26.06.2024 - 4 Bürgerbegehren "Mobile Vernunft" - Zulässigkeit...

Beschluss:
ungeändert beschlossen
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Beratung

Oberbürgermeisterin Keupen erläutert, dass die Zulässigkeitsprüfung im Rahmen des Antrags auf Vorprüfung gemäß § 26 Abs. 2 Satz 7 ff. Gemeindeordnung NRW durch die Kanzlei Baumeister Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in Münster erfolgt sei und das entsprechende Gutachten mit der Vorlage verteilt worden sei. Frau Dr. Wittmann stehe als Erstellerin dieses unabhängigen Rechtsgutachtens in der heutigen Sitzung für Fragen zur Verfügung.

 

Herr Schaffrath vom Bürgerverein „Mobile Vernunft e.V.“ bedankt sich bei der SPD-Fraktion sowie der GRÜNE-Fraktion für die ausführlichen und konstruktiven Gespräche, bei denen ein Austausch im gegenseitigen, demokratischen Verständnis stattgefunden habe. Weiterhin dankt er allen Bürger*innen, die den Verein unterstützt haben, hierunter auch Personen der CDU und SPD sowie der Verwaltung für die vielen guten Hinweise. Es dürfte nicht verwundern, dass der Verein dem vorliegenden Gutachten, welches viele sachliche Fehler enthalte, nicht zustimme und sie bei Gericht dagegen klagen werden. Er möchte Stellung nehmen zu drei Behauptungen, die dem Verein und ihrem Verständnis von Verkehrspolitik immer wieder entgegengebracht werden. Erstens vertreten die Mitglieder des Vereins nicht die Meinung, dass ausschließlich die verfehlte Verkehrspolitik für den Niedergang des Einzelhandels verantwortlich sei. Stattdessen würden viele verschiedenen Aspekte zu den Schwierigkeiten des Einzelhandels beitragen und aus Sicht des Vereins sei es nicht sinnvoll, ergänzend zu diesen Schwierigkeiten auch noch eine für den Einzelhandel schwierige Verkehrspolitik beizutragen. Zweitens sei der Bürgerverein nicht grundsätzlich gegen die Einrichtung von Radwegen, solange diese aus ihrer Sicht Sinn machen würden. Drittens seien sie erstaunt gewesen über die Aussage von Stadtdirektorin Grehling im Interview mit dem WRD, dass der Verein vom Rechtsamt eine Formulierung des Bürgerbegehrens verlangt hätte. Hierzu bietet der Verein den Fraktionen an, die Protokolle der Sitzungen sowie den Schriftverkehr mit Frau Dr. Bollwerk vorzulegen. Abschließend möchte er darauf aufmerksam machen, dass Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden und die gegen das Bürgerbegehren sprechen, im Falle eines erfolgreichen Klageverfahrens unter Umständen wieder rückabgewickelt werden müssten und dies mit erheblichen Kosten verbunden sei.

 

Ratsherr Neumann (GRÜNE) dankt dem Bürgerverein für das geführte Gespräch und betont, dass es wichtig sei, dass die Rechtmäßigkeit des Bürgerbegehrens durch eine externe Stelle geprüft worden sei und diese Prüfung der Politik für ihre Entscheidung als neutrale Bewertung diene. Die Ausführungen der Verwaltung in der Vorlage würden aufzeigen, dass nicht nur in einzelnen Punkten des Bürgerbegehrens juristische Schwierigkeiten bestünden. Durch die Vermischung von Themen würden im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheides entscheidende Projekte wie die Regiotram oder der beschleunigte Ausbau des ÖPNVs indirekt verhindert werden. Abschließend teilt er mit, dass die GRÜNE-Fraktion aus den vorgenannten Gründen der Vorlage der Verwaltung folgen werde.

 

Ratsherr Servos (SPD) bedankt sich ebenfalls beim Bürgerverein für das Gespräch auf Augenhöhe und schließt sich in weiten Teilen seinem Vorredner an. Er persönlich bedauert die eingetroffene Situation für den Initiator, aber auch die SPD-Fraktion habe keine andere Alternative, als dem Gutachten zu folgen. Zur heutigen Debatte müsse betont werden, dass es sich hierbei nicht um eine politische Entscheidung handeln würde, sondern schlichtweg die erforderlichen Auflagen nicht erfüllt worden seien. Allgemein betrachtet seien in den Gerichtsurteilen seit der Änderung der Zulässigkeitshürden von Bürgerbegehren schrittweise immer stringentere Auflagen gemacht worden.  Aus seiner Sicht entspreche dies nicht dem Sinn der damaligen Gesetzesänderung, die eine Beteiligung an demokratischen Prozessen erleichtern sollte. Abschließend teilt er mit, dass er nicht die Einschätzung von Herrn Schaffrath teile, dass alleine die Ankündigung eines Bürgerbegehrens dazu führt, dass Maßnahmen mit politischer Mehrheit unterbleiben müssen. Dies würde für jede Person, die ein Bürgerbegehren ankündigt, ein faktisches Veto-Recht einräumen. Aus diesem Grund werde weiterhin mit Hochdruck an den relevanten Maßnahmen, wie z.B. der Schleifenerschließung gearbeitet. Da dieses Projekt bereits Bestandteil des Wahlprogramms der SPD sowie der GRÜNEN gewesen sei, möchte man dem Votum der Bevölkerung gerecht werden.

 

Ratsfrau Lürken (CDU) verliest folgenden Text aus der Verwaltungsvorlage zum Radentscheid aus dem Jahr 2019:

„Die Änderungen, die § 26 der Gemeindeordnung NRW genommen hat, lassen erkennen, dass der bürgerschaftlichen Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeit keine allzu hohen Hürden entgegengestellt werden sollten. Es ist angezeigt, eine gegenüber dem Bürgerbegehren wohlwollende Position einzunehmen und - sofern möglich -, durch eine praxisorientierte Auslegung im Sinne des Begehrens Bedenken, die einer Zulässigkeit entgegenstehen könnten, zu überwinden. Vielmehr dürfen an eine Begründung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Initiatoren verfügen in der Regel nicht über das Fachwissen einer Behörde.“

