14.06.2017 - 8 Altstadtquartier Büchelhier: Gemeinsamer Tages...

Beschluss:
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Beratung

Herr Oberbürgermeister Philipp weist darauf hin, dass zu diesem Punkt ein gemeinsamer Tagesordnungsantrag von CDU und SPD vorliege sowie als Tischvorlage dazu einen Beschlussentwurf von fast allen Fraktionen.

 

Ratsherr Baal, CDU, weist in Bezug auf die in der Fragestunde gestellte Frage zunächst darauf hin, dass Förderung der Prostitution ein Straftatbestand sei und keiner im Rat, egal welche Meinung er politisch zu diesem Thema Altstadtquartier Büchel vertritt, die Prostitution fördere. Dies weise er aufs Entschiedenste zurück. Er sei Vorsitzender des Planungsausschusses und rede deshalb hier nicht nur als Vorsitzender der CDU-Fraktion, sondern auch als Vorsitzender des Planungsausschusses über ein Planverfahren, das sich auf ein Gebiet beziehe, dass seit fast 20 Jahren in der Stadt Aachen in der Überlegung sei, Veränderungen zu erfahren. Und diese Veränderungen in dem Bereich Altstadtquartier Büchel empnden viele als notwendig, weil hier Stadtreparatur in besonderer Art und Weise notwendig ist. Der Ausgangspunkt sei vor fast 20 Jahren, Mitte der 90er Jahre, das Planverfahren, das zum Entwurf Forum Kaiserquelle geführt habe, gewesen. Man wisse, dass dieses Verfahren gescheitert sei. Dann sei zu einem späteren Zeitpunkt, Anfang der 2000er Jahre, ein erneuter Wettbewerb vorgenommen worden. Das Ergebnis, die sogenannte Trendbox, sei auch gescheitert. Das dritte Verfahren sei das das Vorhaben Bel Etage gewesen. Im Rahmen dieses Verfahrens sei planungstechnisch herausgearbeitet worden, dass eine Bebauung des Parkhaus-Grundstückes Büchel nur sinnvoll erfolgen könne, wenn man den dahinter liegenden Bereich Antoniusstraße in die Betrachtung mit einbezieht. Genau das habe, nachdem das Vorhaben Bel Etage auch gescheitert ist, das Vorhaben Altstadtquartiert Büchel gemacht. Es habe dazu einen Wettbewerb und eine Auslobung zu dem Wettbewerb gegeben. Vor allen Dingen aber sei es ein Bebauungsplanverfahren, das aus gutem Grund rechtlich normiert ist. Das Baugesetzbuch sehe vor, dass zunächst alle unterschiedlichen Interessen, alle sogenannten Träger öffentlicher Belange gehört werden müssen, um sich zu diesem Vorhaben zu äußern, damit alle Probleme, alle Störfaktoren, alle Entwicklungen in einem Verfahren beschrieben, abgewogen und nach Möglichkeit auch abgeholfen werden. Wenn man die Fragen nicht abschließend zufriedenstellend beantworten könne, werde ein B-Planverfahren auch zwangsweise nicht zu Baurecht führen können, weil es eben gesetzlich normiert ist. An dieses B-Planverfahren halte sich der Planungsausschuss, und der Planungsausschuss sei Herr des Verfahrens, nicht der Rat der Stadt Aachen. Deshalb habe man auch zwei Beschlussentwürfe vorgelegt, mit denen der Rat dem Planungsausschuss Empfehlungen gibt und sich nicht in die Sache einmischt. Man habe immer die Situation gehabt, dass in der Stadt Aachen Bebauungsplanverfahren nach bestem Wissen und Gewissen, nach den gesetzlichen Vorgaben, von der Verwaltung hervorragend und ordnungsgemäß vorbereitet, abgearbeitet worden sind. Dabei gebe es auch schon mal unterschiedliche Auffassungen. oder auch schon mal Streit. Am Ende steht aber ein mehrheitlicher Beschluss.

Man müsse zur Ehrenrettung der Kolleginnen und Kollegen in der Aachener Stadtverwaltung aber auch sagen, dass zum Thema Altstadtquartier Büchel bisher Arbeit auf einem besonders hohen Niveau abgeliefert worden ist. Dieses Quartier sei von besonderen Herausforderungen belegt, nicht nur mit der Herausforderung der Antoniusstraße und des Rotlichtviertels. Man mache sich die Entscheidung nicht einfach und ein ergebnisoffenes Verfahren sei ein ergebnisoffenes Verfahren. Deshalb sei es auch nicht überraschend sein, dass die CDU von den zwei Alternativen, die dem Rat zur Abstimmung vorliegen, die Alternative 1 bevorzugt.

Man empfehle allen Kolleginnen und Kollegen, das Planverfahren fortzusetzen, um im Verfahren ordnungsgemäß alle zu hören, auch die Polizei und den Polizeipräsidenten, auch mit unangenehmen Stellungnahmen, weil es hier darum gehe, in einem problematischen Bereich der Stadt Aachen eine dauerhafte Verbesserung für die Stadt und für die Menschen in Aachen zu erreichen.

