22.08.2007 - 12 Überprüfung des Aachener Straßenverzeichnisses ...

Beschluss:
ungeändert beschlossen
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Beratung

 

Der Oberbürgermeister weist darauf hin, dass von den Gutachtern die Herren Dr. Rass, Quadflieg und Rohrkamp anwesend sind und für Fragen zur Verfügung stehen; die von der CDU-Fraktion eingereichten Fragen seien von den Gutachtern zwischenzeitlich schriftlich beantwortet worden.

 

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Ratsherr Einmahl, erklärt, dass es entgegen den Berichten in der Presse keinen Streit in der CDU-Fraktion, sondern eine sehr ernsthafte und engagierte Diskussion gegeben habe mit dem Ergebnis, dass die Abstimmung freigegeben wurde. Er geht ausführlich auf die Verwaltungsvorlage und das Gutachten ein und bestätigt, dass man im Falle von Diem von vorwerfbaren Äußerungen sprechen könne. Vorwerfbare Äußerungen von Schwerin seien dem Gutachten jedoch an keiner Stelle zu entnehmen, so dass man in diesem Falle prüfen müsse, ob vorwerfbare Handlungen vorliegen würden. Seiner Ansicht nach könne man jedoch nur von Unterlassung reden, über eine vorwerfbare Handlung, die eine Umbenennung der Straße rechtfertige, gebe es im Gutachten keinerlei Hinweise. Er macht deutlich, dass er jede andere Auffassung respektiere und anerkenne, gibt aber zu bedenken, dass man „ein Fass aufmache“ und dies noch zu vielen Diskussionen über Straßenumbenennungen führen könne. Für etwas anmaßend halte er es, den damaligen einstimmigen Ratsbeschluss zu ändern und ist deshalb auch dagegen, die Umbenennung durchzuführen.

 

Ratsherr März, SPD-Fraktion, berichtet aus den Sitzungen der Arbeitsgruppe zur Überprüfung des Aachener Straßenverzeichnisses und versichert, dass deren Mitglieder sich gewissenhaft, sorgfältig und akribisch mit dem Thema auseinandergesetzt hätten und sehr schnell zu einer Einigung in den Fällen Diem und Debye gekommen seien. Die Arbeitsgruppe empfehle gemäß Beschlussvorschlag der Verwaltung dem Rat der Stadt, die Diemstraße umzubenennen und bei der Debyestraße die niederländischen Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Zu keiner einstimmigen Empfehlung sei es bei der Graf-Schwerin-Straße gekommen; die SPD-Fraktion stimme jedoch hier dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zu und auch er als Bezirksvorsteher Aachen-Mitte stehe voll hinter dem Beschlussvorschlag. Er führt aus, dass Graf Schwerin nicht unbedingt eine vorwerfbare Handlung begangen habe, sich aber zweimal ungerechtfertigt als Retter Aachens ehren ließ, und geht ausführlich auf die Ereignisse des 12. und 13. September 1944 in Aachen ein. Ferner verweist er für die interessierte Öffentlichkeit auf einen Vortrag bei der Volkshochschule am 29. Oktober 2007, bei welchem Herr Dr. Rass das Gutachten ausführlich vorstellen werde.

 

Ratsherr Schabram, Grüne Fraktion, zeigt sich erfreut über die sachliche Atmosphäre und dankt der CDU-Fraktion für die Freigabe der Abstimmung. Auch die Grüne Fraktion habe die Abstimmung freigegeben. Er begrüßt die Tatsache, dass es im Falle Diemstraße und Debyestraße wohl zu einer einstimmigen Beschlussfassung kommen werde und geht auf die Gründe zur Umbenennung der Diemstraße ein. Ausführlich nimmt er Stellung zur Graf-Schwerin-Straße, legt dar, dass es nur einen Grund geben könne, eine Straße nach einem Wehrmachtsgeneral zu benennen, nämlich, dass dieser Widerstand geleistet habe. Seine Fraktion halte Graf Schwerin für den Mord an den beiden Jugendlichen für moralisch verantwortlich und es auch deswegen nicht für angemessen, den Straßennamen zu belassen. Die Grüne Fraktion stimme dem Beschlussvorschlag der Verwaltung in allen drei Punkten zu. Er dankt der Kommission, den Gutachtern und den Antragstellern aus der Bürgerschaft sowie den Autoren des Buches „Die Tragödie von Aachen“, ohne deren Einsatz das Thema sicher nicht aufgegriffen worden wäre.

 

Ratsherr Baal beschränkt sich bei seinen Ausführungen auf die Graf-Schwerin-Straße und führt aus, dass man nach Auswertung des Gutachtens und der Aussagen von Zeitzeugen zu dem Schluss kommen müsse, dass es keine Ehrungsgrundlage gebe. Auch er spricht die Erschießung der beiden Jungen an und die Tatsache, dass Graf Schwerin seit 1950 in allen Vernehmungen der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft den Sachverhalt geleugnet und verschleiert habe. Sein Verhalten sei nicht ehrenswert, er sei kein Vorbild gewesen und deswegen stimme er der Verwaltungsvorlage zu.

