26.09.2024 - 4 Integriertes Konzept für Attraktivität und Sich...

Beschluss:
ungeändert beschlossen
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Beratung

Frau Stadtdirektorin Grehling und der stellv. Leiter des Fachbereichs „Wohnen, Soziales und Integration“, Herr Tönnes, stellen anhand einer Powerpoint-Präsentation das „Integriertes Konzept für Attraktivität und Sicherheit in der Aachener Innenstadt“ (Anlage 1 zu TOP 4ö der Niederschrift) vor. Insbesondere werden die Ziele und geplanten Einzelmaßnahmen der vier Säulen „Ordnungspolitische Maßnahmen“, „Sozialpolitische Maßnahmen“, „Maßnahmen im öffentlichen Raum“ sowie Maßnahmen aus den Bereichen „Kommunikation und Sensibilisierung näher erläutert und ausgeführt.

 

Für die SPD-Fraktion begrüßt Frau Koentges das Integrierte Konzept für Attraktivität und Sicherheit (IKAS). Es sei ein guter Beitrag zur Steigerung der Sicherheit in der Innenstadt. Es sei von allen gewollt, dass die Innenstadt ein sicherer, angstfreier und attraktiver Raum werde und ernst zu nehmen, dass sie teilweise gemieden werde. Insofern kündigt Frau Koentges die Unterstützung ihrer Fraktion bei der Umsetzung des Konzepts an. Klärungsbedarf sehe ihre Fraktion jedoch noch im Bereich der von der Verwaltung angedachten Einschränkung des Zugangs zum öffentlichen WLAN in bestimmten ordnungspolitischen Hotspots, sowie der bislang mangelhaften finanziellen Beteiligung der StädteRegion Aachen und der stärkeren Einbindung der Träger der freien Wohlfahrtspflege in Prozesse und Abläufe des neuen Konzepts. Außerdem wünsche sich die SPD-Ratsfraktion eine noch engere Verzahnung der Arbeit mit der Polizei und die Einbettung der schon laufenden Housing-First-Anstrengungen in das IKAS. Am Ende ihres Wortbeitrags spricht sich Frau Koentges für eine stetige Evaluierung im laufenden Umsetzungsprozess und nachhaltige Lösungen bzw. gegen eine komplette Verdrängung der „Szene“ in die Außenbezirke aus.

 

Frau Braun schließt sich für die GRÜNE-Fraktion ihrer Vorrednerin an. Auch Frau Braun betont die eigene, originäre Verpflichtung der StädteRegion Aachen, Angebote im Bereich von Hilfe und Substitution zu schaffen bzw. in angemessener Weise mitzufinanzieren, zumal Aachen sich insbesondere durch die Substitutionsstellen zu einem Hotspot entwickelt habe. Frau Braun lobt die bessere Verknüpfung der einzelnen Bausteine der insgesamt vier Säulen des IKAS und spricht sich für eine bessere Vernetzung aller Akteur*innen in der Stadt Aachen auf den vier Feldern aus. Auch sie betont die Wichtigkeit einer Evaluation. Kritisch sieht Frau Braun und ihre Fraktion die verwaltungsseitig angedachten Maßnahmen der „Beschallung“ bestimmter Bereiche mit „klassischer Musik“ und der örtlichen Beschränkung des WLAN-Zugangs. Bei diesen beiden Themen sei eine Diskussion und Abstimmung im Ausschuss notwendig. Hinsichtlich der Einrichtung von zwei städtischen Personalstellen im Bereich der Straßensozialarbeit spricht sich Frau Braun im Interesse der Vermeidung von teuren und ineffizienten Doppelstrukturen für eine präzise Aufgabenbeschreibung aus. Frau Braun und die GRÜNE-Fraktion sprechen sich für die Etablierung kostenloser Toiletten am Kaiserplatz aus. Abgelehnt werde von ihrer Fraktion auch die Einführung des Bezahlsystems „Aachen-Taler“ aufgrund des damit möglicherweise in der Praxis verbundenen Anstiegs der Zahlen im Bereich der Gewaltdelikte auf dem Feld der Beschaffungskriminalität. Keine Zustimmung finde auch die angedachte Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne „Hilf – Aber richtig!“, hier wolle die GRÜNE-Fraktion eher auf die eigene Urteilsfähigkeit der Aachener*innen setzen. Ferner fragt Frau Braun die Verwaltung, ob ihr statistische Daten zur Anzahl von Bürger*innenbeschwerden bzw. von Einsätzen des Polizei- und Ordnungs- und Sicherheitsdienst im Bereich des organisierten Bettelns und anderer Fallgruppen vorliegen würden.