Es sei allerdings auch eine zweite Alternative formuliert worden, um jedem vor der Abstimmung deutlich zu machen, welche Alternative sich darstelle, wenn man das Planverfahren nicht weiterführen will. Wenn man der Argumentation des Polizeipräsidenten folge, die er in zwei Pressekonferenzen sehr drängend in die Presse gebracht hat, dann sollte man dem Vorschlag 2 folgen und sagen, dass man einen Ersatzstandort für die Bordelle sucht. Dies habe dann nach Recht und Gesetz zu erfolgen. Man brauche einen Standort, den wir heute nicht haben. Ein Grundstückseigentümer habe schon letzte Woche in der Zeitung einen Standort in der Weststraße vorgeschlagen. Ob dies ein geeigneter Standort sei, könne er nicht beurteilen, aber zwischen Aldi und Lidl und Kaufland und direkt an der Wohnbevölkerung dran könnte das problematisch sein. Andere Grundstücke seien in den letzten 20 Jahren nicht benannt worden. Da ein Grundstück, wo man Bordellbetriebe hin verlagern könnte, immer ein Grundstück sein müsse, auf dem man auch ein Gewerbe betreiben darf, müssen man im Bereich des Gewerbebestandes suchen, der in Aachen aber fast bei null sei. Außerdem müsse man sich mit den Anwohnern verständigen und sicherstellen, dass so ein Grundstück erschlossen ist. Und dann müsse Baurecht geschaffen werden. Auch die Hinweise des Polizeipräsidenten müssten dabei berücksichtigt werden. So ein Grundstück dürfe nicht über eine einzelne Straße vom Ring aus erschlossen werden, sondern müsse mehrere Zuwege haben. Wenn man so ein Verfahren anstoße, müsse man dann auch berücksichtigen, dass die Frauen, die in einem solchen Bordell arbeiten, auch ein Recht darauf haben, menschenwürdig behandelt zu werden. Und wenn man das alles abgeschlossen habe, dazu einen Satzungsbeschluss im Rat erwirkt habe, einen Bauantrag stellt und das Gebäude in der Realisierung ist, könne man erst bei der Bezirksregierung beantragen, die Sperrgebietsverordnung zu ändern, um dann eine Verlagerung anzustreben. Dieses Verfahren dauere nach Einschätzung der Verwaltung mehrere Jahre. Die Vorwürfe, die gegen seine Kolleginnen und Kollegen und gegen ihn auf mehreren Pressekonferenzen erhoben worden sind, seien unzutreffend. Die Aussage, dass die Fraktionen, insbesondere die Fraktionsvorsitzenden nicht zum Gespräch bereit seien, sei nicht in Ordnung. Der Polizeipräsident und er hätten gestern sehr ausführlich telefoniert. Ratsfrau Brammertz, habe den Polizeipräsidenten drei Tage nach der Veröffentlichung seines Schreibens eingeladen, am Runden Tisch Prostitution teilzunehmen. Dieser Einladung sei er letzten Freitag auch gefolgt. Am Runden Tisch Prostitution wirken die Kolleginnen und Kollegen mit, die seit Jahren sich um die Betreuung dieses Themas kümmern. Das sei kein Thema, das öffentlichkeitswirksam ist. Gleichwohl sei es gelungen, über mehrere Jahre hinweg Vertrauen zwischen ganz unterschiedlichen Teilnehmern und ganz unterschiedlichen Beteiligten dieses Themas zu erreichen: Aids-Hilfe, Solwodi, Staatsanwaltschaft, Polizei, Stadtverwaltung und Politik. Er schätze den Polizeipräsidenten als Person sehr und finde, dass er, als hier in Aachen in der Sommerzeit das Thema der Raubüberfälle stark nach oben gekocht ist, mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in hervorragender Art und Weise dafür gesorgt habe, dass sehr schnell in Aachen wieder das Gefühl der Sicherheit Platz gegriffen hat. Auch wenn man in dem Punkt Büchel vielleicht unterschiedlicher Meinung sein könne, müsse man doch deutlich herausstreichen, dass die Aachener Polizei unseren vollsten Respekt habe. Viele, die nicht im Polizeidienst sind oder keinen Kontakt zum Polizeidienst haben, könnten wahrscheinlich gar nicht nachvollziehen, was es bedeute, Polizeidienst tagtäglich auf der Straße zu machen. Die Polizei habe im Staat und in Aachen eine ganz wichtige Rolle und genieße unseren vollen Respekt und unsere volle Unterstützung. Was man aber auch erwarte, ist, dass der Polizeipräsident akzeptiere, dass der Rat der Stadt Aachen die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Aachener Bürgerschaft sind und dass der Rat der Stadt Aachen respektiert werde. Wenn zwei Pressekonferenzen abgehalten würden, vor der ersten Ratssitzung nach der Briefzusendung, dann empfänden das viele Kollegen als respektlos. Man müsse wenigstens die Chance haben, über das Schreiben zu reden.

Die Ausführungen, dass die Polizei in das Verfahren nicht eingebunden wurde, seien nicht zutreffend. Die Daten in der Verwaltungsvorlage seien allgemein zugänglich und somit bekannt.

Er weist ferner darauf hin, dass das Thema Antoniusstraße nicht neu sei. So gebe es dann z.B. aus dem Jahr 2010 vom 7. Oktober ein Schreiben des Oberbürgermeisters an die Bezirksregierung in Köln, wo es um die Verordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstands im Bereich der Stadt Aachen geht, die sogenannte Sperrgebietsverordnung. In dem Schreiben führe der Oberbürgermeister aus, die Polizei habe nach eigener Aussage durchschnittlich ca. zehn Einsätze im Monat in der Antoniusstraße. Ca. 20 % dieser Einsätze erfolgten aufgrund von Gewalt zwischen Besuchern. Dies könne sich geändert haben. Auch die Bezirksregierung habe sich damals an den Polizeipräsidenten gewandt und um Stellungnahme zu diesem Schreiben gebeten. In diesem Schreiben habe das Polizeipräsidium Aachengeschrieben, dass die Antoniusstraße im Hinblick auf die Kriminalitätsbelastung nicht übermäßig belastet sei. Neben milieutypischen Straftaten sei das Gros der registrierten Straftaten den Körperverletzungsdelikten auf Straßen, Wegen und Plätzen und einigen Raubdelikten zuzurechnen. Zumeist spiele Alkohol eine Rolle. Überwiegend ereigneten sich diese Delikte zur nächtlichen Zeit im dortigen Straßenraum. Aufgrund der Einsehbarkeit der Antoniusstraße könnten die Delikte teilweise von der Nikolausstraße aus wahrgenommen werden. Aus Sicht der Polizei – jetzt komme die Bewertung – bestünden gegen die Ausweitung des Sperrbezirks von der Nikolausstraße aus bis ca. mittig der Antoniusstraße keine Bedenken.

Er könne nicht abschätzen, ob die Situation 2017 identisch mit der Situation 2011 ist. Aber es sei zulässig, wenn die Aachener Stadtverwaltung sage, als Startpunkt eines ergebnisoffenen Verfahrens sei es zulässig, eine Variante zu wählen, die bereits von der Polizei in 2011 als akzeptabel registriert worden ist. Im weiteren Verfahren hätten Mitglieder der Polizei zu verschiedenen Situationen Stellung genommen, was auch zu Veränderung von Planungen geführt habe. Die Polizei sei eingebunden gewesen. Deren jetzige Stellungnahme werde im weiteren Verfahren Berücksichtigung finden. Die CDU spreche sich dafür aus, dass dieses Verfahren fortgeführt und nicht die Situation im Altstadtquartier Büchel auf die nächsten zehn Jahre hinaus fixiert wird. Gerne könne dies zusammen mit der Polizei respektvoll geschehen. Vielleicht spreche man beim nächsten Mal aber nicht über die Presse, sondern direkt miteinander.

 

Ratsherr Helg, FDP, dankt zunächst dem Polizeipräsidenten Dirk Weinspach für seinen Mut und sein Engagement, durch sein Schreiben an den Oberbürgermeister vom 22. Mai, aus polizeifachlicher Sicht die Ausweitung des Sperrbezirks und damit auch die Verkleinerung des Rotlichtbezirks in der Antoniusstraße bewertet zu haben.