In der aktuellen Situation habe man nur wenige Tage Zeit gehabt, um sich mit einem 53-seitigen Gutachten zu beschäftigen, aber sie versichert, dass alle Mitglieder der CDU-Fraktion dieses Gutachten gelesen haben. Es würde leicht übersehen, dass das Ergebnis zwar die Meinung einer sehr versierten Verwaltungsjuristin sei, es sich dabei jedoch nur um eine Meinung, neben vielen anderen Meinungen handeln würde. Über die Richtigkeit des Gutachtens würde durch ein Gericht entschieden werden müssen. Im Folgenden möchte sie ihre juristische Meinung mitteilen, nach der der Sachverhalt nicht so eindeutig zu bewerten sei. Sie halte das Bürgerbegehren nicht für kassatorisch, sondern für initiierend. Die Forderung 3, die Öffnung des Annuntiatenbaches, solle sich beispielsweise gegen den Beschluss des Mobilitätsausschusses vom 31.08.2023 richten und sei aus diesem Grund kassatorisch. Im Bürgerbegehren werde diese Forderung gegen den Beschluss allerdings nicht genannt, denn es richte sich nicht dagegen. Die Absperrungen am Annuntiatenbach seien auf Veranlassung der Oberbürgermeisterin im Jahr 2022 errichtet worden und zwar ohne Beschluss. Ebenso habe kein Beschluss für die Nichtbeendigung des Reallabors am Templergraben vorgelegen. Der Fachausschuss habe erst zu einem späteren Zeitpunkt hierüber beraten. Weiterhin spreche Frau Dr. Wittmann von einem unbestellten Feld als Bedingung für ein initiierendes Bürgerbegehren, dies wäre allerdings in einer Stadt nicht zu erfüllen, da es zu allem Beschlüsse gebe.

Auch Forderung 2, die Schleifenerschließung, sei nicht kassatorisch gewesen, da der Beschluss des Mobilitätsausschusses, gegen den sich die Forderung richtet, erst 1 Monat später getroffen worden sei. Auch Frau Dr. Wittmann führe aus, dass die Forderung damit nicht initiierend gewesen sei. Laut dem Gutachten habe die Initiative die Frage erst aufgrund von Hinweisen der Verwaltung angepasst. Damit sei aus einem initiierenden Bürgerbegehren ein kassatorisches Begehren geworden. Die entsprechende Korrespondenz, aus der Frau Dr. Wittmann zitiert, liege der CDU-Fraktion nicht vor. Es stelle sich die Frage, ob aus den Mails des Rechtamtes zweifelsfrei hervorgehe, welche Auswirkungen eine geänderte Formulierung auf das Bürgerbegehren habe. Weiterhin führt sich aus, dass auch Forderung 1 aus ihrer Sicht nicht kassatorisch sei. Die Regiotram sei kein Verfahren der Stadt Aachen und der Beschluss der Vorplanung sei somit nicht verbindlich. Zusammenfassend halte sie fest, dass Forderung 1 und 3 nicht kassatorisch seien und Forderung 2 dazu gemacht worden sei, möglicherweise durch Missverständnisse. Bezüglich der Bestimmtheit als weitere Anforderung an das Bürgerbegehren verweist sie auf ihr Zitat zu Beginn ihres Wortbeitrages. Entgegen dieser Aussage der Verwaltung würden von der „Mobilen Vernunft“ nicht nur Fachkenntnisse, sondern auch die ausgewiesene Expertise eines Juristen gefordert. Denn Forderung 1 sei plötzlich zu unbestimmt und während auf Seite 11 die Leistungsfähigkeit der Radialen, den Erhalt, der Anzahl und die Breite der Fahrspuren betreffe und sich damit klar gegen die Regiotram richte, wiederspreche dies der Interpretation von Frau Dr. Wittmann zur Leistungsfähigkeit einer Straße. Forderung 2 werde durch das Wort “Alleenring“ nach Ansicht von Frau Dr. Wittmann auch zu unbestimmt, weil sie festgestellt habe, dass es derzeit keine Unterbrechung auf dem Alleenring gebe und dies auch nicht beabsichtigt sei. In diesem Zusammenhang möchte sie auf den Ratsantrag der GRÜNE-Fraktion aus September 2019 zu verkehrslenkenden Maßnahmen in Bereich des Alleenrings hinweisen. Sie stellt fest, dass die Bestimmtheit möglicherweise kein Problem darstelle. Auch das Koppelungsverbot sei aus ihrer Sicht unproblematisch. Laut den Ausführungen von Frau Dr. Wittmann sei dies eine schwierige Einzelfallentscheidung, die immer einen wertenden Charakter habe und selten eindeutig ausfalle. Das Gutachten erkläre, dass kein inhaltlicher Zusammenhang bestehe, da Forderung 1 sich auf die Ein- und Ausfahrt aus Aachen beziehe und Forderung 2 und 3 auf den Verkehrsstrom innerhalb der Stadt. Ein weiterer Verstoß werde laut Gutachten in der Frage der undifferenzierten Abstimmungsmöglichkeit durch die Bürger*innen gesehen. Ratsfrau Lürken gehe jedoch davon aus, dass die Aachener selbst entscheiden können, ob sie dem Bürgerbegehren mit allen Einzelheiten zustimmen oder dieses ablehnen. Im Vergleich zum Bürgerentscheid 2019 gehe man offensichtlich nicht von mündigen Bürgern aus. Zum Ende des Gutachtens würde erläutert, dass die Forderung 3 unzulässig werde, weil die Begründung von Forderung 2 und 3 zusammengezogen worden sei. Es werde ein Verweis auf die angegriffenen Beschlüsse gefordert. Hierzu führt Ratsfrau Lürken aus, dass die Forderung 3 sich jedoch nicht gegen einen Beschluss richte und die Forderung alleine stehen könne und keiner Begründung bedarf. Deshalb sehe sie keinen unauflösbaren Zusammenhang zwischen den einzelnen Forderungen. Dies sei ihre und nur eine zweite, juristische Meinung zum Gutachten. Ein Gericht werde entscheiden müssen und es sei nicht die Aufgabe des Stadtrates, ein Urteil zu fällen. Doch sie hinterfrage den Umgang mit den Menschen in der Stadt und ob man sich hinter juristischen Klauseln verstecken möchte und somit billigend in Kauf nehmen wolle, dass die Stimmung in der Stadt weiter angeheizt werde. Für die CDU-Fraktion möchte sie klarstellen, dass sie die Menschen in der Stadt ernst nehme und ihre Sorgen und Nöte aufnehme, um Lösungen im Miteinander zu finden. Die CDU-Fraktion hätte sich gewünscht, dass die Oberbürgermeisterin und die von ihr geführte Verwaltung genauso bürgerfreundlich auf die Anliegen der Bürger*innen eingegangen wäre, wie der Amtsvorgänger und die Ratsmehrheit in 2019 es getan haben. Stattdessen würde die Ratsmehrheit mit der Oberbürgermeisterin die unangenehmen Meinungen ignorieren. Anders könne sie es nicht verstehen, dass die Bürgerinitiative nach umfassender Beratung durch das Rechtsamt völlig überrascht sei. Entweder sei die Initiative darauf hingewiesen worden und habe es ignoriert oder sie sei nicht so umfassend und umfangreich unterstützt worden, wie der Gesetzgeber es in § 26 der Gemeindeordnung vorschreibt. Dass das Bürgerbegehren, unabhängig vom Ausgang der heutigen Ratssitzung, vor Gericht landen werde, sei aus ihrer Sicht die Schuld der Oberbürgermeisterin und der Ratsmehrheit. Denn diese haben es unterlassen, Brücken zu den Menschen zu bauen, die ihre ideologische Politik nicht an jeder Stelle teilen. Sie haben es unterlassen, auf die Menschen zuzugehen und sie mitzunehmen. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, der Spaltung in Aachen entgegenzutreten. In gemeinsamen Gesprächen mit Politik, Verwaltung und der Bürgerinitiative hätte ein gemeinsamer Weg gesucht und gefunden werden können. Aus den vorgenannten Gründen werde die CDU-Fraktion der Feststellung über die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht zustimmen. 