 

Herr Tillmanns dankt der Fachverwaltung im Namen der CDU-Fraktion für die gute Vorlage. Er hebt insbesondere lobend hervor, dass die Vorlage die Örtlichkeiten mit dem dringendsten Handlungsbedarf sowie die dafür konkret erforderlichen Maßnahmen klar benenne. Herr Tillmanns lobt die Verknüpfung von sozial- und ordnungs-rechtlichen Maßnahmen im IKAS. Wichtig sei, dass die vakanten Stellen beim Ordnungs- und Sicherheitsdienst besetzt werden würden. Die verwaltungsseitig angedachten zwei neuen Personalstellen für Streetworker*innen bei der Stadt Aachen hinterfragt Herr Tillmanns vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips kritisch. Außerdem warnt Herr Tillmanns hinsichtlich der Toilettenanlage am Kaiserplatz vor möglichen Fehlern: Es dürfe nicht sein, dass am Ende gut qualifizierte Fachkräfte des Kiosk Troddwar die Toiletten betreuen – dies könne durch geringer qualifiziertes Personal geschehen. Weiter verteidigt Herr Tillmans die StädteRegion Aachen gegen die seiner Auffassung nach ungerechtfertigte Kritik der Koalitionsfraktionen: Im Jahr 2023 habe die StädteRegion 1,3 Millionen Euro für die Suchtberatung ausgegeben und 2,5 Mio. Euro für Streetwork im Bereich der Suchthilfe. Im Ergebnis habe die StädteRegion ihr Engagement im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr also erheblich gesteigert. Am Ende seines Redebeitrags kündigt Herr Tillmanns die Zustimmung seiner Fraktion zum Beschlussvorschlag der Verwaltung an.

 

Herr Szagunn schließt sich für die Fraktion „Die Zukunft“ dem Lob und Dank der Vorredner*innen an die Verwaltung an. Er melde allerdings Zweifel hinsichtlich der konkreten Umsetzung des IKAS an. Personal im Ordnungsbereich fehle und bezüglich der sozialpolitischen Maßnahme befürchte er das Gleiche. Seine Fraktion und er befürchten, dass nur die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Bereich „Polizei- und Ordnungsrecht“ übrig und die sozialpolitischen Maßnahmen dahinter zurück bleiben werden. Problematisch sei die Vermischung und Vermengung von unproblematischen und problematischen Fallgruppen des Bettelns. Weiter spricht Herr Szagunn die am Kaiserplatz geplante Toilettenanlage an. Eine Ausweitung des Angebots sei nötig. Allerdings befürchte er, dass beide angedachten Alternativen die Stadt Aachen teuer zu stehen kommen würden - unabhängig davon, ob diese durch die Caritas oder in Eigenregie betrieben werden. Wie die GRÜNE-Fraktion lehne die Fraktion „Die Zukunft“ die verwaltungsseitig angedachten Maßnahmen zur Einführung eines „Zahlungssystems“, die Infokampagne „Hilfe – Aber richtig!“ sowie die Einschränkung des WLAN-Zugangs in bestimmten Bereichen ab. Er sei nicht einverstanden, dass der Personenkreis so verscheucht werden solle. Die Maßnahmen seien insofern noch auszudifferenzieren.

 

Frau van der Meulen erklärt, dass sie die Vorlage sehr kritisch sehe. Das IKAS würde suchtkranke und bettelnde Menschen undifferenziert gleichbehandeln. Das größte Manko des Konzepts sei die fehlende Einbindung der Betroffenen im Vorfeld und bei der Erarbeitung des Konzepts. Es würden mehr Therapieplätze benötigt. Sie fordert, dass der „Unterstützungsbegriff“ neu gedacht werden müsse. Kritisch sehe die Fraktion „Die LINKE“ auch den Umstand, dass das IKAS die Möglichkeit der Implementierung eines Drogenkonsumraums im Aachener Stadtgebiet, wie ihn die Fraktion „Die LINKE“ in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Ratsantrag gefordert habe, nicht aufgreife. Im Sinne eines weiteren Bausteins des IKAS, schlägt die LINKE vor, Aussteiger*innen aus der Szene in die Sozialarbeit/das Streetwork einzubinden, konkret sollten Tandems von Aussteiger*innen und Streetworker*innen in den betroffenen Bereichen eingesetzt werden. Frau van der Meulen führt weiter aus, dass ihre Fraktion den im Bürgerforum verwendeten Begriff der „No-Go-Areas“ in Bezug auf die betroffenen Bereiche scharf zurückweise. Es gäbe in Aachen keine No-Go-Areas. Sie selbst gehe – auch nachts – gerne an und über den Kaiserplatz. Am Ende informiert Frau van der Meulen, dass die Fraktion „Die LINKE“ die beiden angedachten Maßnahmen der Beschallung mit Musik und der Erschwerung des WLAN-Zugangs ablehne.

