14.05.2024 - 4 Kooperation Jugendhilfe und KJP - Handlungsfeld...

Beschluss:
geändert beschlossen
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Beratung

Herr Grundmann (Fachbereich Kinder, Jugend und Schule – FB 45) und Herr Prof. Dr. Siniatchkin (Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie) stellen die Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe und der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die gemeinsamen Handlungsfelder, aber auch die Herausforderungen bei der Bewältigung der Aufgaben anhand einer Power-Point-Präsentation (s. Anlage zur Niederschrift im Ratsinformationssystem) dar. Sie betonen insbesondere den gemeinsamen Wunsch, dass der Landschaftsverband Rheinland (LVR) stärker als bislang seine Planungs- und Fallverantwortung übernehme und die Akteure vor Ort unterstütze.

 

Frau Scheidt dankt beiden für die Erläuterungen. Sie habe eine große Hochachtung vor der geleisteten Arbeit und dem Engagement der beteiligten Akteure in der Betreuung von Kindern mit einer Intelligenzminderung. Ebenso betont sie, dass der Ausschuss diese Arbeit unterstützen werde.

 

Herr Tillmanns bedankt sich ebenfalls für den Vortrag und die Platzierung der Thematik im Ausschuss. Die beiden Vortragenden hätten die Problematik treffend auf den Punkt gebracht. Der Bericht gleiche seinen eigenen Erfahrungen im Betreuungsrecht im Erwachsenenbereich. Seiner Wahrnehmung nach steige die Anzahl an psychischen Erkrankungen. Sobald die betroffenen Personen jedoch beispielsweise aus einem Klinikaufenthalt entlassen würden, fehle oft die Anschlussversorgung. Er berichtet, dass teilweise monatelang auf ein Betreuungsplatz gewartet werde. Würden diese Personen zurück in ihr häusliches Umfeld ziehen, wäre ein Rückfall vorprogrammiert. Es bleibe ein Gefühl der Machtlosigkeit, da nicht ausreichend Betreuungsplätze zur Verfügung stünden. Daher sehe er in diesem Bereich einen dringenden Handlungsbedarf. Zwar würden sowohl der Jugendhilfeträger als auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Aachen eine hervorragende Arbeit leisten. Dennoch stelle er fest, dass alle Beteiligten an ihre Grenzen kämen. Daher erkundigt er sich bei der Verwaltung, ob der Beschlussvorschlag sinnvoll erweitert werden könne, um die gute Arbeit von Seiten des Ausschusses zu unterstützen – in dem Wissen, dass die Verhandlungen mit dem LVR auf vielen Ebenen wie auch Kostendeckungszusagen sehr schwierig seien.

 

Herr Tillmann dankt für die Sensibilisierung für eine höchst vulnerable und herausfordernden Zielgruppe und ihre adäquate Versorgung. Er schließt sich den Ausführungen von Herrn Tillmanns an. Auch wenn er die Zuständigkeit zur Bereitstellung von ausreichenden Betreuungsplätzen nicht bei der Kommune sehe, bestehe die Situation, dass die derzeitige Versorgung der betroffenen Menschen unzureichend sei. Er erwarte einen Wechsel der Zuständigkeit mit der Reformierung des SGB VIII und befürchte, dass damit auch eine Umverteilung der hohen finanziellen Belastung auf die Kommunen übergehen werde. Daher unterstütze er die von Seiten der Vortragenden erwähnte Ermittlung der bestehenden Bedarfe im Stadtgebiet. Diese könne bei den künftigen Planungen und Entscheidungsprozessen gut unterstützen.

 

Herr Gurr bedankt sich für die Initiative, die Thematik im heutigen Ausschuss zu diskutieren. Aus seiner aktiven Zeit als Kinderarzt habe er die Konnektivität und Kommunikation zwischen dem Gesundheitssystem und der Kinder- und Jugendhilfe vermisst. Dabei sehe er viele klassische Schnittstellen. Die gemeinsamen Teilhabeplankonferenzen halte er daher für sinnvoll, diese könnten auch dazu beitragen, durch frühere Intervention das Jugendamt zu entlasten. 

 

Herr Kreutz lobt ebenfalls die Initiative. Es bestünden viele Schnittstellen der beiden Systeme. Die grundsätzliche Thematik – nämlich der Umgang und die gute Betreuung von Kindern mit Behinderung – sei sowohl in der Kinder- und Jugendhilfe als auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie identisch. Es sei bedauerlich, dass der LVR derzeit eher blockiere statt mit zu arbeiten. Daher begrüße er es, wenn aus Aachen heraus ein Zeichen gesetzt werden könne.

 

Frau Ophoff (AG Behindertenhilfe) berichtet aus ihrer Tätigkeit im familienentlastenden Dienst und könne die Berichte auch nur bestätigen. Die Anzahl der Mehrfachbehinderungen nehme zu und damit einhergehend auch die Belastungen für die Eltern. Entlastungen seien daher dringend notwendig. Aus ihrer Sicht seien aber auch kürzere Entlastungsphasen, wie beispielsweise für ein paar Tage, sinnvoll bevor die Situation eskaliere und ein Klinikaufenthalt nicht mehr vermeidbar sei.