 

Oberbügermeisterin Keupen bezieht sich auf die Ausführungen von Ratsfrau Lürken. Sie dankt für die umfängliche Meinung und betont, dass die Verwaltung die Wünsche der Bürger*innen und den demokratischen Prozess des Bürgerbegehrens sehr ernst genommen habe. Nicht umsonst sei dem heute zu treffenden Beschluss eine 9-monatige Bearbeitung und Beratung und somit eine aktive Unterstützung des Bürgervereins „Mobile Vernunft e.V.“ vorangegangen. Dies könne durchaus nicht als Ignoranz interpretiert werden. Dem Antrag auf Vorprüfung sei durch die Beauftragung eines umfänglichen und sachlich fundierten Gutachtens nachgekommen worden. Hierauf solle man sich konzentrieren und nicht mit Meinungen und Annahmen argumentieren. Final werde ein Gericht über die unterschiedlichen Ansichten zur Zulässigkeit entscheiden müssen. 

 

Ratsherr Blum (FDP) meldet sich zu Wort. Da er kein Jurist sei, könne er das Gutachten juristisch nicht beurteilen und ihm liege es fern, Unterstellungen hierzu anzustellen oder Meinungen hierzu zu verbreiten. Wichtig sei ihm jedoch, zu erwähnen, wie unterschiedlich die verschiedenen Beurteilungen ausfallen würden. Hierzu verweist er auf den vergangenen Radentscheid, den man mit den gleichen Begründungen hätte ablehnen könne, wie den vorliegenden Bürgerentscheid. Der Unterschied liege jedoch darin, dass Letzterer nicht in die politische Landschaft passe und der Entscheid deshalb abgewehrt würde. Dieses Vorgehen entspreche nicht seinem demokratischen Verständnis und seiner liberalen Denkweise und er könne dem nicht zustimmen. Denn schließlich stünden hinter dem Begehren viele Menschen, die für die Stadt und die Bürger etwas erreichen wollen. Dies dürfe man nicht ignorieren. Aus seiner Sicht habe dies ein „gewisses Geschmäckle“, wie man in Süddeutschland sagen würde. Final müsse die gerichtliche Entscheidung abgewartet werden. 

 

Oberbürgermeisterin Keupen weist ausdrücklich die Unterstellung zurück, dass das Gutachten seitens der Verwaltung parteiisch in Auftrag gegeben worden sei. Sie gibt das Wort weiter an Frau Dr. Wittmann als Erstellerin des Gutachtens.

 

Frau Dr. Wittmann dankt für die Einladung zur Ratssitzung und die Möglichkeit zur Erläuterung ihres erstellten Gutachtens. Vorab möchte sie betonen, dass sie dieses Gutachten ausschließlich nach ihrer juristischen Expertise erstellt habe und nicht durch eine politische Tendenz beeinflusst worden sei. Mit ihrer langjährigen Erfahrung habe sie feststellen können, dass das Recht einer ständigen Entwicklung unterliege. Faktisch sei festzustellen, dass es zwar nicht unmöglich, jedoch schwierig sei, ein Bürgerbegehren rechtskonform auf den Weg zu bringen. Hierzu bedarf es einer umfassenden Rechtsberatung, die gesetzlich jedoch nicht als Aufgabe der Verwaltung vorgesehen werde. Vielmehr solle die Verwaltung lediglich eine Unterstützungsleistung im Rahmen ihrer Möglichkeiten erbringen. Im Folgenden nimmt sie Stellung zu den Ausführungen von Ratsfrau Lürken. Sie vertrete weiterhin ihre gutachterliche Einstufung des Begehrens als kassatorisches Bürgerbegehren. Denn der kassatorische Charakter leite sich nicht daraus ab, ob die Initiative gehen etwas vorgehen wolle, sondern es erfolge eine Beurteilung anhand der faktischen Sachlage. Man müsse sich die Frage stellen, was das Bürgerbegehren als Entscheidung herbeiführen möchte und gleicht sodann ab, ob zu diesem Thema bereits eine Beschlusslage eines zuständigen Gremiums vorliegt. Wenn dies der Fall sei und das angestrebte Ziel des Bürgerbegehrens zu einer vorliegenden Beschlusslage im Widerspruch stehe, liege ein kassatorisches Bürgerbegehren vor und dies müsse dem Abstimmenden laut Rechtsprechung des OVG Münster auch deutlich gemacht werden. Im vorliegenden Falle habe sie im Gutachten dargestellt, gegen welche Beschlüsse sich die Forderungen des Bürgerbegehrens richten. Allgemein betrachtet möchte sie zu bedenken geben, dass die Anforderungen an ein Bürgerbegehren nicht als Hürden gesehen werden dürfen, sondern diese dazu führen sollen, dass eine abgewogene und sachlich durchdachte Entscheidung herbeiführt wird. Denn schließlich würden die Bürger anstelle des Rates eine bindende Beschlussfassung treffen. Hierfür sei es unabdingbar, dass der Bürger wisse, worüber er entscheide und dies werde durch das Bestimmtheitsgebot sichergestellt.

Weiterhin bezieht sie sich auf die Irritationen hinsichtlich der Entscheidung zum damaligen Radentscheid. Hier könne man jedoch keine Vergleiche ziehen, da sich das Recht und die Rechtsprechung seit diesem Begehren gewandelt haben.

