09.10.2024 - 13 Beschluss des Ausschusses für Soziales, Integra...

Beschluss:
ungeändert beschlossen
Reduzieren

Beratung

Ratsherr Deumens (Die Linke) berichtet, dass der Sozialausschuss in einer Sondersitzung am 22.08.2024 mehrheitlich einen Empfehlungsbeschluss an den Rat getroffen habe. Er führt aus, dass die Fraktion Die Linke die Bezahlkarte als ein Symbol für eine zunehmend restriktive Asyl- und Flüchlingspolitik im Land erachte. Aus diesem Grunde habe die Fraktion bereits im Frühjahr diesen Jahres einen Ratantrag gestellt, der sich gegen die Einführung dieses Systems ausspreche. Denn auch wenn die Asylpolitik der Bundesregierung nicht auf kommunaler Ebene diskutiert werden könne, müsse die Aachener Kommunalpolitik die Auswirkungen für die Betroffenen hinterfragen. Viele Fragen zum Verfahren seien noch nicht abschließend geklärt, doch es sei festzustellen, dass Menschen mit einer Bezahlkarte im Vergleich zu Nichtbetroffenen eingeschränkt seien. Aus diesem Grund sei die Karte diskriminierend und nehme den Menschen ein Stück ihres Selbstbestimmungsrechtes. Er verliest ein Zitat aus einer Stellungnahme von PRO ASYL, die die Sachlage aus seiner Sicht gut zusammenfasse: „Im Sozialrecht ist anerkannt, dass Menschen selbständig wirtschaften und selbst entscheiden sollen, welchen Teil ihres Geldes sie wofür ausgeben. Eine Beschränkung des Bargeldbetrags schränkt die Verfügungsgewalt der Menschen über die selbständige Gestaltung ihres Lebens ein. Letztlich greift ein Bargeldentzug in Verbindung mit einer beschränkten Zahlmöglichkeit der Geldkarte die Menschenwürde der Betroffenen an.“  Auch die Rahmenbedingungen für die Verwaltung, wie z.B. die anfallenden Kosten und die erforderlichen personellen Ressourcen seien noch nicht abschließend geklärt. Im Folgenden bedankt er sich bei der GRÜNE-Fraktion sowie der SPD-Fraktion für die Formulierung des umfassenden Beschlussvorschlages, welchem sich die Fraktion Die Linke gerne anschließen werde. Er bittet alle Ratsmitglieder, diesem Beschlussvorchlag ebenfalls zu folgen, um ein deutliches Zeichen der Willkommenskultur zu setzen.

 

Ratsherr Dolan (GRÜNE) gibt den Dank zurück an die Fraktion Die Linke für die Einreichung des Antrages. Grundsätzlich könne er verstehen, dass man mit dem System die Kommunen unterstützen möchte, die über kein so gutes System verfügen wie die Stadt Aachen. Die Kommunalpolitik könne sich nicht über das Landesrecht hinwegsetzen, doch durch den angepassten Beschlussvorschlag werde vielen noch zu klärenden Fragestellungen bereits vorgegriffen. Auch die GRÜNE-Fraktion bittet, dem Beschlussvorschlag zu folgen, um gegenüber der Landesregierung die Bedenken zu signalisieren.

 

Ratsherr Tillmanns (CDU) erachtet es als schwierig, über eine Thematik zu beraten, dessen konkrete Ausgestaltung noch nicht festgelegt sei. Man wisse bis zum heutigen Tage lediglich, dass die Idee auf eine Einigung zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern zurück gehe und alle demokratischen Parteien dieser Idee zugestimmt haben. Man wisse ebenfalls, dass die grundsätzliche Möglichkeit zur Einführung einer Bezahlkarte durch die Gerichte nicht beanstandet worden sei, sondern stattdessen im Einzelfalle entschieden werden müsse. Auch aus seiner Sicht sei die Diskriminierung eines der entscheidenden Themen bei der Bezahlkarte. Allerdings werde durch eine Beschlussfassung am heutigen Tag aktuell keine Änderung für die betroffenen Flüchtlinge eintreten. Stattdessen fasse man einen Vorratsbeschluss, ohne zu wissen, worüber man beschließe. Aus diesem Grund könne die CDU-Fraktion nicht zustimmen.

