre abweichende Auffassung in der Begründung des Bürgerbegehrens darzustellen. Wird die Kostenschätzung der Verwaltung von den Vertretern des Bürgerbegehrens hingegen nicht bzw. nicht vollständig dargestellt, sondern inhaltlich verkürzt oder in sonstiger Weise verfremdet und ist dies geeignet, beim Bürger Fehlvorstellungen über die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen der geplanten Maßnahme auf den Gemeindehaushalt hervorzurufen, führt dies zur Unwirksamkeit der dergestalt gesammelten Unterschriften und damit zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens.

 

Auf der Unterschriftenliste wurde die Kostenschätzung der Stadt Aachen in Höhe von 91.177.800 Euro im Rahmen der Umsetzungszeit von 8 Jahren korrekt wiedergegeben. Die Vertreter des Bürgerbegehrens haben keine abweichende Einschätzung der Kosten der beantragten Maßnahmen vorgenommen.  Sie haben jedoch durch eine zusätzliche Anmerkung unmittelbar unterhalb der Kostenschätzung [Wortlaut: „Der Bau von Radverkehrsinfrastruktur wird üblicherweise mittels verschiedener Programme gefördert. Der Radentscheid Aachen schätzt für die hier aufgeführten Maßnahmen eine Förderquote von insgesamt 50 - 70%. Für den Haushalt der Stadt Aachen wird abzüglich dieser Fördermittel eine jährliche Belastung von 3,4 bis 5,7 Mio.  € erwartet.“] die für den städtischen Haushalt mit der Umsetzung der verkehrspolitischen  Maßnahmen verbundenen  Kosten deutlich relativiert.

 

Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung enthalten Angaben zum zwingenden Inhalt oder zum Umfang einer Kostenschätzung. Die Kostenschätzung hat die Funktion, die Bürger über die Kostenfolge der vom Bürgerbegehren beabsichtigten Maßnahme zu informieren. (VG Münster, Beschluss vom 25. Februar 2016 -1 L 181/16-, Rn.18, juris)

Sie soll ihnen in finanzieller Hinsicht die Tragweite und  Konsequenzen der vorgeschlagenen Entscheidung deutlich machen, damit sie in ihrer Entscheidung auch die Verantwortung für die wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Gemeindevermögen übernehmen können. Diese Funktion erfüllt die Begründung nur,  wenn die dargestellten Tatsachen, soweit sie für die  Entscheidung wesentlich sind, zutreffen. Denn die Kosten der Maßnahme sind von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung und oftmals ein wesentliches Entscheidungskriterium, über das die Bürger informiert werden müssen. (Vgl. so ausdrücklich die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs. 15/2151, S. 14)

 

Ein Bürgerbegehren ist unzulässig, wenn tragende  Elemente seiner Begründung unrichtig sind. Da die Kostenschätzung als Teil der Begründung des Bürgerbegehrens die Meinungsbildung der Unterstützenden nicht unmaßgeblich beeinflussen kann, muss sie grundsätzlich inhaltlich überprüfbar sein. Das Bürgerbegehren wird in dem Moment unzulässig, in dem die Begründung zu einer Verfälschung des Bürgerwillens führen könnte. Diese aus dem Zweck des Bürgerbegehrens folgenden  Grenzen der Überprüfbarkeit sind überschritten,  wenn Tatsachen, die für  die Begründung tragend sind, unrichtig wiedergegeben werden. Hierbei kommt es nicht  darauf an, ob dem eine Täuschungsabsicht der Initiatoren  des Bürgerbegehrens zu Grunde lag. Es genügt bereits die unrichtige Sachdarstellung an sich.

 

Allerdings dient die Begründung auch dazu, für das Bürgerbegehren zu werben und kann damit auch Wertungen, Schlussfolgerungen oder Erwartungen zum  Ausdruck bringen, die einer Wahrheitskontrolle nicht ohne weiteres zugänglich sind. (OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 -15 A 55594/00-, Rn.34, juris) Auch kann die  Begründung eines Bürgerbegehrens im Einzelfall  auch Überzeichnungen und Unrichtigkeiten in Details enthalten, die der jeweilige Unterzeichner selbst zu bewerten und zu gewichten hat. Die Darstellung der Höhe von Förderungen für den Ausbau der Radinfrastruktur wird  auf den Unterschriftenlisten  nicht als feststehend, sondern als Schätzung aufgrund der als üblich bezeichneten Förderungsquoten in diesem Bereich dargestellt, die eine Förderquote von insgesamt 50-70 % erwarten lasse. Aufbauend auf dieser Erwartung einer Förderung von immerhin mindestens 50% oder mehr wird eine auf der Kostenschätzung der Verwaltung  basierende und entsprechend des Umsetzungszeitraums von acht Jahren anteilige  finanzielle Belastung des städtischen Haushalts von jährlich 3,4 bis 5,7 Mio. € beziffert. Sowohl die recht konkret bezifferte Förderquote als auch die mit Beträgen hinterlegte jährliche Belastung für den Haushalt werden durch Fettdruck hervorgehoben und lenken damit die Aufmerksamkeit der Unterzeichner auf diese in den Hinweisen zur Kostenschätzung hervorgehobenen Aussagen. Dabei bleibt es fraglich und mangels Nachweis oder Bezugnahmen auf  bereits geförderte Projekte offen, auf welche Erfahrungen („üblich“) diese Angaben basieren. Auch dürfte es dem verständigen Unterzeichner des Bürgerbegehrens schwer fallen, diese Aussage „selbst zu bewerten und zu gewichten“, da das für eine solche Einschätzung erforderliche Wissen aufgrund der Komplexität der Förderinstrumente beim Unterzeichnenden nicht vorauszusetzen ist.