 

Frau Bürgermeisterin Scheidt lobt im Hinblick auf die Debatte über das IKAS im Bürgerforum am 24.09.2024 die vielen moderaten und abwägenden Rückmeldungen der Bürger*innen und Gewerbetreibenden, die von Verständnis für die Problemlagen der suchtkranken und bettelnden Menschen geprägt gewesen seien.

Sie unterstütze das Konzept, aber bei den einzelnen Maßnahmen sei Fingerspitzengefühl nötig. In diesem Zusammenhang spricht Frau Bürgermeisterin Scheidt die Aachener Figur des „Lennet Kann“ an. Auch er sei ein Bettler gewesen, der Bürger*innen bisweilen beleidigt und beschimpft habe, dennoch, das zeige auch das Volkslied, habe die bürgerliche Gesellschaft ihn akzeptiert. Nach Auffassung von Frau Bürgermeisterin Scheidt zeige die erfolgreiche Arbeit der ehemaligen Bushof-Kümmerin, Frau Ernst, dass auch die Änderung der Zustände am Kaiserplatz gelingen könne, wenn man es richtig angehe. Insofern spricht sich Frau Bürgermeisterin Scheidt dafür aus, den Fokus am Kaiserplatz auf die sozialpolitischen Maßnahmen zu legen. Allerdings widerspricht sie Frau van der Meulen hinsichtlich deren Beschreibung der Situation am Kaiserplatz. Sie selbst sei dort Anwohnerin und man könne dort keineswegs abends gefahrlos entlang gehen. Sie sei allerdings gegen die angedachte Beschallung von Betäubungsmittelkonsument*innen mit klassischer Musik und bittet um eine höhere Sensibilität beim Wording; die Begriffe „Bettelersatzwährung“ und „Beschaffungsbetteln“ sollten besser nicht genutzt werden. Die öffentlichen Toiletten seien sicherlich ein Thema, allerdings gebe es auch in anderen Bereichen Vermüllungen, die nicht von Bettelnden verursacht würden.

Herr Hansen schließt sich der Einschätzung von Frau Bürgermeisterin Scheidt hinsichtlich der moderaten und von Verständnis geprägten Reaktionen der Anwohnenden des Kaiserplatzes in der Sitzung des Bürgerforums an. Zugleich betont er für die FDP-Fraktion, dass die Anwohner*innen aber im Zuge der Umsetzung des IKAS konkrete Verbesserungen erwarten würden. In diesem Zusammenhang erinnert er auch an die Erwartungshaltung bestimmter „schweigender“ Gruppen der Bevölkerung, die sich regelmäßig nicht in öffentlichen Veranstaltungen artikulieren würden.

 

Frau Stadtdirektorin Grehling nimmt zu einzelnen Wortbeiträgen Stellung. Den Vorwurf eines möglicherweise undifferenzierten Umgangs des Ordnungs- und Sicherheitsdienstes mit suchterkrankten und bettelnden Menschen bzw. den unterschiedlichen Gruppen bettelnder Menschen (gewerbsmäßig, aggressiv, still) weise sie entschieden zurück. Die Kräfte des Ordnungs- und Sicherheitsdienstes seien hier sehr sensibilisiert und wüssten aus der Praxis und den Erfahrungen mit den konkreten Individuen umzugehen.

Im Hinblick auf die Statistik erklärt Frau Stadtdirektorin Grehling, dass im laufenden Jahr bereits 273 Platzverweise ausgesprochen wurden und über 370 Streifengänge am Kaiserplatz stattgefunden haben.