Seit vielen Jahren befassten sich Politiker und Experten mit dem Thema Rotlicht am Büchel. Schon in den frühen 60er Jahren sei in Aachen darüber diskutiert und gestritten worden, ob Bordellbetriebe wirklich mitten im Herzen der historischen Altstadt in unmittelbarer Nähe zu Dom, Rathaus, Wohnbebauung, Gastronomie und Einzelhandel ihre Geschäfte betreiben sollen. Eine solche Gelegenheit wie jetzt im Jahre 2017 habe es aber in den letzten Jahrzehnten noch nie gegeben, um eine signifikante Verbesserung der Situation zu erreichen, wenn auch erst in einigen Jahren.

Ein engagierter Aachener Bürger und Einzelhändler habe in der letzten Woche dem Oberbürgermeister, der Aachener Politik, der Verwaltung, dem Zeitungsverlag, den Siegern des Städtebauwettbewerbs von 2015, auch der Polizei und den beiden Investoren geschrieben, dass es noch Jahre lang dauern werde, bis es ein neues Büchel-Viertel gibt.

Bisher gebe es nur Ideen, aber keine konkreten Entwürfe, geschweige denn Anträge oder Genehmigungen. Man stehe erst am Anfang einer ergebnisoffenen Programmberatung in der Bauleitplanung. Wie der Geschäftsführer eines in der unmittelbaren Nachbarschaft beheimateten Aachener Einzelhandelsbetriebes mit 200jähriger Tradition sage, mache es Arbeit, einen neuen Standort zu beschließen und es verzögere um Wochen oder Monate, vielleicht auch um Jahre.

Die Freien Demokraten meinten, dass dies für die Stadt zu verantworten sei, denn ein „Weiter so entfalte Auswirkungen für Jahrzehnte für alle: Menschenhandel, Vergewaltigungen, organisierte Kriminalität, Einbrüche, Schlägereien, Belästigungen, Unruhe und Lärm durch alkoholisierte oder unzufriedene Freier, anstößiges Verhalten von Besuchern der Bordellbetriebe, Revierstreitigkeiten, Drogenhandel, Urinieren im öffentlichen Raum und all das in unmittelbarer räumlicher Nähe nicht nur zum Weltkulturerbe, sondern auch zu den neuen Wohnungen, Straßen und Plätzen und einer Kita, die in nur wenigen Wochen und Monaten zunächst aus der Planung herausgenommen und dann wieder aufgenommen wurde. Seine Fraktion sei der Auffassung, dass dies nicht funktionieren werde und werde daher der Beschlussfassung der Alternative 2 zustimmen. Es müsse nun endlich ernsthaft eine Auslagerung des Rotlichtviertels geprüft werden. Die möglichen Grundstücke für die Auslagerung gen seit Jahren in den Schubladen der Verwaltung, ohne jemals ernsthaft geprüft worden zu sein. Er appelliere daher an die Vernunft der Mehrheit der Ratsmitglieder, fachlichen Argumenten und insbesondere auch denen des Polizeipräsidenten zugänglich zu sein und ihre Meinung zum Wohle der Bürger unserer Stadt zu ändern.

 

Ratsherr Schnitzler, UWG, führt aus, dass bei dieser Entscheidung verschiedene Interessenlagen zu berücksichtigen seien: Das Interesse des Stadtrats, sich um die Stadtentwicklung zu kümmern in für die Stadt optimale Weise, die Interessen derer, die Geld verdienen in der Antoniusstraße und die Interessen der Investoren. In diese Interessenlagen habe sich die Polizei nun kürzlich eingeschaltet, um dort für Ordnung und Recht zu sorgen. Die Kompetenz der Polizei brauche man nicht anzuzweifeln.  Das Hauptproblem seien die Betreiber eines solchen Etablissements. Auf keinen Fall dürfe ein Bordellhaus mit einer qm-Fläche entstehen in einer Summe, die die bisherige Fläche überschreitet.

Er plädiere dafür, zu versuchen, einen Betreiber zu finden, der möglicherweise aus einem kompetenten Verein, wie Solwodi es darstellt, bestehen könnte, die dort ein völlig neues Modell möglicherweise eines Laufhauses betreiben könnten. Wenn Solwodi es nicht dürfe, könne man aber aus den NGOs, die in Aachen arbeiten, eventuell Betreiber finden. Er werde schweren Herzens auch für die Alternative 1 plädieren, weil die Verlagerung vermutlich noch mehr illegale Prostitution erzeuge mit noch mehr Elend für die betroffenen Frauen.

 

Ratsfrau Begolli, Die Linke, äußert, dass der Verlauf der Diskussion gerade auch in der Öffentlichkeit sehr zu bedauern sei, weil sowohl Politik als auch alle in diesen Themenbereich eingebundenen Fachbereiche über viele Jahre wirklich interfraktionell zusammenarbeiten, um möglichst gute Lösungen zu finden. Der Arbeitskreis Prostitution sei ein Arbeitskreis, der sich seit 2009 mit dieser Thematik beschäftige und in dem von jeder Fraktion eine Frau Mitglied sei. Es sei schwierig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, weil sich zwar alle eine Welt und eine Gesellschaft ohne Prostitution wünschten, dies aber leider Utopie sei. Aus diesem Grund komm es darauf an, die verschiedenen Interessen zusammenzubringen. Zu den planungsrechtlichen Aspekten wolle sie sich jetzt hier nicht äußern, weil der Vorsitzende des Planungsausschusses schon dargelegt habe, welche Konsequenzen von welchen Entscheidungen ausgelöst würden. Gerne wolle sie sich aber zum sozialpolitischen Aspekt äußern. Ihr liege ein Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grüne und Linke aus dem Jahr 2012 vor, also lange bevor jetzt das Bebauungsplanverfahren mit dem Wettbewerb am Büchel in die Gänge gekommen ist. Mit diesem Antrag sei ein Handlungskonzept Prostitution beschlossen worden, weil der sozialpolitische Aspekt rund um die Antoniusstraße schon immer eine Rolle gespielt habe. Sie sei dem Herrn aus der Fragestunde sehr dankbar, der eben noch mal daran erinnert habe, welches Versprechen die Ratsleute bei der Amtseinführung gegeben haben. Man sei allen Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt verpflichtet und das schließe die Mitarbeiterinnen oder die Sexarbeiterinnen in der Antoniusstraße mit ein. Aus diesem Grund habe der Rat damals u.a. beschlossen, dass in regelmäßigen vertrauensvollen Kontakten zwischen Ordnungsbehörden, Bordellbetreibern, Polizei, Beratungsinstitutionen Probleme diskutiert werden sollen und größtmögliche Transparenz hergestellt werden soll. Das sei geschehen. Der Runde Tisch Prostitution habe sich mit allen Verwaltungs- und Behördenfachabteilungen und der Politik in regelmäßigen Abständen getroffen. Damals sei festgelegt worden, dass die Antoniusstraße als Bordellstraße erhalten bleiben soll und aus sozial- und planungspolitischer Sicht Möglichkeiten für eine evtl. Einkürzung und eine Aufwertung der Straße durch den Neubau eines sogenannten Laufhaues zu prüfen seien.