 

Auf diese Bedenken hingewiesen wird seitens der Initiatoren argumentiert, dass die Förderquote eine Einschätzung sei, die von verschiedenen Variablen abhinge. So könne derzeit überhaupt nicht gesagt werden, ob die jetzt existierenden Förderprogramme auch in zwei oder fünf Jahren noch bestünden. Diese Unsicherheiten seien das typische Prognoserisiko, dass eine Prognose aber nicht fehlerhaft mache. Auch wenn sich die Schätzung der Förderquote im Nachhinein als unzutreffend erweisen würde, würde dies, wenn die Schätzung auf einen zutreffenden Sachverhalt und einer zutreffend vertretbaren Einschätzung beruhe, nur das typische Prognoserisiko verwirklichen. 

 

Zutreffend ist, dass z.B. nach der noch bis zum 31.12.2019 geltenden Förderrichtlinie Nahmobilität (FöRi-Nah) unter anderem Radverkehrsanlagen, Fahrradstationen sowie Fahrradabstellanlagen im öffentlichen Verkehrsraum gefördert werden. Voraussetzung für die Förderung ist, dass die Maßnahme geeignet ist, einen sicheren Rad- und Fußverkehr zu gewährleisten und motorisierten Individualverkehr auf den Rad- und Fußverkehr zu verlagern.  Auch wenn Förderanträge aus dieser Förderrichtlinie bis spätestens  zum 1. Juni des Jahres zu stellen gewesen wären, ist für die Zukunft nicht auszuschließen, eher sogar wahrscheinlich, dass aus Gründen der Mobilitätswende und des Klimaschutzes auch weiterhin Förderprogramme  zur Verbesserung der Radinfrastruktur in einem nennenswerten Umfang aufgelegt werden.

 

Im Rahmen der mit den Initiatoren geführten Gespräche konnte auch geklärt werden, dass Maßnahmen, die vom Rat bereits beschlossen worden sind und im Laufe der nächsten acht Jahre des Radentscheids umgesetzt werden, auf die Ziele des Radentscheids angerechnet werden können, sofern sie die qualitativen Anforderungen, die im Radentscheid genannt werden, erfüllen. Diese Klärung ist vor dem Hintergrund von bereits beantragten und laufenden Förderprojekte zur Verbesserung der Radinfrastruktur, zumindest für die nahe Zukunft,  geeignet, die nach Abzug der Förderung verbleibenden Belastungen für den städtischen Haushalt den Darstellungen der Initiatoren zur Kostenschätzung anzunähern. Die Grenze einer  in Bezug auf die Kostenschätzung sachlich noch vertretbaren, politisch unter Umständen tendenziösen Darstellung wäre nur dann überschritten, wenn die textlichen Hinweise zur Kostenschätzung der Verwaltung in wesentlichen Punkten falsch oder irreführend wären.

 

Unter Berücksichtigung des der Kostenschätzung zugedachten Informationswertes für den Bürger, ist der grundsätzliche Hinweis auf die Förderungsfähigkeit des Gegenstandes des Bürgerbegehrens als solches nicht zu beanstanden. Eine Unzulässigkeit des Hinweises in Bezug auf die die Förderungsfähigkeit und deren Förderungshöhe und der daraus resultierenden finanziellen Belastung wäre nur dann zwingend anzunehmen, wenn diese Angaben über eine  für das Anliegen hinausgehende werbende „Schönfärberei“ geeignet wären, die finanzielle Tragweite des Bürgerbegehrens  in einem entscheidungserheblichen Umfang zu verfälschen. Vor dem Hintergrund der Einbeziehung bereits geförderter Projekte zur Verbesserung der Radinfrastruktur, deren Förderungshöhe bekannt ist, dürfte –bezogen auf die Umsetzung der Projekte in den nächsten zwei Jahren- nicht von einer die Entscheidung der Bürger maßgeblich beeinflussenden Falschdarstellung ausgegangen werden. Im Ergebnis wird das Begehren damit durch den von den Initiatoren aufgenommenen Hinweis zur Kostenschätzung nicht unzulässig.

 

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Bürgerentscheid, sollte es zu einer Abstimmung über das Begehren kommen,  zwei Jahre nach seiner Durchführung keinen Bestandsschutz mehr genießt (§ 26 Abs. 8 GO NRW). Der Entscheid kann nach Wegfall des Bestandsschutzes durch einen Ratsbeschluss aufgehoben werden, so dass  für die Zukunft eine Anpassung der verkehrspolitischen Ziele durch einen den Bürgerentscheid ersetzenden Ratsbeschluss möglich bleibt, sollten sich die Maßnahmen als nicht umsetzbar oder finanzierbar erweisen.

 

  1. Quorum

Ein Bürgerbegehren kann nur dann zulässig erhoben werden, wenn es von einer bestimmten Anzahl der Bürger in der Gemeinde unterzeichnet ist (§ 26 Abs. 4 S. 1 GO NRW). Die erforderliche Anzahl von Unterschriften ist nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde gestaffelt. Danach muss das Bürgerbegehren in der Größenklasse der Stadt Aachen (200.001 EW bis 500.000 EW) von mindestens 4 % der Bürger unterzeichnet sein. Maßgeblich ist die bei der letzten allgemeinen Kommunalwahl festgestellte Zahl der Wahlberechtigten (2014: 194 455). Von insgesamt 9573 überprüften Unterstützungsunterschriften waren  787 Unterschriften ungültig. Mit den 8785  gültigen Unterstützungsunterschriften wurde das erforderliche Quorum (7778) mehr als erreicht. Einer Überprüfung weiterer  Unterschriftenlisten bedurfte es somit nicht.

