16.08.2022 - 2.2 Haushalt - Chancen und Risiken

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Beratung

Der Ausschussvorsitzende Herr Linden verweist auf den Tagesordnungsantrag der Fraktion Die Grünen vom 02.08.2022, welcher ausgelegt worden sei, und erteilt Frau Grehling das Wort.

 

Frau Grehling informiert, dass die Punkte des benannten Tagesordnungsantrags in den regelmäßig stattfindenden Haushaltsbericht eingebunden worden seien.

 

Zu den Chancen des Haushalts gehöre zweifelsohne die - in dem Ausmaß wahrscheinlich für viele noch überraschende - Entwicklung der Gewerbesteuer. Der Soll-Stand betrage gegenwärtig mehr als 250 Mio. Euro. Ein wesentlicher Faktor dieses hohen Betrags seien mit einem Volumen von rund 72 Mio. Euro jedoch Nachzahlungen aus Vorjahren. Zwar seien Nachzahlungen nicht untypisch, jedoch liege der Durchschnitt in den Vorjahren eher bei rund 50 Mio. Euro. Für die Haushaltsplanung müsse die Differenz als Risikofaktor berücksichtigt werden. Dies gelte auch für das noch vorhandene Streitrisiko in Höhe von 9,3 Mio. Euro. Nichtsdestotrotz sei die Entwicklung der Gewerbesteuer grundsätzlich als erfreulich anzusehen. Über mögliche Risiken einer guten Gewerbesteuerentwicklung werde im Verlauf noch eingegangen.

 

Aus finanzieller Sicht positiv, in der Gesamtbetrachtung jedoch eher negativ, sei der Bewirtschaftungsstand des Personalkostenverbunds. Trotz der mit gesetzlichen Änderungen einhergehenden Belastungen liege der Forecast für das Jahr 2022 noch immer bei mehr als 2 Mio. Euro unter dem saldierten Ansatz der Haushaltsplanung. Auf den während der Planung vorgenommenen pauschalen Abzug von 8 Mio. Euro habe sie in der Vergangenheit mehrfach bereits hingewiesen. Es müsse festgestellt werden, dass Personal bei der Stadt Aachen fehle.

 

Weitaus umfangreicher falle die Berichterstattung über das Risikoportal des Haushalts aus.

Bereits aus der letzten Sitzung bekannt sei das OVG-Urteil zu den Abwassergebühren mit einem jährlichen Risiko für den städtischen Haushalt von rund 10 bis 14 Mio. Euro. Hier bestünde immerhin die Hoffnung, dass dieses durch eine entsprechende gesetzgeberische Entscheidung des Landes bis zum Ende des Jahres zumindest nachhaltig reduziert werden könne. In dem Zusammenhang bleibe auch abzuwarten, ob das Bundesgericht die Revision der Stadt Oer-Erkenschwick annehme. Für die Einbringung des Haushaltsplanentwurfs sei festzuhalten, dass der normal berechnete Gebührenstand Anwendung finden werde. Einen vorsorglichen Abzug werde es nicht geben, sofern nicht bis zum Zeitpunkt der Einbringung ein mindestens im Entwurf befindliches Gesetz dazu Veranlassung geben würde.

 

Neu im Risikoportal aufgenommen habe man die differenzierte Regionsumlage. Im Rahmen der Benehmensherstellung der Städteregion liege eine erste Berechnung der Erwartung zu der von der Stadt Aachen zu erbringenden Regionsumlage vor. Diese sehe Aufwendungen vor, die in etwa 10 Mio. Euro jährlich höher seien als in der Mittelfristplanung des Jahres 2022 veranschlagt. Wesentliche Faktoren seien dabei insbesondere (Worstcase-) Szenarien zur LVR-Umlage.

 

Anmeldungen neuer Stellen würde mit einem Volumen von 8,5 Mio. Euro (2024-2026) bis 10,2 Mio. Euro (2023) zu Buche schlagen. Diese seien zwar ggf. noch in Abhängigkeit von der tatsächlichen Beschlussfassung oder auch einer teilweisen Refinanzierung zu bereinigen, liegen jedoch in der Größenordnung in etwa in der Höhe der Vorjahre und stellen somit eine Position dar, mit der in der Haushaltsplanung umzugehen sei.

 

Der Ausbau des ÖPNV sei ebenfalls bei den Risikopositionen aufgenommen worden, auch wenn die Finanzierung für die Jahre 2023 und 2024 in der bekannten Größenordnung als gesichert angesehen werden könne. Hierzu werde im Laufe der Sitzung noch detaillierter eingegangen.

 

Als weitere Risiken für den Haushalt müssten die Energiekostensteigerungen genannt werden. Zur Bewirtschaftung der eigenen Räumlichkeiten bzw. Infrastruktur müsse allein aus dem Bereich Gebäudemanagement eine Größenordnung von 1,5 bis 4 Mio. Euro zusätzlicher prognostizierter Aufwand konstatiert werden. Die tatsächliche Größe werde sicher auch davon abhängen, ob bestimmte, selbst vorgegebene, Sparziele verwirklicht werden können. Entscheidend sei hier aber im Wesentlichen, inwiefern Mittel des Bundes oder des Landes die Energiekostensteigerungen abfedern könnten.