In der Antoniusstraße finde dokumentiert seit über 600 Jahren Prostitution statt. Die Interessen der Frauen und die Arbeits- und Lebenssituation der Frauen müssten bei allen anderen Aspekten eine Rolle spielen. Dies habe sie in der öffentlichen Diskussion bisher vermisst.

Bei der interfraktionellen Zusammenarbeit seien Meinungsunterschiede immer ausdiskutiert, auch mit der Polizei und den Ordnungsbehörden, und deswegen sei die öffentliche Diskussion jetzt im Grunde genommen sehr enttäuschend und ärgerlich.

 

Ratsherr Rau, Grüne, äußert an Herrn Weinspach gerichtet, dass ein so schwieriges Thema, mit dem man hier zu tun habe, nicht geeignet sei, in der Presse ausgetragen zu werden, sondern dies müsse man miteinander machen. Er finde auch nicht, dass die Politik hier eine Holschuld habe. Wenn die Polizei an der Stelle etwas zu sagen habe, sei das gut. Er könne für die Grüne-Fraktion sagen, dass man schon im Februar mit Herr Weinspach darüber gesprochen habe und auch in der letzten und vorletzten Woche mehrmals zumindest elektronisch mit ihm darüber gesprochen habe. Es irritiere schon sehr, wenn jetzt der Presse gesagt werde, dass man nicht mit ihm rede. Seine Fraktion habe Herrn Weinspach als einen sehr schätzenswerten, umsichtigen Menschen kennengelernt, der gerade im Konflikt um die Braunkohle sehr gut agiert habe. Aber die Art und Weise der Auseinandersetzung über dieses Thema und wie man gemeinsam das vielleicht umsetzen kann, muss anders werden.

Ein so schwieriges Thema in der Planung, wie Prostitution zu verlagern bzw. entsprechende Sperrbezirke zu verändern, gelinge eigentlich in einer Stadt nur, wenn der Rat mit der Verwaltung, der Polizei und der Staatsanwaltschaft und letztendlich dann auch der Bürgerschaft an einem Strang zieht. Er kenne durchaus die Sichtweise der Sicherheitsbehörden. Aber der Rat müsse doch abwägen. Die Stadtplanung müsse auch die Brüche, die in der Stadt vorlägen, ob im Ostviertel, ob bei der Drogensituation am Kaiserplatz sehen. Man müsse aber auch klar machen, dass diese nicht einfach so auf der grünen Wiese outgesourct werden können.

Seine Fraktion wisse natürlich, dass die heutige Situation in der Mefferdatisstraße oder auch in der Nikolausstraße für die Anwohner nicht gerade prickelnd ist. Und dazu brauche man die Polizei, das Ordnungsamt und das Bauordnungsamt. Die Bauordnung sage, das dort Zustände seine, die bauordnungsrechtlich gar nicht haltbar seien. Das Ordnungsamt sage, dass dort an bestimmten Stellen Prostitution sei, wo sie eigentlich gar nicht sein dürfe. Dann müsse man aber auch die Frage stellen, ob die Behörden auch immer alles getan haben, um wirklich zu verhindern, dass es heute eine schwierige Lage geworden ist. Er meine, dass möglicherweise in der Einschätzung der Polizei zwischen 2010/2011 zu heute sich die Situation in der Sichtweise evtl. etwas verändert habe. Prostitution habe sich auch verändert. Es sei kein Geheimnis, dass heute Prostitution an vielen Stellen in Privatwohnungen stattfinde, verteilt über die ganze Stadt. Nur ein kleiner Teil sei in dieser Straße. Man dürfe nicht so tun, als wenn wir mit dieser Entscheidung jetzt im Grunde genommen für 500 Jahre alles festschreiben an dieser Stelle. Stadtplanung und Stadt lebten davon, dass sie sich permanent verändern. Und das sei auch gut so. Heute diskutiere man die Grundlagen für einen Bebauungsplan, der dafür sorgen solle, dass die Situation sich verbessert. Und wer behaupte, dass die Situation sich dort verbessere indem man ein anderes Grundstück sucht, der habe keine Ahnung davon, welche langen Wege eigentlich eine Stadt gehen muss, um ein solches Problem zu lösen. Zu glauben, die Stadt Aachen wäre liegenschaftlich in der Lage, diese enormen Probleme einfach so zu lösen, wäre völlig naiv.

Es sei ein offener Bebauungsplan, trotzdem habe der Rat ja die Meinung, dass ein Teil der Prostitution da gehalten werden soll. Deswegen man auch die Verwaltung beauftragt, die Sperrbezirkssatzung zu verändern. Der eine oder andere Hinweis der Polizei werde sicher noch dazu führen, dass sich evtl. Veränderungen ergeben. Dieses Thema lasse sich aber grundsätzlich nur in der Bürgerschaft, in der Politik zusammen lösen.

 

Ratsherr Mohr, Allianz für Aachen, meldet sich zur Geschäftsordnung und stellt einen Antrag auf Unterbrechung der Sitzung zwischen Aussprache und Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt, damit der Herr Polizeipräsident die Möglichkeit bekomme, zumindest im informellen Rahmen etwas zu erwidern.

 

Herr Oberbürgermeister Philipp lässt über diesen Geschäftsordnungsantrag abstimmen. Der Antrag des Ratsherrn Mohr erhält 3 Ja-Stimmen und wird damit durch den Rat der Stadt mehrheitlich abgelehnt.

 

Ratsherr Servos, SPD, bedankt sich beim Polizeipräsidenten und bei der Polizei für das Engagement, mit dem städtebauliche Diskussion begleitet wird. Grundsätzlich sei es gut, dass die Polizei sich in die Debatte einbringt. Die Form könne aber verbessert werden. Dieses Thema werde schon seit den 80er Jahren diskutiert und es wäre sehr überraschend, wenn in den letzten Wochen auf einmal ein ganz neuer Aspekt aufgetaucht wäre, der vorher noch nicht beraten wurde. Aus der langen Dauer dieser Diskussion stelle sich nun aber die Frage, warum man denn in den letzten acht Jahren der intensiven Suche kein Grundstück gefunden habe. Dies ließe nur den Schluss zu, dass es kein solches gebe.