Zur Bestimmtheit erklärt sie, dass das Anliegen klar werden muss und das Bürgerbegehren diese Anforderung aus ihrer Sicht nicht erfülle. Eine ausführliche Begründung hierzu habe sie im Gutachten verfasst. Sie widerspricht der Aussage von Ratsfrau Lürken, dass von den Initiatoren eine ausgewiesene juristische Expertise verlangt werde. Auch zum Thema Koppelungsverbot habe sie ihre Ansicht ausführlich schriftlich erläutert und diese diene nicht dazu, das Bürgerbegehren abzuwehren, sondern solle vielmehr eine möglichst abgewogene Entscheidungsbasis für den Bürger gewährleisten. Das Koppelungsverbot solle vermeiden, dass zu viele verschiedene Themen gleichzeitig zur Abstimmung vorgebracht werden und somit keine differenzierte Entscheidung getroffen werden kann. Ein leitsatzähnlicher Oberbegriff reiche nicht aus um einen hinreichenden Zusammenhang der verknüpften Themenfelder zu gewährleisten. Zu der Aussage von Ratsfrau Lürken, dass Forderung 3 auch ohne Begründung stehen könne führt sie aus, dass ein Bürgerbegehren laut Gesetz begründet werden müsse. Dies diene dazu, dass dem Bürger eine gewisse Entscheidungsgrundlage unterbreitet wird.

 

Stadtdirektorin Grehling möchte die Ausführungen in ihrer Funktion als Rechtsdezernentin ergänzen. Auch sie sei nicht erfreut darüber, der Initiative die Entscheidung überbringen zu müssen, allerdings würden bestimmte Punkte auf eine gewisse Unbestimmtheit hinweisen. Als Beispiel nennt sie die genutzte Bezeichnung ÖPNV, die naturgemäß auch die schienengebundene Verkehrsführung beinhalte. Auch wenn dies hier nicht von der Initiative gemeint gewesen sei, könne der Bürger dies nicht wissen und den Begriff stattdessen anders auslegen. Sie möchte klarstellen, dass sie selbst zwar nicht an allen Besprechungen teilgenommen habe, sie ihren Mitarbeiter*innen im Dezernat jedoch ihr volles Vertrauen entgegenbringe und die Termine protokolliert worden seien. Die Verwaltung habe sich schon ganz zu Beginn des Verfahrens bewusst für eine externe Begutachtung entschieden, auf die der Anspruch auf Neutralität erheben werden könne. Sie betont, dass das Gutachten nie den Auftrag gehabt habe, politisch zu sein. Man könne sich über Einzelheiten und Inhalte streiten, aber ein Bürgerbegehren habe zu Eigen, dass man sich über die Inhalte nicht streiten solle. Die Schließung des Templergrabens sei im Januar 2024 im Mobilitätsausschuss beraten und mehrheitlich beschlossen worden, ebenso liege ein Beschluss zur Teileinziehung vor. In der Begründung des Bürgerbegehrens müsse erkennbar sein, dass es sich gegen die Beschlüsse richte. Die Verwaltung habe die Rechtsauffassung zur Zulässigkeit, die durch die gutachterliche Stellungnahme begleitet wird, vorgelegt. Die Verantwortung zur Entscheidung liege nun beim Stadtrat.

 

Ratsherr Deumens (Die Linke) kann und möchte sich nicht auf juristische Meinungen stützen. Nach den vorangegangenen Wortbeiträgen habe er den Eindruck, dass heute auch die politische Fragestellung der Mobilitätspolitik in Aachen diskutiert werde und man sich bereits im Wahlkampf befinde, obwohl eigentlich nur über die Zulässigkeitsprüfung des Bürgerbegehrens zu entscheiden sei. Er warnt davor, der Politik und Verwaltung zu unterstellen, dass sie das Ergebnis des Gutachtens beeinflusst habe. Gegen diese Meinung möchte er sich deutlich verwahren. Gegenüber Herrn Schaffrath von der Bürgerinitiative äußert er, dass die Initiative nicht an die Fraktion Die Linke zum Gespräch herangetreten sei. Abschließend führt er aus, dass die Fraktion Die Linke dem externen, juristischen Gutachten vertraue und sie deshalb dem heutigen Beschlussvorschlag zustimmen werde.

 

Ratsfrau Brinner (GRÜNE) stellt fest, dass die heutige Ratssitzung sehr außergewöhnlich sei und man diese nicht mit einer Gerichtsverhandlung vergleichen dürfe. Weder von den Initiatoren eines Bürgerbegehrens noch von den Ratsmitgliedern dürfe man eine juristische Ausbildung erwarten. Im vorliegenden Falle habe die Verwaltung die Aufgabe gehabt, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu prüfen. Dieser sei sie vollumfänglich nachgekommen, indem sie die Erstellung eines externen, neutralen Gutachtens beauftragt habe. Die Aufgabe der Politik bestehe darin, dass sie sich auf die Einschätzung der Verwaltung und das Gutachten verlassen könne. Sie habe kein Verständnis für die Anschuldigungen, dass hier politischer Einfluss genommen worden sei. Solche Vorwürfe seien gefährlich für die Demokratie. Weiterhin äußert sie sich zu dem Vorwurf von Ratsfrau Lürken, dass die Sorgen und Nöten der Bürger*innen nicht ernst genommen werden würden. Dies möchte sie mit aller Entschiedenheit von sich und auch von der GRÜNE-Fraktion weisen. Sowohl die GRÜNE-Fraktion als auch die SPD-Fraktion haben das Gespräch mit der Bürgerinitiative gesucht, sowie sie auch alle anderen Anfragen aus der Bürgerschaft hören und in ihre Entscheidungsfindung mit einfließen lassen. Es gehöre zum politischen Prozess dazu, dass man nicht immer die gleiche Meinung vertrete. Die GRÜNE-Fraktion bedaure, dass das Bürgerbegehren nicht zulässig sei, denn sie scheue keinen politischen Diskurs, sondern begrüße ihn.