 

  1. Frist

Eine Frist für die Einreichung des Bürgerbegehrens  ist nur dann zu beachten, wenn sich das Bürgerbegehren gegen einen Ratsbeschluss richtet (sog. kassatorisches Bürgerbegehren). Da es sich vorliegend um ein initiierendes Bürgerbegehren handelt, finden die Fristenregelungen des § 26 Abs. 3 S. 1 und S. 2 GO NRW keine Anwendung, so dass eine Frist für die Sammlung der Unterschriften nicht einzuhalten ist.

Die Sperrfrist nach § 26 Abs. 5 S. 2 GO greift ebenfalls nicht, da nicht innerhalb der letzten zwei Jahre ein inhaltsgleicher Bürgerentscheid durchgeführt wurde.

 

  1. Fragestellung

Der Antrag muss eine zur Entscheidung zu bringende Frage enthalten, § 26 Abs. 2 S. 1 GO NRW. Über die Fragestellung darf gemäß § 26 Abs. 7 S. 1 GO NRW nur mit „ja“ oder „nein“ geantwortet werden. Die Frage muss aus der Sicht eines verständigen Bürgers aus sich heraus verständlich sein. Gerade mit Blick auf die Funktion der Frage für einen etwaigen späteren Bürgerentscheid, der einen Ratsbeschluss ersetzt, muss die Frage selbst aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit so eindeutig formuliert sein, dass sie auch bei isolierter Betrachtung keinen Zweifel an ihrem Inhalt aufkommen lässt.(OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2014 – 15 B 499/14 –, Rn. 18, juris)

Ein Bürgerbegehren muss sich demnach auf eine konkrete, durch die Bürgerschaft zu treffende Sachentscheidung richten. Danach kann bei einem Bürgerbegehren über die gestellte Frage nur mit "Ja" oder "Nein" abgestimmt werden.

(OVG NRW, Beschluss vom 21. Juni 2013 – 15 B 697/13 –, Rn. 4, juris) 

 

Maßgeblich ist der Text der zur Entscheidung zu bringenden Frage. Auf den Unterschriftenlisten ist unterhalb der Zeile „Die Unterzeichnenden beantragen, den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Aachen folgende Fragestellung zum Bürgerentscheid zu stellen:“  die Fragestellung „Soll die Stadt Aachen folgende sieben verkehrspolitische Ziele in den nächsten acht Jahren umsetzen?“ durch Farbe (blau), Schriftgröße und Fettdruck sichtbar hervorgehobenen.

 

In diesem Zusammenhang ist zu problematisieren, ob die textliche Verbindung der Fragestellung  mit den sich an die Begründung verteilt auf drei Spalten anschließenden, durch farbige Hervorhebung dargestellten 7 verkehrspolitischen Zielen, mitbeinhaltend zwei weitere Unterziele, im Widerspruch zu § 26 Abs. 1 GO NRW steht. Die Fragestellung selbst  stellt im Sinne einer Präzisierung der Ziele durch eine entsprechende Bezugnahme („folgende 7 verkehrspolitische Ziele“) die Verbindung zur Abstimmungsfrage in einem Bürgerentscheid her.

 

Die Formulierung in § 26 Abs. 1 GO NRW stellt klar, dass ein Bürgerbegehren sich auf eine einzige Angelegenheit zu beziehen hat, also eine Vermischung mehrere Angelegenheiten in einem Begehren nicht zulässig ist. Dies schließt  jedoch

nicht aus, dass zu einer Angelegenheit gleich mehrere Fragen gestellt werden, die in einem Sachzusammenhang stehen.

Voraussetzung ist, dass durch die Kopplung verschiedener Aspekte einer Angelegenheit keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt eines unzweideutigen Entscheidungsgegenstandes entstehen können.(Vgl. OVG, Urteil vom 19. Februar 2008 – 15 A 2961/07 –, Rn. 31, juris). Welche Materien sachlich in einer Weise zusammenhängen, dass sie in einem Bürgerbegehren verbunden und den Abstimmungsberechtigten mit einer Frage zum Bürgerentscheidung vorgelegt werden dürfen, beurteilt sich nach materiellen Kriterien.

 