 

Im Zusammenhang mit Baupreissteigerungen müsse gegenwärtig ein Ausschreibungsrisiko in Höhe von rund 20% festgestellt werden. In dem Zusammenhang kündigt Frau Grehling für die anstehende Ratssitzung eine kurzfristig nachzureichende Vorlage an, welche die Kostensteigerung bei der Hüllsanierung im Inda-Gymnasium zum Inhalt haben werde. Diese Kostensteigerung betrage ca. 1,5 Mio. Euro, davon rund 400.000 Euro als Schadensersatzleistungen.

 

Die Entwicklung der Schlüsselzuweisungen sei weiterhin als Risiko für die Haushaltsplanung aufzuführen, begründet durch die hohen Ist-Zahlungen insbesondere bei der Gewerbesteuer mit einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr in Höhe von rund 8%. Eine hohe Steuerkraft bedinge in der Regel das Risiko einer geringeren Schlüsselzuweisung im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes. Dieses sei mit bis zu rund 15 Mio. Euro zu beziffern, könne aber in Abhängigkeit von der verteilbaren Finanzausgleichsmasse insgesamt sowie von der Entwicklung bei anderen Kommunen in NRW auch gänzlich entfallen. Die Berechnung der Städteregion lege die Hoffnung nahe, dass die Stadt Aachen nicht als einzige Kommune von einer deutlichen Steigerung bei der Steuerkraft profitiert habe. Für die nächsten Wochen werde die diesbezügliche Arbeitskreisrechnung erwartet, die bereits deutlich mehr Gewissheit mit sich bringen werde.

 

Auf Bundesebene geplante und gegenwärtig diskutierte Steuererleichterungen hätten bei Umsetzung Auswirkungen auf die Kommunalsteuern. Der Städtetag habe zurecht darauf hingewiesen, dass der Entwurf des Inflationsausgleichsgesetzes beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer für das Jahr 2023 mit einem Ertragsverlust in Höhe von rund 2 Mrd. Euro für die deutschen Kommunen einhergehen würde. Entsprechend sei bei der Planung der relevanten Haushaltsposition Zurückhaltung geboten.

 

Die Kosten aus Unterbringung, Versorgung und Integration geflüchteter Menschen sei ebenfalls der Vollständigkeit halber zu erwähnen, ohne dass dies zum jetzigen Zeitpunkt konkret quantifiziert werden könne.

 

Gegenstand des Tagesordnungsantrags der Grünen sei auch die Frage der Zinsentwicklung gewesen. Selbstverständlich habe diese Entwicklung Auswirkungen auf den städtischen Haushalt. Im Mai diesen Jahres sei die erste Leitzinserhöhung nach elf Jahren von der EZB mit 0,5% angekündigt worden. Erste Folgen seien bei der Ausschreibung einer notwendigen Umschuldung im Juni mit einem 1,7%-igen Anstieg der Zinsen konstatiert worden. Der Durchschnittzinssatz bei der Stadt Aachen liege gegenwärtig bei 1,02, bei den Investitionskrediten bei 1,86 und damit weiterhin auf vergleichsweise niedrigem Niveau. In der nächsten Sitzung des Ausschusses werde im regelmäßig wiederkehrenden Tagesordnungspunkt „Schuldenportfolio der Stadt Aachen“ noch näher darauf eingegangen. Das Umschuldungsrisiko in den nächsten Jahren sei vergleichsweise gering, so dass der gestiegene Zinssatz für Investitionskredite voraussichtlich nicht so stark zu Buche schlagen werde. Deutlich wichtiger und somit mit größeren Auswirkungen sei die Entwicklung des Kassenkredits. Ohne Zinssicherung bestünde die Gefahr eines Aufwands für die entsprechenden Zinsen in Höhe von rund 4 Mio. Euro im Jahr 2023, sofern die entsprechende Entwicklung am Geldmarkt sich fortsetzen werde. Angebote zur Zinssicherung auf dem Markt seien gegenwärtig so ausgestaltet, dass sie sich für die Stadt nicht rechnen würden.

 

Schließlich sei die Frage zu klären, wie mit den vorgestellten Risiken umzugehen sei. Bei den Zinsen sei dies grundsätzlich bekannt. Bei den Investitionskrediten werde weiterhin eine dauerhafte Bindung der Zinsen und die Vermeidung von variablen Ansätzen angestrebt, um Schwankungen zu entgehen. Das tagesaktuelle Kassenkreditvolumen liege bei rund 340 Mio. Euro, von dem ein Großteil durch Zinssicherungen abgedeckt sei. Allerdings würde im Laufe des kommenden Jahres die Zinssicherung für ein Volumen von 120 Mio. Euro auslaufen. Hier bestehe entsprechend ein Risiko, dem bis Ende des Jahres bzw. Anfang des nächsten Jahres begegnet werden müsse. 

 

Im Raum stehe ferner die Frage der sozialen Absicherung. Ihr sei es sehr wichtig darauf hinzuweisen, dass zunächst die Entlastungspakete des Bundes abzuwarten seien. Es müsse beispielsweise geprüft werden, wie die angekündigte Reform des Wohngelds tatsächlich wirke, gerade hinsichtlich der möglichen Erweiterung des Bezugskreises. Denn die Umsetzung und Begleitung dessen würde für die Kommunen wiederum einen erhöhten Personalbedarf zur Folge haben. Über die Entlastungspakete des Bundes hinausgehende pauschale Hilfestellungen für Bürgerinnen und Bürger durch die Kommunen werden von Seiten der Kämmerer in NRW nicht angestrebt, auch von ihrer Seite aus nicht. Vielmehr sei es eine Stärke der Stadt Aachen, zielgenau zu überlegen, welche Unterstützungsleistungen getätigt werden könnten.

 

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