 

Ratsherr Servos (SPD) betont, dass die SPD-Fraktion die Bürger*innen des heutigen Bürgerentscheids in keinster Weise anders behandelt, als die Bürger*innen des damaligen Radentscheids. In beiden Fällen sei die Fraktion aktiv auf die Initiative zugegangen und habe das Gespräch gesucht. Unterstellungen in diese Richtung haben einen gefährlichen, populistischen Hintergrund. Er bezieht sich auf die vorangegangene Wortmeldung von Ratsfrau Lürken, die ihre Ausführungen als zweite neutrale, juristische Meinung deklariert habe. Dies würde aus seiner Sicht nicht zutreffen. Die CDU-Fraktion sei hier keine neutrale Partei, sondern ein Teil dieses Gremiums mit einer eigenen politischen Agenda, die sie logischerweise auch in ihren Redebeiträgen verfolge. Grundsätzlich verstehe er, dass man das Gutachten kritisch hinterfrage, aber niemand dürfe die Neutralität einer solchen Entscheidung anzweifeln, da man hierdurch das grundsätzliche Vertrauen gegenüber der Verwaltung und dem Staat in Frage stellen würde. Dies erachte er als brandgefährlich. Im Übrigen möchte er erwähnen, dass am 31.08.2023 eine Entscheidung zum Templergraben getroffen worden sei und ebenso zum selben Zeitpunkt auch ein Beschluss zur Öffnung der Durchfahrt für Busse am Annuntiatenbach gefasst wurde. Auch wenn die CDU-Fraktion in den Raum gestellt habe, dass das Gutachten nicht korrekt sei, bewerte die SPD-Fraktion die Ausführungen als schlüssig. Laut den gesetzlichen Vorgaben müsse unverzüglich über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entschieden werde, gleichzeitig dürfe nicht offensichtlich rechtswidrig entschieden werden und die Verwaltung habe eine gebundene Entscheidung vorgelegt. Aus diesem Zusammenhang heraus bittet er um eine Bestätigung, dass die Auffassung der CDU-Fraktion eine politische Meinung darstelle und der Vorschlag der Verwaltung auf Fakten beruht, aufgrund derer der Stadtrat nun entscheiden müsse.

 

Stadtdirektorin Grehling bestätigt, dass es sich um eine gebundene Entscheidung handelt und sich die Frist auf 8 Wochen nach Einreichen des Antrags belaufe.

 

Ratsherr Baal (CDU) schildert, dass die ausgiebige Diskussion über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ein Ausdruck dafür sei, dass in der Stadt ein massives Problem mit der Mobilitätspolitik herrsche und die Gesellschaft in dieser Thematik gespalten sei. Auf der einen Seite werde die Auffassung der „Mobilen Vernunft“ vertreten, auf der anderen Seite schließe man sich der Mobilitätspolitik der Grün-Roten Mehrheit an. Diese Unstimmigkeit bei zentralen politischen Themen sei von Bedeutung für die Frage der Mobilität der Zukunft, der Erreichbarkeit der Innenstädte sowie der Erreichbarkeit der Arbeitsstätte und sei verknüpft mit der Frage, in welchem Maße und zu welchem Zeitpunkt man sich klimaschonender bewegen könne. Die Problemstellung sei allerdings, dass diese Fragen nur einseitig beantwortet werden würden. Er stelle sich die Frage, ob er als Ratsmitglied zwingend der Ablehnung der Zulassung des Bürgerbegehrens zustimmen müsse. Weiterhin hinterfrage er, wie die Menschen in der Stadt die Nachricht über einen einstimmigen Beschluss in dieser Angelegenheit aufnehmen würden. Schließlich würden ihnen über die Medien nur verkürzte Informationen und nicht der Inhalt der juristischen und inhaltlichen Debatte im Stadtrat übermittelt. Aus seiner Sicht würde ein einstimmiger Beschluss signalisieren, dass der Rat die aktuelle Mobilitätspolitik in Aachen befürworte, was auf ihn persönlich jedoch nicht zutreffe. In den elf Jahren der Mehrheitsverantwortung durch die CDU-Fraktion sei es gelungen, im Mobilitätsausschuss ein Klima der Kompromissfähigkeit herzustellen, wohingegen die letzten vier Jahre nicht sehr konsensorientiert verlaufen seien, sondern eher konfliktbeladen. Und diese konfliktbeladene Politik bei einem zentralen Mobilitätsthema führe dazu, dass die Stadt heute gespaltener sei als vor 4 Jahren. Das erste Bürgerbegehren, dass er erlebt habe, sei zum Verkauf von Anteilen an der gewoge geführt worden. Damals habe die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion hierzu einen mehrheitlichen Beschluss gefasst, welchen sie anschließend jedoch gemeinsam wieder aufgehoben habe, obwohl das Bürgerbegehren nicht erfolgreich gewesen sei. Denn dieser Beschluss sei zwar fiskal von Vorteil gewesen, habe der Stadt im Allgemeinen jedoch nicht gutgetan, wie auch rückblickend festzustellen sei. Deshalb sei es nicht falsch, in der heutigen Abstimmung nicht dem Gutachten zu folgen. Denn man stimme nicht über das Gutachten von Frau Dr. Wittmann ab, sondern darüber, ob die Bevölkerung weiter gespalten werden solle oder ob man versuche, die unterschiedlichen Meinungen in einen Konsens zu bringen. Auch eine gerichtliche Entscheidung werde die politische Problematik nicht beheben.

 

Ratsfrau Eschweiler (CDU) betont, dass heute nicht zu entscheiden wäre, welche der vorgetragenen juristischen Meinungen die Richtige sei. Vielmehr liege der Fokus darauf, dass die Menschen in der Stadt mitgenommen werden müssen. Auch habe die CDU-Fraktion in keinster Weise durch ihre Wortbeiträge den Wahlkampf eröffnet, noch habe sie der Angelegenheit einen Beigeschmack unterstellt. Rückblickend auf den Radentscheid 2019 schildert sie, dass damals gemeinsame Gespräche mit den Initiatoren stattgefunden hätten um eine gemeinsame Lösung für den Unwillen in der Stadt zu finden. Die Zahl der Unterschriften habe hierbei keine Rolle gespielt. Man wünsche sich mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung, aber die Arbeit des Stadtrates komme nicht bei den Menschen an. Dies habe auch die heutige Bürgerfragestunde gezeigt, bei der viele Menschen ihren Unwillen kundgetan hätten. Weiterhin führt sie aus, dass sie die Aussage von Ratsfrau Brinner nicht verstehen könne, dass man der Initiative zwar freiwillig das Gespräch angeboten habe, man jedoch verschiedene Meinungen gehabt habe. Man müsse sich ernsthaft mit den Bürger*innen auseinandersetzen, wie auch vor vielen Jahren beim Radentscheid. Es sei noch nicht zu spät um eine gemeinsame Lösung zu finden. In der heutigen Sitzung müsse keine Entscheidung getroffen werde, denn die Frist ende erst am 20.07. und man könne in dieser wichtigen Angelegenheit die Sommerpause nutzen um Gespräche mit der Initiative zu führen. Die CDU-Fraktion könne die Aussage von Oberbürgermeisterin Keupen nicht teilen, dass ein Gericht in der Angelegenheit entscheiden müsse, da dies der falsche Umgang mit den Bürger*innen der Stadt sei. Deshalb appelliert sie dazu, die Angelegenheit heute nicht juristisch auszutragen, sondern im Sinne der Bürger*innen zu handeln.