Die Anregungen, die jetzt wieder im Raum liegen, seien außerhalb des formalen Verfahrens vorgebracht worden und würden auch außerhalb des formalen Verfahrens gewichtet werden. Das Schreiben aus dem Januar 2011, habe den Rat in den Glauben versetzen müssen, dass mit dieser Einkürzung keine gravierenden polizeitaktischen Probleme aufgeworfen würden. Es habe in diesem Verfahren  auch Gespräche mit vielen anderen Gruppen gegeben, mit der Aidshilfe, mit Solwodi, mit dem Bistum, mit der Staatsanwaltschaft, und auch im Juni und November 2015 schon öffentliche Bürgeranhörungen, sodass all diese Eingaben gewichtet auf dem Tisch gen und in das Planungsverfahren mit einbezogen werden können. Und es habe eigentlich auch einen engen Gesprächsfaden zwischen Herrn Weinspach und der SPD-Fraktion gegeben, der diesmal nicht getragen habe. Man habe sich aber bereits darauf vereinbart, dass das in Zukunft besser funktionieren werde.

Die Frage sei, wem es jetzt helfe, wenn verfahrenstechnische Gründe vorgebracht würden. Dies habe keinen Mehrwert. Man müsse jetzt an dem ergebnisoffenen Verfahren festhalten. Dies sei auch der Beschluss, den die SPD-Fraktion heute fassen wolle.

Polizeitaktisch sei der Polizeipräsident definitiv die höchste Instanz in dieser Stadt, so wie Solwodi oder das Bistum oder die Aidshilfe die Interessen der Prostituierten mit einbringe, wie die Anwohner und die Investoren ihre jeweiligen Interessen mit einbrächten. Diese Gewichtung  müsse im ergebnisoffenen Planverfahren stattfinden. Alles andere würde das Verfahren nicht nur massiv beschädigen und langfristig verzögern, sondern den Status Quo für 10, 15, 20 Jahre zementieren, und die erreichbaren Verbesserungen damit verdrängen.

Auf drei inhaltliche Punkte des Schreibens des Polizeipräsidenten wolle er noch eingehen, ohne die Gesamtgewichtung und Abwägung vorwegzunehmen. Die Sackgassensituation habe man jetzt schon. An beiden Seiten der Antoniusstraße seien Poller in Rücksprache mit der Polizei aufgestellt worden. Die Frage der Durchfahrbarkeit solle im Konzept gewährleistet werde. Das Thema Wendemöglichkeit solle genauso gewährleistet sein.

Aber jetzt zu sagen, dass man aus diesem organisierten ergebnisoffenen Verfahren aussteige, wäre vollkommen falsch, und am Ende würden, wegen einer einzelnen öffentlich lautstark geäußerten Eingabe, all die anderen, die über den Arbeitskreis Prostitution und über viele andere Kontakte eingegangen sind, vollkommen ignoriert werden. An dieser Stelle müsse man in dieses Planungsverfahren ergebnisoffen und fair reingehen, und das habe überhaupt nichts mit Überheblichkeit oder hohem Ross zu tun. Dies sei einfach die Basis, die Fairness, die man im Rat brauche, gegenüber allen Investoren, die hier investieren wollen.

 

Herr Oberbürgermeister Philipp äußert, dass er sich ebenfalls nicht anmaße, über die polizeilichen Aspekte zu urteilen. Er denke nur, dass eine so dezidiert vorgetragene Position Anlass sein sollte, intensiv miteinander zu reden. Und deshalb verstehe er das heute als Beginn des Dialogs, der nicht belastet sein sollte mit den gegenseitigen Vorwürfen, wer wann an welcher Stelle sich falsch verhalten habe, sondern mit dem Willen, tatsächlich in der Tiefe miteinander zu reden. Seine Erfahrung der letzten Jahre sei, dass manche Investitionen im Bereich Büchel selber oder auch im Umfeld unter anderem daran gescheitert seien, dass das Rotlichtviertel genau dort ist, wo es ist. Und er glaube, dass dies zu denken geben sollte.

Er sei dankbar dafür, dass nun zwei Alternativen als Beschlussvorschlag vorgelegt wurden. Nun könne man sagen, Alternativ 1 genüge ja, weil das Verfahren ja tatsächlich formal offen sei. Faktisch sei es aber eine Zwickmühle. Wenn man sage, Alternative 2 wolle man nicht, sondern Alternative 1, dann beschäftige man sich mit den Alternativen, bewusst nicht, und dann habe man im Verfahren einen Grund, mangels Alternativen alles so zu belassen wie es ist. Dies wolle er aber nicht. Er sei vielmehr der Meinung, dass man Alternativen habe und dass man gemeinsam nicht nur über die polizeiliche Sicht, sondern auch über diese Alternativen reden sollte.

Man habe sich gemeinsam als Rat mit dem Innenstadtkonzept auf die Reise gemacht, den östlichen Innenstadtbereich, den Bereich Büchel und den Bereich Bushof, und zwar nicht nur die Antoniusstraße alleine, sondern das gesamte Umfeld, da habe man auch die Kleinkölnstraße und Großkölnstraße, den Dahmengraben und den ganzen Bereich Bushof drin, qualitativ weiterzubringen und auch eine Geschwindigkeit und eine Dynamik da hineinzubringen. Er habe den Eindruck, dass man dies selber konterkariere, indem an etwas festgehalten werde, was sich inzwischen als wichtiges Hemmnis herausgestellt habe. Und deshalb glaube er, dass jetzt tatsächlich eine neue Situation und eine große Chance da seien.

Zur Frage, welche Grundstücke überhaupt verfügbar seien und ob es überhaupt Verschiebungsmöglichkeiten und eine Gesprächsbasis mit den dort handelnde Akteure gebe, habe man heute eine ganz andere Situation als noch vor drei, vier, fünf Jahren. Und deshalb appelliere er an alle, mit einem intensiven Dialog über die Fragen, die jetzt anstehen, alle zu beteiligen, offen und intensiv zu reden, um in diesem Thema wirklich in die Tiefe zu kommen. Diese Chance sollte in den nächsten Wochen genutzt werden, um in diesem Verfahren weiterzukommen. Er sei gerne bereit, viel Arbeit hier reinzustecken und freue sich über einen wirklich spannenden kommunalpolitischen Dialog. Man müsse die Dinge, die auf den Nägeln brennen, dann auch wirklich in der Tiefe bearbeiten. Dieses Miteinanderreden sei ihm wichtig. Aber über Alternativen und die Frage, wo könnte es sein, müsse man auch offen diskutieren. Anders gehe es gar nicht. Ideen dazu gebe es. Und deshalb werde er für Alternative 2 stimmen.