 

Ratsherr Servos (SPD) stimmt den Ausführungen von Ratsherrn Deumens zu. Wenn man sich den vorliegenden Gesetzesentwurf zur Bezahlkarte anschaue, seien die im Sozialausschuss beratenen Forderungen nicht erfüllt. Stattdessen werde mit einem sehr restriktiven Mittel auf einen vermeintlichen Missbrauch im Sozialsystem reagiert. Dies heiße er nicht gut. Ebenso bemängelt er, dass die Landesregierung die Debatten um dieses Thema, das eigentlich nicht in kommunaler Zuständigkeit liege, und auch die Verantwortung hierfür in die Kommunen abschiebe. Alleine in dieser Tatsache begründe sich für ihn die Notwendigkeit zur heutigen Beschlussfassung. Denn hierdurch könne man auf die Landesregierung einwirken und dieser deutlich machen, dass die Einführung der Bezahlkarte nicht gewollt sei und für den Fall, dass die Einführung verpflichtend werde, müsse sich die Landesregierung an die Mindest-Rahmenbedingungen für eine menschenwürdige Umsetzung halten.

 

Ratsherr Szagunn (DIE Zukunft) schließt sich den vorangegangenen Wortbeiträgen von Ratsherrn Deumens und Ratsherrn Servos an. Aus seiner Sicht befinde man sich in einer gefährlichen Abwärtsspirale von der Willkommenskultur hin zu einer Bezahlkarte, die Menschen einschränkt. Auch er vertrete die Meinung, dass man mit dem heutigen Beschluss die Ausgestaltung des Systems positiv beeinflussen könne und aus diesem Grunde werde die Fraktion DIE Zukunft der Beschlussfassung zustimmen.

 

Ratsfrau Brinner (GRÜNE) bezieht sich auf den Wortbeitrag von Ratsherrn Tillmanns und betont, dass es sich nicht um einen Vorratsbeschluss handelt, sondern um ein politisches Signal, mit dem gegenüber der Landesregierung zum Ausdruck gebracht werde, dass Aachen die Bezahlkarte nicht unterstützen möchte. Denn in Aachen verfüge man bereits über ein gut funktionierendes System und die Bezahlkarte würde diesen gut laufenden Prozess erschweren und Menschen diskriminieren. 

 

Ratsherr Deumens (Die Linke) berichtet, dass andere Städte sich bereits im Frühjahr gegen die Bezahlkarte ausgesprochen haben, um sich politisch zu positionieren. Der Rat der Stadt Aachen solle aus seiner Sicht diesem Beispiel folgen und das Signal an die Landesregierung senden, dass die Bezahlkarte nicht gewünscht sei.

 

Ratsfrau Lürken (CDU) betont, dass die Fraktionen durch ihre Abgeordneten sowohl auf die Landes- als auch auf die Bundesregierung Einfluss nehmen können. Auch sie erkenne die Problematik der Einführung einer Bezahlkarte, aber man kenne die genauen Konditionen hierfür noch nicht und solle diese erst einmal abwarten. Erst am heutigen Tage erfolge die 1. Lesung im Landtag und der Rat habe alle Möglichkeiten, in seinem Sinne Einfluss zu nehmen. Sie gehe davon aus, dass man sich in den demokratischen Fraktionen darüber einig sei, dass man die Schleuserkriminalität unterbinden wolle. Allerdings möchte die CDU-Fraktion, wie bereits durch Ratsherrn Tillmanns geschildert, die Voraussetzungen erst einmal abwarten und am heutigen Tage keinen Beschluss fassen. Abschließend kritisiert sie ebenfalls die unterschiedlichen Entscheidungen der einzelnen Kommunen in der Städteregion Aachen. Dies stelle für sie keine gelebte Städteregion dar und sei ein Zeichen dafür, dass die Verantwortung bei der Bundesregierung liege.