 

Ratsherr Palm (AfD) ist ebenfalls der Meinung, dass mit dieser Entscheidung der Eindruck entstehen könne, dass die Mehrheitspolitik Angst vor dem Bürgerwillen habe. Wenn ein Bürgerbegehren demokratisch auf den Weg gebracht werde, sollten auch die Anforderungen nicht so hoch angesetzt sein, dass das Begehren formell scheitert. Im vorliegenden Fall müsse man auch die Gründe für das Begehren hinterfragen. Möglicherweise hänge dies zusammen mit dem fatalen Radentscheid 2019, wodurch der Bürger erkannt habe, dass hieraus eine nicht gewünschte Mobilitätspolitik entstehe. Die vorangegangene Diskussion habe ihn nicht darin überzeugen können, das Bürgerbegehren abzulehnen und er erachte es als fair, sich für das Begehren auszusprechen.

 

Ratsherr Kiemes (CDU) hinterfragt die Gründe für die angespannte Stimmungslage und die Unzufriedenheit einer Mehrheit der Bürger*innen in der Stadt. Aus seiner Sicht begründe sich dies darin, dass im Mobilitätsausschuss, im Gegensatz zu anderen Fachausschüssen, keine einvernehmlichen Ergebnisse erzielt werden können. Die Meinung der Opposition, die oftmals mit den geäußerten Bedenken der Bevölkerung einhergehe, werde nicht wahrgenommen und einfach überstimmt. Dieser Umgang mit der Opposition und der Meinung der Gesellschaft würde zu den vorhandenen Streitigkeiten führen. Bezogen auf das vorliegende Gutachten bedankt er sich bei Frau Dr. Wittmann sowie bei Stadtdirektorin Grehling und dem Rechtsamt. Er könne die Ausführungen verstehen, dass die Voraussetzungen an das Bürgerbegehren in vielen Punkten zwar erfüllt werden, an anderen Stellen jedoch rechtlich schwierig seien. Die Aussage am Anfang der Zusammenfassung „Das Bürgerbegehren ist daher vom Rat insgesamt für unzulässig zu erklären“ störe ihn jedoch, da er als Ratsmitglied frei entscheiden kann und möchte und zwar im Sinne der Bürger*innen dieser Stadt. Gemeinsam mit der CDU-Fraktion vertrete er die Auffassung, dass das Gutachten als Empfehlung zu verstehen sei, aber dass man auch anders entscheiden könne. Aus diesem Grunde schließe er sich dem Vorschlag von Ratsfrau Eschweiler an, die heutige Entscheidung zu vertagen und die Zeit bis zum Fristende zu nutzen, um den Konflikt in der Stadt zu lösen und gemeinsame Kompromisse zu finden.

 

Ratsherr Szagunn (DIE Zukunft) bedankt sich bei Frau Dr. Wittmann und Stadtdirektorin Grehling für das Gutachten und bei Ratsfrau Lürken für ihre Ausführungen. Er stellt fest, dass die Stimmung in der vorangegangenen Diskussion gekippt sei und in den Wortbeiträgen sehr viel Spaltung zu finden sei. Dies erachte er als hochgefährlich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Demokratie aktuell überall unter Druck stehe, was auch die vergangene Europawahl gezeigt habe. Aus seiner Sicht sei der vorhandene Konflikt um die Verkehrspolitik nicht lösbar, da die Politik der aktuellen Mehrheit nicht mit der Meinung der Opposition vereinbar und zu gegensätzlich sei. Die Mobile Vernunft würde ein Konzept präsentieren, welches zum Stillstand der Verkehrspolitik führe und diesen Stillstand habe man lange genug gehabt. Zur Aussage von Ratsherrn Servos, dass im Mobilitätsausschuss keine Einvernehmlichkeit hergestellt werden könne, möchte er festhalten, dass die meisten Beschlüsse in den Ausschüssen generell im Konsens geschlossen werden würden. Die Fraktion DIE Zukunft erkenne keinen Grund, warum die Entscheidung vertagt werden sollte und wird sich deshalb dem Gutachten anschließen.

 

Ratsherr Servos (SPD) möchte festhalten, dass die lange Diskussion sich nicht darin begründet, dass das Thema so strittig sei, sondern darin, dass seitens einer Fraktion zwei Dinge miteinander vermischt werden. Er betont, dass heute nicht über eine Entscheidung zur Mobilitäts-/Verkehrspolitik in dieser Stadt diskutiert werde. Diese Diskussion finde an anderer Stelle statt, wie zum Beispiel im Mobilitätsausschuss. Vielmehr werde heute über die Feststellung der Rechtmäßigkeit eines Bürgerbegehrens und somit eine technische Fragestellung entschieden. Es sei gefährlich, diese faktische Entscheidung mit einer inhaltlichen Diskussion zu vermischen. Auch führe die Entscheidung über die formale Zulässigkeit nicht zu einer inhaltlichen Identifikation, wie von Ratsherrn Baal in seiner vorherigen Wortmeldung ausgeführt worden sei. Denn auch wenn man feststelle, dass das Bürgerbegehren die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle, könne man trotzdem die Meinung vertreten, dass die Forderungen der Initiative dem Sinn nach richtig seien. Im Gegenzug könne man nicht die rechtlichen Rahmenbedingungen ignorieren, nur weil man den Inhalt des Begehrens befürworte. Er fragt die Verwaltung, was passieren werde, wenn die CDU-Fraktion sowie die FDP-Fraktion wie angekündigt, der Feststellung nicht zustimmen werden. Weiterhin bittet er um eine Erklärung des Begriffes „gebundene Entscheidung“.

 

Die Sitzung wird von 19:30 Uhr bis 19:45 Uhr für eine Pause unterbrochen.

 

Ratsherr Mohr (AfD) bezieht sich auf die Wortmeldung von Ratsherrn Servos, dessen Demokratieverständnis aus seiner Sicht darin bestehe, dass Menschen mit anderer Meinung spalten würden und der sagt, dass eine Rechtsmeinung wie ein Faktum zu behandeln sei. Dem möchte er widersprechen, denn Zahlen und Daten könne man als Fakten sehe, allerdings könne eine Rechtsmeinung niemals eine 100%ige Sicherheit geben. Vielmehr müsse man eine Abwägung treffen und entscheiden, ob man die Meinung des Gutachtens höher gewichten möchte als die Demokratie in Aachen und die Einbeziehung der Bürger. Er persönlich werde sich für die Bürger entscheiden. Weiterhin führt er aus, dass in Aachen seit 4 Jahren eine Mobilitätspolitik betrieben werde, die jenseits der Vernunft liege. Die AfD-Ratsgruppe wirbt dafür, dass die Aachener Ratsleute sich einstimmig dafür aussprechen sollen, dass die Entscheidung zur Abstimmung an die Aachener Bürger weitergegeben wird.