Anders als in dem vom OVG NRW entschieden Fall der Verknüpfung von Teilfragen mit der Konjunktion "und", wird vorliegend nur eine Frage zur Abstimmung gestellt  („Soll die Stadt Aachen folgende 7 verkehrspolitische Ziele in den nächsten 8 Jahren umsetzen?“), die ein Maßnahmenbündel verkehrspolitischer Ziele beinhaltet. Dabei reichen  zwar die bloße formale Verbindung verschiedener Maßnahmen unter einer Fragestellung oder die Verknüpfung durch ein gemeinsames allgemeines Ziel nicht aus, um den Sachzusammenhang festzustellen. Vorliegend ist jedoch nach objektiver Beurteilung ein enger inhaltlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Maßnahmen, die als Ziele formuliert werden, zu sehen. Die sieben Zielsetzungen betreffen allesamt den Ausbau und die damit einhergehende Verbesserung der Rad-Infrastruktur in der Stadt Aachen. Die Sicherheit des Fahrradverkehrs und die daraus folgende Attraktivität sollen gefördert werden. Um dies bewirken zu können, soll ein durchgängiges, engmaschiges Radwegenetz erstellt werden. Dabei sollen sowohl die Kreuzungen, als auch die Radwege sicherer gestaltet werden. Zudem sollen Fahrradstellplätze ausgebaut werden. Um diese Umsetzung zu fördern, sollen Mängel online gemeldet werden können. Zudem soll ein jährlicher Bericht über den Umsetzungsstand der Ziele veröffentlicht werden. Der Sachzusammenhang der einzelnen Ziele im Sinne der zur Entscheidung gebrachten Frage ist vorliegend  zu bejahen,  da die im Text beschriebenen (Teil-)Ziele materiell mit der Abstimmungsfrage eng verknüpft sind. Das Kopplungsverbot verbietet jedoch nur die sachlich nicht zusammenhängende Kopplung mehrerer Teilfragen bzw. Teilmaßnahmen. Ebenso ist zu konstatieren, dass die im Einzelnen aufgeführten verkehrspolitischen Ziele in sich widerspruchsfrei sind und sich nicht wechselseitig ausschließen.

 

Aus der Verbindung mehrerer Anliegen folgt, dass über die Gesamtheit der mit der Fragestellung in Bezug genommenen Anliegen nur einheitlich mit „Ja“ oder „Nein“ abgestimmt werden kann. Dies ist vorliegend der Fall. Die Fragestellung „Soll die Stadt Aachen folgende 7 verkehrspolitische Ziele in den nächsten 8 Jahren umsetzen?“,  als solche,  lässt sich mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten: Wer mit „Nein“ stimmt, stimmt der Umsetzung mindestens eines der sieben verkehrspolitischen Ziele nicht zu. Wer mit „Ja“ stimmt, stimmt der Umsetzung aller sieben verkehrspolitischer Ziele zu. Nicht zu beanstanden ist, dass die Unterzeichnenden damit vor die Entscheidung gestellt werden,  dass Antragsbegehren nur einheitlich mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten zu können. Der Bürger, der vielleicht die einzelnen Ziele unterschiedlich bewerten würde, hat grundsätzlich abzuwägen und eigenverantwortlich zu entscheiden, welcher der gebotenen Alternativen er den Vorrang geben will. Diese dem Bürger abzuverlangende einheitliche Entscheidung  begrenzt dessen Entscheidungsmöglichkeit, führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Begehrens. Die Frage nach einer Koppelung von Zielen liegt im Falle sachlich zusammenhängender Teilfragen bzw. -maßnahmen im Bereich der Zweckmäßigkeit bzw. Unzweckmäßigkeit, nicht aber im Bereich der rechtlichen Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Fragestellung.

 

 

  1. Bestimmtheitsgebot

Hinsichtlich der Anforderungen an die Bestimmtheit hat das OVG NRW wiederholt ausgeführt, dass eine resolutionsartige Meinungskundgabe nicht  Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein kann. Der Gegenstand  müsse vielmehr eine Sachentscheidung in einer  Angelegenheit der Gemeinde sein, die andernfalls vom Rat  zu treffen wäre, und sich unzweideutig aus dem Text des  Bürgerbegehrens ergebe.  

 

Dem stehe nicht entgegen, dass sich der Rat im Rahmen seiner Zuständigkeit in einem von ihm zu treffenden Beschluss darauf beschränken dürfe, allgemeine Ziele und Absichten zu formulieren, ohne stets eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Denn § 41 Abs. 1 GO NRW überantworte dem Rat die Allzuständigkeit für grundsätzlich alle Angelegenheiten der Gemeinde. Dies beinhalte die Befugnis zu umfassender Beschlussfassung. Im Unterschied hierzu knüpfe die in § 26 Abs. 1 GO NRW gewählte gesetzliche Formulierung an eine konkrete durch die Bürgerschaft zu treffende Sachentscheidung an.

(OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 – 15 A 5594/00 –, Rn. 17, juris)

 

Für eine lediglich resolutionsartige Meinungskundgabe liegen aufgrund der ausführlichen Beschreibungen der Ziele und Maßnahmen, die mit der Abstimmungsfrage inhaltlich verbunden werden, keine Anhaltspunkte vor.

 

Als unzulässig wertet die Rechtsprechung auch Fragestellungen, die nicht auf eine Entscheidung anstelle des Rates gerichtet sind,  sondern eine noch zu treffende Entscheidung des Rates vorprägen (Rehn/Cronauge Kommentar, zu § 26 Anm. III 1 Rz. 17 m.w.N.) Mit dem Verbot, bloße Vorgaben zu machen statt eine Entscheidung zu treffen, soll verhindert werden, dass ein Bürgerbegehren aus einem Problembereich lediglich unselbständige Einzelfragen zur Entscheidung stellt und damit eine sachgerechte Lösung des Gesamtproblems nicht in den Blick nimmt. (OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2008 – 15 A 2961/07 –, Rn. 39, juris) Dazu ist zwar nicht erforderlich, dass die Fragestellung so konkret ist, dass es zur Umsetzung des Bürgerentscheids nur noch des Vollzuges durch den (Ober-)Bürgermeister bedarf. Durch einen Bürgerentscheid können vielmehr durchaus auch Grundsatzentscheidungen getroffen werden, die noch durch Detailentscheidungen im Kompetenzbereich des Gemeinderates ausgefüllt werden müssen. Andererseits muss die Fragestellung so bestimmt sein, dass die Bürger erkennen können, wofür oder wogegen sie ihre Stimme abgeben. Es muss also erkennbar sein, welchen Inhalt die spätere, durch den Bürgerentscheid herbeizuführende Entscheidung haben wird, denn nur dann ist sie hinreichend direkt demokratisch legitimiert.

