Kenntnisnahme - FB 02/0066/WP16
Grunddaten
- Betreff:
-
Forschungsprojekt Mobile ACcess
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- FB 02 - Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft, Digitalstadt und Europa
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Wissenschaft
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Kenntnisnahme
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18.04.2012
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Erläuterungen
Forschungsprojekt Mobile ACcess
Mobile ACcess ist ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das die Schaffung von grundlegenden Techniken für ein gemeinschaftliches, sicheres und selbstgetragenes WLAN Stadtnetz vorsieht. Das Projekt behandelt vorwiegend zwei Forschungsschwerpunkte: a) Die Netzwerkinfrastruktur und b) innovative Dienste, die in diesem Netzwerk möglich sind. Dabei werden insbesondere auch technisch anspruchsvolle Dienste betrachtet, die auf dreidimensionalen virtuellen Welten und der Verschmelzung von Realität mit digitalen Diensten durch „Augmented Reality“ basieren. Im Rahmen des Projekts wurde durch die Stadt Aachen ein Testnetzwerk in städtischer Umgebung prototypisch realisiert, um experimentell Chancen und Problemfelder eines solchen Netzes auszuloten.
Das maßgeblich durch die RWTH Aachen getriebene Projekt hat technische Konzepte und prototypische Lösungen geschaffen, um die Machbarkeit und Effizienz eines kooperativen Netzwerks zu untersuchen. Um eine große Praxisnähe zu erreichen, stand das Projektkonsortium auch nicht-universitären Partnern aus Industrie und industrieller Forschung offen. Ebenso haben sich die Städte Aachen und Monschau am Projekt beteiligt, um die Anforderungen und Umsetzbarkeit eines städtischen Netzwerks aus kommunaler Sicht zu vertreten.
Die aktive Forschungs- und Entwicklungsphase des Projekts endete planmäßig zum 31.3.2012. Bereits im März haben Inhalts- und Finanzprüfungen der Projektpartner durch unabhängige Stellen stattgefunden. Insbesondere die inhaltliche Prüfung der Projektergebnisse durch das Steinbeis Transferzentrum - IDA Karlsruhe verlief äußerst positiv. Die Gutachter konnten sich dabei von Güte und Umfang der entwickelten Konzepte und Prototypen in Vorträgen und Technologiedemonstrationen überzeugen.
Darstellung in den Medien
Schon vor Beginn des Projekts wurde das Projekt interessiert von Medienvertretern aufgegriffen. Dabei wurden die Projektziele zum Teil zu stark vereinfacht bzw. überzogen dargestellt. Insbesondere wurden die Projektzeile häufig auf einfache Aussagen wie ’Freies WLAN für Aachen’ oder ’flächendeckendes WLAN-Netz für Aachen’ reduziert. Diese Reduktion hat an verschiedenen Stellen falsche Erwartungen geweckt, die weder durch die geplanten Projektarbeiten, noch durch die bewilligten Projektgelder erzielbar sind.
Ein Ziel der bevorstehenden Ausschusssitzung ist es, die eigentlichen Ziele, Möglichkeiten und Ergebnisse des Projekts adäquat darzustellen, um den Ausschussmitgliedern einen korrekten Überblick über das Projekt und die geleisteten Arbeiten zu geben.
Projektkonzept und Zielsetzung
Da der Aufbau und der Betrieb von großen WLAN Netzwerken die Betreiber oft vor große Management- und Finanzprobleme und insbesondere vor rechtliche Probleme stellen, hat sich Mobile ACcess zum Ziel gesetzt neue Konzepte zu erforschen, die sich z.T. radikal von bestehenden Systemen unterscheiden.
Insbesondere wurden kooperative Ansätze betrachtet, welche die Benutzer des Netzwerks in die Schaffung der Netzwerkinfrastruktur einbeziehen. Die Grundidee hinter den kooperativen Ansätzen ist, dass Benutzer ihren eigenen drahtlosen WLAN Access Point für die Benutzung durch Fremde öffnen und im Gegenzug WLAN Zugang von anderen Benutzern erhalten. Dies bedeutet, dass jeder Benutzer seinen eigenen WLAN Access Point (mit DSL Verbindung) in das System einbringt und im Gegenzug in der Stadt WLAN nutzen kann, solange er sich in der Reichweite eines anderen teilnehmenden Access Points befindet.
Es handelt sich daher nicht um ein freies oder kostenloses WLAN Netz, sondern um ein Netz, in dem die Kosten für den Netzwerkaufbau und den Betrieb durch die Benutzer getragen werden. Dadurch könnte ein solches Netz sehr kosteneffizient wachsen.