 

Ratsfrau Breuer (CDU) freut sich darüber, dass so viele Menschen zur heutigen Diskussion gekommen sind, schließlich sei das Rathaus ein Ort der Debatte. Sie bezieht sich auf die Wortmeldung von Ratsherrn Servos. Als Mitglied des Mobilitätsausschusses möchte sie berichten, dass die Mehrheit der Beschlüsse im Ausschuss Umbaumaßnahmen von Straßen beinhalte. Hiervon fühlen sich die Menschen betroffen und möchten sich einbringen. Doch die durch die CDU-Fraktion, gemeinsam mit den Bürger*innen, erarbeiteten Kompromissvorschläge werden konsequent abgelehnt. Aus diesem Grunde begrüße sie die umfangreiche Diskussion zu der Thematik in der heutigen Sitzung.

 

Oberbürgermeistern Keupen betont, dass heute lediglich über die formal juristische Entscheidung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens abzustimmen sei und nicht über die Mobilitätspolitik im Inhalt oder das Maß der Bürgerbeteiligung.

 

Stadtdirektorin Grehling bezieht sich auf die Frage von Ratsherrn Servos zur Definition des Begriffes „gebundene Entscheidung“. Sie schildert, dass man die zwei Komplexe der Zulässigkeit, die durch die Gemeindeordnung vorgegeben werde, und der sachlichen Debatte voneinander trennen müsse. Der heutige Beschluss beziehe sich ausschließlich auf die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. In dem Bewusstsein, dass eine rechtliche Auffassung in den seltensten Fällen vollumfänglich befürwortet werde, könne sich grundsätzlich jedes Ratsmitglied, das das vorliegende Gutachten anzweifle oder eine andere juristische Meinung vertrete, gegen den Beschluss aussprechen. Dies habe zur Folge, dass die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses durch die Verwaltung, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Kommunalaufsicht, geprüft werden müsse. Problematisch werde es, wenn man sich erkennbar über die Vorgabe der Gemeindeordnung hinwegsetze. Dies sei der Fall, wenn man den Beschluss ablehne, obwohl man zwar die Rechtmäßigkeit nicht in Frage stellt, man sich jedoch persönlich ein anderes Ergebnis gewünscht hätte. Sie bittet um Verständnis für die Rolle der Verwaltung, deren Aufgabe es sei, sich ein Votum über die formalen Kriterien des Bürgerbegehrens zu bilden und nicht über die Sachentscheidung. Dieser Aufgabe sei sie durch die Beauftragung des externen Gutachtens vollumfänglich nachgekommen und es bestehe keine andere Möglichkeit, als dem Rat die vorliegende Beschlussfassung vorzuschlagen.

 

Ratsfrau Griepentrog (GRÜNE) dankt Stadtdirektorin Grehling für ihre Ausführungen. Ergänzend zum Wortbeitrag von Ratsherrn Servos teilt sie mit, dass sie die Selbstverständlichkeit, mit der die Wissenschaft und das Gutachten heute in Frage gestellt werde, als brandgefährlich erachte, ebenso wie die Anfeindungen gegenüber der Verfasserin Frau Dr. Wittmann. Sie betont, dass die GRÜNE-Fraktion und die SPD-Fraktion das Gutachten als neutral und inhaltlich richtig verstanden haben. Die Wortbeiträge von Ratsfrau Lürken und Ratsherrn Baal ließen anklinge, dass die Ratsmehrheit die Menschen nicht mitnehmen und mit ihrer Entscheidung die Gesellschaft spalten würde. Dies möchte sie deutlich zurückweisen, denn schließlich gebe es in den letzten Jahren so viele Bürgerbeteiligungen wie noch nie. Keine Baumaßnahme werde umgesetzt, ohne dass vorab die Menschen beteiligt werden. In einer Demokratie gebe es eine gewählte Mehrheit, die bei Abstimmungen überwiege und so müsse man akzeptieren, dass die Bürgerinitiative an dieser Stelle unterlegen sei. Doch für die Initiative gebe es andere Wege im Rahmen der demokratischen Möglichkeiten um ihre Ideen einzubringen. Abschließend bittet sie alle Ratsmitglieder, diese demokratische Entscheidung mitzutragen.

 

Ratsfrau Lürken (CDU) versteht, dass man davon ausgeht, dass die Meinung von Frau Dr. Wittmann ein Sachverständigengutachten sei. Doch ein solches Gutachten werde von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erstellt und sie vermute, dass diese Kriterien nicht auf Frau Dr. Wittmann zutreffen. Sie halte es für brandgefährlich, dass man der CDU-Fraktion eine Spaltung unterstelle, weil diese den Vorschlag unterbreitet habe, die Zeit bis zum Fristende zu nutzen um eine gemeinsame Lösung zu finden. In der CDU-Fraktion dürfe man alles hinterfragen und auch wenn sie die Expertise von Frau Dr. Wittmann schätze, dürfe sie ihre Zweifel an der juristischen Meinung äußern. Nur aus diesem Grund gebe es schließlich auch Gerichte, die über verschiedene Meinungen zu entscheiden haben. 

 

Im Folgenden erhält Herr Schaffrath vom Bürgerverein „Mobile Vernunft e.V.“ erneut das Wort und bezieht sich auf die Wortmeldung von Ratsherrn Servos. Formal sei es richtig, dass der Rat in der heutigen Sitzung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu entscheiden habe. Die ausführliche Diskussion zeige jedoch, dass auch in der Aachener Bevölkerung große Auseinandersetzungen über die Mobilitätspolitik bestehen. Denn auch wenn diese Mobilitätspolitik im Rat eine Grün-Rote Mehrheit habe, sei dies aus seiner Sicht in der Bevölkerung nicht gegeben und hierin liege der Beweggrund für das Bürgerbegehren. Der Bürgerverein habe sich über neun Monate mit der Erstellung des Begehrens auseinandergesetzt und schließlich nicht leichtfertig die Vorprüfung beantragt. Der Rat hätte nun die Möglichkeit, durch das Bürgerbegehren die demokratische Meinung der Bürger*innen in Aachen festzuhalten und er sehe es als bedenklich, dass diese Chance zur demokratischen Abstimmung nicht ergriffen werde. Der Verein hätte das Ergebnis, egal wie es ausgefallen wäre, als Meinungsbild der Bevölkerung akzeptiert. Es sei bekannt, dass ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine längere Zeit in Anspruch nehme und die Mobilitätspolitik somit Teil des kommunalen Wahlkampfes werde. Abschließend betont er, dass der Verein gegenüber Frau Dr. Wittmann keine Beleidigungen oder Unterstellungen unterbreitet habe, man jedoch über die vielen falschen Fakten im Gutachten erstaunt sei. Hierzu erfolge eine Darlegung vor Gericht.