(VG Augsburg Urt. v. 4.3.2016 – 7 K 15.664, BeckRS 2016, 122386, beck-online;  Wansleben, in: Held/Winkel zu § 26 Anm. 2.2)

 

Im Hinblick auf die Bestimmtheit des Bürgerbegehrens können sich rechtliche Bedenken auch daraus ergeben, dass die im Begehren formulierten Ziele zwar eindeutige quantitative und zeitliche Vorgaben enthalten, die Ausführung in Teilen durch die Verwendung unbestimmter Begriffe („steigungsarm“, Kreuzungen „sicher“ gestalten, „möglichst niedrigem“ Rollwiderstand, Wartezeiten werden „ minimiert“, „zeitnahe“ Mängelbeseitigung) vage bleiben  und  überdies die geforderten Maßnahmen keinerlei örtliche Konkretisierung aufweisen. Infolgedessen verzichtet das Bürgerbegehren gänzlich auf die Darstellung der  mit den geforderten Maßnahmen verbundenen Konsequenzen, wie dem Wegfall von Fahrspuren und Kfz-Stellplätzen oder das Fällen von Straßenbäumen. Hier lässt sich zum einen argumentieren, dass der Bürgerentscheid noch zu treffende Detailentscheidungen nicht zu berücksichtigen braucht, zum anderen  dürfte den Unterzeichnenden, wenn sie sich mit ihrer Unterschrift für eine Unterstützung des Begehrens entscheiden,  bereits aufgrund der Presseberichterstattung der vergangenen Monate u.a. zu den Rad-Vorrang-Routen bewusst sein, dass die Umsetzung der geforderten Maßnahmen auch Konsequenzen mit Konfliktpotential für den Autoverkehr und/oder das Straßenbegleitgrün haben wird. Jede dieser Maßnahmen erfordert  vor ihrer Umsetzung eine planerische Entscheidung, die sich nicht auf eine reine Kapazitätsprüfung beschränkt, sondern auch eine den verkehrlichen Bedürfnissen entsprechende Abwägung von widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen hat. Dies wird auch in den Vorgesprächen durch die Vertreter des Bürgerbegehrens bestätigt.

 

Zudem sind an die sprachliche Abfassung der Fragestellung  und die inhaltlichen Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Das Rechtsinstitut Bürgerbegehren/Bürgerentscheid ist so angelegt, dass auch Gemeindebürger ohne besondere verwaltungsrechtliche Kenntnisse in der Lage sein sollen, die Fragestellung zum Bürgerentscheid zu stellen und dessen formelle Anforderungen zu erfüllen. Würde man von den Initiatoren erwarten,  dass diese zum Gegenstand ihres Begehrens konkret umsetzbare Angaben zum Bau eines  Radwegenetzes oder der Umgestaltung von Kreuzungen machen, würde ihnen  das Fachwissen von Verkehrsplanern abverlangen werden, das nicht voraus zu setzen ist. Die Initiatoren eines Bürgerbegehrens verfügen in der Regel nicht über das Fachwissen der Behörde. Um die Handhabbarkeit des Bürgerbegehrens für den Bürger zu sichern, wird man mit der Rechtsprechung  nicht fordern können, dass die Fragestellung des Bürgerbegehrens so zu fassen ist, dass nur noch der Vollzug der Entscheidung zur Umsetzung des Bürgerentscheids notwendig wäre.

 

So kann in Bezug auf die den Geh- und Radweg gestaltenden Maßnahmen grundsätzlich von den Vertretern eines Bürgerbegehrens auch nicht erwartet werden, dass sie neben dem eigentlichen Anliegen, dem Ausbau der Radinfrastruktur, auch die damit sachlich verbundenen weiteren Konsequenzen z.B. für andere Verkehrsteilnehmer  bzw. die anstehenden Abwägungsbelange in ihrem Begehren mitberücksichtigen und in die Begründung aufzunehmen haben. In einem vom OVG NRW entschiedenen Fall richtete sich das Bürgerbegehren auf den Nichtausbau der Teileinrichtungen "Gehwege" und "Beleuchtungsanlage" in den streitgegenständlichen Straßen. Dies sei -so das OVG- eine selbständige, abschließende Entscheidung. Ein Bürgerbegehren sei nicht verpflichtet, über solche selbständigen Gegenstände (Gehwege" und "Beleuchtungsanlage“) hinaus damit sachlich zusammenhängende weitere Gegenstände (hier: Ausbau der Teileinrichtung "Fahrbahn") in die zur Entscheidung gestellte Frage einzubeziehen.(OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2008 – 15 A 2961/07 –, Rn. 39, juris) Insoweit wird man auch die den Geh-und Radweg und dessen Infrastruktur betreffende Maßnahmen  als  selbständig und abschließend betrachten müssen, wenn gleich damit zusammenhängend weitere Maßnahmen in Bezug auf  Straßenbäume, Stellflächen, Fahrspuren u.v.m. verbunden sein werden, die aus dem Text des Bürgerbegehrens nicht hervorgehen, in der konkreten Umsetzung der Zielvorgaben jedoch relevant werden.

Einer Zuordnung der Maßnahmen zu konkreten Straßen ist folglich entbehrlich, da diese im Rahmen der Umsetzung durch eine  noch zu treffende Auswahl- und Ermessensentscheidung die erforderliche Konkretisierung erfahren können.