Die Schaffung eines solchen kooperativen Netzes mit Benutzerbeteiligung birgt jedoch gewisse Schwierigkeiten. So stellt die Sicherheit der teilnehmenden Personen eine große Schwierigkeit dar. Zum einen sollte der Datenverkehr mobiler Benutzer nicht abgehört werden können. Zum anderen sollten Benutzer, die einen Access Point bereitstellen, nicht für illegale Aktionen (z.B. einen verbotenen Download) eines fremden mobilen Benutzers verantwortlich gemacht werden können.
Neben den Herausforderungen im Bereich Sicherheit ergeben sich weitere Probleme, da aufgrund der Platzierung der Access Points im Haus des Besitzers die Netzabdeckung außerhalb des Gebäudes bei Weitem nicht optimal ist und ein mobiler Benutzer daher häufig zwischen Access Points in verschiedenen Gebäuden wechseln muss.
Letztlich müssen auch Aspekte der Verwaltbarkeit und Wartbarkeit eines solchen Netzes betrachtet werden, da konzeptbedingt sehr viele ungeschulte Personen am Netzwerkbetrieb beteiligt sind.
Die Untersuchung und prototypische Lösung dieser Probleme sind die Kernarbeiten im Projekt Mobile ACcess.
Da ein kooperatives System auf die Beteiligung von Privatpersonen angewiesen ist, wurden im Projekt auch Anwendungen konzipiert, welche das Netzwerk für dessen Benutzer attraktiv machen können. Dabei wurde ein besonderer Schwerpunkt auf Anwendungen mit hohem Ortsbezug gelegt. So wurden Dienste zur genauen Positionsbestimmung (auch in Gebäuden) entwickelt und es wurden Informationsdienste entworfen, um einem mobilen Benutzer relevante Informationen über seine Umgebung bereit zu stellen. Auch hier wurden kooperative Konzepte betrachtet, um z.B. eine Bürgerbeteiligung an städtischen Prozessen, wie der Instandhaltung öffentlicher Räume, zu ermöglichen.
Aufgrund des kooperativen Systems kann also nicht von ’freiem WLAN’ gesprochen werden. Auch ist ein ’flächendeckender Netzwerkaufbau’ nicht Teil des Projekts, da er weder durch den Projektgeber finanziert ist, noch durch Einzelpartner (z.B. Kommunen) erbringbar ist.
Es handelt sich bei diesem Projekt um ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt, in dem vor allem neue Konzepte und deren Evaluation im Vordergrund stehen. Es handelt sich nicht um die Entwicklung eines bereits zu Projektende marktreifen Produkts. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Projektergebnisse nach Projektende zu verwenden, um diese zur Schaffung neuer oder zur Verbesserung bestehender Systeme und Strukturen zu verwenden.
Ergebnisse
Im Projekt wurde ein funktionsfähiger Prototyp für die Schaffung eines kooperativen Stadtnetzes entwickelt. Dieser Prototyp besteht aus a) Software für Mobilgeräte mit Maemo Betriebssystem, b) Software für drahtlose Router mit OpenWRT und LANCOM LCOS Betriebssysteme und c) Software für Linux-basierte Server. Anhand dieses Prototyps konnten die Probleme und Möglichkeiten eines solchen Netzwerks erforscht werden. Die Ergebnisse wurden auf mehreren internationalen wissenschaftlichen Konferenzen veröffentlicht. Der Prototyp konnte auch unter realistischen Bedingungen, durch die Mitwirkung der kommunalen Partner, in der Innenstadt von Aachen erprobt werden.
Im Projekt wurden ebenfalls prototypische Anwendungen geschaffen, welche die Möglichkeiten eines kooperativen Netzes unterstreichen. Hier wurden WLAN-basierte und bildbasierte Positionierungsverfahren entwickelt, um mobilen Benutzern präzise und schnell Positionsdaten zur Verfügung zu stellen. Insbesondere wurden Verfahren gewählt, die auch in Situationen funktionieren, in denen GPS nicht verfügbar ist (z.B. in Häusern und Häuserschluchten). So können Benutzer mit ihrem Smartphone Bilder machen, anhand denen die Position des Benutzers präzise ermittelt werden kann. Ebenfalls können anhand dieser Positionierung ortsbezogene Informationen (was sehe ich da) und weitere Interaktionsmöglichkeiten dargestellt werden. Damit können digitale Inhalte besser mit dem realen Leben verknüpft werden. Neben einer zweidimensionalen Darstellung der Stadt wurde ebenfalls eine dreidimensionale Ansicht Aachens geschaffen. Durch diese können sich Besucher virtuell fortbewegen.
Ebenfalls wurden kooperative Anwendungen entwickelt. So entwickelte das Fraunhofer Institut FIT die Anwendung ’MitMachCity’ zur Förderung der Teilnahme von Bürgern in der Lokalpolitik. Mit Hilfe von Smartphones kann damit Einwohnern ihr Engagement in der Lokalpolitik erleichtert werden. Infrastrukturprobleme können z.B. multimedial und ortsbasiert erfasst und an die verantwortlichen Behörden weitergeleitet werden.