 

Ratsherr Mohr (AfD) teilt mit, dass die AfD-Ratsgruppe die Einführung der Bezahlkarte begrüße und den heutigen Beschluss aus diesem Grund ablehnen werde. Er führt aus, dass die Bezahlkarte nicht zu einer Einschränkung der Menschenwürde der Flüchtlinge führe. Denn diese Personengruppe erhalte weiterhin Obdach und Verpflegung und könne weiterhin in einem Land mit guter Infrastruktur und in Sicherheit leben. Wenn man davon ausgehe, dass die Bezahlkarte keinerlei Bargeldauszahlung vorsehe, bestehe für Asylbewerber nach § 5 AsylbLG die Möglichkeit, mit den sogenannten Arbeitsgelegenheiten Barmittel zu erwirtschaften. Weiterhin müsse man bedenken, dass die Bezahlkarte in vielen Fällen die Kaufkraft erhöhe. Denn in vielen Herkunftsländern werde ein Erwartungsdruck auf die Flüchtlinge für Geldtransfer in die Heimatländer aufgebaut. Genau diese Problematik habe zu dem Konsens in der Bundesregierung über die Einführung einer Bezahlkarte geführt.

 

Ratsfrau Griepentrog (GRÜNE) führt aus, dass man über die Einführung der Bezahlkarte unterschiedliche Meinungen vertreten könne. Sie persönlich spreche sich dafür aus, dass in der heutigen Ratssitzung eine Beschlussfassung mit einer entsprechenden Signalwirkung getroffen werden solle. Denn zum einen bestehe in Aachen bereits ein gut funktionierendes System und zum anderen werde die geplante Einführung der Bezahlkarte als diskriminierend und als Verstoß gegen die Menschenwürde betrachtet.

Reduzieren

Beschluss:

 

Auf Empfehlung des Ausschusses für Soziales, Integration und Demographie, beschließt der Rat der Stadt Aachen wie folgt:

 

Die Einführung einer sogenannten Bezahlkarte für Geflüchtete bringt aus Sicht des Rates der Stadt Aachen keine Vorteile gegenüber der aktuellen Praxis der Stadt Aachen, jedoch viele Nachteile für die Nutzer*innen. Daher spricht sich der Rat der Stadt Aachen nachdrücklich dafür aus, die Einführung einer Bezahlkarte in Aachen abzulehnen, falls die entsprechende Landesgesetzgebung das zulässt. Die Verwaltung wird gebeten, dies gegenüber der Landesregierung zu kommunizieren. Sofern die Bezahlkarte für die Kommunen verpflichtend eingeführt werden sollte, fordert der Rat der Stadt Aachen die Landesregierung dringend auf, in allen weiteren Beratungen über die Bezahlkarte die folgenden Grundsätze zu berücksichtigen: 

  • Die Bezahlkarte soll ausschließlich an Menschen mit Sozialleistungsanspruch ausgegeben werden, die über kein Bankkonto verfügen. Bei allen anderen Geflüchteten soll es bei der bisherigen Überweisung der Geldleistungen auf das Konto bleiben.
  • Die Bezahlkarte soll das Format von Visacard/Mastercard haben, um eine Stigmatisierung zu verhindern und muss in allen Geschäften nutzbar sein.
  • Überweisungen mindestens im Inland müssen möglich bleiben.
  • Es soll keine Begrenzung für Bargeldabhebungen geben.
  • Es sollen mehrere Bezahlkarten für eine Bedarfsgemeinschaft ausgegeben werden.
  • Die Nutzung der Bezahlkarte soll nicht auf bestimmte Regionen oder Branchen beschränkt sein, da Geflüchtete eine lebenswichtige Flexibilität beim Konsum benötigen.
  • Die Bezahlkarte soll dem Prinzip des Guthabenkontos folgen, um Verschuldung zu verhindern.
  • Die Kommunen sollen keine Kosten tragen.

 

Sollte die Bezahlkarte verpflichtend, aber mit einem inhaltlichen Gestaltungsspielraum für Kommunen eingeführt werden, wird die Verwaltung beauftragt, die o.g. Punkte nach Möglichkeit für Aachen umzusetzen.

Reduzieren

Abstimmungsergebnis:

Mehrheitlich, 15 Gegenstimmen

Reduzieren

Anlagen zur Vorlage

Online-Version dieser Seite: http://ratsinfo.aachen.de/public/to020?TOLFDNR=1001781&selfaction=print