 

Herr Schneider erkundigt sich zum einen danach, ob die Corona-Pandemie die Entwicklung verschärft habe. Zum anderen stelle er fest, dass die Problematik bereits seit Jahren bekannt sei und fragt daher, wieso bislang noch keine konsequente Fehleranalyse durchgeführt worden sei. Zudem erkundigt er sich danach, wer für die Durchführung der Bedarfsanalyse zuständig sei.

 

Herr Prof. Dr. Siniatchkin bestätigt zunächst, dass sich die Fallzahlen insbesondere in den ersten 1,5 Jahren der Pandemie nahezu verdoppelt habe. Nun könne bei manchen Diagnostiken eine Entspannung festgestellt werden, aber nicht bei allen. So steige die Zahl der Personen mit Autismus-Spektrums-Störungen, Zwangs- oder Essstörungen wieder an. Vor allem beim Eintritt in die Schule würden Kinder den Anschluss verlieren. Auf die Frage zur nicht durchgeführten Fehleranalyse erläutert er, dass es strukturell bedingte klare Trennungen zwischen den Verantwortlichkeiten der Jugend- und Behindertenhilfe gebe und die zugehörigen Einrichtungen unterschiedliche Schwerpunkte setze. Junge Menschen mit einer Intelligenzminderung könnten in einer Klinik betreut werden, demgegenüber würden junge Menschen mit einer psychischer Erkrankung in Jugendhilfeeinrichtungen aufgenommen. Diejenigen, die beides aufweisen würden, könnten in keinem der beiden Systeme adäquat betreut werden. 

 

Herr Grundmann ergänzt, dass auch die Kooperationsfähigkeit der beiden Systeme entscheidend sei. Teilweise seien Fälle bereits seit Jahren bekannt und die Akteure aus beiden Systemen hätten sich bereits hieran aufgerieben. Bislang sei es nicht gelungen, gemeinsam und mit anderen Trägern zu agieren. Die Verschärfung der Situation durch Corona könne auch im Bereich der Hilfen zur Erziehung beobachtet werden. Aufgrund der Pandemie seien die Betreuungs- und Schulsysteme weggebrochen. Diese stundenweise Betreuung habe bis dahin für eine Entlastung der Familien gesorgt. Die dauerhafte und ununterbrochene Betreuung zu Hause habe dann die Bedarfe offengelegt.

 

Herr Prof. Dr. Siniatchkin berichtet, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie sich in den letzten Jahren verstärkt mit dem Thema Inklusion befasst habe. Die Arbeit sei auf den Versuch ausgerichtet gewesen, Kinder mit Behinderung und Intelligenzminderung bestmöglich in eine normale Umgebung zu integrieren. Herausfordernd sei jedoch, dass die Personen eine spezielle Betreuung benötigen würden. Gleichzeitig fehle es an ausgebildeten Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten sowie Psychologinnen und Psychologen.

 

Herr Grundmann erläutert, dass es sich zwar um eine geringe Anzahl solcher Fälle in Stadt und StädteRegion Aachen handele. Er betont aber, dass genau diese Fälle besonders herausfordernd und für die Mitarbeitenden sehr belastend seien, da sie ein hohes Maß an Energie und Ressourcen binden würden. So berichtet er von Situationen, in denen abends nicht gesichert gewesen sei, wo der junge Mensch über Nacht untergebracht werden könne. Ebenso seien Mitarbeitende schon mit Kindern durch Parks gelaufen, zum Abbau ihrer überschüssigen Energie. In einem extremen Fall hätten zehn  verschiedene Träger einen jungen Menschen Tag und Nacht betreut. Genau dies sei bei Menschen mit Autismus fatal, da das für die notwendige geregelte Umfeld mit gleichbleibenden Bezugspersonen sehr wichtig sei. Obwohl es eigentlich einen Dreiklang geben solle zwischen Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie und dem LVR als Träger der Eingliederungshilfe bestünde derzeit nur eine Zusammenarbeit zwischen den beiden erstgenannten Systemen.

 

Herr Kaldenbach dankt dem Ausschuss für die Rückmeldungen und die Unterstützung in den weiteren Auseinandersetzungen mit dem LVR. Es habe von Seiten der Verwaltung nicht die Erwartung gegeben, dass heute Lösungen gefunden werden könnten. Die Verwaltung befinde sich auch im Austausch und Einvernehmen mit allen städteregionalen Jugendämtern.

 

Frau Scheidt formuliert sodann eine Erweiterung des Beschlussvorschlages und lässt hierüber abstimmen.

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Beschluss (geändert):

Der Kinder- und Jugendausschuss nimmt die Ausführungen der Fachverwaltung zur Kenntnis.

Er unterstützt die Anregungen der Verwaltung und der Kinder- und Jugendpsychiatrie und bittet die Verwaltung, Verhandlungen mit dem LVR in Richtung Modellprojekt der KJP zu führen.

Ergänzend soll die Verwaltung die Ergebnisse der angestrebten Bedarfsanalyse im Ausschuss vorstellen.
 

 

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Abstimmungsergebnis:

Zustimmung: Ablehnung: Enthaltung:

Einstimmig.

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Anlagen

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