 

Ratsherr Helg teilt mit, dass die FDP-Fraktion der Verwaltungsvorlage in allen drei Punkten zustimmen werde und dankt allen Vorrednern für ihre sachlichen Ausführungen. Er geht auf die Arbeit der Kommission ein, legt dar, dass das Ergebnis des Gutachtens eindeutig besage, dass Graf Schwerin nicht der Retter von Aachen gewesen sei und schon alleine aus diesem Grund sei der Umbenennung zuzustimmen.

 

Ratsherr Müller hebt hervor, dass das Gutachten eine gute Entscheidungsgrundlage sei, begrüßt die gute Diskussion zu diesem Punkt und geht davon aus, dass nach heutigem Kenntnisstand eine Straßenbenennung nach einer Person wie Graf Schwerin nicht mehr erfolgen würde. Man mache mehr und mehr Fehlentscheidungen aus der Vergangenheit rückgängig und habe ja auch mit der Entscheidung für die ‚Wege gegen das Vergessen’ einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan.

 

Ratsherr Jahn kommt auf die Einwohnerfragestunde zurück, in der gefragt wurde, ob denn eine Umbenennung nach 60 Jahren noch sein müsse und ist stolz darauf, dass der Rat sich auch nach so langer Zeit noch mit dieser Frage beschäftige und die Geschichte aufarbeite und dankt ebenfalls für die sehr sachliche Diskussion.

 

Ratsfrau Dr. Schmeer weist darauf hin, dass man heute eine Straße nach Graf Schwerin nicht mehr benennen würde, das Gutachten allerdings festgestellt habe, dass es keine vorwerfbare Handlung gebe und stellt die Verhältnismäßigkeit der Reaktion der Stadt Aachen in Frage. Sie gibt zu bedenken, dass man mit einer Umbenennung die Person des Grafen Schwerin beschädige, er sozusagen entehrt werde und bittet darum, seinen Nachkommen zu erklären, dass es nicht um eine Entehrung der gesamten Existenz des Grafen Schwerin gehe, sondern um eine Klarstellung bestimmter Verhaltensweisen und teilt mit, dass sie sich in dieser Frage enthalten werde.

 

Der Oberbürgermeister erklärt, dass den Nachkommen das Gutachten zur Stellungnahme rechtzeitig und mit einer angemessenen Frist zur Verfügung gestellt wurde, diese aber bis heute nicht reagiert hätten.

 

Ratsherr Schnitzler dankt den Antragstellern und hält es für eine vernünftige Konsequenz, das Wissenschaftlerteam beauftragt zu haben, das sich bereits im Vorfeld mit dieser Thematik auseinandergesetzt habe. Er plädiert dafür, die Graf-Schwerin-Straße wieder umzubenennen in Kornelimünsterweg und regt an, die Diemstraße nach einem der beiden erschossenen Jungen zu benennen.

 

Ratsherr Schaffrath, ABL, entgegnet auf den Beitrag von Ratsfrau Dr. Schmeer, dass es hier nicht um die Beschädigung einer Person, sondern um die Richtigstellung einer Sachlage gehe und den Grafen Schwerin eine erhebliche moralische Schuld treffe.

 

Der Oberbürgermeister schlägt vor, zunächst den gesamten Komplex abstimmen zu lassen, indem der Name Graf Schwerin herausgenommen wird aus der Beschlussvorlage und dann eine Abstimmung über die Umbenennung der Graf-Schwerin-Straße erfolgen sollte.

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Beschluss:

1.         Der Rat der Stadt beschließt, die Diemstraße umzubenennen. Die Verwaltung wird beauftragt,

             die Umbenennung der Diemstraße einzuleiten.

 

Die Verwaltung wird weiterhin beauftragt, nach Abschluss der vorbereitenden Maßnahmen, unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung dieser Straßenumbenennung dem Rat der Stadt Aachen Beschlussvorschläge für die Umbenennung vorzulegen.

 

            Der Rat der Stadt nimmt die Empfehlung der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis, vor einer

            abschließenden Beurteilung zur Person Petrus Josephus Debye die Ergebnisse der in den

            Niederlanden laufenden Untersuchungen, insbesondere das ausstehende Gutachten des

            Nederlands Instituut voor Oorlogsdokumentatie (NIOD), abzuwarten, damit die Ergebnisse in

            eine Beurteilung einbezogen werden können.

 

            Der Rat der Stadt beauftragt die Arbeitsgruppe zur Überprüfung des städtischen

            Straßenverzeichnisses nach Personen, die während der Zeit der nationalsozialistischen

            Gewaltherrschaft im Sinne der Naziherrschaft gehandelt, das System durch ihr Handeln      

            unterstützt oder gefördert haben, sich sobald möglich mit den Ergebnissen aus den

            niederländischen Untersuchungen auseinanderzusetzen und eine Empfehlung zur Frage der

            Umbenennung der Debyestraße vorzulegen. 

 

-          Einstimmig beschlossen.

 

2.         Der Rat der Stadt beschließt, die Graf-Schwerin-Straße umzubenennen. Die Verwaltung wird

            beauftragt, die Umbenennung der Graf-Schwerin-Straße einzuleiten.

 

Die Verwaltung wird weiterhin beauftragt, nach Abschluss der vorbereitenden Maßnahmen, unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung dieser Straßenumbenennung dem Rat der Stadt Aachen Beschlussvorschläge für die Umbenennung vorzulegen.

 

- Bei drei Gegenstimmen und vier Enthaltungen mit breiter Mehrheit beschlossen.

 

 

 

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Anlagen zur Vorlage