Die regio iT aachen hat im Rahmen von Mobile ACcess ’cul8er’, ein mobiles und ortsbasiertes Jugendportal, entwickelt, in dem sich Jugendliche über Aktivitäten und Events informieren können. Dabei werden Aspekte sozialer Netzwerke mit Aktivitäten im realen Leben verknüpft.
Insgesamt bot Mobile ACcess die Möglichkeit, neue und innovative Anwendungen zu konzipieren, zu entwickeln und zu erproben.
Weiterverwertung
Zum Projektende steht es den Projektpartnern offen, die im Projekt erzielten Ergebnisse aufzugreifen, zur Marktreife zu bringen und einzusetzen. Die Partner haben dazu gegenseitige Unterstützung beim Technologietransfer zugesagt. So sind z.B. die Quellen der Netzwerksoftware öffentlich zugänglich und können durch die Partner oder interessierte Dritte weiter verwendet werden. Für die Verwendung des kooperativen Netzwerkkonzepts wäre es zuvor notwendig, interessierte Netzwerkprovider zu finden, die den Netzwerkaufbau organisatorisch und technisch betreuen. Darüber hinaus ist es notwendig, die Mobilgerätesoftware für die weitverbreiteten Mobilsysteme iOS (Apple iPhone) und Google Android (viele weitere Smartphones) anzupassen. Die Dominanz dieser Betriebssysteme hat sich während der Projektlaufzeit herausgestellt. Die Entwicklung für diese Plattformen ist jedoch schwierig, da die Umsetzung des kooperativen Netzwerkkonzepts betriebssystemnahe Softwareveränderungen bedingt, die von Apple bzw. Google nicht erwünscht sind. Daher gestaltet sich die Entwicklung und Verbreitung der Netzwerksoftware als schwierig.
Seitens der Verwaltung wird zur Zeit geprüft, in welchem Umfang und mit welchen Investitionen die Projektergebnisse für die Stadt Aachen weiter nutzbar sind. Bereits heute steht fest, dass im Rahmen des Ausbaus der Route-Charlemagne die installierten Access Points rund um das Rathaus sinnvoll genutzt werden können. Hier wurden bereits erste Gespräche mit den Projektverantwortlichen der RWTH geführt.
Eine weitere Nutzungsmöglichkeit des bereits aufgebauten WLAN-Netzes könnte ein auf touristische Zwecke beschränktes ’Aachennetz’ sein. Hier könnte dann den Besuchern der Stadt Aachen auf dem Marktplatz ein Zugriff auf eine festdefinierte Auswahl von Webseiten eingerichtet werden. Mit Unterstützung des Einzelhandels in der Aachener Innenstadt wäre es u. U. möglich, dass Netz flächenmäßig zu vergrößern. Hierzu müssten die Einzelhändler einen eingeschränkten Teil ihres Internetzugangs für das ’Aachennetz’ zur Verfügung stellen. Inwiefern hierzu überhaupt eine Bereitschaft auf Seiten des Einzelhandels besteht, wäre noch zu prüfen.
Aber auch der Betrieb eines solchen ’eingeschränkten’ Netzes ist keinesfalls kostenneutral betreibbar. Inwiefern so etwas rechtlich überhaupt zulässig wäre, müsste noch im Rahmen einer gutachterlichen Prüfung geklärt werden.
Insbesondere die Anwendung LocalizeMe könnte u. U. für die Stadt Aachen von besonderem Interesse sein. Dieser innovative Dienst könnte z. B. in die bereits vorhandene Aachen-App implementiert werden und es den Nutzern ermöglichen, ein Foto von einem historischem Gebäude in der Innenstadt zu machen und als Rückmeldung neben Standortdaten auch Daten zur Geschichte des Gebäudes zurückliefern.
Das Konzept der oben genannte Anwendung MitMachCity könnte ebenfalls für die Aachen-App interessant sein, da sie es den Nutzern ermöglicht mit Hilfe des Smartphones ohne großen Aufwand auf Probleme in der lokalen Infrastruktur hinweisen.
Zu prüfen wäre noch ob sich das durch regio iT entwickelte Jugendportal ’cul8er’ am Markt neben Produkten wie Facebook und StudiVZ bei den Jugendlichen durchsetzen kann.
Für alle Fälle gilt, dass diese Anwendungen zunächst vom prototypischen IST-Zustand zu einem marktreifen Produkt weiterentwickelt werden müssen. Erst dann könnte eine Implementierung in die Aachen-App erfolgen. Die notwendigen Aufwände müssten gemeinsam mit der regio iT beschrieben und kalkuliert werden.