 

Ratsfrau Brinner (GRÜNE) teilt ihre Sorge darüber, dass in den letzten Ratssitzungen die Kompetenz der Verwaltung und ihrer Mitarbeiter*innen zu verschiedenen Themen immer wieder systematisch in Frage gestellt worden sei. Sie bittet darum, Vertrauen zu haben und die Kompetenz der Verwaltung anzuerkennen, wie in diesem Falle gegenüber eines fähigen Rechtsamtes, einer fähigen Rechtsdezernentin sowie einer fähigen Gutachterin. Seit Beginn der Debatte warte sie auf einen konstruktiven Vorschlag der CDU-Fraktion in der Sache. Die Empfehlung zur Durchführung einer Sondersitzung sei ein populistischer Vorschlag und in der Realität nicht umsetzbar. Im Folgenden adressiert sie den Bürgerverein und teilt mit, dass sie den Frust über die Feststellung der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens verstehen könne. Allerdings weise die Kommunalpolitik eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten zur demokratischen Partizipation auf, die durch den Verein genutzt werden könnten. Neben dem Klageverfahren könne eine Antragstellung im Bürgerforum erfolgen oder es könne ein verändertes Bürgerbegehren mit rechtssicheren Fragestellungen auf den Weg gebracht werden. Auch ein politisches Engagement in den Parteien könne man in Betracht ziehen. Abschließend möchte sie daran erinnern, dass durch die Kommunalwahl 2020 die Bürger*innen der Stadt mit knapp 2/3 der Stimmen ihre demokratische Entscheidung getroffen haben und dies somit auch eine Mehrheit für die Verkehrspolitik widerspiegeln würde.

 

Ratsherr Servos (SPD) kritisiert, dass Herr Schaffrath das Bürgerbegehren als nicht wahrgenommene Chance für den Rat für eine demokratische Abstimmung deklariert, denn der Rat sei in dieser Angelegenheit nicht frei in seiner Entscheidung. Wie Stadtdirektorin Grehling ausführlich erläutert habe, müsse man den Inhalt von der Form trennen und hier sei ausschließlich über die Frage der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu entscheiden. Gegen den Beschlussvorschlag der Verwaltung könne man nur stimmen, wenn man die Auffassung vertrete, dass dieser falsch sei. Ratsfrau Lürken habe zwar genau diese Begründung vorgebracht, jedoch nehme die CDU-Fraktion bei ihren Wortmeldungen eine Vermischung von Inhalt und juristischer Bewertung vor. Es sei offensichtlich, dass eine juristische Begründung gesucht werde, um gegen den Beschluss stimmen zu können. Die SPD-Fraktion vertraue der Verwaltung und sehe keine andere Möglichkeit, als ihrem Beschlussvorschlag zu folgen. Der Aussage, dass die lange Diskussion ein Spiegel der gesellschaftlichen Debatte sei, möchte er widersprechen. Dies lasse sich daraus nicht herleiten. Dem Vorschlag der CDU-Fraktion setzt er entgegen, dass für eine Abstimmung über die Mobilitätspolitik kein offensichtlich juristisch beschädigtes Mittel taugen würde, sondern man stattdessen einen anderen Weg finden müsse, um eine solche Debatte zu organisieren. Er weist darauf hin, dass bereits diesbezüglich auch eine entsprechende Beauftragung im Mobilitätsausschuss erfolgt sei. Hier solle umfangreich über die Verkehrspolitik und die Schleifenerschließung diskutiert werden. Viele Randbedingungen habe man auch bereits aus der Debatte im Ausschuss mit aufnehmen können. Wenn man mit diesen Beschlüssen nicht zufrieden sei, könne man im Anschluss ein zusätzliches Bürgerbegehren einleiten. Die heute Diskussion begründe sich im anstehenden Wahlkampf und nicht in der inhaltlichen Frage oder im vorgeschlagenen Beschlussentwurf.

 

Ratsfrau Lürken (CDU) betont, dass man heute darüber abstimmen müsse, ob die Entscheidung vertagt wird um die Zeit zu nutzen oder nicht. Den Wortbeiträgen ihrer Vorredner dürfe sie entnehmen, dass dies offensichtlich nicht beabsichtigt werde. Dies werde die Opposition mit Anstand tragen, denn das sei ihre Rolle. Sie könne jedoch nicht hinnehmen, wenn Mitarbeitende der Verwaltung nach Redebeiträgen der SPD-Fraktion Beifall klatschen. Weiterhin könne sie nicht gut ertragen, wenn Mitglieder der GRÜNE-Fraktion während laufender Debatte schon einen Beitrag auf Facebook veröffentlichen. Sie hinterfragt, ob der Wahlkampf im Ratssaal oder auf Facebook stattfinde. Sie möge es auch nicht, wenn die Behauptung aufgestellt werde, dass die CDU-Fraktion diese Verwaltung beschimpfen und ihr Unfähigkeit unterstellen würde, denn dies treffe nicht zu. In der vorangegangenen Sitzung des Umweltausschusses unter ihrer Leitung habe man erleben können, wie einvernehmlich und versöhnlich schwierige Themen beraten werden können und das bereits seit vielen Jahren. Abschließend führt sie aus, dass sie in ihren Redebeiträgen mit keinem Wort auch nur ansatzweise mitgeteilt habe, dass es um eine inhaltliche Debatte gehe. Vielmehr habe sie ihre Zweifel an dem Gutachten und somit ihre persönliche Meinung geäußert.

 

Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen schließt Oberbürgermeisterin Keupen die Debatte und lässt über den Beschlussvorschlag der Verwaltung abstimmen.

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Beschluss:

Der Rat der Stadt Aachen stellt im beantragten Vorprüfungsverfahren zum Bürgerbegehren „Mobile Vernunft“ mehrheitlich mit 36 JA-Stimmen und 16 NEIN-Stimmen die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens fest.

 

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Siehe Anlage.

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Anlagen zur Vorlage

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