 

Ratsfrau Seufert, Grüne, betont, dass sie großes Verständnis für die Polizei habe, die natürlich aus ihrer Perspektive die größtmögliche Sicherheit der Bevölkerung im Blick haben müsse. Diese Einwände müssten ernst genommen und auch im Rahmen der weiteren Planung berücksichtigt werden. Trotzdem sei es falsch, die Prostitution aus der Innenstadt zu verbannen. Sie wolle insbesondere die Perspektive der Frauen, die dort arbeiten, zu bedenken geben. Man müsse sich einmal vorstellen, was es für diese Frauen bedeute, die es eh schon schwer genug hätten, auch noch weit außerhalb der Stadt dieser Tätigkeit nachgehen zu müssen, ohne jegliche soziale und mobile Anbindung und auch ohne jegliche soziale Kontrolle. Letztendlich sei es doch eine moralische Frage, ob Prostitution zu unserer Gesellschaft dazugehört. Das Bistum Aachen habe sich im Arbeitskreis Prostitution klar und eindeutig positioniert, dass Prostitution zu unserer Gesellschaft gehöre. Dann dürfe man aber auch die Augen nicht davor verschließen und sie in irgendwelche Randbezirke drängen, wo es keiner sieht, so nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“. Zwielichtige Gestalten, Kriminalität, Schlägereien und Lärm durch alkoholisierte Personen, gebe es auch in der Pontstraße. Die Gesellschaft müsse sich diesen Problemen und Herausforderungen stellen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Dabei solle insbesondere mit aller Entschlossenheit gegen das Problem des Menschenhandels vorgegangen werden. Mit der Eröffnung der Beratungsstelle Solwodi sei eine Möglichkeit geschaffen worden, einen besonders niedrigschwelligen Zugang zu diesen Frauen zu finden und durch erste Kontakte langsam Vertrauen aufzubauen. Eine Verlagerung des Standortes würde diese Arbeit nur erschweren. Deswegen sei sie dankbar dafür, dass die Mehrheit im Rat heute noch mal ein Zeichen dafür setze, dass man nicht weg-, sondern hinschaue, und dass das Bordell im Herzen unserer Stadt bleiben solle. Dafür bitte sie um Verständnis von der FDP, vom Oberbürgermeister und von der Polizei.

 

Ratsfrau Moselage, FDP, äußert, dass es nicht richtig sei, die Pontstraße mit der Antoniusstraße zu vergleichen, weil dort zumindest offenkundig kein Menschenhandel stattfinde. Sie wolle dem Eindruck entgegenwirken, dass nur bei Zustimmung zu Alternative 1 des Beschlussvorschlages das Verfahren zügig weiter voran gehe und bei Zustimmung zu Alternative 2 ein langer Stillstand drohe. Beides sei so nicht richtig. Der Planungsausschuss habe in seiner Sitzung vom 18. Mai die zwischenzeitlich vorgenommenen Änderungen des Siegerentwurfes gebilligt und die Durchführung der Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden beschlossen. Dieser Beschluss sei wieder mal ohne vorherige Anhörung der Bezirksvertretung Aachen-Mitte gefasst worden, die hierüber erst in der nächsten Sitzung am 21. Juni beschließen soll. Bleibe es dem Beschluss des Planungsausschusses, beginne damit das gesetzlich vorgesehene Anhörungsverfahren, und in diesem Verfahren seien außer den Bürgern auch die beteiligten Behörden zu hören. Hierzu gehöre auch der Polizeipräsident, der schwerste Sicherheitsbedenken angemeldet hat, wenn der Rotlichtbezirk in dem Areal bleibt.

Die FDP-Fraktion habe sich sehr dafür eingesetzt, kurz- und mittelfristig alle Verbesserungen für die Frauen in der Antoniusstraße mitzutragen. Auch die Argumente des Arbeitskreises Prostitution und der Sozialpolitik haben man natürlich abgewägt und weder die Ernsthaftigkeit noch die Ehrlichkeit der Beteiligten sei anzuzweifeln. Die FDP habe aber auch eine Gesamtabwägung vorgenommen, und in der Gesamtbetrachtung habe man eben Bedenken, dass dies die einzige und optimale Lösung sei. Deshalb habe man stets für eine Verlagerung des Rotlichtviertels aus der direkten Innenstadt plädiert. Die Meinung der FDP werde von den anderen Fraktionen im Rat nicht geteilt, viele andere stimmten ihrer Fraktion aber zu. Es sei ein offenes Geheimnis, dass man auch ein Stück weit auf die Investoren angewiesen sei, die dieses Quartier ja bebauen sollen und auch die ansässigen Geschäftsleute mit einbeziehen müssen, deren Meinung ja sei, dass das Rotlichtviertel auch umgesetzt werden solle.

Sehr betrüblich sei aber, wie lange dieser Prozess schon gehe und dass man von Anfang an keine Bereitschaft gezeigt habe, über einen Alternativstandort ernsthaft nachzudenken und einen solchen zu suchen. Den hierfür notwendigen Abwägungsprozess habe nicht gegeben. Dies sei nicht mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Abwägungsprozess zu vereinbaren und stelle ein Abwägungsdefizit dar, das in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren evtl. zur Aufhebung des Bebauungsplans führen könne. Die Vorlage vom 12. Mai sollte ernst genommen werden, denn die Verwaltung betone darin, dass das Verfahren ergebnisoffen sein müsse Und das bedeute, dass nach Abwägung der im Verfahren geäußerten Bedenken auch eine Planungsvariante möglich sein müsse, deren Bestandteil die Verlagerung des Rotlichtbezirks ist.