 

Soweit zur Beschreibung der Ziele (Maßnahmen)  Begrifflichkeiten Verwendung finden, die Interpretationsspielräume öffnen,  sind diese im Sinne des Begehrens auslegungsfähig. So wird man z.B. aus der Formulierung „steigungsarme“ Radhauptverbindungen (Ziel 1) schon aufgrund der Topologie der Stadt nicht die Forderung ableiten können, zum Ausgleich von Höhenunterschieden Überbrückungs- oder Untertunnelungsmaßnahmen durchführen zu sollen. Vielmehr wäre bei alternativ zur Verfügung stehenden Wegstrecken diejenige in Betracht zu ziehen, die die geringere Steigung aufweist. Eine (absolut) sichere Kreuzungsgestaltung (Ziel 2) wird nicht realisierbar sein.  Die sichere Gestaltung von Kreuzungen ist im Sinne des Begehrens dahingehend auszulegen, dass diese sich aufgrund der Zielrichtung des Bürgerbegehrens insbesondere darauf bezieht, die Gefahrenquellen für Fußgänger und Radfahrer zu reduzieren. Hierzu haben die Initiatoren der Verwaltung exemplarisch niederländische Kreuzungskonzepte vorgestellt, die durch eine veränderte Radverkehrsführung in Kreuzungsbereichen Gefährdungen von Radfahrern durch abbiegende Fahrzeuge vorbeugen sollen. Die zeitnahe Beseitigung gemeldeter Mängel (Ziel 6) wird, soweit hierin ein Gefahrenpotential zu sehen ist, schon aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht keinen größeren zeitlichen Aufschub dulden.

 

Entscheidend ist, dass der Bürger unzweifelhaft erkennen kann, welchen Inhalt das von ihm unterstützte Begehren hat. Diese Funktion erfüllt das Begehren. Dazu müssen sich die für eine Entscheidung maßgeblichen  Angaben - in einer praktikablen Kürze - aus dem Text des Bürgerbegehrens selbst ergeben. Erforderlich ist damit, dass durch den Text der Entscheidungsgegenstand festgelegt wird, der aus der Entscheidungskompetenz des Rates herausgelöst werden soll. (OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 – 15 A 5594/00 –, Rn. 30, juris)

Durch die Beschreibung  der Ziele und der diesen Zielen zugeordneten Maßnahmen kann der Bürger den Inhalt des von ihm durch seine Unterschrift unterstützten Begehrens zweifelsfrei zur Kenntnis nehmen.

 

 

II. Materielle Zulässigkeit des Bürgerbegehrens

 

Da die Bürger an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde entscheiden (§ 26 Abs. 1 S. 1 GO NRW), muss der Gegenstand des Bürgerbegehrens eine Angelegenheit der Gemeinde betreffen, für deren Entscheidung der Rat die Organkompetenz besitzt. Daneben sind solche Angelegenheiten einem  Bürgerbegehren nicht zugänglich, die in dem Negativkatalog des § 26 Abs. 5 GO NRW abschließend aufgeführt sind.

 

1. Verbandskompetenz / Organkompetenz

Die Entscheidung muss eine Angelegenheiten der örtlichen Gemeinde gem. Art. 28 II S. 1 GG, Art. 78 I LVerf NRW, § 2 GO NRW darstellen.

Das vorliegende Bürgerbegehren hat sowohl  Bezüge zum Straßenverkehrsrechts als auch zum Straßen- und Wegerecht. Aus den Regelungen des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) ergibt sich, dass der örtliche Verkehr nebst Straßen- und Wegebau in den eigenen Wirkungskreis der Gemeinde fällt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Gemeinde Straßenbaulastträgerin der öffentlichen Straßen ist. Des Weiteren müssten die umschriebenen Maßnahmen den Aufgaben der Stadt Aachen als Straßenverkehrsbehörde zuzuordnen sein.

 

Aufgrund der Vorgaben im Ziel 1 (Erreichbarkeit der Radhauptverbindung in max. 200 m für 90 % der Bevölkerung) des Bürgerbegehrens ist davon auszugehen, dass das engmaschig zu erstellende Radwegenetz neben Gemeindestraßen auch Landes- auch Bundesstraßen mit einzubeziehen hat.

 

In der Regel ist für Gemeindestraßen die Kommune, für Kreisstraßen der Kreis (StädteRegion) und für Landesstraßen und Radschnellverbindungen des Landes das Land zuständig (§§ 43, 47 StrWG NRW). Für Bundesstraßen gilt das Bundesfernstraßengesetz (§ 5 Abs.1 FStrG), wonach die Zuständigkeit beim Bund liegt. Der Straßenbaulastträger (Straßenbaubehörde) plant, errichtet, ändert und betreibt die Straßen. Straßenbaulastträger von Gemeindestraßen ist die Gemeinde. Die Aufgaben des Trägers der Straßenbaulast für Landes-und Bundesstraßen nimmt der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) als Teil der Landesverwaltung wahr.

 

Sowohl das FStrG als auch das Str.WG NRW regelt  innerorts abweichend hierzu, dass die Gemeinde auch Träger der Straßenbaulast für Bundes- und Landesstraßen sind.