Zugleich garantiert Frau Stadtdirektorin Grehling, dass der Ordnungs- und Sicherheitsdienst den sozialpolitischen Ansatz sehr ernst nehme. Außerdem spricht sie die Zunahme psychischer Erkrankungen unter bettelnden Menschen, Gespräche mit dem LVR mit dem Ziel, eine gegebenenfalls längere Unterbringung von bettelnden Menschen in LVR-Kliniken zu erreichen, die Problematik von quasi gewerblich agierenden bettelnden Menschen, einen „Trading-down-Effekt“ am Kaiserplatz sowie die Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts an. Das IKAS sei nicht perfekt, das habe aber auch niemand behauptet. Es sei aber eine Grundlage zum Umgang mit der verschlimmerten Situation mit dem Ziel der Zusammenarbeit um Verbesserungen zu bewirken, so Frau Grehling. Die Zunahme der Problematik des aggressiven Bettelns könne nicht verleugnet werden. Man sehe und wisse, dass insoweit ein Zuzug von außen in die Szene erfolge, dies auch nicht lediglich zum Zwecke der Substitution, sondern auch zum Zwecke des Aufenthalts. Die Lage sei insgesamt für die Gesellschaft nicht mehr zu tragen. Sie stelle im Übrigen klar, selbst nicht von „No-Go-Areas“ gesprochen zu haben, dennoch sei die Problematik rund um den Kaiserplatz gegeben. Die Dinge müssten wieder in Ordnung gebracht werden und dazu sei das Konzept ein Ansatz. Die Situation zu belassen, werde zu weiteren Verschlimmerungen führen.

 

Frau van der Meulen fragt, ob sie richtig verstanden habe, dass die Stellen der Straßensozialarbeit nicht mit der Profession „Sozialarbeit“ besetzt werden sollen. Ferner bestätige sie nicht den Eindruck von Frau Bürgermeisterin Scheidt, den Kaiserplatz könne man abends nicht gefahrlos passieren. Sie selbst habe dort abends auch andere Erlebnisse und würde dort positive Gespräche führen.

 

Frau Bürgermeisterin Scheidt erwidert dazu, dass sich ihre Wahrnehmung als Anwohnerin auf 365 Tage im Jahr beziehe und nicht lediglich auf Einzelfälle.

 

Herr Hansen erklärt, man müsse auspassen, dass es nicht zu einem Gegeneinander verschiedener Gruppen komme. Ein moderates Vorgehen sei wichtig. Er wisse, dass es einen quasi „Betteltourismus“ nach Aachen als Oberzentrum gebe. Schnelle Lösungen seien nicht möglich, man müsse aber dafür sorgen, dass die Probleme nicht weiter zunähmen.

 

Herr Tönnes nimmt für die Verwaltung zur Frage der neuen, bei der Verwaltung vorgesehenen Personalstellen zur Koordination und zur Straßensozialarbeit Stellung. Diese seien ausdrücklich als Ergänzung zur Arbeit der Träger und zur Zusammenarbeit mit diesen zu verstehen, jedoch nicht etwaig als Konkurrenz. Zudem verhalte es sich bisher so, dass den Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration stetig Anfragen und Beschwerden zum Kaiserplatz etc. erreichten, ohne dass dieser dazu unmittelbar eigene Erkenntnisse „von der Straße“ haben würde. Diese Lücke solle geschlossen werden. Es sei durchaus beabsichtigt, diese Stellen mit der beruflichen Qualifikation der Sozialarbeit zu besetzen. Zu der Frage der öffentlichen Toiletten am Kaiserplatz betont Herr Tönnes, dass die Verwaltung und die Caritas die Problematik der Vermeidung einer Überqualifikation von Mitarbeitenden in den angedachten Toilettenanlagen präsent hätten. Schließlich greift Herr Tönnes den mehrfach von der Politik geäußerten Wunsch nach geeigneter Evaluierung des Umsetzungsprozesses auf und sichert zu, dass die Verwaltung im Ausschuss über die Umsetzung regelmäßig berichten werde.

 

Die Mitglieder des Ausschusses beschließen einstimmig und ohne Enthaltung gemäß dem Beschlussvorschlag der Verwaltung.

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Beschluss:

Beschlussvorschlag Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie:

 

  1. Der Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie nimmt die Ausführungen zum Integrierten Konzept für Attraktivität und Sicherheit zustimmend zur Kenntnis.
  2. Der Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie empfiehlt dem Rat der Stadt Aachen die Verwaltung zu beauftragen, die Maßnahmenvorschläge auszuarbeiten und umzusetzen und – falls nötig – Beschlussvorschläge vorzulegen.
  3. Der Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie empfiehlt dem Rat der Stadt Aachen – unter dem Vorbehalt der unterjährigen haushalterischen Deckung – die unterjährige Einstellung einer koordinierenden Stelle für die aufsuchende Straßensozialarbeit im Fachbereich für Wohnen, Sozialen und Integration (FB 56) zu beschließen.
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Abstimmungsergebnis:

Einstimmig

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Anlagen

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