Die Intervention des Polizeipräsidenten zum jetzigen Zeitpunkt sei wichtig und auch notwendig gewesen, die von ihm vorgetragenen Sicherheitsbedenken so massiv, dass es geboten sei, die Planung bereits vor Offenlegung nochmals zu überarbeiten. Die Behauptung, dass durch eine solche Änderung das Verfahren länger dauere als bei einem Festhalten an der bisherigen Planung, könne nicht ernsthaft zeitlich quantifiziert werden und sei spekulativ

Die kürzere Verfahrensdauer solle ja dadurch auch ermöglicht werden, dass das Bordell nicht aufgrund eines Bebauungsplanes, sondern gemäß § 34 BauGB genehmigt werden soll. Am 18. Mai sei im Planungsausschuss noch eine weitere Vorlage zum Qualitätssicherungsverfahren beraten worden. In dieser Vorlage räume die Verwaltung ein, dass noch kein Entwurf für das Bordell vorliege. Erst auf der Grundlage eines solchen Entwurfs könne aber geprüft werden, ob das Bauvorhaben auf Grundlage von § 34 genehmigungsfähig ist. Sie fürchte, dass das nicht der Fall sein werde, da das neue Bordell als das einziges seiner Art sich dann aufgrund der Nutzung nicht in die Umgebung einfügen könne. Aufgrund der bereits angekündigten juristischen Schritte eines Nachbarn könne sich das Genehmigungsverfahren auch hinziehen. Eine weitere offene Frage mit erheblichem Verzögerungspotenzial sei auch, ob man Einigung mit den Investoren erzielen kann.

Sie sei der Auffassung, dass die Planung für das Altstadtquartier Büchel und das neue Bordell am Stadtrand durchaus parallel laufen könnte. Bei der Auslagerung oder Verlagerung des Rotlichtbezirks sind nach Aussage der Verwaltung die Auswirkungen für den Planbereich gering. Die Anpassung der schriftlichen Festsetzung erfordere nur Änderungen, die problemlos eingearbeitet werden könnten. Man sei jetzt an einem Punkt, wo sich vielleicht alle noch mal zurücknehmen sollten. Bei Annahme der Alternative 1 gerate das ganze Projekt in Gefahr. Das Parkhaus werde uns noch ein bisschen länger erhalten bleiben, und es bleibe nur die Hoffnung, dass der Bereich nicht noch weiter herunterkommt.

 

Ratsherr Palm, Allianz für Aachen, äußert, dass ihn die Überheblichkeit des Herrn Baal im Umgang mit dem Aachener Polizeipräsidenten befremde. Er wolle feststellen, dass Herr Baal nicht für alle Ratsmitglieder sprechen könne. Die Ratsgruppe stelle mit Besorgnis fest, dass die vorgebrachten Argumente der Aachener Polizeiführung mehrheitlich kein Gehör finden sollen. Konkret begründete Sicherheitsbedenken stünden hinten an. Es gehe hier um die Sicherheit der Aachener Bürger und ebenso der Polizeibeamten. Die Herren Baal und Plum betrieben Scheuklappenpolitik und ignorierten, dass möglicherweise Revierkämpfe im Herzen der Stadt ausgetragen und die Polizei nicht in geeigneter Weise einschreiten könne. Wenn aufgrund einer Fehlplanung polizeitaktische Maßnahmen mit schnellen Eingreifmaßnahmen nur unzureichend oder gar nicht mehr möglich seien, ohne das Leben der Beamten zu gefährden, dann gehöre eine solche Planung in den Mülleimer. Das Gleiche gelte auch für die Rettungskräfte, die bekanntlich immer öfter zur Zielscheibe renitenter Krimineller würden. Nur schnelle Fluchtwege, schnelle Rückzugsmöglichkeiten könnten deren Leben letztendlich retten. Aber all das solle dem festgezurrten Planverfahren Variante 1 untergeordnet werden und de facto keine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang sei die veröffentlichte Stellungnahme des SPD-Politikers Plum eine Ohrfeige ins Gesicht der Polizeibeamten und auch der betroffenen Aachener Bürger. Die Allianz für Aachen werde in Verantwortung für die Aachener Bürger, Polizisten und Rettungskräfte beide Vorlagen ablehnen. Alle Szenarien müssten neu, noch einmal ergebnisoffen unter Einbeziehung der Sicherheitsbelange diskutiert werden.

 

Ratsherr Schnitzler, UWG, geht davon aus, dass bei Beschluss der Alternative 1 ein städtebaulicher Vertrag als mögliche Alternative zu einer Betriebsführung, die gemeinnützig orientiert, nicht ausgeschlossen wird. Zu den angesprochenen Mietzahlungen sei von der damaligen Baudezernentin vor längerer Zeit im Planungsausschuss erläutert worden, dass die Einnahmen dermaßen hoch seien, dass sie mit einer anderen Nutzungsart nicht zu erzielen seien. Mietzahlungen würden daher kein Problembereich sein. Das würde auch einem möglicherweise sozial orientiertem Trägerverein zugutekommen, die ja keine Gewinne machen dürfen, und diese Gewinne zu Nutzen der Frauen dort in ein solches Gebäude investieren könnten.

 

Ratsherr Blum, FDP, betont, dass die FDP dem Polizeipräsidenten in vollumfänglicher Form zustimme. Es gehe hier ganz eindeutig um die Zukunft der Stadt Aachen. Es seien sich doch alle einig, dass es dringend notwendig ist, den Altstadtbereich auch gegenüber der Adalbertstraße aufzuwerten und zu verbessern. Der jetzt vorliegende Entwurf biete die besten Voraussetzungen dafür, aber nur, wenn der derzeitige Bordellbetrieb eben nicht an dieser Stelle stattfinde. Im Umfeld dieses Gewerbes gebe es immer ein günstiges Klima für Kriminalität jeglicher Art. Niemand glaube, dass sich in unmittelbarer Nähe eines großen Bordells ein soziales Umfeld mit kleinteiligen Läden, Boutiquen, Restaurants, Bistros, günstigem Wohnklima und gar noch einer angrenzenden Kindertagesstätte entwickeln könne. Dieses Gewerbe sei knallhart, Menschlichkeit dabei ein Fremdwort. Deshalb sei es dringend notwendig, dass die Aufsichtsbehörden, in erster Linie die Polizei, hier ständig die Kontrolle behalten müssten. Das könne aber am bisherigen Ort, auch in veränderter Form, wenn es neu geplant werde, in diesem Maße so nicht stattfinden. Diese Kontrolle diene auch dem Schutz der dort arbeitenden Frauen. Es müsse gewährleistet sein, dass die Frauen ordnungsgemäß gemeldet sind, dass sie sozialversichert sind, gesundheitlich überprüft und auch ihre Steuern zahlen. Aber es müsse auch gewährleistet sein, dass sie nicht von Freiern bedroht oder verletzt werden. Auch solle weitgehend sichergestellt werden, dass ihr Verdienst nicht von anderen abkassiert wird und sie auf diese Art und Weise ausgeplündert werden. Das alles könne nur passieren an einem nach neuesten Gesichtspunkten errichteten Modellbetrieb im Stadtrandbezirk.