Gemäß § 5 Abs. 2 FStrG  ist die Stadt Aachen auch Trägerin der Straßenbaulast für Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen. Die Straßenbaulast umfasst  nach § 3 FStrG alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben, wozu auch der Erhalt der Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand, die Erweiterung und sonstige Verbesserung zählen. Die wegerechtliche Beurteilung der Ortsdurchfahrt erfolgt nach § 5 Abs. 4 FStrG. Für Land- und Kreisstraßen wird die Ortsdurchfahrt in § 5  StrWG NRW legal definiert und ist nicht identisch mit dem straßenverkehrsrechtlichen Begriff "geschlossene Ortschaft", der durch Aufstellung der Verkehrszeichen 310 und 311 (Anlage 3 zu § 42 StVO) kenntlich gemacht wird. Gemäß § 9 Abs. 1 StrWG NRW umfasst die Straßenbaulast alle mit dem Bauunterhaltung der Straßen zusammenhängenden Aufgaben. § 9 Abs. 2 StrWG NRW gibt vor, beim Bau und bei der Unterhaltung der Straßen den Nahverkehrs und die im Straßenverkehr besonders gefährdeten Personengruppen sowie Rad- und Fußgänger angemessen zu berücksichtigen. Radwege gehören  gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1b StrWG NRW grundsätzlich zur Fahrbahn und damit zur öffentlichen Straße. Innerorts ist die Stadt Aachen folglich auch in Bezug auf Kreis-, Landes- und Bundesstraßen Trägerin der Straßenbaulast.

Für den Vollzug des Straßenverkehrsrechts ist die Stadt Aachen als untere Straßenverkehrsbehörde i.S.v. §§ 44 Abs. 1 StVO,  §  5 ZustVO-Verkehr i.V.m. § 3 OBG NRW zuständig.

 

Hiernach gilt es zu entscheiden, ob die 7 verkehrspolitischen Ziele Angelegenheiten der Gemeinde betreffen, über die der Rat zu entscheiden hat. Mit der Formulierung „an Stelle des Rates“ soll der Anwendungsbereich von Bürgerbegehren weit gefasst und nicht etwa beschränkt werden auf diejenigen Entscheidungen, in denen ohne das Bürgerbegehren der Rat auch tatsächlich entscheiden würde und dies auch ohne Weiteres könnte (vgl. OVG NRW, Urt. v. 19.02.2008 - 15 A 2961/07 -, NWVBl. 2008, S. 269). Das OVG Nordrhein-Westfalen hat insofern festgestellt, dass es für das Merkmal „an Stelle des Rates“ alleine darauf ankommt, ob der Entscheidungsgegenstand grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich des Rates fällt.

Dies ist nachstehend wie folgt zu bejahen:

Die Zuständigkeit der Stadt in Bezug auf das Ziel 1, Erstellung eines durchgängigen, engmaschigen Radwegenetzes,   ergibt sich aus der Eigenschaft der Stadt als Trägerin der Straßenbaulast.

Ziel 2, Kreuzungen sicher gestalten, sieht neben baulichen Veränderungen die Installation von Lichtzeichenanlagen (Ampelanlagen) vor. Das übergeordnete Ziel der Umgestaltung ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit. Die Umgestaltung selbst muss durch straßenbautechnische Maßnahmen erfolgen. Die Schaltung und Ausgestaltung von Lichtsignalanlagen i.S.v. § 37 StVO gelten nach § 37 Abs. 2 Nr. 6 StVO auch für den Radverkehr. Nach § 44 Abs. 1, 45 Abs. 3 StVO bestimmen die Straßenverkehrsbehörden, welche Verkehrseinrichtungen anzubringen sind. Dazu zählen gemäß § 43 Abs. 1 S. 3 auch Ampeln i.S.v. § 37 Abs. 2 Nr. 6 StVO. Die Straßenverkehrsbehörde hat hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Entsprechend dem Ziel 3 soll die Stadt Aachen jährlich an Hauptverkehrsstraßen 5 Kilometer Radwege bauen, die als Einrichtungsradwege mit 2,30 m Breite zwei Knotenpunkte lückenlos verbinden. Sie sollen baulich vor Befahren, Halten und Parken durch Kfz geschützt werden. Da mit diesem Ziel die bauliche Umsetzung der Radverkehrsanlage betroffen ist, handelt es sich um eine straßenrechtliche Angelegenheit, die die Stadt als Trägerin der Straßenbaulast trifft.

Ziel 4, Geh- u. Radwege durchgängig und einheitlich gestalten, sieht eine optische Vereinheitlichung neuer und zu sanierender Radwegeflächen vor. Es handelt sich daher auch hier  um eine straßenrechtliche Angelegenheit.

Ziel 5, Fahrradstellplätze umfassend ausbauen, ist auf die Schaffung von Fahrradparkhäuser u.a. gerichtet. Die durch eine besondere bauliche Gestaltung ausgewiesenen öffentlichen Parkplätze sind in der Regel unselbstständige Teile einer öffentlichen Straße. Für Radabstellmöglichkeiten gilt dasselbe. Fahrradabstellplätze sind dementsprechend zur Aufnahme des ruhenden Fahrradverkehrs bestimmt und auch als straßenrechtliche Angelegenheit zu qualifizieren.

Ziel 6, Mängel online erheben und zeitnah beseitigen, stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der der Stadt obliegenden Verkehrssicherungspflicht, so dass die Zuständigkeit der Stadt zu bejahen ist.

Ziel 7, Verkehrswende konsequent und transparent fördern, fällt in die Planungshoheit der Stadt, so dass auch hier die Zuständigkeit gegeben ist. Allerdings ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass  im planerischen Umgang des Straßenbaulastträgers Vorbehalte der Beteiligung der Bezirksregierung bzw. des Straßenbaubetriebes NRW, sowie die kommunalen Gebietsgrenzen zu beachten sind. Auch bestehendes Privateigentum an einzubeziehende Flächen kann der Umsetzung entgegenstehen.