Zu den in der Vorlage erwähnten zeitlichen Verzögerungen durch die Suche nach einem geeigneten Standort müsse man sagen, dass schon lange über die Umgestaltung dieses Bereichs, insbesondere des Parkhauses Büchel, gesprochen werde, da komme es wirklich nicht mehr auf vier oder fünf Jahre mehr oder weniger an. Schließlich gehe es hier darum, etwas zu gestalten, das Geltung für die nächsten 50 bis 100 Jahre habe. Es könne doch kein so großes Problem sein, den jetzt geplanten Bordellbetrieb an dieser Stelle durch ein schickes neues Wohnhaus mit bezahlbarem Wohnraum zu ersetzen. Das hätte noch den zusätzlichen Vorteil, dass dieser Bereich für alle wieder begehbar werde und auch die Innenstadt in den Abendstunden sicherer werden würde. Die Aufenthaltsqualität würde um ein Vielfaches gesteigert und eine Kita wäre dann dort machbar.

Dieser Bereich befinde sich in unmittelbarer Nähe zum historischen Rathaus und zu dem zumindest in den Sommermonaten gut besuchten Marktplatz. Das UNESCO-Welterbe, der Aachener Dom, werfe seinen Schatten auf diesen Bezirk, und es gebe auch Bestrebungen, das Weltkulturerbe auf den Pfalzbezirk auszudehnen. Er könne sich gut vorstellen, dass die Beibehaltung dieses Bordellbetriebs in der Antoniusstraße dafür ausgesprochen hinderlich wäre.

Er bittet alle, noch mal in sich zu gehen und sich für die Stadt Aachen und für eine Planung zu entscheiden, die die Stadt liebenswerter und attraktiver macht und nicht für einen durch Fraktionszwang und fehlende Einsicht herbeigeführten Beschluss.

 

Ratsfrau Lux, AfD, bedankt sich bei Herrn Weinspach für die kompetente Stellungnahme und die Einschätzung der Polizei. Bordellstraßen seien überall, ob innerorts angelegt oder außerorts, ein Magnet für Kriminalität jeglicher Art. Die Frage des Standortes sollte ergebnisoffen diskutiert werden. Allerdings sei der Beschlussvorschlag Alternative 1 eben nicht ergebnisoffen. Er sehe ein „Weiter so“ vor, ohne diese wichtige Standortfrage zu klären. Sie werde sich daher dem Beschlussvorschlag Alternative 2 anschließen, denn zunächst sollte über diese Standortfrage ergebnisoffen unter Einbindung der Polizei diskutiert und dann entschieden werden, wo das Bordell oder die Bordellstraße geplant wird. Erst dann könne man tatsächlich auch im Planungsverfahren weitermachen. Alles Weitere wäre vergeudete Arbeit.

 

Ratsherr Servos, SPD, äußert, dass die Umfeldkriminalität rund um die Antoniusstraße furchtbar sei. Zum Thema Schutz der Frauen sei zu sagen, dass es sozialromantisch sei, zu meinen, dass es in einem Bordell auf der grünen Wiese auch nur ein Deut besser wäre für die Frauen. Es werde jetzt über eine Stellungnahme eines der beteiligten Organe, in dem Fall der Polizei und des Polizeipräsidenten diskutiert. In der Debatte über die Planungsprämissen für dieses Verfahren seien aber wesentlich mehr Akteure gehört worden. Frau Oberstaatsanwältin Breuer habe sehr deutlich gemacht, dass die Antoniusstraße, so wie sie im Augenblick existiere, uns vor den Bandidos und den Hells Angels schütze, dass also die Verlagerung ein hohes Risiko, was die Kriminalität angeht, mit sich bringe. Solwodi und das Bistum und die Aidshilfe hätten sehr deutlich gemacht, dass eine Konstruktion wie das Pascha in Köln dazu führe, dass die Frauen doppelt ausgebeutet würden, einmal in der Prostitution und dann das zweite Mal, weil sie eben nicht rauskommen, wie das in Aachen in der Stadt der Fall sei. Dies komme in der Diskussion ein wenig zu kurz. Es sei ein ergebnisoffenes Verfahren, da gebe es auch nichts dran zu rütteln. Man habe alle Stellungnahmen im Planungsausschuss auf einen Haufen gelegt und dann überlegt, was ein guter Startpunkt sei. Das Ergebnis all dieser Beteiligungen, auch der Polizei in verschiedenen Gesprächen, in der Stellungnahme aus 2011, sei gewesen, zu sagen, dass das Milieu an der Stelle belassen werden sollte. Bei der Gesamteingabe, die dann komme, werde noch mal darüber diskutiert, wie damit weiter umgegangen werden soll. Dann könnte es natürlich auch passieren, dass Eingaben kommen, die uns insgesamt dazu bewegen würden, zu sagen, dass doch besser auf die grüne Wiese verlagert werden sollte. Er persönlich glaube das aber nicht. Dafür sei das Verfahren viel zu lange. Dies sei aber mit ergebnisoffen gemeint. Wenn in den letzten 20 Jahren kein sinnvoller alternativer Standort gefunden werden konnte, sei es fahrlässig, jetzt dieses Verfahren in die Tonne zu werfen und nicht zumindest die Verbesserung, die tatsächlich erreicht werden könnte, auch zu erreichen.

 

Ratsherr Pütz, Piraten, stimmt Herrn Servos voll und ganz zu. Außerdem müsse man bedenken, dass die Frauen um ihren Job wirklich nicht zu beneiden seien. Der Bereich sollte innerstädtisch sein. Dann habe man entweder die Option, es dort zu belassen, wo es seit 800 Jahren schon bekannt sei, oder man wolle irgendeine Alternative, wie ja von der FDP gefordert, die aber dann auch innerstädtisch sein solle. Eine solche Alternative, bei der die Anwohner nicht Sturm laufen würden und keine juristischen Probleme zu erwarten wären, werde aber seit 20 Jahren nicht gefunden. Das sei der Grund, warum die Planung so weiterlaufen solle und womit man den Frauen noch ein bisschen entgegenkommen könne, und deshalb unterstützten die Piraten auch die Alternative 1.

 

Sodann lässt Herr Oberbürgermeister Philipp über die beiden Alternativen des von den Fraktionen von CDU, SPD, Grüne, Die Linke und Piraten vorgelegten Beschlussvorschlages abstimmen.

 

Beschlussvorschlag Alternative 2 wird bei 5 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

 

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Beschlussvorschlag Alternative 1:

Der Rat der Stadt Aachen empfiehlt mehrheitlich dem Planungsausschuss, das Planverfahren „Altstadtquartier Büchel“ auf der Basis der Beschlussfassung vom 18.05.2017 fortzusetzen.