 

§ 41 Abs. 1 S. 1 GO NRW  überantwortet dem Rat die Allzuständigkeit für grundsätzlich alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit  die Gemeindeordnung nichts anderes bestimmt. Soweit einzelne Maßnahmen gemäß § 41 Abs. 3 GO NRW als Geschäfte der laufenden Verwaltung als auf den Bürgermeister übertragen gelten, ist anzumerken, dass es sich hierbei um eine gesetzliche Fiktion (sog. unechte Delegation) handelt, die nur gilt, soweit der Rat sich diese Entscheidung nicht vorbehält.

 

2. Negativkatalog 

In  § 26 V GO NRW findet sich ein Negativkatalog, der in einer enumerativen Aufzählung bestimmte kommunalpolitische Angelegenheiten benennt, die nicht Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein können.

§ 26 Abs. 5 Nr. 4 GO NRW sieht vor, dass ein Bürgerbegehren unzulässig ist, das sich auf Angelegenheiten bezieht, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens zu entscheiden sind.

Gem. § 38 Abs. 1 StrWG NRW ist bei der Erstellung sowie dem Umbau von Land- und Kreisstraßen ein Planfeststellungsverfahren i.S.d. §§ 72 – 78 VwVfG NRW durchzuführen. Gleiches gilt für Radschnellverbindungen des Landes und Gemeindestraßen, sofern für diese eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Abwägung durchzuführen ist. Nach § 38 Abs. 3 StrWG NRW entfällt das Planfeststellungsverfahren nur in Fällen von unwesentlicher Bedeutung gem. § 74 Abs. 7 VwVfG NRW. Die Entscheidung hierüber trifft der Träger der Straßenbaulast. 

Fälle von unwesentlicher Bedeutung liegen gem. § 74 Abs. 7 VwVfG NRW vor, wenn andere öffentliche Belange oder private Interessen nicht berührt werden, weil kein Interessenwiderstreit besteht und angesichts des in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht einfach gelagerten Sachverhalts dieses auch nicht zu erwarten ist. Bei vielen straßen- und staßenverkehrsrechtlich bezogenen Maßnahmen, dürfte es sich um Fälle unwesentlicher Bedeutung handeln. Bei der geforderten Errichtung von Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen wird dies ggf. anhand der konkreten örtlichen Situation näher zu prüfen sein. Diese mögliche Ungewissheit hierüber führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Begehrens. Auch insoweit kann auf den Text des Begehrens Bezug genommen werden, der ausdrücklich vorsieht, das für den Fall,  dass, sollten „Teile des Bürgerbegehrens unzulässig sein oder sich erledigt“ haben,  die „Unterschrift weiterhin für die verbleibenden Teile“ gelten solle. Damit bringt das Bürgerbegehren  zum Ausdruck, dass es sich mit den geforderten Maßnahmen im rechtlichen Rahmen zu halten bereit ist und das Bürgerbegehren hinsichtlich seiner Umsetzung ebenfalls gesetzeskonform zu bewerten ist.

 

3. Umsetzbarkeit

Fraglich ist, ob dem Bürgerbegehren entgegengehalten werden kann, dass allein die Quantität der geforderten Maßnahmen, wie z.B. die jährliche Erstellung von 10 km Radhauptverbindungen, in zeitlicher Hinsicht Realisierungsvorgaben enthalten, die aus den Erfahrungen der Stadt Aachen als völlig unrealistisch und nicht umsetzbar bewertet werden müssen.

 

Mit dieser Aussage konfrontiert haben die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens geantwortet, dass im Hinblick auf die Umsetzbarkeit der Ziele des Radentscheids innerhalb von acht Jahren es auch insoweit einer realistischen Prognose bedürfe. Dies setze grundsätzlich voraus, dass auch mögliche Verzögerungen in den Blick genommen werden müsste, sofern diese typischerweise eintreten und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verzögerung führen. Dies möge etwa bei Ausschreibungen der Fall sein. Anwohnerklagen, Archäologie oder Personalbeschaffung erschienen dagegen als unsichere Punkte, die zwar zu Verzögerungen führen könnten, bei denen aber unsicher seien, ob sie überhaupt auftreten würden. Solche unsicheren Umstände müsste das Bürgerbegehren nicht berücksichtigen.

 

Bei der auch hier gebotenen „wohlwollenden bzw. gesetzeskonformen Auslegung“ von Bürgerbegehren sind die quantitativen Vorgaben innerhalb des Umsetzungszeitraums von acht Jahren unter Berücksichtigung der vorstehenden Antwort als „relativierungsfähige“ Zielvorgaben in dem Sinne auszulegen, dass die Stadt Aachen alles in ihrer Macht Stehende tun muss, um die Zeitvorgaben einzuhalten. Umstände, die zu einer Verzögerung führen, nicht aber der Stadt vorzuwerfen sind, weil sie nicht in deren Verantwortungsbereich liegen,  begründen jedoch keinen Verstoß gegen die grundsätzliche Umsetzungsverpflichtung des Bürgerbegehrens / des Bürgerentscheids.

 

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden wird dem Rat empfohlen, das Bürgerbegehren als zulässig zu erachten.

 

In der Sache ist sodann zu entscheiden, ob der Rat dem Bürgerbegehren entsprechen wird. Entspricht der Rat dem zulässigen Bürgerbegehren nicht, ist innerhalb von drei Monaten ein Bürgerentscheid durchzuführen.


 

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